OGH 1Ob237/08x

OGH1Ob237/08x25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ernst S*****, 2.) Dr. Gerhard P*****, 3.) Johanna P*****, 4.) I*****vereinigung *****, 5.) Dr. Peter S*****, und 6.) Mag. Helmut G*****, alle vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde G*****, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. September 2008, GZ 5 R 143/08a‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00237.08X.1125.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Die Kläger kündigen in ihrer außerordentlichen Revision wiederholt an, auszuführen, dass angesichts der Rechtsstruktur des Bau‑ und Raumplanungsrechts für ein aus der Gesetzwidrigkeit eines Bebauungsplans im Wege der Amtshaftung abzuleitendes Feststellungsbegehren besondere Kriterien gelten müssten, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten sei. Entgegen ihrer Ankündigung zeigen sie eine rechtlich besonders zu beurteilende Konstellation jedoch in der Folge nicht auf.

2.) Auch wenn sich die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens nach der gesetzlichen Regelung in § 228 ZPO auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines „Rechtsverhältnisses oder Rechtes" beschränkt, lässt die herrschende Judikatur (vgl nur die Nachweise bei Rechberger/Klicka in Rechberger3, § 228 ZPO Rz 5) auch die Feststellung einer (allfälligen) Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell schädigenden) Ereignis zu. Das vom Gesetz weiters geforderte rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung wird in diesem Zusammenhang insbesondere bejaht, wenn ohne gerichtliche Geltendmachung die Verjährung zukünftiger Schadenersatzansprüche droht, ausnahmsweise auch dann, wenn - ohne Verjährungsrisiko - eine zeitnahe Klärung bestimmter Umstände, die für denkbare zukünftige Schadenersatzansprüche von Bedeutung sein können, objektiv zweckmäßig erscheint (RIS‑Justiz RS0038976; 8 Ob 73/07d).

3.) Die Kläger haben die Feststellung der (amtshaftungsrechtlichen) Haftung der Beklagten für alle Schäden, die ihnen aus der Gesetzwidrigkeit eines Bebauungsplans entstehen werden, insbesondere jener Kosten, welche mit der Geltendmachung der Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplans im Bauverfahren verbunden sind, begehrt. Auch im weiteren Verfahren (AS 81) haben sie klargestellt, dass es ihnen um die Feststellung der Haftung für künftige Schäden geht.

Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, mangels eines schon eingetretenen (sonstigen) Schadens bestehe aus verjährungsrechtlichen Überlegungen kein Rechtsschutzbedürfnis.

Dem halten die Revisionswerber lediglich entgegen, es sei „nicht ausgeschlossen", dass die Verjährungsfrist für unmittelbar aus der Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplans resultierende Schäden bereits mit dessen Kundmachung zu laufen begonnen habe. Rechtliche Erörterungen dazu, warum im vorliegenden Fall ein derartiger Verjährungsbeginn angenommen werden könnte, werden aber nicht einmal ansatzweise angestellt. Damit kann es den Revisionswerbern in diesem Zusammenhang nicht gelingen, die unrichtige Lösung einer erheblichen Rechtsfrage durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

4.) Wie bereits dargelegt wurde, kann sich ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung einer (potentiellen) Haftung für zukünftige Schäden gegebenenfalls dadurch ergeben, dass nur so erhebliche Beweisschwierigkeiten vermieden werden können, die einträten, wenn die (Leistungs‑)Klage erst nach dem tatsächlichen Eintritt der derzeit bloß nicht auszuschließenden zukünftigen Schäden erhoben würde. Schon das Erstgericht hat in diesem Sinne das Feststellungsinteresse mit dem Argument verneint, dass künftige Beweisschwierigkeiten nicht zu erwarten seien, weil das Vorgehen der Beklagten durch Veröffentlichung der einzelnen Verfahrensschritte im Amtsblatt ausreichend und dauerhaft dokumentiert sei; der Hinweis auf eine in der Zukunft liegende theoretisch mögliche „Betroffenheit" der Kläger durch die behauptete Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplans sei daher kein hinreichend aktueller Anlass für die begehrte Feststellung im Bezug auf alle hieraus resultierenden Schäden. Das Berufungsgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen.

Dem halten die Kläger, denen es obliegt, alle ein gesetzlich anerkanntes Feststellungsinteresse begründenden Umstände zu behaupten, (auch) im Rechtsmittelverfahren nichts Substantielles entgegen. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre. Obwohl die Beklagte schon im Verfahren erster Instanz darauf hingewiesen hat, dass ein „Beweissicherungsinteresse" der Kläger im vorliegenden Fall wegen der objektiven Dokumentation des Verhaltens der Beklagten nicht bestehe, werden auch in der Revision dazu keine Gegenargumente ins Treffen geführt. Dass es in einem Amtshaftungsverfahren allenfalls zu einer Anfechtung einer möglicherweise gesetzwidrigen Verordnung beim Verfassungsgerichtshof kommen kann, vermag ein (sonst nicht vorliegendes) Feststellungsinteresse nicht zu begründen.

5.) Da die Kläger ihre (potentiellen) Ansprüche auf die behauptete Verletzung raumordnungsrechtlicher Bestimmungen durch die Beklagte stützen, wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass Raumordnungsgesetze - auch wenn darin etwa von einer Sicherung des Lebensraums im Interesse des Gemeinwohls gesprochen wird - regelmäßig nicht auf den Schutz von Anrainern abzielen, deren Liegenschaften sich im Nahbereich eines von einem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan betroffenen Grundstücks befinden (1 Ob 148/02z; vgl auch RIS‑Justiz RS0038504). Gerade im Zusammenhang mit der von den Klägern angesprochenen möglichen Verschlechterung der Hochwassersituation enthalten vor allem die Normen des WRG einschlägige Bestimmungen. Angesichts des Fehlens eines Feststellungsinteresses muss aber die Frage, ob die von den Klägern angesprochene Regelung in § 4 Abs 1 Z 4 des gemäß § 8 Stmk ROG erlassenen Programms zur hochwassersicheren Entwicklung der Siedlungsräume (LGBl Stmk 2005/117), die das Freihalten eines Uferstreifens von mindestens 10 m anordnet, Anrainerinteressen schützen oder aber lediglich eine Beeinträchtigung des unmittelbar betroffenen Grundstücks verhindern soll, nicht näher untersucht werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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