OGH 9ObA356/98p

OGH9ObA356/98p17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Marin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rosa R*****, Säcklermeisterin, *****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Michael R*****, Gerbermeister, *****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen S 189.981,45 sA (Revisionsinteresse S 189.486,45 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 1998, GZ 13 Ra 44/98p-20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.900,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.650,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG ist die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 der genannten Gesetzesstelle in Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig, wenn - wie hier - der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 52.000,- übersteigt. Zu den Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zählen auch Streitigkeiten darüber, ob ein vorzeitiger Austritt aus dem Arbeitsverhältnis berechtigt war (Kuderna, ASGG**2 Anm 10 zu § 46).

Der Beklagte hat in erster Instanz ua geltend gemacht, daß die Klägerin den in Anspruch genommenen Austrittsgrund konstruiert habe und daß ihre dazu aufgestellten Behauptungen, er habe ihr Lohnzahlungen vorenthalten, unzutreffend seien. Diesen Standpunkt hat er auch in seiner Berufung aufrechterhalten (S 141 des Aktes), sodaß auch im Berufungsverfahren (ua) die Berechtigung des vorzeitigen Austritts der Klägerin strittig war. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Revision mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zulässig sei, ist daher gesetzwidrig; er gilt als nicht beigesetzt. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist als ordentliche Revision zu behandeln (Arb 10.782; Ris-Justiz RS0085794).

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die seit 1989 im Unternehmen des Beklagten - ihres mittlerweile geschiedenen Ehegatten - als Angestellte beschäftigte Klägerin am 9. 12. 1996 berechtigt aus dem Dienstverhältnis ausgetreten sei, weil ihr der Beklagte die Gehälter für die Zeit seit August 1996 nicht gezahlt habe. Vom Beklagten erhobene Aufrechnungseinreden (Hälfteanteil am der Klägerin zugeflossenen Erlös aus der Vermietung zum ehelichen Gebrauchsvermögen zählender Wohnungen, Rückforderung der Hälfte der vom Kläger für das Haus aufgewendeten Betriebskosten) erachtete es als unzulässig, weil über den Bestand der eingewendeten Forderungen im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei.

Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Zur Klageforderung:

Der Beklagte hat in erster Instanz die Behauptung der Klägerin, zwischen den Streitteilen habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, nicht nur nicht bestritten, sondern ist in seinem eigenen Vorbringen selbst von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen. Damit ist aber das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als zugestanden zu betrachten. Richtig ist allerdings, daß rechtliche Qualifikationen nicht Gegenstand eines prozessualen Geständnisses sein können (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 267). Verwenden aber die Parteien in ihrem Geständnis einfache und eindeutige Rechtsbegriffe des täglichen Lebens, gelten die dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen als zugestanden (9 ObA 196/98h; 9 ObA 248/98f; Fasching, Lehrbuch2 Rz 840). Davon muß auch hier ausgegangen werden, zumal Tatsachen, die ungeachtet der in erster Instanz übereinstimmenden Auffassung der Parteien der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegenstünden, weder behauptet noch festgestellt wurden. Der zeitliche Zusammenhang der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Scheidung der Ehe der Streitteile und der "Zutritt zu Kassa und Konto" schließen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ebensowenig aus, wie der Umstand, daß die Klägerin schon früher Gehälter verspätet ausgezahlt bekam. Gleiches gilt für den Umstand, daß die Klägerin keinen Urlaub konsumiert hat.

Daß die Klägerin selbst für das Geschäftskonto zeichnungsberechtigt war und Zugriff zur Kassa hatte, steht der Berechtigung des Austritts nicht entgegen, zumal feststeht, daß die Klägerin nie selbst ihren Lohn entnommen hat und gar nicht behauptet wurde, daß sie im Verhältnis zum Kläger zur Vornahme von Gehaltszahlungen an sich selbst berechtigt war. Daß die von der Klägerin für die Bezahlung der ausstehenden Gehälter mit Schreiben vom 29. 11. 1996 gesetzte Nachfrist bis 6. 12. 1996 nicht ausreichend gewesen sei, hat der Beklagte in erster und zweiter Instanz nicht geltend gemacht. Im übrigen kann die Angemessenheit dieser Frist angesichts des Umstandes, daß damals die Gehaltszahlungen für die Zeit seit August 1996 ausständig waren, überhaupt nicht zweifelhaft sein. Soweit man im Falle eines derartigen Gehaltsrückstandes überhaupt eine Nachfristsetzung als erforderlich erachtet, braucht diese Frist nur kurz zu sein (Arb 10.471). Die dem Beklagten gesetzte Frist war jedenfalls mehr als ausreichend.

Daß Arbeitgeber der Klägerin ihr Ehegatte war, mit dem sie zur Zeit der Beendigung des Dienstverhältnisses in Scheidung lebte, macht die Geltendmachung der aus dieser Beendigung resultierenden Ansprüche nicht sittenwidrig.

Zu den Gegenforderungen:

Aus § 235 AußStrG ist abzuleiten, daß der streitige Rechtsweg für Ansprüche an den anderen Ehegatten, die eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse betreffen, nicht zulässig ist (SZ 54/126; SZ 69/174; Ris-Justiz RS0008568). Diese Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges betrifft daher auch Ansprüche auf einen Anteil an dem aus einer zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörigen Sache erzielten Nutzen bzw. auf Rückersatz von zur Erhaltung einer solchen Sache getätigten Aufwendungen (vgl auch EFSlg 52.942; EFSlg 52.942). Die Zugehörigkeit der betroffenen Wohnungen bzw. des Hauses zum ehelichen Gebrauchsvermögen wurde vom Beklagten zugestanden bzw. nicht bestritten. Daß im Außerstreitverfahren geltend zu machende Ansprüche nicht im streitigen Verfahren aufrechnungsweise als Gegenforderung geltend gemacht werden können, entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 55/55; zuletzt 7 Ob 2334/96b).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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