OGH 1Ob35/97x

OGH1Ob35/97x25.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Adamovic und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Cäcilie C*****, vertreten durch Dr.Roland Gabl, Dr.Josef Kogler und Mag.Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Peter C*****, wegen Teilung (Streitwert S 800.000,- -), Herausgabe von Schlüsseln (Streitwert S 5.000,- -) und Rechnungslegung (Streitwert S 100.000,- -), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgerichts vom 22.Oktober 1996, GZ 12 R 238/96y-8, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichts Linz vom 17.Juli 1996, GZ 1 Cg 166/96v-4, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird, soweit über ihn noch nicht entschieden wurde (1 Ob 2386/96), Folge gegeben.

Soweit der streitige Rechtsweg für unzulässig erklärt und die Rechtssache an das Bezirksgericht Linz-Land als zuständiges Außerstreitgericht überwiesen wurde (Teilungs- und Herausgabebegehren), werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Revisionsrekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Aufhebung des Miteigentums an einer Liegenschaft durch gerichtliche Feilbietung und weiters die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Schlüsselbunds (unter Konkretisierung der darauf befindlichen Schlüssel) oder zur Ausfolgung von Duplikaten der auf dem Schlüsselbund befindlichen Schlüssel sowie zur Rechnungslegung über sämtliche Einnahmen, insbesondere der Mieteinnahmen, aus der Verwertung dieser Liegenschaft. Sie brachte dazu vor, sie und der Beklagte seien je zur Hälfte Eigentümer dieser Liegenschaft, auf der ein Einfamilienhaus errichtet sei. Er habe ihr im Jahre 1981 aufgrund eines Ehepakts ihren Liegenschaftsanteil ins Eigentum übertragen. Sie habe das Haus in der Folge - ebenso wie er - „bewohnt“. Seit Anfang 1994 verweigere er ihr den Zutritt. Er habe ihr den Schlüsselbund entwendet und lehne dessen Herausgabe ab. Die Aufrechterhaltung des Miteigentums sei untunlich, eine Realteilung der Liegenschaft nicht möglich. Das Haus, an dem der Beklagte kein dringendes Wohnbedürfnis habe, sei zum überwiegenden Teil vermietet. Die Höhe der daraus bezogenen Mietzinse sei der Klägerin nicht bekannt. Der Beklagte habe ihr trotz wiederholter Aufforderung nicht Rechnung gelegt. Die (im Jahre 1977) geschlossene Ehe sei Mitte 1995 geschieden worden.

Der Beklagte war am Verfahren bislang nicht beteiligt.

Das Erstgericht sprach aus, daß der streitige Rechtsweg unzulässig sei, und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Linz-Land als zuständiges Außerstreitgericht. Es führte aus, aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden stehe fest, daß die 1977 geschlossene Ehe mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 18.August 1995 rechtskräftig geschieden worden sei. Am gleichen Tag sei vor diesem Amtsgericht die Aufteilung des Hausrats im Wege eines Vergleichs vorgenommen worden; über die Liegenschaft, den Schlüsselbund und die Mieteinnahmen sei keine Vereinbarung getroffen worden. Gemäß § 235 Abs 1 AußStrG habe das Prozeßgericht mit Beschluß die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen, wenn ein Ehegatte binnen einem Jahr nach Rechtskraft der Scheidung seiner Ehe Ansprüche gegen den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit diese der Aufteilung unterliegen, im Streitverfahren geltend mache. Die Jahresfrist sei noch nicht abgelaufen. Die Klägerin müsse ihren Aufteilungsanspruch, soweit er nicht durch den Vergleich vom 18.August 1995 erledigt sei, innerhalb der Frist des § 95 EheG vor dem zuständigen Familiengericht geltend machen. Die Teilungsklage betreffe zumindest zum Teil das eheliche Gebrauchsvermögen der Streitteile, weil der Klägerin ihr Liegenschaftsanteil während aufrechter Ehe ins Eigentum übertragen worden sei und sich auf dieser Liegenschaft „offensichtlich“ die eheliche Wohnung befunden habe. Die Teilungsklage sei daher gemäß § 235 AußStrG dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen. Die Ausfolgung des Schlüsselbunds und das Begehren auf Rechnungslegung stünden im engen sachlichen Zusammenhang mit dem Begehren auf Teilung der Liegenschaft, weshalb sie gleichfalls im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung zu erledigen seien.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung über das Teilungs- und Herausgabebegehren; das Rechnungslegungsbegehren wies es zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands des bestätigenden Teils der Rekursentscheidung S 50.000,-- übersteige. Die Zuständigkeit und die Verfahrensart seien nach der österreichischen Rechtsordnung zu beurteilen, es sei nicht auf die deutsche Rechtslage abzustellen. Nach dem Klagsvorbringen und den Feststellungen im Scheidungsurteil hätten die Streitteile das Einfamilienhaus während aufrechter Ehe bis zu ihrer Trennung Anfang 1994 gemeinsam bewohnt. Die Teilungsklage betreffe daher die letzte gemeinsame Wohnung der Streitteile und somit die Ehewohnung im Sinne des § 81 Abs 2 EheG. Für dieses Begehren sei daher der streitige Rechtsweg verwehrt, die Überweisung an das zuständige Außerstreitgericht sei zu Recht erfolgt. Das Begehren auf Herausgabe diverser Schlüssel zur Ehewohnung stehe in untrennbarem Zusammenhang mit der rechtsgestaltenden Aufteilungsentscheidung über die Ehewohnung. Demnach sei auch dieses Begehren vom Außerstreitgericht zu behandeln. Im Umfang des Rechnungslegungsbegehrens sei die Klage allerdings zurückzuweisen.

Mit Beschluß vom 16.12.1996 wies der Oberste Gerichtshof den Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rechnungslegungsbegehrens richtete, zurück.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Überweisung der Rechtssache im Umfang des Teilungs- und Herausgabebegehrens an das Außerstreitgericht wendet, ist er zulässig und berechtigt.

Macht eine Ehegatte „Ansprüche an den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen“, im streitigen Verfahren geltend, so hat das Prozeßgericht mit Beschluß die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen (§ 235 Abs 1 AußStrG). Die aus dieser Bestimmung abzuleitende Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs für derartige Ansprüche setzt nach deren Wortlaut voraus, daß diese Gegenstände der Aufteilung unterliegen; dann erfaßt sie nicht nur Leistungs-, sondern auch Feststellungs- und Rechtsgestaltungsklagen, sofern eine Rechtsgestaltung über den Gegenstand der Klage der nachehelichen Aufteilung unterworfen ist (EvBl 1996/55; 4 Ob 565/94; 2 Ob 593/94; vgl auch SZ 57/139; SZ 54/36 und 126 uva). Das gilt insbesondere auch für Teilungsklagen, weil eine allerdings von anderen Grundsätzen beherrschte Teilung des gemeinsamen Vermögens geschiedener Ehegatten zu erfolgen hat, vom Gesetzgeber aber der Aufteilung durch den Außerstreitrichter nach Billigkeitsgrundsätzen eindeutig der Vorrang eingeräumt wurde (SZ 54/36). Die Frage, ob das mit der Klage erhobene Begehren in den Aufgabenkreis des Außerstreitrichters nach § 235 AußStrG fällt, ist vom Streitrichter zu lösen; er hat vorweg zu beurteilen, ob die von der Klage betroffenen Sachen oder Rechte der Aufteilung unterliegen, wobei nicht nur das Vorhandensein negativer, sondern auch das Fehlen positiver Merkmale zu prüfen ist. Ist die Eigenschaft eines Vermögenswerts als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen strittig, dann hat sowohl der mit einem sonst zulässigen Begehren angerufene Streitrichter als auch der Außerstreitrichter bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu entscheiden (4 Ob 565/94; SZ 54/126). Bei der Prüfung der Frage, ob über ein Begehren im Prozeß oder im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, ist nur von den Klagsbehauptungen bzw. vom Vorbringen des Antragstellers auszugehen (1 Ob 2117/96 mwN).

Unter Bedachtnahme auf diese Ausführungen kann die Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Klägerin hat lediglich vorgebracht, ihr sei aufgrund eines Ehepakts während aufrechter Ehe ein Liegenschaftshälfteanteil ins Eigentum übertragen worden, sie habe in der Folge ebenso wie der Beklagte die Liegenschaft bewohnt und dieser verwehre ihr seit Anfang 1994 den Zutritt zu der ihr zur Hälfte gehörigen Liegenschaft. Diesem Vorbringen kann nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen werden, die Klägerin behaupte damit, daß es sich bei dem auf der Liegenschaft errichteten Einfamilienhaus um die Ehewohnung handle, die gemäß § 81 Abs 2 EheG als eheliches Gebrauchsvermögen Gegenstand der Aufteilung wäre: Nicht jede von einem Ehegatten während der Ehe in Benützung genommene Wohnung ist schon deshalb Ehewohnung. Einer Wohnung ist aber andererseits auch nicht schon deshalb die rechtliche Eigenschaft als Ehewohnung abzusprechen, weil sie tatsächlich nicht mehr von beiden Ehegatten gemeinsam benützt wird. Denkbar ist auch, daß für ein Ehepaar mehrere Wohnungen als Ehewohnungen anzusehen sind, ebenso aber, daß ein Ehepaar überhaupt keine Ehewohnung (mehr) hat. Wesentlich ist die Widmung der Räumlichkeiten durch den über ihre Nutzung verfügungsberechtigten Ehegatten. Es fehlt also an hinreichenden Anhaltspunkten für eine Wertung der im Klagebegehren bezeichneten Wohnung als Ehewohnung (vgl. SZ 54/126). Die bloße Annahme der Vorinstanzen, auf der Liegenschaft habe sich die eheliche Wohnung befunden, ist zwar keineswegs abwegig, aber doch weder durch geeignete Tatsachenbehauptungen noch durch entsprechende Verfahrensergebnisse untermauert. Das Erstgericht wird diese für die Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs wesentliche Frage zu klären haben. Den Feststellungen im Scheidungsurteil (Beilage A), die das Gericht zweiter Instanz zu seiner Annahme, es handle sich dabei um die Ehewohnung, veranlaßte, läßt sich jedenfalls nicht entnehmen, daß die Streitteile die Liegenschaft samt Einfamilienhaus während aufrechter Ehe bis zu ihrer Trennung Anfang 1994 gemeinsam bewohnt hätten.

Dem Begriff der ehelichen Ersparnisse gemäß § 81 Abs 3 EheG ist die Liegenschaft schon deshalb nicht zu unterstellen, weil als solche Ersparnisse nur ein während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien durch ihre beiderseitigen Beiträge erzielter Wertzuwachs der Aufteilung zu unterziehen wäre (6 Ob 730/80), der Klägerin indessen nach deren eigenem Vorbringen die Liegenschaftshälfte durch den Beklagten erst während aufrechter Ehe übereignet wurde.

Da die rechtliche Eigenschaft einer Wohnung als Ehewohnung oder als Teil ehelicher Ersparnisse nicht nur Voraussetzung dafür ist, daß die Zuweisung der künftigen Rechte an dieser Wohnung materiellrechtlich der nachehelichen Aufteilung unterliegt, sondern gleichzeitig auch Voraussetzung für eine auf § 235 Abs 1 AußStrG zu gründende Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ist (SZ 54/126), hat eine Klärung dieser Frage auch deshalb zu erfolgen, um über die Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs verläßlich befinden zu können.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs, soweit er das Teilungs- und Herausgabebegehren zum Gegenstand hat, insoweit Folge zu geben, als die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben sind und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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