OGH 7Ob252/08x

OGH7Ob252/08x13.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Michael Tinzl und Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Manuel M*****, vertreten durch Mag. Karl-Heinz Voigt, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Juli 2008, GZ 4 R 260/08a-45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Schwaz vom 22. April 2008, GZ 2 C 913/06y-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 123,71 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass sich am 27. Dezember 2002 gegen 20:00 Uhr in Tirol ein Verkehrsunfall ereignete, an dem der Beklagte als Lenker und Halter eines damals bei der Klägerin aufrecht haftpflichtversicherten PKW beteiligt war. Er hatte an seinem Fahrzeug Sommerreifen montiert und hielt bei erlaubten 100 km/h eine Geschwindigkeit von 120 bis 140 km/h ein, geriet - beim Versuch, einem Tier auszuweichen - ins Schleudern und überschlug sich. Dabei wurde der auf dem Beifahrersitz mitfahrende, nicht angegurtete Bernhard S***** (im Weiteren Beifahrer) aus dem Auto geschleudert und schwer verletzt; insbesondere erlitt er eine nicht reversible Querschnittlähmung und eine Teillähmung des linken Arms nach Schulterzerreißung. Der zwischen den Streitteilen geschlossene KFZ-Haftpflicht- versicherungsvertrag zu Polizze Nr ***** lautet auf eine Versicherungssumme von 2.180.185,03 EUR für Personen und/oder Sachschäden. Bis zum 19. Juli 2006 (vor Einbringung der vorliegenden Klage am 27. Juli 2006) wurden von der Klägerin an den Beifahrer Leistungen von zusammen 332.380,45 EUR „an Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, für Heilbehelfe, Physiotherapiekosten, Arzneimittelkosten usw" erbracht. Vom Beklagtenvertreter wurde für den Beklagten gegenüber der Klägerin erklärt, bis Ende Juli 2006 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Am 18. Jänner 2006 unterfertigte der Beifahrer eine von ihm abgegebene schriftliche Erklärung, wonach er „nach Erschöpfung der Haftpflichtdeckungssumme von 2.189.185,03 EUR keine weiteren Ansprüche, welcher Art auch immer, insbesondere aus Verdienstentgang oder Pflegegeld aus dem Unfall [...] gegen [den Beklagten] sowie [die Klägerin] geltend machen werde" und er gleichzeitig auf jede Anfechtung dieser Erklärung verzichte. Der Beifahrer will nicht, dass der Beklagte aus seinem Vermögen Zahlungen für ihn leisten muss und will auch nicht, dass über die Versicherungssumme hinaus an ihn Zahlungen geleistet werden.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr der Beklagte für sämtliche Zahlungen, welche sie aufgrund des zum Unfallfahrzeug bestehenden Versicherungsvertrags aufgrund des Verkehrsunfalls vom 27. Dezember 2002 über die Versicherungssumme von 2.180.185,03 EUR hinausgehend zu leisten habe, hafte und regressverpflichtet sei. Der Beklagte sei wegen überhöhter Geschwindigkeit auf die linke Fahrbahnseite geraten, habe das Fahrzeug nicht mehr auf der Straße halten können und sei schließlich gegen einen Baum gestoßen. Aufgrund der dabei erlittenen Verletzungen des Beifahrers bestehe bereits bei einer geringfügigen Änderung des Heilungsverlaufs die Möglichkeit, dass die Klägerin von diesem und aus dem Unfall Zahlungspflichtigen (insbesondere von der Pensionsversicherungsanstalt aufgrund einer zu leistenden Rentenzahlung) über die Versicherungssumme hinaus in Anspruch genommen werde. Für diesen Fall sei der Beklagte regressverpflichtet, da ihn ein Verschulden am Unfall treffe und er damit betraglich unbeschränkt hafte. Die Klägerin habe daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Angesichts der Schwere der Verletzungen des Beifahrers könne die vom Beifahrer abgegebene Erklärung sittenwidrig erscheinen. Die Klägerin habe sowohl gegenüber dem Beifahrer als auch gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt sowie der Tiroler Gebietskrankenkasse Verjährungsverzichte mit Wirkung von Feststellungsurteilen abgegeben. Wegen der Einhaltung einer Geschwindigkeit von über 100 km/h bei Abblendlicht und Dunkelheit sei der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG verhindert. Angesichts der „jedenfalls zu liquidierenden Renten- und Regressforderungen" der Tiroler Gebietskrankenkasse und der Pensionsversicherungsanstalt ergebe sich, dass die Versicherungssumme bereits bei einer geringfügigen Änderung des Heilungsverlaufs aller Voraussicht nach nicht ausreichen werde; damit werde die Klägerin Zahlungen leisten müssen, welche jenseits der Versicherungssumme liegen würden und die vom Beklagten regressiert werden müssten. Schließlich behauptete die Klägerin (als Prognose) Schadenersatzforderungen, mit welchen sie konfrontiert sein werde, von zusammen 3.931.260,86 EUR, aufgeschlüsselt nach den Positionen Heilmittel, die über die Leistungen eines Sozialversicherungsträgers hinausgehen würden (440.460 EUR), Rechtsanwaltskosten (58.728 EUR), vermehrte Bedürfnisse (100.000 EUR), Regresszahlungen an Sozialversicherungsträger (247.542,24 EUR [Pensionsversicherungsanstalt / Rehabilitationsmaßnahmen] 161.234,98 EUR [Pensionsversicherungsanstalt/Heilbehelfe], 488.880,36 EUR [Tiroler Gebietskrankenkasse/stationäre Aufenthalte], 342.580 EUR [Tiroler Gebietskrankenkasse/Heilmittel]), Pensionsleistungen (374.804,74 EUR) und Heilungskosten (1.717.030,54 EUR). Angesichts des - nach bereits geleisteten Zahlungen von 332.380,45 EUR per 19. Juli 2006 - verbleibenden Rests der Versicherungssumme von 1.847.804,58 EUR werde der Deckungskonkurs unter der Voraussetzung einer durchschnittlichen Lebenserwartung des Beifahrers in jedem Fall eintreten.

Der Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Er bestreitet das Feststellungsinteresse der Klägerin und wendet ein, es treffe ihn kein Verschulden. Vor der Unfallstelle sei plötzlich ein Tier in der Größe eines Schäferhundes unmittelbar vor dem Fahrzeug aus dem Wald auf die Fahrbahn gekommen, weshalb er ein Ausweichmanöver durchgeführt habe, wodurch das Fahrzeug ins Schleudern geraten sei. Ein fahrtechnisches Fehlverhalten liege nicht vor, der Unfall sei nicht auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. Zum Unfallszeitpunkt sei die Fahrbahn trocken gewesen und habe eine Temperatur von sieben Grad geherrscht, sodass auch die Verwendung von Sommerreifen kein Verschulden begründe. Der Unfall hätte sich auch bei Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit als 100 km/h, Verwendung von Winterbereifung und bei eingeschaltetem Fernlicht in der selben Form und mit dem selben Schadenseintritt ereignet. Der Geschädigte könne vom Beklagten, den kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe, nur bis zum Höchstbetrag der im § 15 EKHG festgesetzten Beträge Ersatz verlangen. Die Klägerin sei daher nicht verpflichtet, irgendwelche über die Haftungshöchstbetragsgrenze des Haftpflichtversicherungsvertrags hinausgehenden Leistungen zu erbringen. Der Beifahrer habe erklärt, nach Erschöpfung der Haftpflichtdeckungssumme keine weiteren Ansprüche welcher Art auch immer aus dem Unfall gegen den Beklagten und die Klägerin geltend zu machen, weshalb weder der Beklagte noch die Klägerin dazu verpflichtet seien, darüber hinaus zu leisten. Diese Erklärung sei nicht sittenwidrig, weil sie der Beifahrer aus freien Stücken abgegeben habe. Angesichts des Unfalldatums seien die Ansprüche des Beifahrers gegen den Beklagten bereits verjährt. Die Berechnungen der Klägerin seien unrichtig und nicht nachvollziehbar. Die Klägerin habe gegenüber dem Beifahrer keine konstitutiven Anerkenntnisse, sondern nur Verjährungsverzichte mit Wirkung eines Feststellungsurteils unter Begrenzung der Haftung mit der Versicherungssumme abgegeben, sodass der Klägerin für sonstige Beträge der Verjährungseinwand jedenfalls zustehe. Unabhängig davon habe sie nicht vorbehaltslos Leistungen erbracht, sondern sich den Einwand der Unzulänglichkeit der Versicherungssumme vorbehalten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging im Wesentlichen von dem eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt aus und traf darüber hinaus folgende Feststellung:

„Unter Berücksichtigung der zu erwartenden, in Hinkunft von der Klägerin für [den Beifahrer] zu erbringenden Zahlungen und Leistungen, etwa für Heilmittel, Kosten für vermehrte Bedürfnisse, Regresszahlungen an die Pensionsversicherungsanstalt für Behandlungskosten, stationäre Aufenthalte, Heilbehelfe und dergleichen, an Verdienstentgang sowie Pflegegeld sowie unter Bedachtnahme auf die anzunehmende Geldwertinflation, ferner unter Zugrundelegung einer anzunehmenden Lebenserwartung [des Beifahrers] von noch rund 50 Jahren, ist davon auszugehen, dass die noch verbliebene Versicherungssumme mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht, um sämtliche Ansprüche des Geschädigten abzudecken."

Rechtlich folgerte das Erstgericht, das Feststellungsinteresse der Klägerin sei zu bejahen, weil es genüge, dass die zukünftige Möglichkeit, die Klägerin werde die im Haftpflichtversicherungsvertrag festgelegte und noch zur Verfügung stehende Versicherungssumme überschreitende Leistungen erbringen müssen, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Für diese Leistungen habe die Klägerin sodann einen Regressanspruch gegen den Beklagten, der den Schaden aus seinem Alleinverschulden verursacht habe. Eine Haftungsbefreiung im Sinn des § 9 EKHG sei beim festgestellten Fahrverhalten des Beklagten ausgeschlossen. Der Verjährungseinwand des Beklagten sei wegen des von ihm abgegebenen Verjährungsverzichts unberechtigt. Unerheblich sei auch die vom Beifahrer abgegebene Erklärung, weil der Fürsorgezweck der Sozialversicherungsgesetze vereitelt würde, wenn der aus der Sozialversicherung Berechtigte unbeschränkt über seine Ansprüche verfügen könnte und dadurch dem sozialen Notstand preisgegeben wäre. Ein Verzicht des Geschädigten auf seine Ansprüche aus der Sozialversicherung sei nicht möglich.

Dagegen erhob der Beklagte Berufung. Er wendet sich zwar ausdrücklich gegen die Feststellung, dass die noch verbliebene Versicherungssumme mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen werde, um sämtliche Ansprüche des Geschädigten bei der noch anzunehmenden Lebenserwartung von rund 50 Jahren abzudecken; in Wahrheit bekämpft er jedoch damit die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Unbeachtlichkeit der vom Beifahrer abgegebenen Erklärung. Weiters wird eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Unterlassung der Einholung des (tatsächlich) beantragten Gutachtens eines Kraftfahrzeugsachverständigen zum Beweis dafür gerügt, dass sich der Unfall ebenso und mit demselben Schadenseintritt auch bei Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit als 100 km/h, bei Verwendung von Winterreifen und bei eingeschaltetem Fernlicht ereignet hätte, womit in Wahrheit ein sekundärer Feststellungsmangel gerügt wird, weil dazu keine Feststellung vorliegt. In der Rechtsrüge weist der Beklagte schließlich darauf hin, dass der Regressanspruch der Klägerin erst mit Zahlung durch sie entstehe, wodurch erst die Verjährungsfrist von 30 Jahren in Lauf gesetzt werde, sodass ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung für Regressansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht gegeben sei.

In ihrer Berufungsbeantwortung vertrat die Klägerin die Rechtsansicht, nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung sei bei Schadenersatzansprüchen auf den Zeitpunkt des Primärschadens abzustellen, ab dem für einen Regress im Sinn des § 24 KHVG die dreijährige Verjährungsfrist laufe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das Ersturteil in eine Klagsabweisung ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Aufgrund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge der Berufung sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts umfassend zu überprüfen und dabei Folgendes zu beachten gewesen: Die Klägerin habe als Haftpflichtversicherer aus diesem Versicherungsfall grundsätzlich Leistungen bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme von 20 Mio ATS = 2.180.185,03 EUR zu erbringen. Der von ihr relevierte Deckungskonkurs könnte nur im Fall der Verpflichtung zur Erbringung von Rentenzahlungen eintreten, wofür § 155 Abs 1 VersVG eine gesetzliche Regelung vorsehe. Danach sei versicherungsmathematisch die Rente festzustellen, deren Kapitalwerte der in Betracht kommenden Versicherungssumme entspreche. Die herabgesetzte Rente sei auch dann zu leisten, wenn die Versicherungssumme erschöpft sei. Dadurch werde gewährleistet, dass der Dritte die ihm zuerkannte Rente in jedem Fall wenigstens teilweise erhalte, und es werde vermieden, dass der sorglose Versicherungsnehmer, der keine Rücklagen gebildet habe, finanziell ruiniert werde. Soweit im Zusammenhang mit der Rentenkürzung § 155 Abs 1 VersVG das Verhältnis des Versicherungsnehmers zu einem Versicherer betreffe, regle § 10 KHVG den Fall, dass der Versicherer Rentenzahlungen direkt an den geschädigten Dritten zu leisten habe. Eine danach herabgesetzte Rentenleistung stelle die Versicherungssumme dar, für die der Versicherer einzustehen habe, auch wenn der Anspruchsberechtigte tatsächlich länger leben sollte als (versicherungsmathematisch) berechnet und deshalb die gesetzliche oder die höhere vertraglich vereinbarte Versicherungssumme längst ausgeschöpft sei. Diese aleatorische Ungewissheit treffe ausschließlich den Versicherer und könne mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht auf den Versicherungsnehmer überwälzt werden. Der im § 24 Abs 4 KHVG geregelte Regress des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer betreffe nicht die hier vorliegende Konstellation eines Deckungskonkurses aufgrund von Rentenzahlungen, sondern ausschließlich den Fall, dass zwar der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei sei, dennoch aber seine Verpflichtung in Ansehung des Dritten bestehen bleibe. Schon wegen dieser Überlegungen bestehe das Klagebegehren mangels Anspruchsgrundlage nicht zu Recht, sodass sich ein Eingehen auf die Mängel-, Tatsachen- und Rechtsrüge der Berufung erübrige.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob der Versicherer im Fall des Eintretens des Deckungskonkurses aufgrund von Rentenzahlungen berechtigt sei, hinsichtlich der über die Versicherungssumme hinausgehenden Zahlungen gegenüber dem eigenen Versicherungsnehmer Regress zu nehmen.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Berufung der Beklagten keine Folge gegeben werde, hilfsweise auf Aufhebung. Die Revision sei nicht nur wegen der vom Berufungsgericht relevierten Rechtsfrage zulässig, sondern auch, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung zur Frage der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess abgewichen sei. Es habe auch - im Gegensatz zum vom Erstgericht angenommenen Sachverhalt - in Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit festgestellt, dass der von der Klägerin relevierte Deckungskonkurs nur im Fall der Verpflichtung zur Erbringung von Rentenzahlungen eintreten könne. Vom Beklagten sei in erster Instanz nie eingewendet worden, dass der Deckungskonkurs ausschließlich aufgrund von Rentenzahlungen eintreten könne und dass deswegen die Klägerin verpflichtet wäre, ein entsprechendes gerichtliches Verfahren einzuleiten. Daher sei es dem Rechtsmittelgericht verwehrt gewesen, zur Frage der Ursache des möglichen Deckungskonkurses weitere Überlegungen anzustellen und die Frage der Anwendbarkeit des § 155 VersVG zu prüfen. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ergebe sich die Möglichkeit des Deckungskonkurses aus diversen einzeln aufgezählten Rechnungspositionen, keineswegs aber ausschließlich aus der Möglichkeit von zukünftigen Rentenzahlungen. Wenn der Versicherer über die vereinbarte Haftungshöchstgrenze hinaus Leistungen erbringen müsse, der Versicherungsnehmer aber gegenüber dem Geschädigten unbeschränkt hafte, sei klargestellt, dass für diesen Fall der Versicherer eine Schuld des Versicherungsnehmers bezahle. Es sei aber dogmatisch nicht zu erklären, weshalb dann der Versicherer aus dem Titel der Bereicherung keine Regressmöglichkeit haben sollte. Wegen des bereicherungsrechtlichen Regressanspruchs des Versicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer sei dem Klagebegehren daher stattzugeben.

Der Beklagte tritt dem in seiner Revisionsbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

1. Zunächst ist Folgendes klarzustellen:

1.1. Die Klägerin hat den von ihr behaupteten und so bezeichneten Regressanspruch wegen Leistungen an den Geschädigten und an Regressberechtigte, die über die vereinbarte Versicherungssumme hinausgehen, in erster Instanz im Wesentlichen nur auf das Verschulden des Beklagten am Zustandekommen des Unfalls (und damit an der Verletzung des Beifahrers) gestützt. Sie qualifizierte ihren Anspruch in der Revision (erstmals) rechtlich, und zwar als Regressverpflichtung aus dem Titel der Bereicherung, weil sie bei Leistung über die Haftungshöchstgrenze eine Haftpflichtschuld des Beklagten erfülle. Damit beruft sich die Klägerin nunmehr ausschließlich auf den Rechtsgrund eines Verwendungsanspruchs nach § 1042 ABGB.

1.2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der von § 24 Abs 4 KHVG erfasste Regress des Versicherers gegenüber dem eigenen Versicherungsnehmer regle nicht die Ersatzpflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, wenn dieser im Falle eines Deckungskonkurses Leistungen über die vereinbarte Versicherungssumme hinaus erbringen müsse, blieb von der Klägerin in der Revision unbeanstandet, sodass hier nicht mehr darauf einzugehen ist.

2. Zu prüfen bleibt die Frage, ob ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Haftung des Beklagten für den behaupteten, ihrer Ansicht nach in der Zukunft höchstwahrscheinlich entstehenden Verwendungsanspruch gegenüber dem Beklagten gegeben ist.

Nach § 228 ZPO kann unter anderem auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses oder Rechts ist vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0039239).

Gegenstand der Klage kann nicht ein erst künftig entstehendes Rechtsverhältnis oder ein künftig entstehender Anspruch sein. Die Klage ist daher abzuweisen, wenn die zur Begründung des Rechtsverhältnisses erforderliche Tatsache noch nicht eingetreten ist; ebenso vor Eintritt der Voraussetzungen, an die das Gesetz das Entstehen eines Anspruchs knüpft (RIS-Justiz RS0039178). Eine Feststellungsklage kann aber auch auf Feststellung befristeter oder bedingter Rechte oder Rechtsverhältnisse erhoben werden (RIS-Justiz RS0039225), jedoch nur dann, wenn der gesamte übrige rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und nur die bereits genau und bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten ist. Solange sich der rechtserzeugende Sachverhalt noch nicht vollständig konkretisiert hat, ist eine Feststellungsklage nicht gerechtfertigt (RIS-Justiz RS0047957, RS0039125 [T1]). Das Fehlen einer gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung kann daher nicht schlechthin mit dem Vorhandensein einer Bedingung gleichgesetzt werden (RIS-Justiz RS0039178 [T4]).

Allerdings lässt die herrschende Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0038976) auch die Feststellung einer allfälligen Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell schädigenden) Ereignis zu. Das vom Gesetz geforderte rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung wird in diesem Zusammenhang insbesondere bejaht, wenn ohne gerichtliche Geltendmachung die Verjährung zukünftiger Schadenersatzansprüche droht und ausnahmsweise auch dann, wenn - ohne Verjährungsrisiko - eine zeitnahe Klärung bestimmter Umstände, die für denkbare zukünftige Schadenersatzansprüche von Bedeutung sein können, objektiv zweckmäßig erscheint (RIS-Justiz RS0038976 [T32]). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0039265 [T1]), wo also ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht (RIS-Justiz RS0039007 [T7]). Die Feststellungsklage bedarf eines konkreten, aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RIS-Justiz RS0039215). Auch für die Feststellungsklage gilt ganz allgemein das Verbot der hypothetischen Klageerhebung (RIS-Justiz RS0039320). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann somit regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre (1 Ob 237/08x).

3. Ungeachtet der wiederholten Bestreitung des Feststellungsinteresses durch den Beklagten hat die Klägerin in erster Instanz ihr rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten zum einen nur mit seiner Regressverpflichtung wegen schuldhafter Herbeiführung des Verkehrsunfalls und zum anderen mit der allfälligen Sittenwidrigkeit der vom Beifahrer abgegebenen Erklärung vom 18. Jänner 2006 (unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 360/98z) begründet. Daraus lässt sich aber eine Verschlechterung der rechtlichen Position der Klägerin im Fall eines gerichtlichen Vorgehens erst zu einem Zeitpunkt, in dem der behauptete Verwendungsanspruch tatsächlich entstanden ist, in keiner Weise erkennen.

3.1. Nach § 1478 ABGB fängt die Verjährung in der Regel zu laufen an, sobald der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis, wie die mangelnde Fälligkeit, mehr im Wege steht; sie hat daher auch das Entstehen des Anspruchs zur Voraussetzung. Diese Regel gilt grundsätzlich für alle Verjährungsfristen, soweit das Gesetz keine Ausnahmen macht, etwa im § 1489 ABGB für die Verjährung von Schadenersatzansprüchen (RIS-Justiz RS0034248 [T1 und T7]).

Anspruchsberechtigt nach § 1042 ABGB ist, wer eine vermögenswerte Leistung aus eigenen Mitteln für den dazu Verpflichteten erbringt, dem dadurch eine Last abgenommen wird (Apathy in Schwimann³ § 1042 ABGB Rz 3). Voraussetzung für das Entstehen dieses Anspruchs ist daher die Leistung an den Dritten, sodass die Verjährungsfrist - in welcher Länge auch immer - frühestens damit zu laufen beginnen kann.

Die Deckungspflicht der Klägerin als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer erstreckt sich gemäß § 9 KHVG entweder auf die gesetzliche Mindestversicherungssumme oder auf die vereinbarte höhere Versicherungssumme, hier auf den Betrag von 2.180.185,03 EUR. Solange die Klägerin in Erfüllung der damit begrenzten Deckungspflicht an Geschädigte leistet, scheidet ein Anspruch nach § 1042 ABGB aus, der bloß ergänzende Funktion hat und daher jedenfalls dann nicht zur Anwendung kommt, wenn die Vermögensverschiebung in einem Rechtsverhältnis zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten einen ausreichenden Rechtsgrund hat oder sonst durch das Gesetz gerechtfertigt oder geregelt ist (RIS-Justiz RS0028050 [T3]); dieses Rechtsverhältnis kann auch in einem Haftpflichtversicherungsvertrag bestehen (5 Ob 320/77 = RIS-Justiz RS0020036). Unter § 1042 ABGB zu subsumierende Leistungen der Klägerin an die Geschädigten und Legalzessionare sind daher frühestens nach Erlöschen ihrer Deckungspflicht wegen vollständiger Ausbezahlung der Versicherungssumme anzunehmen. Davon kann aber derzeit noch keine Rede sein; abgesehen davon ist es nach den Feststellungen im Ersturteil zwar sehr wahrscheinlich, dass die Versicherungssumme nicht ausreichen wird, um alle Haftpflichtansprüche abzudecken; da aber der Eintritt eines Deckungskonkurses keinesfalls zwingend Leistungen der Klägerin als Versicherer über die maßgebliche Versicherungssumme hinaus zur Folge hat, ist es völlig ungewiss und von einer Vielzahl von unterschiedlichen Umständen abhängig, ob es jemals zu Leistungen der Klägerin über die Versicherungssumme hinaus kommen wird.

Da aber Ansprüche der Klägerin nach § 1042 ABGB ohnehin erst mit der Leistung nach Ausschöpfung der Versicherungssumme entstehen (können) und die Verjährungsfrist - in welcher Länge auch immer - frühestens damit zu laufen beginnen kann, ist die Gefahr eines Rechtsverlusts für die Klägerin und eine damit einhergehende Gefährdung ihrer Rechtsposition in der derzeitigen Situation, in der die Versicherungssumme noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist, zu verneinen. Der rechtserzeugende Sachverhalt hat sich also derzeit noch nicht ausreichend konkretisiert, weshalb er den von der Klägerin behaupteten Anspruch auf eine Feststellungsklage nicht rechtfertigt.

3.2. Ebensowenig lässt sich die Notwendigkeit einer zeitnahen Klärung bestimmter Umstände erkennen, die für die Beurteilung eines allfälligen zukünftigen Verwendungsanspruchs objektiv zweckmäßig erscheint (worauf sich die Klägerin ohnehin nicht berufen hat).

Im vorliegenden Verfahren blieb zwar die Frage, ob den Beklagten eine Verschuldens- oder eine Gefährdungshaftung trifft, strittig. Sie ist rechtlich aufgrund einer Feststellung des Unfallhergangs zu beantworten, die schon bei Klagseinbringung (21. Juli 2006, also mehr als 3 Jahre nach dem Unfall), auch derzeit und in Hinkunft nur auf der Grundlage der beim Akt befindlichen Unterlagen möglich ist. Es handelt sich dabei um den Akt der Staatsanwaltschaft Innsbruck/des Bezirksanwalts beim Bezirksgericht Schwaz 73 BAZ 126/03b (dessen Inhalt für die Zukunft gesichert ist) und das (ohnehin von der Klägerin vorgelegte) Gutachten des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. M***** vom 22. Juli 2003, ./G. Der staatsanwaltliche Akt umfasst die Gendarmerieanzeige vom 30. Dezember 2002 samt Lichtbildern, Unfallskizze und Einvernahme des Beklagten [bei der er die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 120 bis 140 km/h bei Abblendlicht und Breitstrahlern zugestand]. Angesichts dieser Umstände ist eine relevante Verschlechterung der Beweislage der Klägerin durch die Verweisung auf ein erst späteres gerichtlichen Vorgehen daher nicht zu befürchten.

3.3. Schließlich versagt auch die Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 360/98z. Diese hatte zwar ebenso eine Feststellungsklage des Haftpflichtversicherers zum Gegenstand, mit der (allerdings anders als hier) gegenüber dem Geschädigten die Beschränkung der Haftung für den weiteren Ersatz von Verdienstentgang und Pflegekosten bis zur Erschöpfung der Haftpflichtversicherungssumme festgestellt werden sollte. Sie blieb erfolglos, weil im vorausgehenden Schadenersatzprozess des (nunmehr beklagten) Geschädigten gegen Lenker, Halter und den (nunmehr klagenden) Haftpflichtversicherer der Einwand der Unzulänglichkeit der Versicherungssumme nicht erhoben worden war. Es wurde ausgeführt, dass diese Unterlassung den Haftpflichtversicherer nicht berechtige, nach Erschöpfung der Haftpflichtversicherungssumme seine Leistungen zu beenden. Diese Entscheidung erweist sich als nicht einschlägig, weil hier ein bereits abgeschlossener Schadenersatzprozess zwischen einem Dritten und der Klägerin weder behauptet wurde noch sonst hervorgekommen ist. Überdies finden sich weder Ausführungen zur Frage einer Regressmöglichkeit des Haftpflichtversicherers wegen trotz Erschöpfung der Haftpflichtversicherungssumme an den Geschädigten geleisteter Zahlungen gegenüber dem gar nicht prozessbeteiligten Versicherungsnehmer (= Schädiger) noch (naturgemäß) zum Feststellungsinteresse des Haftpflichtversicherers nach § 228 ZPO für die vorliegende Konstellation.

4. Zusammenfassend ist daher das rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung des von ihr behaupteten, allenfalls in der Zukunft entstehenden Verwendungsanspruchs gegenüber dem Beklagten nach § 228 ZPO zu verneinen, was auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0039123, RS0038939) und zur Abweisung (RIS-Justiz RS0038898) der Klage und somit zur Erfolglosigkeit der Revision führt. Einer (weiteren) Auseinandersetzung mit den in der Revision aufgeworfenen Fragen bedarf es daher nicht.

5. Der Misserfolg der Klägerin verpflichtet sie, dem Beklagten die richtig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 41, 50 ZPO zu ersetzen.

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