OGH 7Ob88/09f

OGH7Ob88/09f13.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des vormals Minderjährigen Richard F*****, geboren am 20. Februar 1990, *****, über den Rekurs des Vaters Franz F*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. September 2008, GZ 48 R 238/08t-3, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 24. 7. 2008 erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für seinen Sohn Richard für die Zeit ab 1. 4. 2006.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters mit Beschluss vom 4. 9. 2008 nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs hinsichtlich dieses Punkts der Rekursentscheidung nicht zu. Außerdem verhängte es über den Vater eine Ordnungsstrafe von 300 EUR. Bereits im Beschluss des Rekursgerichts vom 16. 3. 2006 sei dem Rekurswerber wegen aggressiver, unsachlicher und die Gerichtsbarkeit pauschal kritisierender Vorwürfe in seinen Eingaben die Verhängung einer empfindlichen Ordnungsstrafe angedroht worden. Die im nunmehrigen Rekurs enthaltenen, größtenteils unsachlichen und sarkastischen Äußerungen (das Rekursgericht zitiert unter anderem die Formulierungen: „Handlanger verbrecherischer Unterhaltsgesetze"; „Verarschung des Unterhaltspflichtigen"; „das Bezirksgericht hat keine Ahnung vom Fiskus"; „das ist wahrscheinlich dem Gericht scheißegal") rechtfertigten die Verhängung einer Ordnungsstrafe in der festgelegten Höhe. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass bei neuerlichen beleidigenden Ausfällen eine weitere Ordnungsstrafe bis zu 1.450 EUR verhängt werden könne.

Ausdrücklich nur gegen den Auftrag zur Zahlung der Ordnungsstrafe richtet sich das als Rekurs bezeichnete Rechtsmittel des Vaters. Darin wird die „Verfügung" der Ordnungsstrafe allein damit bekämpft, dass sie im Widerspruch zum „Artikel über die Meinungsfreiheit in der Verfassung der Republik Österreich" stehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber verspätet.

1. Nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung ist gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch das Rechtsmittelgericht der Rekurs unabhängig von der Höhe der verhängten Ordnungsstrafe, einer allfälligen Wertgrenze für die Erhebung des Rechtsmittels und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS-Justiz RS0036270, RS0121603). Dieser Grundsatz gilt auch im Verfahren außer Streitsachen. Weil die Ordnungsstrafe vom Rekursgericht erstmals verhängt wurde, besteht für den dagegen erhobenen Rekurs keine Anwaltspflicht, sodass hier das Fehlen einer Anwaltsunterschrift auf dem Rechtsmittel nicht schadet (3 Ob 102/08h mwN zur alten Rechtslage und dazu, dass daran auch nach Änderung des Außerstreitverfahrens [§§ 62 ff AußStrG] festzuhalten ist).

2. Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem Vater am 24. 11. 2008 zugestellt. Die 14-tägige Rekursfrist des § 65 Abs 1 Satz 1 AußStrG endete am 9. 12. 2008 (der 8. 12. ist ein Feiertag). Der erst am 2. 1. 2009 zur Post gegebene Rekurs ist daher verspätet.

2.1. Nach § 46 Abs 3 AußStrG können Beschlüsse auch nach Ablauf der Rekursfrist angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Dies gilt gemäß § 71 Abs 4 AußStrG auch im Verfahren über den Revisionsrekurs (RIS-Justiz RS0007078 [T2, T3]). Voraussetzung ist, dass die materiellrechtliche oder die verfahrensrechtliche Stellung einer vom Rechtsmittelwerber verschiedenen Person nicht nachteilig berührt wird (RIS-Justiz RS0007126 [T2]), wobei die Beeinträchtigung der verfahrensrechtlichen Stellung genügt (RIS-Justiz RS0007180; zu allem: 3 Ob 21/09y).

3. Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 46 Abs 3 AußStrG vorliegen, ist bei der Entscheidung über einen verspäteten Revisionsrekurs zunächst zu prüfen, ob dieser sachlich berechtigt wäre (RIS-Justiz RS0007086; RS0111098). Dies ist zu verneinen:

3.1. Nach § 22 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 86 ZPO idF der ZVN 1983 kann gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt oder welche in einem Schriftsatz den Gegner ... beleidigt, unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung vom Gerichte eine Ordnungsstrafe verhängt werden. Durch die Verhängung von Ordnungsstrafen soll sichergestellt werden, dass sich die am Verfahren beteiligten Personen - auch in ihrem eigenen Interesse - einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise bedienen (stRsp; RIS-Justiz RS0036327). Durch die - verfassungskonforme (RIS-Justiz RS0036302) und im Einklang mit der EMRK stehende (Ordnungsstrafen nach der ZPO fallen nicht unter § 6 EMRK) - Bestimmung des § 86 ZPO soll keineswegs eine sachlich berechtigte Kritik verhindert, sondern nur jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung verletzt, sanktioniert werden (RIS-Justiz RS0036327; zu allem: 3 Ob 102/08h).

4. Die oben in den wesentlichen Punkten wiedergegebenen Äußerungen überschreiten eindeutig das Maß sachlich berechtigter Kritik. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend zum Ausdruck brachte, kann eine derartige Diktion im Interesse eines objektiven und emotionslos geführten Verfahrens nicht hingenommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Verletzung der dem Gericht schuldigen Achtung nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen, wenn sie in der Absicht begangen wurde, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegung entsprang (RIS-Justiz RS0036397). Es kommt nicht auf die Absicht des Verfassers des Schriftsatzes an, sondern auf die Beurteilung der Äußerung nach objektiven Gesichtspunkten (RIS-Justiz RS0036303). Die objektive Beurteilung und nicht die Absicht des Verfassers entscheidet, ob der Schriftsatz beleidigende Ausfälle enthält (RIS-Justiz RS0036256). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht in der Lage, die vom Rekursgericht verhängte Ordnungsstrafe aufzuheben.

5. In Bezug auf deren Höhe wurde der dem Gericht eingeräumte Ermessensspielraum nicht überschritten, weil die verhängte Ordnungsstrafe den in § 220 Abs 1 ZPO idF des 2. Euro-JuBeG vorgesehenen Strafrahmen (bis 1.450 EUR) bei weitem nicht ausschöpft. Dass die verhängte Strafe die finanziellen Möglichkeiten des Rekurswerbers übersteigen würde, ist im Rechtsmittel nicht vorgetragen worden. Eine gnadenweise Nachsicht einer Ordnungsstrafe steht jedenfalls nur dem Gericht zu, das die Strafe verhängt hat (3 Ob 102/08h mwN).

Aus diesen Erwägungen wäre der Revisionsrekurs sachlich nicht gerechtfertigt, weshalb das Rechtsmittel des Vaters als verspätet zurückzuweisen ist (vgl 3 Ob 21/09y).

Stichworte