Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil zu lauten hat:
"Der Beklagte ist schuldig, die von ihm im Haus N***** im Parterre benützten Räumlichkeiten, nämlich jenen Raum, in dem derzeit die Sanitäreinheit untergebracht ist, sowie jenes Zimmer, das sich links vom Eingang befindet, binnen 14 Tagen von den eigenen Fahrnissen zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben".
Der Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin die mit S 28.912,96,-
(darin enthalten S 5.740,- USt und S 3.877,16 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin die mit S 10.871,04 (darin enthalten S 6.000,- Barauslagen und S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Hermann P***** war Eigentümer der Liegenschaft EZ *****. Nach seinem Tode im Jahre 1973 erhielten seine beiden Geschwister Ing.Walter P***** und Hermine E***** aufgrund eines mit der erblasserischen Witwe geschlossenen Erbübereinkommens unter anderem auf die Dauer von 25 Jahren das unentgeltliche und uneingeschränkte Fruchtnießungsrecht an dem im Parterre des Hauses N***** links vom Hauseingang gelegenen Zimmer samt Mitbenützung der sanitären Anlagen und freier Zufahrt zu Haus und Hof. Sollten sie vor Ablauf der 25jährigen Frist versterben, sollte das Fruchtgenußrecht bis zum Ablauf der Frist auf ihre Kinder übergehen. Das Fruchtgenußrecht wurde grundbücherlich sichergestellt. Ing.Walter P***** verstarb am 24.1.1981. Er hinterließ seine beiden Kinder Helga S***** und Dieter P*****.
Mit Kaufvertrag vom 14.5.1981 verkaufte Helga S***** dem Beklagten die Liegenschaft EZ ***** KG P*****; zugleich räumte sie ihm das die Liegenschaft EZ ***** belastende, bis zum 10.7.1998 bestehende Fruchtgenußrecht "der Ausübung nach" ein. Eine grundbücherliche Sicherstellung wurde ausdrücklich nicht vereinbart. Hinsichtlich der belasteten Liegenschaft fanden Eigentümerwechsel statt. Zuletzt wurde sie am 17.4.1990 von Günther R***** der Klägerin verkauft. In Punkt 4 dieses schriftlichen Kaufvertrages wurde ausdrücklich auf das bestehende Fruchtgenußrecht hingewiesen. Am 2.11.1990 unterzeichnete Helga S***** über Aufforderung des für die Klägerin einschreitenden Notars hinsichtlich dieses Fruchtgenußrechtes eine Löschungsurkunde. Sie erklärte darin, dieses Fruchgenußrecht mit sofortiger Wirkung aufzuheben und die Einverleibung der Löschung zu bewilligen. Die Löschung wurde am 28.1.1992 beim Erstgericht beantragt, in der Folge bewilligt und vollzogen. Auch Dieter P***** hat der Löschung zugestimmt. Schon vor Errichtung des Kaufvertrages vom 17.4.1990 hat Hermine E***** auf ihr Fruchtgenußrecht verzichtet.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten zur Räumung der vom Fruchtgenußrecht betroffenen Räumlichkeiten zu verpflichten. Sie habe die Liegenschaft im guten Glauben lastenfrei erworben, zumal entsprechende Löschungsbewilligungen vorgelegen seien. Das Nutzungsrecht des Beklagten habe mit dem der Helga S***** geendet. Dem Beklagten stehe kein wie immer gearteter Rechtsgrund auf Benützung der Liegenschaft zu. Helga S***** habe ohne Zustimmung ihres Bruders dem Beklagten die Ausübung des Fruchtgenußrechtes nicht einräumen können.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Räumungsbegehrens. Die Klägerin habe die Liegenschaft in Kenntnis des bis zum 10.7.1998 bestehenden und von ihm ausgeübten Fruchtgenußrechtes erworben. Eine vom Beklagten in Aussicht gestellte vorzeitige Räumung sei mangels tatsächlicher Einigung mit der Klägerin nicht zustandegekommen. Helga S***** sei nur durch arglistige Täuschung zur Ausstellung einer Löschungsbewilligung veranlaßt worden. Die Klägerin habe von den Rechten des Beklagten volle Kenntnis gehabt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf noch nachfolgende weitere Feststellungen:
Eine Rechtsnachfolge nach Ing.Walter P***** im Fruchtgenußrecht ist nur hinsichtlich der Helga S***** eingetreten, nicht aber des Dieter P*****. Hermine E***** wurde von Ing.Walter P***** schon vor dessen Ableben entfertigt, sie hat das Fruchtgenußrecht nicht beansprucht. Die Ausübung des Fruchtgenußrechtes wurde dem Beklagten entgeltlich überlassen. Der Beklagte hat das Zimmer adaptiert und bis März 1992 bewohnt; seither benützt er es für andere Zwecke. Die Gespräche beim Kauf der Liegenschaft führte der von der Klägerin dazu bevollmächtigte Ehegatte. Ihm wurde der Bestand des Fruchtgenußrechtes bis zum Jahre 1998 mitgeteilt. Dies wurde auch bei der Preisgestaltung berücksichtigt. Die Klägerin und ihr Gatte wußten bei Vertragsabschluß, daß der Beklagte die vom Fruchtgenußrecht betroffenen Räumlichkeiten aufgrund eines mit Helga S***** geschlossenen "Sondervertrages" bis zum Jahre 1998 bewohnen könne.
Der von der Klägerin zur Erwirkung von Verzichts- und Löschungserklärungen beauftragte Notar richtete am 24.10.1990 an Helga S***** ein Schreiben, das unter anderem lautete: Diese (mit dem Beklagten zu treffende) Vereinbarung hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn Sie und Ihr Bruder Einigung dahingehend erzielen, daß Sie beide bereit sind, nach Vorliegen einer Zustimmungserklärung des Herrn Hubert A***** Löschungsurkunden zu unterfertigen. Am 2.11.1990 unterzeichnete Helga S***** die ihr vom Notar vorgelegte Löschungsurlunde. Sie dachte sich dabei, daß dies nur eine Formsache sei und daß der Notar bereits Gespräche mit dem Beklagten geführt habe. Sie erklärte auch ausdrücklich, daß sie alles dem Beklagten veräußert habe. Bei der Unterfertigung dachte sie, daß für den Beklagten bereits eine Lösung gefunden worden sei, weil dieser nebenan ein Haus baue und ohnehin kein Interesse mehr an diesem Zimmer habe. Vor der Unterfertigung wurde Helga S***** vom Notar mitgeteilt, daß die Unterfertigung lediglich eine Formsache sei und sie unterschreiben solle. Sie ging davon aus, daß eine Zustimmungserklärung des Beklagten bereits vorliege. Mit Schreiben vom 23.1.1992 teilte der Notar dem Beklagten mit, daß das ihm eingeräumte Fruchtgenußrecht erloschen sei, weil Frau S***** es aufgegeben habe.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß Helga S***** aufgrund der verlassenschaftsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrages als Einzelrechtsnachfolgerin nach ihrem Vater die "Ausübung des Fruchtgenußrechtes" dem Beklagten übertragen konnte. Bei der Unterzeichnung der Löschungsurkunde sei sie hinsichtlich der Zustimmungserklärung des Beklagten durch den Notar in Irrtum geführt worden. Sie hätte die Löschungserklärung nicht unterschrieben, wenn sie gewußt hätte, daß die Parteien noch keine Einigung erzielt hatten. Weder sie noch der fruchtsgenußausübungsberechtigte Beklagten hätten dadurch das Recht verloren. Die Klägerin habe wegen der Kenntnis des Fruchtgenußrechtes S*****s und des Beklagten nicht gutgläubig lastenfrei erworben.
Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Helga S***** habe dem Beklagten wirksam das Fruchtgenußrecht "der Ausübung" nach einräumen können, weil es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht handle. Daß Helga S***** anläßlich der Unterfertigung der Löschungserklärung durch den Notar in Irrtum geführt worden sei, berechtige den Beklagten noch nicht zur Anfechtung wegen Irrtums, weil diesem als Drittem das Recht zur Geltendmachung allfälliger Willensmängel von Vertragspartnern nicht zustehe. Dennoch seien seine Rechte unmittelbar berührt, weil ihm das Fruchtgenußrecht für dessen gesamte Dauer überlassen worden sei. Es schade nicht, daß dieses Recht nicht verbüchert worden sei, weil die Klägerin von diesem Recht - auch von dessen Ausübung durch den Beklagten - Kenntnis gehabt habe. Sie habe schon bei Vertragsabschluß gewußt, daß die Ausübung des Fruchtgenußrechtes an den Beklagten weitergegeben worden sei. Das Vertrauen auf das öffentliche Buch schütze nur die unverschuldete Unkenntnis der Abweichung des Buchstandes von der außerbücherlichen Rechtslage. Zum gleichen Ergebnis führe auch eine sinngemäße Anwendung der Regeln über die Doppelveräußerung. Zwar falle nach § 440 ABGB bei Doppelveräußerung einer unbeweglichen Sache diese demjenigen zu, der früher um die Eintragung angesucht habe, doch habe der Ersterwerber gegen den intabulierten Zweiterwerber einen auf Naturalsrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch, wenn er an der überlassenen Liegenschaft bereits Besitz erworben habe und der Zweiterwerber diese durch den Besitz verstärkte obligatorische Position kannte oder kennen mußte. Der Klägerin sei das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Beklagten gegen Helga S***** bekannt gewesen; Gutglaubensschutz steht ihr daher nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Das Berufungsgericht hat gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,-
übersteigt.
Streitgegenständlich ist ein Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung. Hiefür bestehen keine zwingenden Bewertungsvorschriften, sodaß die Bewertung des Streitgegenstandes vom Kläger vorzunehmen ist (MietSlg 37.720; RZ 1993/80). Da entgegen der Rechtsansicht in der Revisionsbeantwortung das Berufungsgericht in seinem Bewertungsausspruch nicht an die Bewertung des Klägers gebunden ist, und zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, ist dieser Ausspruch für den Obersten Gerichtshof bindend (RZ 1992/16; SZ 59/198).
Der gerügte Verfahrensmangel wurde geprüft, er liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
In den Revisionsausführungen macht die Klägerin geltend, daß dem Beklagten nicht das gesamte Fruchtgenußrecht übertragen werden sollte, sondern lediglich eine obligatorische Rechtseinräumung bezweckt worden sei, die keinerlei dingliche Wirkung entfalten könne. Es habe sich in Wahrheit um ein Prekarium gehandelt, das Helga S***** durch Unterfertigung der Löschungserklärung widerrufen habe. Der obligatorisch berechtigte Beklagte müsse daher einem neuen Besitzer weichen. Die Klägerin habe nach dem Grundbuchsstand davon ausgehen können, daß Fruchtgenußberechtigte Hermine E***** gewesen sei: Von einer offenkundigen Dienstbarkeit des Beklagten könne keine Rede sein.
Diesen Ausführungen kommt grundsätzlich Berechtigung zu.
Das unter die persönlichen Dienstbarkeiten gezählte (§ 509 ABGB) Fruchtgenußrecht ist das dingliche Recht des Fruchtnießers auf volle Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz. Es entsteht an Liegenschaften erst durch die Verbücherung; der übereinstimmende Wille muß deshalb darauf gerichtet sein. Andernfalls kann nur ein inhaltlich ähnliches, obligatorisches Recht entstehen (Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 509 ABGB, EvBl 1962/366; SZ 38/56). Es ist auch anerkannt, daß der Fruchtnießer das dingliche Recht, auch teilweise (7 Ob 513/85), "zumindest der Ausübung nach" einem anderen überlassen kann (Petrasch aaO Koziol-Welser9 II, 163; Klang in Klang2 II, 566, SZ 23/280, 1 Ob 55/81). Bei der Übertragung (der Ausübung) des Fruchtnießungsrechtes bleiben die Verpflichtungen des Fruchtnießers bestehen. Das Recht wird also mit den Beschränkungen übertragen, die dem Fruchtnießer selbst auferlegt sind. Die dem Übernehmer eingeräumte Berechtigung endet mit dem Tod des Fruchtnießers (Petrasch aaO, Ehrenzweig2 I/2, 308). Der Oberste Gerichtshof hat auch einerseits unter Berufung auf Offenhuber in NZ 1903, 257 ausgesprochen, daß bei der Übertragung der Ausübung des Fruchtgenußrechtes das Recht des ursprünglich dinglich Berechtigten nicht gelöscht werden darf (1 Ob 55/81), andererseits ausdrücklich festgehalten, daß eine grundbücherliche Eintragung der Überlassung der Ausübung des Fruchtgenußrechtes zulässig und für die Rechtsbegründung notwendig ist (SZ 23/280, EvBl 1965/95). Dies bedeutet, daß das übertragene Fruchtgenußrecht jedenfalls vom Bestand des ursprünglichen Rechtes abhängt.
Nach den Feststellungen wurde das der Helga S***** eingeräumte Fruchtnießungsrecht dem Beklagten zwar für die Dauer dieses Rechtes übertragen, jedoch unterblieb eine grundbücherliche Sicherstellung. Anläßlich der Verkaufsverhandlungen der belasteten Liegenschaft war der Klägerin der Bestand des Fruchtgenußrechtes und die Tatsache bekannt, daß der Beklagte das Zimmer aufgrund einer "Sondervereinbarung" bis zum Jahre 1998 bewohnen dürfe.
Bei Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ergibt sich zunächst, daß der Beklagte mangels Verbücherung ein dingliches Fruchtgenußrecht nicht erwerben konnte, weil zur Rechtsbegründung die grundbücherliche Eintragung notwendig gewesen wäre. Die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und Helga S***** bindet daher lediglich die Vertragsteile. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Klägerin von einem zu seinen Gunsten eingeräumten Fruchtgenußrecht Kenntnis hatte. Ein dingliches Recht wird nämlich grundsätzlich nur durch Eintragung in das Grundbuch erworben (§ 481 Abs 1 ABGB). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes besteht nur bei offenkundigen Dienstbarkeiten. Eine Offenkundigkeit kommt aber nur bei solchen unregelmäßigen Dienstbarkeiten in Frage, die ihrer Natur nach Grunddienstbarkeiten sind, nicht aber bei persönlichen Dienstbarkeiten, wie zB dem Recht des Fruchtgenusses (8 Ob 622/91, vgl Petrasch in Rummel2 Rz 2 zu § 481 ABGB), weil zB eine Wohnungsbenützung den Rechtstitel nicht erkennen läßt.
Da die Klägerin bei Verkaufsabschluß nach den Feststellungen lediglich Kenntnis von der Zimmerbenützung durch den Beklagten aufgrund eines "Sondervertrages" hatte, ein dinglicher Rechtserwerb des übertragenen Rechtes mangels grundbücherlicher Eintragung aber nicht vorliegt, schließlich das übertragene Recht vom Bestand des Rechtes des Übertragenden abhängt und dieses Recht nach seiner Löschung nicht mehr existiert, kann sich der Beklagte auf einen gültigen Titel zur Benützung des Zimmers nicht berufen.
Ob der Beklagte durch die Löschung und die damit erfolgte Aufgabe des Fruchtgenußrechtes durch Helga S***** in seinen vertraglichen Rechten verletzt worden ist, kann nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein.
Der Revision war daher insgesamt Folge zu geben und dem Räumungsbegehren stattzugeben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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