Spruch:
Beide Rekurse werden zurückgewiesen.
Die Kläger, die Beklagte sowie die Nebenintervenientin haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Erstkläger schloss mit der beklagten Gesellschaft einen Wartungsvertrag über eine Alarmanlage, die zur Sicherung der von ihm und seiner Ehefrau (der Zweitklägerin) bewohnten Dachterrassenwohnung installiert worden war. Im Falle eines Einbruchs sollte ein sogenannter „stiller Alarm“ ausgelöst und über ein Sprachwahlgerät der Erstkläger, der Hausmeister und ein privates Sicherheitsunternehmen verständigt werden.
Am 25. 7. 2009 brachen unbekannt gebliebene Täter über die Dachterrasse in die Wohnung ein, nahmen zahlreiche, nicht versperrt aufbewahrte Schmuckstücke und Uhren im Wert von insgesamt 397.343 EUR an sich und verließen die Wohnung nach (nur) acht Minuten über das Stiegenhaus. Die Alarmanlage erfasste zwar den Einbruch, leitete den Alarm aber nicht weiter, da zu diesem Zeitpunkt im Sprachwahlgerät keine Rufnummern gespeichert waren.
Die Kläger gründeten ihre Schadenersatzansprüche auf die Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem Wartungsvertrag bzw „aus den Tätigkeiten und/oder Untätigkeiten um den bzw vor dem 24. 7. 2009“ (AS 53). Die Fehlfunktion sei insbesondere auf die im Jahr 2009 nicht fristgerechte (unterlassene) Wartung zurückzuführen.
Die Beklagte wendete unter anderem ein, selbst bei Weiterleiten des Alarms hätte der Schaden infolge des nur acht Minuten dauernden Einbruchs („Blitzcoup“) durch das Eingreifen des Hausmeisters bzw der Polizeibeamten nicht verhindert werden können.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten (in deren Auftrag die Beklagte als Subunternehmerin im Zuge der Errichtung der Dachterrassenwohnung im Jahr 2002 die Alarmanlage installiert hatte) schloss sich im wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten an.
Das Erstgericht erkannte (in Form eines Teil-Zwischenurteils), dass die Klageforderung dem Grund nach mit zwei Drittel zu Recht bestehe und wies das Leistungsmehrbegehren von 126.448,66 EUR sA ab.
Aus den vom Erstgericht getroffenen (weiteren) Feststellungen ist hervorzuheben, dass etwa ein Jahr vor dem Einbruchsdiebstahl, nämlich am 27. 6. 2008 ein Ereignis stattgefunden hatte, das den gänzlichen Ausfall der Alarmanlage verursacht hatte. Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten am 2./3. 7. 2008 den Schaden durch den Austausch einer Sicherung und eines Blockschlosses behoben hatte, wäre eine anschließende vollständige Funktionsüberprüfung durch Auslösen eines Probealarms erforderlich gewesen. Ein solcher unterblieb, hätte aber bereits damals aufgezeigt, dass durch das Ereignis vom 27. 6. 2008 auch das Wählgerät beschädigt und dessen Rufnummernspeicher gelöscht worden war. Weiters traf das Erstgericht zahlreiche - teils negative - Feststellungen zum Ablauf der Geschehnisse, die stattgefunden hätten, wenn es zur Weiterleitung des Alarms gekommen wäre. Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, dass die Unterlassung der notwendigen Funktionsprüfung anlässlich des Austausches der Sicherung und des Blockschlosses im Jahr 2008 eine Verletzung des Servicevertrags darstelle. In einem zweiten Schritt sei auf der Kausalitätsebene zu prüfen, ob der Schaden bei ordnungsgemäßen Auslösen des „stillen Alarms“ verhindert hätte werden können. Ähnlich wie bei der Arzthaftung sei dabei der Anscheinsbeweis anzuwenden. Mit dessen Hilfe sei den Klägern der Beweis gelungen, dass der Verlust der Schmuckstücke und Uhren durch das Eingreifen des Hausmeisters und der Polizei abgewendet hätte werden können. Ausgehend vom Anscheinsbeweis gehe es zu Lasten der Beklagten, dass keine (positive) Feststellung dazu getroffen werden konnte, nach der der Schaden bei ordnungsgemäßem Funktionieren der Anlage durch das Eingreifen des Hausmeisters und der von diesem alarmierten Polizeibeamten vermieden worden wäre. Den Klägern sei ein Mitverschulden von einem Drittel anzulasten, weil sie die Schmuckstücke und Uhren nicht versperrt aufbewahrt hatten.
Das Berufungsgericht gab den von den Klägern und der Beklagten erhobenen Berufungen Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, der Anscheinsbeweis gelange nicht zur Anwendung, weil im vorliegenden Fall kein tauglicher Erfahrungssatz bestehe und kein entsprechender Beweisnotstand der Kläger gegeben sei. Auch unter der Voraussetzung eines rechtswidrig schuldhaften Verhaltens (Unterlassens) der Mitarbeiter der Beklagten hätten die Kläger daher zu beweisen, dass das Funktionieren des Sprachwahlgeräts den Verlust der Schmuckstücke und Uhren verhindert hätte. Dabei sei als Beweismaß auf die überwiegende (und nicht die hohe) Wahrscheinlichkeit abzustellen, weil ein schwer zu beweisender fiktiver Geschehensablauf gegeben sei. Da das Erstgericht zur Frage der Kausalität unzureichende und teils widersprüchliche Feststellungen getroffen habe, sei bisher nicht beurteilbar, ob der Schaden bei ordnungsgemäßem Funktionieren der Alarmanlage auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Das Ersturteil sei daher wegen rechtlicher Feststellungsmängel aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, im fortgesetzten Verfahren widerspruchsfreie Tatsachenfeststellungen zu treffen, die eine Beurteilung der Kausalität ermöglichen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Kausalitätsbeweis in Fällen wie dem vorliegenden fehlten.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO) - mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
Vorerst ist festzuhalten, dass gegen einen zweitinstanzlichen Beschluss, mit dem ein Teilurteil (hier: Teil-Zwischenurteil) aufgehoben und die Zulässigkeit des Rekurses ausgesprochen wurde, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht absolut unzulässig ist (2 Ob 153/08a = RIS-Justiz RS0125396).
I. Zum Rekurs der Kläger:
1. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, hat jede Partei grundsätzlich die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797; RS0109832). Dem Geschädigten obliegt somit der Beweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens, auch wenn es sich - wie hier - um eine Unterlassung handelt (RIS-Justiz RS0022664 [T5]). Dass der Beweis des Kausalzusammenhangs grundsätzlich vom Geschädigten zu erbringen ist, gilt auch dann, wenn im Einzelfall der Nachweis schwierig oder gar nicht möglich ist (RIS-Justiz RS0037694 [T7]).
2.1. Eine Unterlassung ist ursächlich, wenn bei pflichtgemäßem positivem Tun der Schaden nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022913). Im vorliegenden Fall obliegt den Klägern demnach der Beweis dafür, dass die ordnungsgemäße Wartung und die dadurch ermöglichte Weiterleitung des „stillen Alarms“ den Verlust der Schmuckstücke und Uhren verhindert hätte.
2.2. Bei dem - zu einer Beweiserleichterung führenden - Anscheinsbeweis erfolgt eine Verschiebung des Beweisthemas von den tatbestandsmäßig geforderten Tatsachen auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (RIS-Justiz RS0040274). Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung, dass zwischen den tatsächlich bewiesenen Tatsachen und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement eine „typische formelhafte Verknüpfung“ besteht und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein solcher „Geschehensablauf“ gegeben ist. Er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RIS-Justiz RS0040287; RS0040266). Der Erfahrungssatz muss sich aus einem gleichmäßigen, sich immer wiederholenden Hergang ergeben („typischer Geschehensablauf“), dem neuesten Stand der Erfahrungen entsprechen sowie eindeutig und in jederzeit überprüfbarer Weise formuliert werden können (6 Ob 58/08k). Er kommt dort nicht zur Anwendung, wo der Kausalablauf durch einen individuellen freien Willensentschluss eines Menschen bestimmt werden kann (RIS-Justiz RS0040288; Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 58).
2.3. Ein bestimmter formelhafter Geschehensablauf ist bei einer im Zuge eines Einbruchsdiebstahls unterbliebenen Weiterleitung eines „stillen Alarms“ das heißt, ohne Auslösung einer akustischen Warnung, die Täter zur vorzeitigen Aufgabe bewegen könnte, infolge Verletzung des Servicevertrags aber keineswegs typisch. Vielmehr wird in derartigen Fällen der Geschehensablauf regelmäßig von individuellen Willensentschlüssen mehrerer Personen bestimmt. Er hängt nicht nur maßgeblich von der „Professionalität“ der Täter ab, sondern auch von der Schnelligkeit und vom zielgerichteten Handeln weiterer Personen, (hier des Hausmeisters und der in der Folge von diesem verständigten Polizeibeamten). Es liegt kein Tatbestand mit typischem Geschehensablauf vor, der aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze allein den Schluss von einem bestimmten Ereignis (unterbliebene Weiterleitung des „stillen Alarms“ infolge Verletzung des Servicevertrags) auf einen bestimmten Erfolg (die Verhinderung des Einbruchs oder die Festnahme der flüchtenden Täter und die Sicherstellung allenfalls erbeuteter Wertgegenstände) zuließe. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, den Klägern stehe bei der Frage, ob die Weiterleitung des „stillen Alarms“ den Schaden verhindert hätte, die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises nicht zu, weicht von den oben wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab.
3.1. Die Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs sind bei einer (angeblichen) Schädigung durch Unterlassen geringer als jene an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich nämlich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat. Der Geschädigte ist daher nur dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Schädigers herbeigeführt worden (RIS-Justiz RS0022900 [T14]). Nach ständiger Rechtsprechung genügt deshalb die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0022700 [T5 und T7]; RS0022900 [insb T8]). Dieses Kriterium liegt unter dem Regelbeweismaß der ZPO, wonach für eine (Positiv-)Feststellung eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 11, 13).
Auch mit diesen in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang.
4. Ausgehend davon, dass den Klägern der Anscheinsbeweis nicht zu Gute kommt, erachtete das Berufungsgericht die bisher getroffenen Feststellungen des Erstgerichts zur Kausalität der der Beklagten vorgeworfenen Unterlassungen aus dem Wartungsvertrag für den Verlust der Schmuckstücke und Uhren als widersprüchlich und für eine abschließende Beurteilung nicht zureichend. „Der Vollständigkeit halber“ wies das Berufungsgericht auch darauf hin, dass die Beklagte in ihrer Tatsachenrüge an mehreren Stellen - nach Ansicht des Berufungsgerichts - zutreffende Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts geäußert hat. An die vom Berufungsgericht zur Beweiswürdigung geäußerten Ansichten ist das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren aber nicht gebunden, sondern nur an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses (§ 499 Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0040132 [T4]; RS0042181 [T5]). Ein Mangel des Berufungsverfahrens, den die Rekurswerber darin sehen, dass die „Vorgaben“ des Berufungsgerichts „einer Änderung der getroffenen Feststellungen gleich zu halten seien“ und eine Vorgangsweise gemäß § 488 Abs 4 ZPO erfordert hätten, ist daher zu verneinen.
II. Zum Rekurs der Beklagten:
Mit ihren Ausführungen, es sei Entscheidungsreife im Sinne einer Klageabweisung gegeben, weil die vorhandenen Sachverhaltsfeststellungen ausreichten, um davon ausgehen zu können, dass den Klägern der Kausalitätsbeweis nicht gelungen sei, zeigt die Rekurswerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Hält das Berufungsgericht, ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht, die erstgerichtlichen Feststellungen für unzureichend und weitere Feststellungen für erforderlich, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht auch Tatsacheninstanz ist, dem nach ständiger Rechtsprechung nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0043414 [T8]; Kodek in Rechberger 3, § 519 ZPO Rz 26).
Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, so sind die Rekurse zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Kläger, die Beklagte und auch die Nebenintervenientin haben in ihren Rekursbeantwortungen nicht die Zurückweisung des Rekurses der Gegenseite als unzulässig beantragt. Ein nach neuerer Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0123222) grundsätzlich möglicher Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung bei Zurückweisung des Rekurses kommt daher hier nicht in Betracht (8 ObA 42/09y uva; Obermaier 2 Kostenhandbuch Rz 423).
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