Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt 2, soweit damit der Rekurs des Leiters der Einrichtung zurückgewiesen wurde, aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung über diesen Rekurs an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Das Erstgericht erklärte, soweit dies für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist, das Hindern des Bewohners am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen im Zeitraum vom 18. 2. 2009 bis 6. 5. 2009, das Hindern am Verlassen des Rollstuhls mittels Rollstuhltisch im Zeitraum vom 20. 2. 2009 bis 6. 5. 2009 sowie die Fixierung der beiden oberen Extremitäten mittels Handmanschetten im Zeitraum vom 25. 2. 2009 bis 12. 4. 2009 und am 23. 4. 2009 für unzulässig.
Das Rekursgericht wies im Hinblick darauf, dass der Bewohner zwischenzeitig am 2. 12. 2009 verstorben ist, den Rekurs des Einrichtungsleiters zurück. Dem Einrichtungsleiter komme die Wahrung der Interessen des Trägers der Einrichtung und damit ein eigenes Rechtsschutzinteresse jedenfalls für den Bereich des HeimAufG zu. Er habe bei seinen Entscheidungen über die Vornahme freiheitsbeschränkender Maßnahmen primär das (öffentliche) Interesse auf Gefahrenabwehr zu verfolgen. Der Einrichtungsleiter sei daher auch rekurslegitimiert, wenn die Freiheitsbeschränkungen bereits aufgehoben worden seien. Das Verfahren zur Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen ende jedoch mit dem Tod des Bewohners, weil die Rechtsfürsorge im Mittelpunkt dieses Verfahrens stehe. Deshalb sei der Rekurs des Leiters der Einrichtung zurückzuweisen.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Zur Frage, ob auch noch nach dem Tod des Bewohners über einen Rekurs des „Heimleiters“ gegen die Unzulässigerklärung einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme zu entscheiden sei, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über dessen Rekurs aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die vom Rekursgericht zutreffend als wesentlich erkannte Rechtsfrage für das HeimAufG vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet wurde. Er ist auch berechtigt.
Nach der (hier nicht anwendbaren) Rechtsprechung mangelt es nach Aufhebung der Unterbringungsmaßnahmen und Ablauf der Frist, für die die strittigen Maßnahmen als zulässig erklärt worden waren, an einer aufrechten Beschwer des Abteilungsleiters durch die die Unterbringungsmaßnahmen für nicht zulässig erklärende Entscheidung (RIS-Justiz RS0007806, RS0075954). Dies wird damit begründet, dass sich die verfahrensrechtliche Stellung des Abteilungsleiters im Unterbringungsverfahren auf die Verfolgung der Interessen des Patienten beschränkt, während ihm etwa die Wahrung der Interessen des Krankenhausträgers oder der behandelnden Ärzte nicht zukommt (RIS-Justiz RS0075986). Auch sein Rekursrecht dient nicht der Abwehr des durch eine gerichtliche Sachentscheidung gegen die Anstalt gerichteten Vorwurfs gesetzwidriger Vorgangsweise gegenüber einem Kranken (2 Ob 284/08s mwN). Wurde die Unterbringung bereits aufgehoben, könnte in Erledigung des Rechtsmittels des Anstaltsleiters/Abteilungsleiters lediglich ausgesprochen werden, dass eine nicht mehr aktuelle Unterbringung zulässig gewesen wäre. Eine solche Feststellung erfordert jedoch die richtig verstandenen Interessen des Kranken nicht. Die Entscheidung wäre rein theoretischer Natur, sodass das Rechtsmittelrecht des Anstaltsleiters/Abteilungsleiters bei einer solchen Sachlage zu verneinen ist (RIS-Justiz RS0076104, RS0007806, RS0075954). Diese Rechtsprechung ist auch in jenen Fällen anzuwenden, in denen die Zulässigkeit während der Unterbringung angeordneter, aber nicht mehr aufrechter weitergehender Beschränkungen und Behandlungen (§§ 33 ff UbG) zu prüfen ist (2 Ob 284/08s, 3 Ob 222/09g je mwN).
Zur Frage, welchen Einfluss der Tod des Patienten auf die Rekurslegitimation hat, wurde für den Bewohnervertreter/Patientenanwalt zunächst zu 9 Ob 148/06i ausgesprochen, dass für das UbG und insofern vergleichbar auch für das HeimAufG gelte, dass das Vertretungsrecht ebenso wie bei der Sachwalterschaft und der Kuratel mit dem Tod des Bewohners erlösche (auch RIS-Justiz RS0075885). Der Bewohnervertreter mache kein eigenes Recht geltend, sondern jenes des Verstorbenen (RIS-Justiz RS0121743). In der Entscheidung 6 Ob 169/08h hingegen wurde aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf Art 2 MRK von dieser Auffassung insofern abgerückt, als die Antragslegitimation des Patientenanwalts (im UbG) jedenfalls dann zu bejahen sei, wenn der Untergebrachte während der Unterbringung sterbe und der Patientenanwalt einen Zusammenhang zwischen dem Tod des Patienten und der Unterbringung behaupte. Denn dadurch werde sichergestellt, dass die nach Art 2 MRK erforderliche Überprüfung der Umstände des Todes erfolge. In 4 Ob 210/09z wurde dieser Grundsatz noch ausgedehnt. Im Hinblick auf die über die Freiheitsbeschränkung hinausgehende Grundrechtsrelevanz könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er wegen des Todes des Patienten die Rechtmäßigkeit der Unterbringung durch Wegfall der Vertretungsbefugnis des Patientenanwalts faktisch einer gerichtlichen Überprüfung entziehen habe wollen. Eine solche Aufklärung liege auch im Interesse des Krankenhauses und der Allgemeinheit, könnten daraus doch Anhaltspunkte für die künftige Vorgangsweise in ähnlichen Fällen abgeleitet werden. Der Patientenanwalt sei daher nach dem Tod des Patienten antragsbefugt, auch wenn er keinen Zusammenhang zwischen der Unterbringung und dem Tod behaupte. Ob er dabei noch als Vertreter des Verstorbenen auftrete oder dessen postmortales Persönlichkeitsrecht im eigenen Namen wahrnehme, bedürfe als bloß terminologisches Problem keiner vertieften Prüfung.
Das hier anzuwendende HeimAufG unterscheidet sich vom UbG unter anderem dadurch, dass das gerichtliche Überprüfungsverfahren nur auf Antrag einzuleiten ist, wobei die Legitimation dazu nach § 11 Abs 1 HeimAufG der Bewohner, sein Vertreter, seine Vertrauensperson und der Leiter der Einrichtung haben. Durch § 16 Abs 2 HeimAufG wird dem Leiter der Einrichtung eine Rechtsmittelbefugnis für den Fall eingeräumt, dass mit einem Beschluss eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt werde. Der Leiter der Einrichtung hat sowohl die Interessen des Bewohners als auch das öffentliche Interesse auf Gefahrenabwehr zu verfolgen (Barth/Engel, Heimrecht, § 13 HeimAufG Anm 5, § 16 HeimAufG Anm 7 f; Zierl, Heimvertragsgesetz, Heimaufenthaltsgesetz und Mustervorlagen², § 16 HeimAufG Anm I 2). Die Rechtsmittellegitimation des Leiters der Einrichtung wird im Schrifttum im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr und das Interesse der Einrichtung, den „Zulässigkeitsrahmen“ für zukünftige Freiheitsbeschränkungen „abzustecken“, bejaht (Barth/Engel aaO; Zierl aaO; Strickmann, Heimaufenthaltsrecht, 158; Klaushofer, Heimaufenthaltsgesetz [HeimAufG]: Ein erster Überblick, in ZfV 2004/1229, 590; Barth, Spezielle Fragen zum Gerichtsverfahren nach HeimAufG, in RZ 2006, 2). Ihm folgend hat der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 226/06w und 8 Ob 121/06m ausgesprochen, dass das Rechtsschutzinteresse des Leiters der Einrichtung an der Bekämpfung einer Entscheidung auch dann zu bejahen ist, wenn die Maßnahme zufolge § 15 Abs 3 HeimAufG zur Zeit der rekursgerichtlichen Entscheidung über das Rechtsmittel nicht mehr aufrecht war (vgl 2 Ob 198/08v).
Da dem Leiter der Einrichtung durch § 11 HeimAufG ein eigenes Antragsrecht und durch § 16 HeimAufG ein unbeschränktes Rechtsmittelrecht für den Fall zugestanden wird, dass eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, ist ihm auch ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen, und zwar sowohl im Interesse der Allgemeinheit als auch im Interesse seiner Einrichtung. Dieses bleibt unabhängig vom Tod des Bewohners aufrecht. Es besteht sowohl für die Allgemeinheit als auch für die Einrichtung ein Interesse daran, auch für die Zukunft abzuklären, ob eine Maßnahme zulässig ist oder nicht. Die Beschwer fällt daher durch den Tod des Bewohners nicht weg. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass das Verfahren mit dem Tod des Bewohners gleichsam von Amts wegen einzustellen sei und keine Entscheidungen mehr gefällt werden dürften, findet im Gesetz keine Deckung und wird auch zum (insofern vergleichbaren) UbG, wie dargelegt, nicht vertreten.
Das Rekursgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren über den Rekurs des Leiters der Einrichtung zu entscheiden haben.
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