OGH 7Ob237/11w

OGH7Ob237/11w30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Unterbringungssache des Patienten Ing. W***** K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Abteilungsleiters Prim. Univ.‑Prof. DDr. P***** F*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Oktober 2011, GZ 43 R 579/11g, 43 R 580/11d‑22, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Donaustadt vom 18. August 2011 und vom 1. September 2011, GZ 34 Ub 282/11v‑3 und ‑12, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Patienten auf Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Patient war vom 16. 8. bis 8. 9. 2011 ohne sein Verlangen in der psychiatrischen Abteilung des S***** (*****spital) untergebracht. Mit Beschluss vom 19. 9. 2011 (ON 17) wurde das gerichtliche Unterbringungsverfahren infolge Aufhebung der Unterbringung eingestellt.

Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom 18. 8. 2011 (ON 3) zunächst (im Rahmen der Erstanhörung) die Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt und in der Folge mit Beschluss vom 1. 9. 2011 (verkündet in ON 12, ausgefertigt in ON 13) ausgesprochen, dass sie gemäß § 26 Abs 2 UbG „weiterhin zulässig“ sei und die Unterbringungsfrist mit Ablauf des 29. 9. 2011 ende.

Das Rekursgericht gab dem gegen beide Beschlüsse erhobenen Rekurs des Patienten Folge und änderte sie dahin ab, es werde festgestellt, dass die Unterbringung im Spital S***** von 16. 8. 2011 bis 8. 9. 2011 „nicht dem Gesetz entsprach“. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu. Rechtlich verwies es auf die Rechtsprechung, wonach ein Patient nur dann im Sinn des UbG untergebracht werden dürfe, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle freiheitsentziehender Maßnahmen entsprechend habe die gerichtliche Nachprüfung sowohl in materieller als auch formeller (insbesondere verfahrensrechtlicher) Hinsicht zu erfolgen (4 Ob 192/98h; 6 Ob 48/06m; 3 Ob 179/05b [vom 27. 6. 2006]; Kopetzki, Unterbringungsrecht 626 ff).

Gemäß § 10 Abs 1 UbG idgF (seit 1. 7. 2010) habe der „Abteilungsleiter“ die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie dürfe nur aufgenommen werden, wenn nach „seinem“ ärztlichen Zeugnis die Voraussetzungen für die Unterbringung vorlägen. Ein zweites Zeugnis „durch einen Facharzt“ sei hingegen (gemäß § 10 Abs 3 UbG) nur über Verlangen zu erstellen.

Im vorliegenden Fall sei das ärztliche Zeugnis (ON 1) nicht vom Abteilungsleiter, sondern von einem Facharzt erstellt worden. Da die formellen Voraussetzungen der Unterbringung „sehr streng“ auszulegen seien, könne das (auch nur formelle) Fehlen eines ordnungsgemäßen ärztlichen Zeugnisses ‑ ebenso wie etwa eine verspätete Verständigung des Patientenanwalts ‑ nur dazu führen, dass die Unterbringung für unzulässig erklärt werde.

Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG lägen angesichts der genannten Entscheidungen und des Umstands, dass die Beurteilung des konkreten Sachverhalts im Vordergrund stehe, nicht vor.

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Abteilungsleiters ist zur Klarstellung der neuen Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Was seine Rechtsmittelbefugnis betrifft, beruft sich der Revisionsrekurswerber auf § 28 Abs 2 UbG idF BGBl I 2010/18, wo die Rekurslegitimation des Abteilungsleiters nunmehr ausdrücklich normiert sei. Die gegenteilige frühere ständige Rechtsprechung sei obsolet.

In der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung bestreitet der Patient hingegen die Rechtsmittelbefugnis des Abteilungsleiters. Nach ständiger Rechtsprechung fehle diesem infolge Aufhebung der Unterbringung die Beschwer, weil er nur die Interessen des Untergebrachten zu verfolgen habe. Der Bestimmung des § 28 Abs 2 UbG idgF sei ein Recht des Abteilungsleiters zur Erhebung eines Revisionsrekurses nicht zu entnehmen.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Für die Rechtslage vor der Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010 (Ub-HeimAuf-Nov 2010), BGBl I 2010/18, entsprach es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dann, wenn ‑ wie hier ‑ eine Unterbringung bereits aufgehoben wurde, in Erledigung eines Rechtsmittels des Abteilungsleiters nur ausgesprochen hätte werden können, dass die Unterbringung weiterhin zulässig wäre. Eine Entscheidung, dass die weitere Unterbringung berechtigt gewesen wäre, war somit rein theoretischer Natur, sodass das Rechtsmittelrecht des Anstaltsleiters bzw Abteilungsleiters bei einer solchen Sachlage verneint wurde (RIS-Justiz, RS0075954; RS0075987; RS0076104; RS0007806). Der Abteilungsleiter hatte ‑ nach ständiger Rechtsprechung zur früheren Rechtslage ‑ nur die Interessen der Patienten zu wahren; sein Rekursrecht diente nicht der Abwehr des durch eine gerichtliche Sachentscheidung gegen die Anstalt gerichteten Vorwurfs gesetzwidriger Vorgangsweise gegenüber einem Kranken. An diesen Grundsätzen hat der Oberste Gerichtshof für die frühere Rechtslage auch in Ansehung der bereits geplanten ‑ und schließlich auch erfolgten ‑ gesetzlichen Änderungen im Zusammenhang mit der Ub-HeimAuf-Nov 2010 ausdrücklich festgehalten (6 Ob 185/10i; 8 Ob 106/10m mwN).

In Abkehr von dieser Rechtsprechung normiert § 20 Abs 2 UbG idgF, dass der Rekurs des Abteilungsleiters gegen die Unzulässigerklärung der Unterbringung auch dann inhaltlich zu behandeln ist, wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und die Unterbringung deshalb bereits aufgehoben ist. Daraus ist allgemein abzuleiten, dass das Rekursrecht dem Abteilungsleiter unabhängig vom Fortbestehen der Unterbringung zukommt (Zak 2010/176, 110 [111] unter Hinweis auf RV 601 BlgNR 24. GP 12). Außerdem hat die Ub-HeimAuf-Nov 2010 mit § 38a UbG auch eine spezielle Bestimmung für das Verfahren bei der „nachträglichen Überprüfung“ eingefügt, nach deren Abs 3 nunmehr dem Abteilungsleiter ein Rekursrecht gegen den Beschluss, mit dem eine ärztliche Behandlung (nachträglich) für unzulässig erklärt wird, zukommt (6 Ob 185/10i; G. Jelinek, Die nachträgliche Überprüfung im UbG und HeimAufG, iFamZ‑Spezial Juli 2010, 15 ff [17]).

Mit der Ub-HeimAuf-Nov 2010 wurde dem Abteilungsleiter somit ein unbeschränktes Rechtsmittelrecht für den Fall zugestanden, dass eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird. Daher ist ihm auch ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen, und zwar sowohl im Interesse der Allgemeinheit als auch im Interesse seiner Anstalt, welches unabhängig von der Aufhebung der Unterbringung aufrecht bleibt. Es besteht sowohl für die Allgemeinheit als auch für die Anstalt ein Interesse daran, auch für die Zukunft abzuklären, ob diese Unterbringung zulässig ist/war oder nicht (vgl 7 Ob 43/10i [zu § 16 Abs 2 HeimAufG, wo die Rechtsmittelbefugnis des Leiters der Einrichtung im Fall von Beschlüssen, mit denen eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, auch nach dem Tod des Bewohners bejaht wurde]).

Diese Regelungen traten gemäß § 42 Abs 3 UbG am 1. 7. 2010 in Kraft. Nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts (25. 10. 2011) ist im vorliegenden Fall daher bereits die neue Rechtslage anzuwenden, wonach dem Abteilungsleiter das ‑ in § 28 Abs 2 UbG nunmehr umfassend eingeräumte ‑ Rekursrecht gegen Beschlüsse, mit denen die Unterbringung für unzulässig erklärt wird, auch dann zusteht, wenn die Unterbringung bereits aufgehoben wurde (Engel, Die Änderungen im UbG durch die Ub-HeimAuf-Novelle 2010, iFamZ-Spezial Juli 2010, 4 ff [7] und iFamZ 2010, 202 ff [205]; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ [2012] Rz 352).

Entgegen dem in der Rechtsmittelbeantwortung vertretenen Standpunkt richtet sich auch die Legitimation des Abteilungsleiters zur Erhebung eines Revisionsrekurses gegen die Unzulässigerklärung der Unterbringung nach § 28 UbG idgF. Seine „Beschwer“ durch die eine Unterbringung für nicht zulässig erklärende Rekursentscheidung bleibt (entgegen der überholten früheren Rechtsprechung, auf die sich der Patient beruft) infolge der Ub-HeimAuf-Nov 2010 auch nach Aufhebung der Unterbringung und nach Ablauf der Frist, für die die strittige Maßnahme als zulässig erklärt worden war, aufrecht (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ [2012] Rz 438 mit Hinweis auf Rz 352).

Im vorliegenden Fall beruft sich der Revisionsrekurswerber zum einen auf ein unvertretbares Abweichen des Rekursgerichts vom Wortlaut des § 10 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 UbG, wonach jeweils auch der „Vertreter des Abteilungsleiters“ befugt sei, das Zeugnis gemäß § 10 Abs 1 UbG auszustellen; zum anderen macht er eine ‑ aus § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 57 Z 1 AußStrG abzuleitende ‑ Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend, weil das Rekursgericht dem Rekurs gegen beide mündlich verkündeten Beschlüsse (ON 3 und 12) Folge gegeben habe, aber lediglich einen („nicht näher bezeichneten“) dieser beiden Beschlüsse inhaltlich abgeändert und ausgesprochen habe, dass die Unterbringung „nicht dem Gesetz entsprach“. Das Gericht habe im Unterbringungsverfahren aber gar nicht über die „Gesetzmäßigkeit“, sondern nur über die Zulässigkeit einer Unterbringung zu entscheiden. Außerdem existiere „ein weiterer Beschluss“ des Erstgerichts vom 1. 9. 2011 (ON 13), dem das Rekursgericht „keine Beachtung geschenkt“ habe.

Dem ist vorweg zu erwidern, dass der vom Rekursgericht angeblich nicht berücksichtigte „weitere“ Beschluss vom 1. 9. 2011 (ON 13) in Wahrheit die schriftliche Ausfertigung des laut Verhandlungsprotokoll vom selben Tag (ON 12) verkündeten Beschlusses ist. Es ist auch keine „widersprüchliche Beschlussfassung“ zu erblicken; das Rekursgericht hat die beiden bekämpften Beschlüsse des Erstgerichts nämlich ohnehin im Kopf und der Begründung der angefochtenen Entscheidung zutreffend bezeichnet. Dass der Spruch der Rekursentscheidung ‑ offenbar irrtümlich ‑ die Formulierung enthält, der angefochtene Beschluss „wird“ (statt: die angefochtenen Beschlüsse „werden“) im dargestellten Sinn abgeändert, vermag daran nichts zu ändern. Von der gerügten Nichtigkeit kann daher keine Rede sein.

Auch die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage, ob das Gericht im Unterbringungsverfahren nur über die (materielle) Zulässigkeit einer Unterbringung zu entscheiden habe oder ob auch eine Kontrolle der „Gesetzmäßigkeit“ zu erfolgen hat, wurde vom Rekursgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantwortet, wenn es feststellte, dass die näher bezeichnete Unterbringung des Patienten „nicht dem Gesetz entsprach“ (vgl Spruchpunkt II. der Entscheidung 6 Ob 46/06m):

Nach ständiger Rechtsprechung (auch zum UbG) hat bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nämlich eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle stattzufinden (so bereits 3 Ob 179/05b vom 27. 6. 2006), wobei in Fällen, in denen ‑ wie hier ‑ mit Gerichtsbeschluss das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit berührt wird, der davon in seinen Rechten Beeinträchtigte auch noch nach Aufhebung der freiheitseinschränkenden Maßnahme weiterhin ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, ob die Freiheitsbeschränkung zu Recht erfolgte (RIS-Justiz RS0071267; 3 Ob 142/10v mwN).

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers kommt dem Unterbringungsgericht seit der Ub‑HeimAuf‑Nov 2010 eine umfassende Kompetenz zur Kontrolle von Rechtseingriffen während der Unterbringung zu (7 Ob 10/11p [zu § 34a UbG idgF] unter Hinweis auf Kopetzki, Die UbG-Novelle 2010, in RdM 2011, 68 ff [75 und FN 60]).

Demgemäß wurde auch in der Entscheidung vom 9. 11. 2011, 7 Ob 106/11f, darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof dem in der älteren Rechtsprechung (vgl 2 Ob 347/97m) vertretenen Standpunkt, die Nichteinhaltung formeller Vorschriften des UbG mache eine allfällige Beschränkung der Bewegungsfreiheit für sich allein nicht unzulässig; es handle sich dabei um Ordnungsvorschriften, deren Einhaltung keiner Überprüfung durch das Gericht unterliege; es komme (vielmehr) darauf an, ob die materiellen Voraussetzungen vorlägen (RIS‑Justiz RS0109086); bereits in der Entscheidung 3 Ob 179/05b (SZ 2006/93) ausdrücklich nicht mehr gefolgt ist.

Schon diese Entscheidung (3 Ob 179/05b) führt vielmehr ‑ vom zitierten Rechtssatz abgehend ‑ aus, dass die Einhaltung der formellen Voraussetzungen der Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gemäß § 33 Abs 3 Satz 1 UbG (dort: der unverzüglichen Mitteilung an den Vertreter des Kranken) ebenfalls der Überprüfung durch das Gericht gemäß § 33 Abs 3 Satz 2 UbG unterliegt (RIS-Justiz RS0109086 [T1]; RS0121011).

Dies wurde bereits wiederholt bekräftigt und ausdrücklich daran festgehalten, das Unterbringungsgericht habe gegebenenfalls festzustellen, dass „auf Grund des Fehlens (etwa) formeller Unterbringungsvoraussetzungen [...] die Unterbringung des Patienten [...] nicht dem Gesetz entsprach“ (7 Ob 106/11f mit Hinweis auf RIS-Justiz RS0120734 und 6 Ob 48/06m [Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Untersuchung im Sinn des § 10 Abs 1 UbG]).

Zu den ‑ hier allein angesprochenen ‑ formellen Voraussetzungen des § 10 UbG hat der Oberste Gerichtshof somit bereits ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass nach der jüngeren Rechtsprechung die Unverzüglichkeit der Aufnahmeuntersuchungen eines Patienten ebenfalls der gerichtlichen Nachprüfung unterworfen ist (6 Ob 48/06m mwN), wobei sich diese Überprüfung (entgegen älterer Rechtsprechung [vgl etwa: 2 Ob 347/97m]) keineswegs nur auf die materiellen Voraussetzungen einer Unterbringung im Sinn des UbG, sondern auch auf deren formelle bezieht (RIS‑Justiz RS0110377 [T1]; in diesem Sinn bereits 4 Ob 192/98b, RdM 1999/14 [zust Kopetzki]).

Schon die dem zuletzt zitierten Rechtssatz zugrundeliegende Entscheidung (6 Ob 48/06m) stellt ‑ in dem erst in dritter Instanz formulierten Spruch ‑ ebenfalls fest, dass die Unterbringung in einem bestimmten Zeitraum „nicht dem Gesetz entsprach“ und begründet dies damit, dass die „formellen Voraussetzungen des § 10 UbG“ nicht eingehalten worden seien. Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts beschränkt sich somit auf den feststellenden Ausspruch über die Zulässigkeit der Unterbringung. Es kann diese hingegen weder anordnen noch aufheben; diese beiden Entscheidungen liegen in der Kompetenz des Abteilungsleiters. Im Fall einer Unzulässigerklärung ist dieser freilich zur Aufhebung verpflichtet (§ 32 UbG; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ [2012] Rz 309).

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht einen solchen feststellenden Ausspruch ‑ in Abänderung der Beschlüsse des Erstgerichts ‑ vorgenommen. Dass das Fehlen der formellen Unterbringungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs 1 UbG idgF ‑ weil das ärztliche Zeugnis hier nicht vom Abteilungsleiter (oder seinem Vertreter), sondern (allein) von einem Facharzt erstellt wurde (vgl dazu: Engel, Die Änderungen im UbG durch die Ub-HeimAuf-Novelle 2010, iFamZ-Spezial Juli 2010, 4 und iFamZ 2010, 202; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ [2012] Rz 203 [mit Hinweis auf Rz 70] sowie Rz 204/1 [zur nicht mehr obligaten zweiten Aufnahmeuntersuchung]) ‑ nur dazu führen kann, die Unterbringung für unzulässig zu erklären, entspricht daher der dargelegten, bereits im angefochtenen Beschluss zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung; der Revisionsrekurswerber gesteht nämlich selbst zu, dass er das ärztliche Zeugnis nicht „selbst und persönlich“ als Abteilungsleiter ausgestellt hat. Dass die Ausstellung durch seinen Vertreter erfolgt wäre (wovon der Rechtsmittelwerber ausgeht), steht hingegen nicht fest und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Dem vorliegenden „ärztlichen Zeugnis“ (ON 1) ist rechts unten vielmehr lediglich eine unleserliche Unterfertigung mit dem Beisatz: „Unterschrift des untersuchenden [weiteren] Facharztes OA Dr. J***** S*****“ zu entnehmen, während die links unten vorgesehene Rubrik: „Unterschrift des Abteilungsvorstandes“ (gar) keine Unterfertigung (also auch nicht etwa „i.V.“ [in Vertretung]) aufweist. Ein Vertretungsfall im Sinn des § 4 Abs 2 UbG, auf den sich der Revisionsrekurs allein beruft, liegt somit gar nicht vor.

Was die in der Zulassungsvorstellung angesprochene Rechtsfrage betrifft, ist daher abschließend nur noch Folgendes klarzustellen:

Die Aufnahmeuntersuchung nach § 10 UbG ist immer von Fachärzten für „Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie, Psychiatrie und Neurologie (Neurologie und Psychiatrie) oder Kinder‑ und Jugendpsychiatrie“ (Anm: diese Facharztbezeichnungen des Unterbringungs‑ und Krankenanstaltenrechts spiegeln eine bestimmte Fächerstruktur nach dem historisch jeweils vorgefundenen Stand der Ärzteausbildungsordnung wider [vgl Kopetzki aaO Rz 69/1]), nämlich vom Abteilungsleiter und allenfalls einem „weiteren“ Facharzt (§ 10 Abs 1 und Abs 3 UbG idgF) durchzuführen. Eine Delegation der Untersuchung an Ärzte in Ausbildung (Turnusärzte) ist im Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung der Facharztqualifikation in § 10 Abs 1 UbG (iVm § 38e Abs 1 KAKuG) und § 10 Abs 4 UbG unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Turnusarzt unter fachärztlicher Anleitung und Aufsicht handelt oder das erforderliche fachärztliche Personal fehlt (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz 203).

Die nach der Stammfassung des UbG obligate zweite Aufnahmeuntersuchung wurde durch die Ub‑HeimAuf‑Nov 2010 beseitigt und fakultativ ausgestaltet. Gemäß § 10 Abs 3 UbG idgF ist der Patient durch einen weiteren Facharzt zu untersuchen und ein zweites Zeugnis über das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen zu erstellen, wenn dies die aufgenommene Person, ihr Vertreter oder der Abteilungsleiter verlangt. Auf dieses Antragsrecht hat der „Abteilungsleiter“ die aufgenommene Person hinzuweisen. Die zweite Untersuchung hat spätestens am Vormittag des auf das Verlangen folgenden Werktags zu erfolgen (§ 10 Abs 3 UbG idgF). Die Verpflichtung zur zweiten Untersuchung entfällt jedoch, sobald die Erstanhörung (§ 19 UbG idgF) bereits stattgefunden hat oder die Unterbringung aufgehoben worden ist (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz 204/1).

In Bezug auf die anstaltsinternen Zuständigkeiten knüpft das UbG an die im Krankenanstaltenrecht vorgezeichneten Organisationsstrukturen an. Wer etwa ein „behandelnder Arzt“ im Sinn des § 33 Abs 3 UbG ist, richtet sich nach den internen Organisationsvorschriften (Anstaltsordnung). Das gilt insbesondere auch für den Begriff des Abteilungsleiters, mit dem das UbG ganz allgemein den „mit der Führung der Abteilung betrauten Arzt bzw seinen Vertreter“ meint (§ 4 Abs 2 UbG idgF; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz 70).

Für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers ist daraus jedoch ‑ wie bereits dargelegt ‑ nichts zu gewinnen, weil hier gerade nicht davon auszugehen ist, dass das ärztliche Zeugnis ON 1 von dem „mit der Führung der Abteilung betrauten Arzt oder seinem Vertreter“ unterfertigt wurde. Dem Revisionsrekurs des Abteilungsleiters muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die begehrten Rechtsmittelbeantwortungskosten stehen dem Revisionsrekursgegner nicht zu, weil die Bestimmung des § 78 AußStrG über den Kostenersatz wegen der abweichenden Sonderbestimmung des § 40 UbG nicht anwendbar ist (vgl § 1 Abs 3 AußStrG; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ [2012] Rz 445 mit Hinweis auf 7 Ob 173/11h [zum völlig vergleichbaren § 11 Abs 4 HeimAufG], abw 6 Ob 185/10h).

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