OGH 6Ob192/07i

OGH6Ob192/07i7.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien 1. Doris T*****, vertreten durch Dr. Michael Batlogg, Rechtsanwalt in Schruns, 2. Emilia S*****, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, sowie 3. Zvonko S*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen EUR 102.393,10 s.A., über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Mai 2007, GZ 2 R 70/07x-19, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29. Jänner 2007, GZ 38 Cg 82/06s-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Ausspruches bezüglich der erstbeklagten Partei insgesamt wie folgt zu lauten haben:

„Die erst- und drittbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von EUR 102.393,10 samt 4,25 % Zinsen und 4 % p.a. Überziehungszinsen, und zwar jeweils seit dem 2. 6. 2006 und bei jährlicher Kapitalisierung der Zinsen, zu bezahlen sowie die mit EUR 10.336,57 (darin EUR 1.303,99 USt und EUR 2.512,60 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.

Das Klagebegehren, die zweitbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von EUR 102.393,10 sA zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Drittbeklagte ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.689,80 (darin EUR 448,30 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 7.076,74 (darin EUR 322,19 USt und EUR 5.143,60 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 7.740,36 (darin EUR 1.290,06 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit EUR 6.196,80 (darin 448,30 USt und EUR 3.507 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 1.933,20 (darin 322,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Etwa im Jahr 1999 nahm die Erstbeklagte gemeinsam mit ihrem damaligen Ehegatten bei der E***** Bank ein Darlehen in nicht feststellbarer Höhe zum Zweck der Finanzierung des Eigenmittelanteils für den Erwerb eines Reihenhauses auf Mietkaufbasis auf. Im Jahr 1999 bezog die Erstbeklagte gemeinsam mit ihrem damaligen Ehegatten dieses Reihenhaus. In der Folge erfolgte eine Umschuldung dieses Darlehens zur klagenden Partei, um eine Verbesserung in den vertraglichen Konditionen zu erreichen.

Zum Zeitpunkt der Umschuldung bezog die Erstbeklagte ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 500 und ihr damaliger Ehegatte als Grenzgänger in der Schweiz ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.300. Weiters bezog das Ehepaar Familienbeihilfe für drei Kinder von monatlich EUR

525. Dem gegenüber standen Ausgaben von monatlich EUR 419 für Versicherungen sowie Zahlungen für einen Fondssparplan von EUR 122,67 monatlich sowie von weiteren EUR 100 jeweils vierteljährlich. Am 13. 5. 2005 unterfertigten die Erstbeklagte und ihr damaliger Ehegatte eine Krediturkunde. Im Rahmen des Kreditverhältnisses mit der klagenden Partei wurde der Erstbeklagten und deren Ehegatten ein Betrag von CHF 151.700 zur Verfügung gestellt. Vereinbart wurde eine monatliche Verzinsung im Nachhinein mit 2,5 % p.a. Für den Fall der Zahlungssäumnis wurden 4 % Verzugs- und Zinseszinsen vereinbart. Zu Beginn des Kreditverhältnisses betrug die Verzinsung 3,25 % und die monatliche Rate CHF 1.018. Die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte unterfertigten eine Bürgschaftserklärung. Der gesamte Kreditbetrag kam der Erstbeklagten und deren damaligem Ehegatten zu. Im Laufe des Jahres 2005 trennte sich die Erstbeklagte von ihrem Ehegatten. Im Zusammenhang damit trat eine Säumigkeit der Hauptschuldner im gegenständlichen Kreditverhältnis ein. Seitens der klagenden Partei wurde der Kreditbetrag mit Schreiben vom 15. 9. 2005 in Höhe von CHF 149.885,80 fällig gestellt. Per 1. 6. 2006 haftet der Kredit mit EUR 102.393,10 aus.

Die Klägerin begehrt von den drei beklagten Parteien zur ungeteilten Hand Zahlung von EUR 102.393 sA. Trotz mehrfacher Zahlungsaufforderungen und Nachfristsetzungen seien die Darlehensnehmer ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren. Die zweit- und drittbeklagten Parteien wandten ein, sie seien Konsumenten. Sie hätten die Bürgschaft lediglich aufgrund des emotionalen Naheverhältnisses zu ihrer Tochter, der Erstbeklagten, übernommen, obwohl sie aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Lage nicht in der Lage seien, die Bürgschaft zu begleichen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegen alle beklagten Parteien statt. Dabei ging es von einem Pensionseinkommen der Zweitbeklagten in Höhe von EUR 750 zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft und derzeit EUR 778 monatlich aus. Der Drittbeklagte bezog ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.219 14 x jährlich. Weder die Zweit- noch der Drittbeklagte verfügen über nennenswerte Vermögenswerte.

Zwar liege ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang der zweit- und drittbeklagten Parteien und ihrem Einkommen bzw ihrer Vermögenslage vor. Für die Annahme einer (Teil-)Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrages fehle jedoch das Kriterium einer verdünnten Entscheidungsfreiheit der zweit- und drittbeklagten Parteien, welches zu einer Missbilligung der Umstände des Zustandekommens des Bürgschaftsvertrages führen könne. Es sei zwar richtig, dass die zweit- und drittbeklagten Parteien die Eltern der erstbeklagten Partei seien, es gebe jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, eine seelische Zwangslage oder eine eheähnliche Drucksituation anzunehmen. Zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung sei auch keineswegs eine hoffnungslose Überschuldung der Hauptschuldner vorgelegen. Vielmehr sei davon auszugehen gewesen, dass diese aufgrund ihrer Einkünfte in der Lage sein würden, ihren Kreditverbindlichkeiten nachzukommen. Der Zahlungsverzug sei im Wesentlichen auf die ehelichen Probleme der Hauptschuldner zurückzuführen. Somit sei eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverpflichtungen zu verneinen; ebenso lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechtes nach § 25d KSchG nicht vor.

Das Ersturteil erwuchs gegen die Erstbeklagte in Rechtskraft. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der zweit- und drittbeklagten Parteien im klagsabweisenden Sinn ab. Es verneinte zunächst das Vorliegen der geltend gemachten Verfahrensmängel. In rechtlicher Hinsicht erwog es, die zweit- und drittbeklagten Parteien könnten sich nicht auf eine Leistungsfreiheit nach § 25c KSchG berufen. Das Familieneinkommen der Hauptschuldner habe bei Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung EUR 3.300 netto monatlich betragen, wobei diesem Einkommen keine nennenswerten monatlichen Verpflichtungen gegenüber gestanden seien. Die klagende Partei habe daher aufgrund der Einkommens- und Vermögenssituation der Hauptschuldner zu Recht davon ausgehen können, dass beide in der Lage sein würden, ihren laufenden Kreditverbindlichkeiten in Zukunft nachkommen zu können.

Hingegen sei § 25d KSchG anzuwenden. Der Höhe des Kreditvolumens bei Abschluss der Interzessionsvereinbarungen von rund EUR 90.000 und der monatlichen Rate von rund EUR 610 sei ein Pensionseinkommen der Zweitbeklagten von rund EUR 750 und ein monatliches Nettoeinkommen des Drittbeklagten von EUR 1.219 14 x jährlich, was einem Betrag von EUR 1.400 pro Monat entspreche, gegenübergestanden. Hier könne an dem krassen Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der beiden Interzedenten kein Zweifel bestehen, was der Klägerin angesichts ihrer Kenntnis der Vermögenssituation der beiden Interzedenten bekannt sein hätte müssen. Auch ein besonderes Interesse der klagenden Partei an der Haftungsbegründung der Interzedenten sei nicht ersichtlich. Selbst die Verfolgung eines geringfügigen Teilbetrages der geltend gemachten Forderung würde beide Interzedenten in eine erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen, während die Klägerin durch den Zuspruch eines im Verhältnis zur Gesamtforderung geringfügigen Teilbetrages keine für sie spürbare Entlastung erführe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist, wenngleich das Vorliegen eines unbilligen Missverhältnisses im Sinne des § 25d KSchG in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0112840, vgl auch RS0116208), im Interesse der Rechtssicherheit zulässig und teilweise berechtigt.

1.1. Nach § 25d KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit eines Interzedenten (§ 25c KSchG) insoweit mäßigen oder auch ganz erlassen, als sie in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten steht, sofern die Tatsache, dass der Verbraucher bloß Interzedent ist, und die Umstände, die dieses Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben, bei Begründung der Verbindlichkeit für den Gläubiger erkennbar waren. Eine Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 25d KSchG ist mithin, dass ein Verbraucher „interzediert". Interzedenten sind Personen, die eine Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse auf sich nehmen (Apathy in Schwimann, ABGB³ § 25c KSchG Rz 1; 7 Ob 65/04s ua). Bei der Beurteilung, in wessen Interesse die Übernahme der Verbindlichkeit liegt, ist von der Perspektive des Schuldners auszugehen (Krejci in Rummel, ABGB³ § 25c KSchG Rz 2). Von dem Begriff der „Interzession" sind jedenfalls die in § 25c KSchG angeführten Geschäftsformen erfasst (Mayrhofer in Fenyves/Kerscher/Vonkilch, Klang, ABGB³ § 25d KSchG Rz 13). Entscheidend ist, dass es sich um eine materiell fremde Schuld handelt (Krejci aaO Rz 3; Mayrhofer aaO Rz 12).

1.2. Entgegen der Rechtsansicht der klagenden Partei vermag der Umstand, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Umschuldung einer Schuld, für die die zweit- und drittbeklagten Parteien bereits gebürgt hatten, nichts am Vorliegen einer Interzession im Sinne des § 25c KSchG zu ändern. Der ursprüngliche Kredit wurde nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Jahr 1999, sohin nach Inkrafttreten der KSchG-Novelle 1997, aufgenommen. Damit fand aber das Mäßigungsrecht des § 25d KSchG auch bereits auf den ursprünglichen Kredit Anwendung. Ein die Anwendbarkeit des § 25d KSchG ausschließendes Eingehen oder Bekräftigen einer „eigenen" Schuld durch die zweit- und drittbeklagte Partei läge daher nur dann vor, wenn feststünde, dass diese zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft für den klagsgegenständlichen Kredit zur Rückführung des Saldos des ursprünglichen Kredits verpflichtet gewesen wären. Anders als in der Entscheidung 7 Ob 65/04s, auf die sich die klagende Partei beruft, besteht im vorliegenden Fall nicht der geringste Hinweis, dass die Umschuldung der Abdeckung einer eigenen Schuld der zweit- und drittbeklagten Parteien im Sinne einer Tilgung ihrer Zahlungspflicht wegen ihrer Mithaftung für den ursprünglichen Kredit diente; vielmehr sollte die Umschuldung nach den Feststellungen der Vorinstanzen ausschließlich die Inanspruchnahme günstigerer Konditionen ermöglichen.

1.3. Zudem übersieht die klagende Partei, dass das Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG in gleicher Weise beim ursprünglichen Kredit in Frage gekommen wäre. In diesem Sinne betonte der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung 7 Ob 65/04s, dass im fortgesetzten Verfahren die allfällige Sittenwidrigkeit früherer Haftungserklärungen der Beklagten ebenso zu prüfen sei wie die Frage, ob die damalige Kreditaufnahme auch in ihrem Interesse erfolgte und ob ein krasses Missverhältnis zwischen ihrer damaligen Vermögenssituation und dem Umfang der eingegangenen Schuld bestand. Wenngleich diese Entscheidung zur Rechtslage vor dem 1. 1. 1997 erging, muss Gleiches auch für die Mäßigungsmöglichkeit nach § 25d KSchG gelten. Träfe die Rechtsansicht der klagenden Partei zu, würde jede Umschuldung dem Bürgen die Berufung auf § 25d KSchG verwehren. Dass dies weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Gesetzes entspricht, liegt auf der Hand.

2. Die Umstände, die zu einer Mäßigung der Haftung des Interzedenten führen können, sind beispielhaft in § 25d Abs 2 KSchG angeführt („insbesondere"). Allerdings ist nicht erforderlich, dass für die Herbeiführung der Rechtsfolge des § 25d KSchG immer sämtliche angeführte Umstände verwirklicht sein müssen (Mayrhofer aaO § 25d KSchG Rz 28). Vielmehr ist nach dem Gesetzeswortlaut zwar nicht ohne weiteres ein gänzlicher Erlass, wohl aber eine Ermäßigung der Verbindlichkeit des Interzedenten bereits ohne Verwirklichung eines der im § 25d Abs 2 Z 4 KSchG genannten Tatbestände möglich (Mayrhofer aaO Rz 28 und 35). Die Umstände des § 25d Abs 2 KSchG bilden keine starren Tatbestände, sondern können in unterschiedlicher Intensität verwirklicht sein (Mayrhofer aaO Rz 28). Die Rechtsfolge ist abgestuft aus dem konkreten Zusammentreffen der näheren Umstände zu gewinnen und es genügt dafür, wenn auch nur einzelne Kriterien verwirklicht sind, unter Umständen aber mit besonderer Intensität. Damit stehen die Kriterien des § 25d Abs 2 KSchG in einem beweglichen System (Mayrhofer aaO Rz 28 mwN). Wenngleich das Kriterium des krassen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit des Interzedenten und dessen Verpflichtung hier nicht (nochmals) unmittelbar einbezogen werden kann, ist dieses Kriterium doch der Abstufung zugänglich und hat Einfluss auf die Gesamtbewertung (vgl Mayrhofer aaO).

Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach das Vorliegen einer verdünnten Entscheidungsfreiheit des Interzedenten nicht nur Voraussetzung für die Sittenwidrigkeitsprüfung ist (vgl dazu Graf, ÖBA 1995, 778; ÖBA 2000/884, 619), sondern auch für das Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG erforderlich ist, trifft daher nicht zu.

3. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die zur Mäßigung im Sinne des § 25d KSchG führenden Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung so weit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits erkennbar waren (RIS-Justiz RS0113934; aA Krejci in Rummel, ABGB³ § 25d KSchG Rz 5). Ein späteres, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorhandenes Missverhältnis zwischen eingegangener Verpflichtung und Leistungsfähigkeit des Interzedenten kann daher nicht zu einer Mäßigung im Sinne des § 25d KSchG führen (RIS-Justiz RS0113934). In diesem Sinne kann daher eine nachträgliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Interzedenten die Anwendbarkeit des § 25d KSchG ausschließen (RIS-Justiz RS0113934; Mayrhofer aaO § 25d KSchG Rz 24). Nachträgliche Verschlechterungen der Leistungsfähigkeit des Interzedenten können hingegen nur insoweit Beachtung finden, als die dazu führenden Ursachen dem Gläubiger bekannt waren oder bekannt sein mussten und dieses Risiko sohin für den Gläubiger vorhersehbar war (vgl Mayrhofer aaO Rz 24 aE).

4. Hinsichtlich der Zweitbeklagten tritt der Oberste Gerichtshof der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes bei (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Zweitbeklagte verfügte als Pensionistin nur über ein äußerst geringes Einkommen. Ihrem Pensionseinkommen von netto EUR 750 monatlich stand eine monatliche Kreditbelastung von rund EUR 610 gegenüber. Die Zweitbeklagte zog abgesehen von dem Umstand, dass die Konditionsverbesserung mittelbar auch ihr zugute kam, keinen Nutzen aus dem aufgenommenen Kredit. Hier ist nochmals darauf zu verweisen, dass - entgegen der Rechtsansicht der klagenden Partei - keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte zur Zahlung des ursprünglichen Kredites in voller Höhe verpflichtet gewesen wäre. Die genannten Umstände waren für die klagende Partei auch erkennbar. Weiters hatte die klagende Partei keinerlei schutzwürdiges Interesse an der Interzession der Zweitbeklagten (vgl § 25d Abs 2 Z 1 KSchG). Ein derartiges Interesse kann trotz Fehlens ausreichenden Einkommens oder Vermögens des Interzedenten etwa dann bestehen, wenn die Gefahr besteht, dass der Hauptschuldner Teile seines Vermögens an seine Angehörigen veräußert, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen (Mayrhofer aaO § 25d KSchG Rz 30). Allerdings ist stets im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich der Gläubiger von derartigen Überlegungen leiten ließ (Mayrhofer aaO Rz 31). Im vorliegenden Fall bestehen nach den Feststellungen der Vorinstanzen keinerlei Hinweise in diese Richtung.

Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vermag die klagende Partei insofern nur ins Treffen zu führen, dass das Berufungsgericht eine „grob unbillige, unvertretbare Ermessensentscheidung" getroffen hätte. Mit dieser Floskel ohne nähere konkrete Begründung wird jedoch keine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht aufgezeigt.

5.1. Hingegen verweist die klagende Partei zutreffend darauf, dass der Drittbeklagte über ein wesentlich höheres Einkommen verfügte. Die Vorinstanzen gingen dabei rechtsirrig nur vom derzeit bezogenen Einkommen des Drittbeklagten aus. Zum - rechtlich allein entscheidenden - Einkommen zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft gab ein als Zeuge vernommener Angestellter der klagenden Partei an, der Drittbeklagte habe damals ein monatliches Nettoeinkommen von EUR

1.690 12 x jährlich nachgewiesen (AS 62 = Seite 8 in ON 12). Diese Angabe bezeichnete der Beklagtenvertreter ausdrücklich als „richtig" (AS 71 = Seite 17 in ON 12). Im Hinblick auf dieses ausdrückliche Geständnis (§ 266 ZPO) war aber bei der rechtlichen Beurteilung diese Einkommenshöhe zugrundezulegen.

5.2. Das Missverhältnis zwischen Höhe des Einkommens und Höhe der übernommenen Verbindlichkeit erweist sich hier als weniger krass. Aus einem Nettoeinkommen von EUR 1.690, wobei die Zweitbeklagte gleichfalls über ein - wenn auch nicht allzu hohes - Einkommen verfügte, erscheinen die Kreditrückzahlungen von EUR 690 monatlich ohne weiteres aufzubringen. Dass der Drittbeklagte den Kreditbetrag nicht auf einmal zurückzahlen konnte, ist demgegenüber nicht entscheidend. Bei der Beurteilung der Übermäßigkeit der eingegangenen Verpflichtung ist vielmehr die konkret vereinbarte Rückzahlungsdauer zu berücksichtigen. Dass ein zum Erwerb eines Hauses aufgenommener Kredit nur langfristig zurückgezahlt werden kann, ist auch keineswegs ungewöhnlich. Eine langfristige Belastung mit Kreditrückzahlungen wird von der Rechtsordnung keineswegs missbilligt. Andernfalls würde man weiten Kreisen der Bevölkerung im Ergebnis die Inanspruchnahme eines Kredits überhaupt verwehren. Das geringe Eigeninteresse des Drittbeklagten an dem Kredit reicht für sich genommen für eine Mäßigung der Haftung jedenfalls nicht aus.

5.3. Diese Überlegung wird auch durch einen ergänzenden Blick auf die Wertungen des Exekutionsrechts gestützt: Bei einem Monatseinkommen von EUR 1.690,12 (ohne Sonderzahlungen) ist ein Betrag von EUR 1.096,90 unpfändbar. Damit wäre aber beim Drittbeklagten bei einer Lohnpfändung nahezu ein Betrag in Höhe der monatlichen Rückzahlungsraten pfändbar. Wenngleich eine allfällige spätere Unmöglichkeit der Hereinbringung eines Betrages im Exekutionsverfahren noch keinen Rückschluss auf die im Titelverfahren zu beurteilende Höhe der Verpflichtung zuließe, bietet das Exekutionsrecht dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - bereits das pfändbare Einkommen die Höhe der monatlichen Rückzahlungsverpflichtung nahezu erreicht, einen Hinweis darauf, dass die Übernahme derartiger Verbindlichkeiten nach der Wertung des Gesetzes nicht unangemessen ist.

6. In teilweiser Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen daher insoweit abzuändern. Im Hinblick auf Abänderung war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Diese gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die zweitbeklagte Partei hat in allen Instanzen zur Gänze obsiegt und daher Anspruch auf vollen Kostenersatz. Dem gegenüber ist die drittbeklagte Partei zur Gänze unterlegen und hat daher der klagenden Partei die Kosten aller Instanzen zu ersetzen. Dabei war jedoch der klagenden Partei für das Berufungs- und Revisionsverfahren kein Streitgenossenzuschlag zuzuerkennen, weil sie insoweit nur in Ansehung einer einzigen Partei, nämlich der drittbeklagten Partei, erfolgreich war. Für das erstinstanzliche Verfahren war der klagenden Partei der Ersatz der gesamten Kosten, jedoch wegen der Abweisung hinsichtlich der zweitbeklagten Partei nur mit 10 % Einheitssatz, zuzusprechen (4 Ob 77/95; 6 Ob 188/02a; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 232 aE). Im Übrigen wurden hinsichtlich der ziffernmäßigen Höhe des Kostenersatzes die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen zugrundegelegt, soweit diese durch die Abänderung nicht betroffen waren.

Stichworte