OGH 3Ob208/10z

OGH3Ob208/10z23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der früher mit dem Verfahren 1 C 15/09t verbundenen Rechtssache der klagenden Partei „3*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien gegen die beklagte Partei Beata W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung (in eventu Zahlung und Räumung) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 1. September 2010, GZ 22 R 288/10x-33, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 26. Mai 2010, GZ 1 C 15/09t (verbunden mit 2 C 354/09b)-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin erhielt in der Versteigerungstagsatzung vom 15. November 2007 den Zuschlag an zwei Liegenschaften. Ihr Eigentumsrecht wurde mit Beschluss vom 13. November 2008 verbüchert. Mit Vertrag vom 4. Oktober 2005 hatte die Beklagte den auf den Liegenschaften befindlichen Gasthof ua samt Terrasse, Einliegerwohnungen, Nebengebäude und Parkflächen vom damaligen Liegenschaftseigentümer in Bestand genommen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und verhielt die Beklagte im Sinne des Eventualbegehrens zur Zahlung von 50.400 EUR sA und zur Räumung des Hotel- und Gastgewerbebetriebs samt dem dazugehörigen Inventar und den Freiflächen.

Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:

1. Der von der Beklagten geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft. Er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht ist auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls abzustellen, weshalb der Lösung dieser Frage, von einer auffallenden, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung abgesehen, keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0020338 [T10]; RS0020486 [T2]; RS00331183 [T5] ua). Für die Abgrenzung der Unternehmenspacht zur Geschäftsraummiete lassen sich keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen (RIS-Justiz RS0031183 [T4]). Ein deutliches Indiz für eine Unternehmenspacht wird etwa dann angenommen, wenn ein lebendes Unternehmen mit einem zwar nicht bedeutsamen, aber doch vorhandenen Kundenstock und der Vereinbarung einer Betriebspflicht übergeben wurde (RIS-Justiz RS0020398 [T8]; RS0020451). Die Betriebspflicht muss dabei nicht ausdrücklich vereinbart werden, sondern kann sich auch schlüssig aus den Umständen ergeben (RIS-Justiz RS0020351; RS0020513 [T18]; 10 Ob 7/03g ua). Auch der Umstand, dass der Bestandnehmer das Inventar vom früheren Pächter erwerben musste, schließt die Annahme eines Pachtverhältnisses nicht aus (RIS-Justiz RS0020388).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die vereinbarte Erhaltungspflicht keineswegs als einziges Kriterium für die angenommene Betriebspflicht heranzog, sondern beispielsweise auch die Verpflichtung, die Voraussetzungen zur Herstellung von 100 Essen pro Tag zu schaffen und aufrecht zu erhalten, steht im Einklang mit diesen Grundsätzen.

3. Der Ersteher einer Liegenschaft erwirbt nach § 237 EO mit der Erteilung des Zuschlags das - auflösend bedingte - Eigentum (RIS-Justiz RS0003375; 2 Ob 142/07g mwN). Wird der Zuschlag im Versteigerungstermin verkündet, ist für den Eigentumserwerb dieser Zeitpunkt maßgebend (2 Ob 142/07g mwN). Mit Wirksamkeit des Zuschlags tritt der Erwerber einer Liegenschaft gemäß § 1121 ABGB iVm § 1120 ABGB in den Bestandvertrag ein, sodass ihm der am Zuschlagstag fällig werdende Bestandzins gebührt (RIS-Justiz RS0105725 [T6]).

Der Ersteher kann den vertraglich vereinbarten Zins ab Zuschlag nur dann vom Bestandnehmer fordern, wenn dieser nicht gemäß dem sinngemäß anzuwendenden § 1395 Satz 2 ABGB aufgrund der nur in fahrlässiger Unkenntnis der Zuschlagserteilung erfolgten Zahlung an den Verpflichteten oder dessen Überweisungsgläubiger von der nochmaligen Zinszahlung befreit ist (2 Ob 142/07g). Den debitor zessus trifft aber bei Vorliegen besonderer Umstände eine Nachforschungsobliegenheit (RIS-Justiz RS0110638).

Die Beklagte war bei der Versteigerungstagsatzung anwesend und hatte damit Kenntnis von der Zuschlagserteilung. Die Ansicht, die Auskunft des Verpflichteten, der Zuschlag sei nicht rechtskräftig, habe die Beklagte nicht von der Einholung weiterer Erkundigungen befreit ist vertretbar und keine vom Obersten Gerichtshof über ein außerordentliches Rechtsmittel aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4. Das Fruchtgenussrecht an den in die öffentlichen Bücher eingetragenen Liegenschaften entsteht nach § 481 ABGB erst durch die Verbücherung. Der übereinstimmende Parteiwille muss auf einen solchen Fruchtgenuss gerichtet sein, sonst kann nur ein inhaltlich ähnliches obligatorisches Recht entstehen (Hofmann in Rummel ABGB3 § 509 Rz 1; RIS-Justiz RS0088537; 5 Ob 131/10s). Liegt mangels Verbücherungen ein dingliches Fruchtgenussrecht nicht vor, bindet die entsprechende Vereinbarung lediglich die betreffenden Vertragsteile. Eine Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes besteht nur bei (offenkundigen) Dienstbarkeiten, die ihrer Natur nach Grunddienstbarkeiten sind, nicht aber bei persönlichen Dienstbarkeiten, wie zB dem Recht des Fruchtgenusses (8 Ob 622/91; 7 Ob 603/94). Ein (allenfalls bestehendes) obligatorisches Fruchtgenussrecht bindet die Parteien einer solchen Vereinbarung, hat aber darüber hinaus keinen Einfluss auf das Verhältnis der Klägerin als Ersteherin zur Beklagten als Bestandnehmerin. Die Hinweise der Revisionswerberin auf das (obligatorische) Fruchtgenussrecht zeigen damit ebenfalls keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung auf, sodass die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

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