Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei zu I.) die mit 837,64 EUR (darin 139,61 EUR USt) und der klagenden Partei zu II.) die mit 1.256,47 EUR (darin 209,41 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 22. 12. 1995 schlossen die Beklagten mit der damaligen Hauseigentümerin einen Mietvertrag. Als Mietzins waren entgegen dem Text des Mietvertrags nicht bloß der dort genannte Betrag von 3.000 ATS, sondern nach einer mündlichen Abrede auch vom Erstbeklagten zu erbringende ärztliche Leistungen an die ursprüngliche Vermieterin und deren spätere Erbin vereinbart.
Die Klägerin im führenden Verfahren (Erstklägerin) ist die Rechtsnachfolgerin nach der Erbin der ursprünglichen Vermieterin und begehrt rückständigen Mietzins für die Monate September 1997 bis November 1999. Der Kläger im verbundenen Verfahren (Zweitkläger) erwarb die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 15. 12. 1998. Die Rechtfertigung seines vorgemerkten Eigentums erfolgte am 8. 8. 2001. Er macht rückständigen Mietzins für den Zeitraum Juli 2000 bis September 2003 geltend. Beide brachten vor, die Verpflichtung zur Erbringung von Betreuungsleistungen sei mit dem Tod der ursprünglichen Vermieterin und deren Erbin weggefallen, sodass die Beklagten den höchstzulässigen Mietzins schulden würden.
Die Beklagten lehnten die Bezahlung eines höheren Mietzinses als 3.000 ATS ab. Das Objekt sei unbrauchbar.
Das Berufungsgericht gab (im zweiten Rechtsgang nach Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 229/02s) der Berufung der Kläger nicht Folge, änderte das Teilurteil des Erstgerichts über Berufung der Beklagten dahin ab, dass es die Klageforderung im führenden Verfahren mit 13.536,24 EUR sA und im verbundenen Verfahren mit 18.405,69 EUR sA als zu Recht bestehend, die Gegenforderungen hingegen jeweils als nicht zu Recht bestehend feststellte und die Beklagten zur Zahlung verurteilte. Es vertrat die Auffassung, der Oberste Gerichtshof sei in seinem zitierten Aufhebungsbeschluss vom 28. 1. 2003, 5 Ob 229/02s, davon ausgegangen, dass es sich bei der Wohnung um eine solche der Ausstattungskategorie A handle, was deren Brauchbarkeit voraussetze. Obwohl dieser Beschluss in dem zunächst allein anhängig gewesenen Verfahren der Erstklägerin ergangen sei, könne diese Frage im fortgesetzten Verfahren nicht erneut aufgerollt werden.
Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision zulässig sei, weil - soweit überblickbar - zur Bindungswirkung eines Aufhebungsbeschlusses auf ein anderes, im engen inhaltlichen Zusammenhang stehendes Verfahren zwischen denselben Parteien bzw deren Einzelrechtsnachfolgern keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Wird - wie hier - vom Berufungsgericht die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (hier wegen behaupteten Verstoßes gegen die Rechtskraft [§ 240 Abs 3, § 411 Abs 2 ZPO]) verneint, kann sie vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042981; RS0043405). Dabei handelt es sich um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 ZPO, der - auch dann, wenn er in das Berufungsurteil aufgenommen wurde (RIS-Justiz RS0043405) - absolut unanfechtbar ist (RIS-Justiz RS0043405 [T48, T49]).
2.1 Die Bindung an die in einem Aufhebungsbeschluss eines Rechtsmittelgerichts ausgeführte Rechtsansicht besteht nur insoweit, als diese Ausführungen für die Aufhebung maßgebend waren (RIS-Justiz RS0110248; 1 Ob 47/08f). Der Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs im führenden Verfahren erging, weil Feststellungen zur Frage der Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG fehlten. Dabei wurde ausgesprochen, dass dann, wenn dies nicht der Fall sein sollte, auf § 28 MRG zurückzugreifen wäre, wonach der Vermieter vom Hauptmieter statt der Dienstleistungen die Entrichtung des nach diesem Bundesgesetz zulässigen Mietzinses in Barem begehren könne. Für eine darüber hinausgehende Bindungswirkung bieten die Ausführungen des Aufhebungsbeschlusses vom 28. 1. 2003, 5 Ob 229/02s, keinen Anlass.
2.2 Für ein anderes Verfahren besteht eine Bindung an die rechtliche Beurteilung, die das Rechtsmittelgericht seinem aufhebenden Beschluss zugrunde gelegt hat, selbst dann nicht, wenn es zwischen denselben Parteien geführt wird (RIS-Justiz RS0007010 [T9]). Die Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung nach § 187 ZPO (entsprechend dem Gesetz nicht auch zur gemeinsamen Entscheidung, deren Zulässigkeit sich aus § 404 Abs 2 ZPO ergibt) betrifft nur den äußeren Gang des Verfahrens. Selbst die Verbindung von Klage und Widerklage hebt die Selbständigkeit der Verfahren nicht auf (8 Ob 574-577/77 = SZ 51/4; 3 Ob 170/08h; vgl auch Schragel in Fasching/Konecny² II/2 § 187 ZPO Rz 8). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Bindung an die rechtliche Beurteilung in einem Aufhebungsbeschluss des Instanzgerichts nur für diejenigen verbundenen Verfahren besteht, die bereits Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses waren (RIS-Justiz RS0037230; siehe auch Zechner in Fasching/Konecny² IV/2 § 511 ZPO Rz 14). Damit liegt eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage vor, von der es abgewichen ist. Für den Standpunkt der Beklagten ist dadurch aber nichts gewonnen.
3.1 Die fälschliche Annahme einer Bindungswirkung wird in der Rechtsprechung als Fall eines auch in dritter Instanz wahrnehmbaren Stoffsammlungsmangels (RIS-Justiz RS0042963 [T35]), als Mangel des Berufungsverfahrens selbst (vgl 1 Ob 35/02g) oder als Ursache für sekundäre Feststellungsmängel angesehen und damit dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zugeordnet (5 Ob 220/10d mwN).
3.2 Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RIS-Justiz RS0043027; RS0043049). Diese Behauptung hat der Rechtsmittelwerber aufzustellen (RIS-Justiz RS0043027 [T1, T10]). Es trifft zwar zu, dass das Berufungsgericht sich ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht mit der als Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügten unterlassenen Verlesung des Aktes MA 16-Schli-13/7498/01 nicht befasste, doch begnügen sich die Revisionswerber mit dem bloßen Hinweis auf die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts. Im Hinblick auf die Feststellung des Erstgerichts, wonach die Heizung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Anmietung in einem brauchbaren Zustand gewesen sei, ist die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels keineswegs offenkundig und hätte daher von den Revisonswerbern dargelegt werden müssen. Das gilt auch für den vom Erstgericht abgewiesenen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens. Auch hier ist die Relevanz des dem Berufungsgericht unterstellten Verfahrensmangels in Anbetracht der auf Basis eines Sachverständigengutachtens ergangenen Feststellungen des Erstgerichts keineswegs offenkundig.
3.3 Die darüber hinaus gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens hat das Berufungsgericht verneint. Vom Berufungsgericht (inhaltlich) verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nicht mehr als Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).
4.1 Das Berufungsgericht hat Feststellungen des Erstgerichts zur Elektroinstallation im Badezimmer, soweit diese in der Berufung bekämpft wurden, nicht übernommen. Insoweit zielen die Beklagten mit ihrem Hinweis auf die vom Berufungsgericht rechtsirrig angenommene Bindungswirkung auf einen sekundären Feststellungsmangel ab, der dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (vgl 5 Ob 220/10d).
4.2 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Wohnung nur dann in eine höhere Kategorie als D eingestuft werden, wenn sie sich - bezogen auf den Zeitpunkt der Anmietung - in einem brauchbaren Zustand befindet. Das setzt voraus, dass sie zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweist und die vorgesehenen oder ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrfrei zu verwenden sind (RIS-Justiz RS0069887). Mängel der Elektroinstallationen, die aus sicherheitstechnischen Gründen das Stromversorgungsunternehmen veranlassen müssten, die Lieferung elektrischer Energie bis zur Behebung des Mangels einzustellen, begründen eine Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts. Hingegen steht der nicht mehr zeitgerechte Standard der Elektroinstallationen alleine der Brauchbarkeit nicht entgegen (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht § 15a MRG Rz 12 mwN).
4.3 Das Erstgericht hat umfangreiche Feststellungen zum Zustand der Elektroinstallationen bzw der elektrischen Anlagen getroffen und diese von den Beklagten unbekämpft dahingehend zusammengefasst, dass von diesen nach den Regeln der Technik zum 22. 12. 1995 keine Auswirkungen auf die Benützbarkeit der Wohnung ausgingen. Selbst unter Außerachtlassung der vom Berufungsgericht aufgrund seiner irrigen Rechtsansicht nicht übernommenen Feststellungen ergibt sich damit für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Anmietung aus den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts keineswegs die von den Beklagten behauptete Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts. Darauf kommen die Beklagten in Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auch nicht mehr zurück.
5. Bei der Beurteilung eines Bestandobjekts als brauchbar kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0021054 [T5]). Soweit sie aus dem Zustand der Heizungsanlage die Unbrauchbarkeit der Wohnung und damit deren Einstufung in Kategorie D ableiten wollen, gehen die Beklagten nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, nach dem die Heizungs- und Warmwasseranlage zum Zeitpunkt der Anmietung funktionierte und im brauchbaren Zustand war. Auch vom Zustand des Dachbodens ging nach den Feststellungen des Erstgerichts eine Gesundheitsgefährdung nicht aus, sodass die Beklagten auch mit dem Verweis auf fehlende Feststellungen zur Höhe des Aufwands für die Sanierung des Dachbodens keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ansprechen, zumal sie im Revisionsverfahren weder den Zustand der Heizungsanlage noch den des Dachbodens zum Gegenstand von weitergehenden Ansprüchen machen.
6. Das fortgesetzte Verfahren hat ergeben, dass der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht zur Anwendung gelangt. Für diesen Fall hat der Oberste Gerichtshof bereits in seinem Aufhebungsbeschluss zu 5 Ob 229/02s festgehalten, dass der Vermieter nach § 28 MRG berechtigt ist, die Anhebung des Mietzinses auf den nach dem MRG zulässigen Mietzins zu verlangen, wenn die ärztlichen Leistungen des Erstbeklagten wegen des Todes der zu betreuenden Personen nicht mehr erbracht werden können und eine Reduktion des Hauptmietzinses für diesen Fall nicht vereinbart wurde. Der insoweit maßgebliche Sachverhalt hat sich im fortgesetzten Verfahren bestätigt, sodass die Beklagten keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen, wenn sie sich dessen ungeachtet gegen die in Entsprechung dieser Rechtsauffassung vorgenommene Beurteilung der Vorinstanzen wenden.
7. Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, stellt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0107199). Bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf ein Recht ist generell besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0014190; RS0014420; jüngst 5 Ob 235/11m), sodass die Beurteilung des Berufungsgerichts, das das Zuwarten mit der Geltendmachung des erhöhten Mietzinses durch etwa eineinhalb Jahre hindurch nicht als schlüssigen Verzicht wertete, nicht zuletzt in Anbetracht des zunächst anhängig gewesenen Verlassenschaftsverfahrens keiner Korrektur bedarf.
8. Die Frage, ob und in welcher Höhe Zu- und Abschläge vom bzw zum Richtwert gerechtfertigt sind, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb grundsätzlich einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS0116132 [T2]; RS0117881). Die Vornahme der Zuschläge oder Abstriche hat sich dabei an der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu orientieren (5 Ob 133/10k = immolex 2011, 207/62 [Cerha]). Die in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht vorgenommenen Wertungen sind im Einzelfall auch nicht korrekturbedürftig. Für den Zustand der Elektroinstallationen wurde ohnedies ein Abschlag von 25 % bemessen.
Die Revision ist damit in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen zurückzuweisen, worauf die Kläger hingewiesen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Entsprechend dem Verhältnis des im Revisionsverfahren jeweils relevanten Entscheidungsgegenstands hat die Erstklägerin Anspruch auf Ersatz von 40 % und der Zweitkläger auf 60 % der Kosten der Revisionsbeantwortung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)