OGH 1Ob177/09z

OGH1Ob177/09z13.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz L*****, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner, Rechtsanwälte GmbH in Krems, gegen die beklagte Partei Maria L*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer und Mag. Georg Burger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 6.472,85 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 16. April 2009, GZ 21 R 109/09a-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 10. März 2009, GZ 4 C 1081/08b-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 14. 11. 2007 geschieden. In das Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG wurden mehrere (aufgrund eines Schenkungsvertrags wieder im Eigentum des Klägers stehende) Eigentumswohnungen einbezogen, deren Eigentümerin aufgrund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Übergabsvertrags vom 30. 1. 2003 zuvor die Beklagte gewesen war.

Der Kläger begehrte in seiner am 8. 9. 2008 beim Erstgericht eingelangten, auf § 1041 ABGB gestützten Klage die Bezahlung der (nach Teilzahlung offenen) Mietzinseinnahmen aus diesen Eigentumswohnungen für den Zeitraum September 2007 bis Februar 2008. Er sei seit 7. 9. 2007 wieder bücherlicher Eigentümer dieser Objekte. Die Beklagte habe aus den Mietverträgen, die sie vor diesem Zeitpunkt über die Eigentumsobjekte geschlossen hätte, Mietzinse und Kautionen eingenommen und nicht zur Gänze an den Kläger überwiesen.

Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs. Sie bestritt nicht das (bücherliche) Eigentum des Klägers und die Annahme von Mietzinszahlungen.

Das Erstgericht überwies den Rechtsschutzantrag des Klägers wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs in das Aufteilungsverfahren.

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Der Kläger begehre den Ertrag aus den als eheliche Ersparnis zu wertenden Eigentumswohnungen, die Gegenstand der nachehelichen Vermögensaufteilung im Sinn der §§ 81 ff EheG seien. Eine Rechtsgestaltung im Sinn einer rückwirkenden Zuweisung des Eigentumsrechts an diesen Wohnungen an die Beklagte könne zwar im Aufteilungsverfahren nicht erfolgen. Die Frage, wer in welcher Höhe die Früchte aus zum Aufteilungsvermögen gehörigen Sachen gezogen habe, müsse aber sehr wohl in die Billigkeitsentscheidung des Außerstreitrichters, etwa bei Bemessung einer Ausgleichszahlung, einfließen. In einem vergleichbaren, zu 10 Ob 16/08p entschiedenen Fall habe der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens für Ansprüche des Ehemanns auf Entgelt für die Benutzung der in das Aufteilungsverfahren einbezogenen Ehewohnung durch die Ehegattin ab der Scheidung bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. § 235 Abs 1 AußStrG alt, der durch das Außerstreitgesetz 2003, BGBl I 2003/111, ersatzlos aufgehoben wurde, sah zwingend die Überweisung einer Rechtssache an das zuständige Außerstreitgericht vor, wenn ein Ehegatte unter anderem binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung der Ehe Ansprüche gegen den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend machte. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 235 Abs 1 AußStrG alt erfasste die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs nicht nur Leistungsklagen, sondern auch Klagen auf Feststellung eines dem Aufteilungsverfahren unterworfenen Rechts oder Rechtsverhältnisses (RIS-Justiz RS0008568). Ebenso wurden Rechtsgestaltungsansprüche der Ehegatten auf Zivilteilung ins außerstreitige Verfahren verwiesen (1 Ob 767/83; 1 Ob 35/97x ua). Zu den unter § 235 Abs 1 AußStrG alt fallenden Ansprüchen gehörten auch die Klage eines geschiedenen Ehegatten auf Räumung der zur Aufteilungsmasse gehörenden Ehewohnung (2 Ob 1514/95 = RIS-Justiz RS0008564 [T2]) und Kondiktionsansprüche im Verhältnis zwischen Ehegatten, die sich auf den Aufwand zur Errichtung eines zur Aufteilungsmasse gehörigen Hauses (8 Ob 519/93 = RIS-Justiz RS0008528 [T1]) oder auf den Hälfteanteil an dem einem Ehegatten zugeflossenen Erlös aus der Vermietung von zum ehelichen Gebrauchsvermögen zählenden Wohnungen (9 ObA 356/98p) bezogen.

2. Nach diesen, auch nach Aufhebung des § 235 Abs 1 AußStrG alt weiterhin anzuwendenden (10 Ob 16/08p) Grundsätzen besteht ein Vorrang des Aufteilungsverfahrens. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RIS-Justiz RS0111605).

3. Dieser Zweck des Vorrangs des außerstreitigen Verfahrens war ein wesentliches Argument der (auch vom Rekursgericht) bereits zitierten Entscheidung 10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107 (zust Gitschthaler), in der die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für den Anspruch des Ehemanns auf Benutzungsentgelt und Ersatz für verbrauchsabhängige Betriebskosten wegen der Mitbenützung der Ehewohnung durch die Ehefrau nach Scheidung der Ehe verneint wurde. Der Oberste Gerichtshof verwies dabei auf die Möglichkeit, die (Mit-)Benutzung der Ehewohnung nach Scheidung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung bei der Festsetzung der Höhe einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.

4. Ein gegenteiliges Ergebnis erzielte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 187/07g, die eine im Aufteilungsverfahren geltend gemachte Forderung des Ehemanns betraf, seine geschiedene Ehefrau zur Zahlung des vom Ehemann nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft getragenen Mietzinses für die Ehewohnung zu verpflichten. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs, weil der Antragsteller nach seinen Antragsbehauptungen eindeutig die Bezahlung von Mietzinsschulden erst nach dem für die nacheheliche Aufteilung maßgebenden Zeitpunkt geltend mache.

5. Die nach § 81 Abs 2 EheG zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörende Ehewohnung gehört nicht zu den Wohnungseigentumsobjekten, aus deren Vermietung der Kläger Bereicherungsansprüche geltend macht, wie sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien zu den Eigentumsobjekten (ON 1, 3 und 5) ergibt. Diese Eigentumsobjekte zählen unabhängig von ihrer sachenrechtlichen Zuordnung nach Eheschließung zur ehelichen Errungenschaft und unterliegen als eheliche Ersparnis der Aufteilung.

6. Sämtliche Beteiligte gehen übereinstimmend davon aus, dass der Anspruch des Klägers ausschließlich einen Zeitraum nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft betrifft. Bei diesen Einnahmen handelt es sich daher um Einkünfte aus ehelicher Ersparnis, die nicht während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft angefallen sind und nach den allgemeinen, in der höchstgerichtlichen Judikatur zur Zugehörigkeit von Sachen zum Aufteilungsvermögen festgelegten Kriterien aus der Aufteilung ausscheiden (RIS-Justiz RS0057349; RS0057331; RS0057486; RS0057788).

7. Diese fehlende Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse bedeutet aber nicht zwingend, dass die Einkünfte bei der Entscheidung im Aufteilungsverfahren überhaupt keine Rolle spielten und völlig zu negieren wären. Eine (teilweise) Zuteilung der Eigentumsobjekte im Aufteilungsverfahren an die Beklagte änderte zwar nicht die sachenrechtliche Zuordnung, die Rechtsgrundlage für den bereicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers ist. Das alleinige Eigentumsrecht sagt aber noch nichts über den im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigenden Wert des Beitrags jedes Ehegatten an der Schaffung dieser Vermögenswerte aus. Die ausschließlich auf das Eigentumsrecht gegründete bereicherungsrechtliche Zuordnung der Einkünfte kann einen Widerspruch zu der Aufteilung der Eigentumsobjekte im außerstreitigen Verfahren bedeuten, insbesondere wenn dort eine oder mehrere Wohnungen an die Beklagte übertragen werden und sich die Frage einer Ausgleichszahlung stellt, welche die wechselseitigen Beiträge der Ehegatten und den erzielten Nutzen zu berücksichtigen hat (1 Ob 155/08p mwN: Nutzung einer zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörenden Sache während des Aufteilungsverfahrens). Mit dem Vorrang des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens ist die Zulässigkeit, bereicherungsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerten solange im streitigen Verfahren geltend zu machen, bis die endgültige Zuweisung im Aufteilungsverfahren erfolgt ist, jedenfalls nicht vereinbar.

Aufgrund der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ist dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten dieses selbständigen Zwischenstreits gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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