OGH 10ObS160/12w

OGH10ObS160/12w20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Monika Lanz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andreas Hach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. September 2012, GZ 7 Rs 56/12b‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:010OBS00160.12W.1120.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geht der Berufsschutz auch dann nicht verloren, wenn in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in der Praxis nur noch Teiltätigkeiten des erlernten bzw angelernten Berufs ausgeübt werden, sofern diese quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend waren (RIS-Justiz RS0084497). Entscheidend ist, ob ein Kernbereich der Ausbildung auch bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden muss (10 ObS 345/99d, SSV-NF 14/18; 10 ObS 54/00i, SSV‑NF 14/38; 10 ObS 85/09m, SSV-NF 23/57; jüngst: 10 ObS 105/12g).

2. Was berufsschutzerhaltende Tätigkeiten von Berufskraftfahrern betrifft, verweisen die Entscheidungen 10 ObS 85/09m (SSV-NF 23/57) und 10 ObS 98/11a darauf, dass beispielsweise die Tätigkeiten als LKW-Lenker (teilweise im grenzüberschreitenden Verkehr) und als Busfahrer oder die Tätigkeit als Autobusfahrer im internationalen Einsatz den bereits vorher erworbenen Berufsschutz ebenso erhalten (10 ObS 345/99d, SSV‑NF 14/18 und 10 ObS 365/99w, SSV‑NF 14/19), wie die Tätigkeit als Chauffeur im Viehtransport, verbunden mit der Wartung des Fahrzeugs und der Ausfüllung von Formularen (10 ObS 90/02m, SSV-NF 16/79); auch die Verweisung auf die Tätigkeiten eines Fahrers von Dienstpersonenkraftwagen und eines Direktionschauffeurs (10 ObS 205/97p) wurde insoweit nicht beanstandet und zuletzt ausgeführt, dass es sich beim Beruf des Fuhrparkdisponenten ebenfalls um eine qualifizierte, den Berufsschutz als Berufskraftfahrer erhaltende Teiltätigkeit handelt (RIS-Justiz RS0084497 [T25] = RS0084792 [T19]).

3. Die Tätigkeit eines Straßenbahnfahrers wurde dagegen (bereits) für die Erhaltung des Berufsschutzes als Berufskraftfahrer „als ungeeignet“ bezeichnet (10 ObS 98/11a unter Verweisung auf 10 ObS 272/92, SSV-NF 6/147 und 10 ObS 411/98h, ARD 5061/13/99 [= SSV-NF 13/18 = RIS‑Justiz RS0084497 {T8}, wonach die Tätigkeit als Tankwart mit kleineren Kfz-Reparaturarbeiten zeitlich untergeordneten Umfanges nicht den Berufsschutz als gelernter Kfz-Mechaniker erhält]):

3.1. Der erworbene Berufsschutz bleibt nämlich, wenn später überwiegend nur Teiltätigkeiten ausgeübt werden, nur dann erhalten, wenn die spätere Tätigkeit in ihrer Gesamtheit noch als Ausübung des erlernten oder angelernten Berufs anzusehen ist (RIS-Justiz RS0084497 [T1]; 10 ObS 58/95, SSV-NF 9/35 mwN). Entscheidend ist somit, ob ein Kernbereich der Ausbildung auch bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden muss (10 ObS 369/89, SSV‑NF 4/2; RIS-Justiz RS0084497 [T15]). Die Ausübung einer Teiltätigkeit, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, vermag demgegenüber einen vorher bestehenden Berufsschutz nicht aufrecht zu erhalten (RIS‑Justiz RS0084497 [T3] dort: Gelernter Spengler und Installateur, der als technischer Hausarbeiter überwiegend [62 % der Arbeitszeit] nicht berufsspezifische Hilfstätigkeiten ausübte).

3.2. Entgegen dem Standpunkt des Klägers in der Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision kann die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten, als quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend angesehen werden können und damit berufsschutzerhaltend sind, aber nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0084497 [T20], RS0084541 [T7, T21]; 10 ObS 98/11a mwN). Es wird daher keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, wenn der Rechtsmittelwerber dem Berufungsgericht ‑ wie hier ‑ allein vorwirft, „eine qualitativ zu hohe Anforderung für den Erhalt des Berufsschutzes“ (als gelernter Berufskraftfahrer) gestellt zu haben.

3.3. Für die Prüfung dieser Frage ist die genaue Feststellung der konkret ausgeübten Tätigkeiten erforderlich (RIS-Justiz RS0112425), der dafür verwertbaren Teile der Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten des erlernten (angelernten) Berufs sowie der zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und der Umstände, unter denen sie erworben werden können (10 ObS 192/02m, SSV-NF 16/75; 10 ObS 10/00v, SSV-NF 14/20; 10 ObS 98/11a ua). Dabei ist neben dem festgestellten Inhalt der Tätigkeit auch die Einschulungs- oder Einweisungszeit wesentlich, die ein ungelernter Arbeiter benötigt, um solche Tätigkeiten verrichten zu können (10 ObS 290/99s, SSV-NF 13/129). Bei der Frage, ob bestimmte Tätigkeiten berufsschutzerhaltend sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage (10 ObS 98/11a mit Hinweis auf RIS-Justiz RS0084541 [T16]).

4. Von diesen, in den bekämpften Entscheidungen zutreffend wiedergegebenen Grundsätzen ausgehend, wurde im vorliegenden Fall detailliert ermittelt, welche Tätigkeiten der Kläger als Gemeindearbeiter (ab 1. 7. 1990) verrichtet hat. Die dazu umfassend getroffenen Feststellungen sind im Revisionsverfahren nicht mehr anzuzweifeln. Sie wurden von den Vorinstanzen in vertretbarer Weise (übereinstimmend) dahin beurteilt, dass er (nach dem Gesamtbild aller Tätigkeitsfelder [vgl dazu 10 ObS 2146/96b]) keine berufsschutzerhaltende Tätigkeit für seinen erlernten Beruf verrichtet hat:

Autobus- und LKW-Transporte wären zwar qualitativ wesentliche Teiltätigkeiten des erlernten Berufs gewesen, wurden aber nicht in zeitlich ausreichendem Ausmaß ausgeübt, und die mit dem Traktor bzw Kran verrichteten Arbeiten konnten als Hilfstätigkeiten den Berufsschutz als gelernter Kraftfahrer nicht erhalten.

5. Dass sich der Kläger nach den Feststellungen auf die Tätigkeiten eines Kontrollarbeiters, Portiers, Wächters, Aufsehers oder Parkgaragenkassiers verweisen lassen muss, wenn ihm kein Berufsschutz zukommt, bildet keinen Streitpunkt. Erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellen sich daher nicht.

Stichworte