OGH 8Ob24/09a

OGH8Ob24/09a2.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfriede P*****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ernst P*****, vertreten durch Dr. Günther Nowak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 12.160 EUR (Revisionsinteresse 10.032 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 18. Februar 2008, GZ 4 R 181/08x-47, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 18. Februar 2008, GZ 2 C 3/06m-40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die 1945 geborene Klägerin und der 1942 geborene Beklagte waren seit 1966 verheiratet. Der Ehe entstammen drei mittlerweile volljährige Kinder. Im Oktober 2005 verließ die Klägerin die im Alleineigentum des Beklagten stehende Ehewohnung. Bis dahin führte sie den Haushalt. Die Ehe der Streitteile wurde mittlerweile (Rechtskraft des Scheidungsurteils 4. 5. 2007) aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Der Beklagte war bis zum Jahr 2003 als KFZ-Händler und KFZ-Sachverständiger beschäftigt; seit diesem Zeitpunkt bezieht er vorzeitige Alterspension von monatlich rund 1.370 EUR. Überdies bezieht der Beklagte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Wohnungen.

Im Februar 2000 verkaufte der Beklagte eine in seinem Eigentum stehende Liegenschaft um 11.500.000 ATS. Über die Verwendung des Erlöses konnten keine Feststellungen getroffen werden. Die Nettoprivatentnahmen des Beklagten einschließlich der vorzeitigen Alterspension und der fiktiven Kapitalerträgnisse aus dem Verkauf der Liegenschaft (bei Annahme einer Veranlagung mit einem Nettozinssatz von 2,5 %) beliefen sich in der Zeit vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2006 auf monatlich durchschnittlich 2.635 EUR.

Die Klägerin bezieht ein monatliches Pensionseinkommen von 486,83

EUR.

Die Klägerin begehrte mit Klage und Sicherungsantrag eine monatliche Zahlung von zunächst 1.290 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zur Zahlung von 650 EUR monatlich ab dem 17. 1. 2006. Es ist unstrittig, dass der Beklagte der Klägerin diese Leistung tatsächlich erbringt.

Am 31. 5. 2007 schränkte die Klägerin infolge Rechtskraft des Scheidungsurteils ihr Unterhaltsbegehren an rückständigem Unterhalt abzüglich Zahlungen laut einstweiliger Verfügung für den Zeitraum vom 1. 10. 2005 bis 30. 4. 2007 auf 12.160 EUR ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Unterhaltsanspruch bestehe dem Grunde nach zu Recht. Hinsichtlich der Höhe sei der fiktive Ertrag aus dem Erlös des Verkaufs der Liegenschaft hinzuzurechnen. Der Beklagte habe zwar behauptet, den Kaufpreis zur Abdeckung von Verbindlichkeiten verwendet zu haben, in der Folge aber jegliche zielführende Mitwirkung an der tatsächlichen Feststellung der Verwendung dieses Kaufpreiserlöses unterlassen. Unter Zusammenrechnung des durchschnittlichen monatlichen Reingewinns sowie der durchschnittlichen monatlichen Nettoprivatentnahmen gelangte das Erstgericht zu einer Bemessungsgrundlage von 5.361,04 EUR und leitete daraus ab, dass unter Anwendung der 40-%-Methode ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin bestehe, der über dem begehrten Betrag liege.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Beklagten das Ersturteil teilweise im Sinn der Abweisung des allein noch revisionsgegenständlichen Teilbegehrens von 10.032 EUR ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass ein in Lehre und Rechtsprechung anerkannter Grundsatz sei, dass bei selbstständig Erwerstätigen entweder der wirtschaftliche Reingewinn oder die diesen übersteigenden Privatentnahmen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen seien. Zutreffend mache der Berufungswerber daher geltend, dass nur die Privatentnahmen der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werden dürften. Die Einbeziehung der fiktiven Kapitalerträge in diese sei sachgerecht und geboten, weil der Beklagte die Verwendung des Verkaufserlöses nicht befriedigend habe darlegen können. Es sei daher von einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des Beklagten von bloß 2.635 EUR auszugehen. Unter Anwendung des von der Judikatur entwickelten Bemessungsvorgangs errechne sich daher ein Unterhaltsergänzungsanspruch der Klägerin von 762 EUR monatlich. Davon seien die vom Beklagten im zu beurteilenden Zeitpunkt unstrittigerweise geleisteten Zahlungen von 650 EUR monatlich abzuziehen, sodass der Klägerin noch 112 EUR pro Monat, insgesamt daher 2.128 EUR, zustünden.

Das Berufungsgericht ließ die von der Klägerin dagegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision aufgrund eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nachträglich zu. Obwohl die Klägerin in ihrer Klage eine Berechnung ihres Unterhaltsbegehrens nach der „40-%-Judikatur" vorgenommen habe, habe sie im Lauf des weiteren Verfahrens den Standpunkt vertreten, die alleinige Nutzung des Ehewohnhauses samt Swimmingpool und der Ferienwohnung durch den Beklagten allein müsse bei der Unterhaltsentscheidung berücksichtigt werden. Tatsächlich sei der „Lebenszuschnitt" der Ehepartner für die Ermittlung des angemessenen Unterhalts maßgeblich zu berücksichtigen, sodass im vorliegenden Fall „eine zu geringe Unterhaltsbemessung durch das Berufungsgericht gegeben sein könnte".

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision, mit der die Klägerin die gänzliche Klagestattgebung anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 508a Abs 1 ZPO). Zentrales Argument des Rechtmittels stellt die Rechtsansicht dar, dass die von der Judikatur entwickelte Prozentwertmethode im hier zu beurteilenden Fall nicht sachgerecht sei. Berücksichtige man, dass die Rechtsmittelwerberin wegen aggressiven Verhaltens des Beklagten das Ehewohnhaus berechtigterweise verlassen habe und ihr dadurch weder die „villenähnliche Ehewohnung" mit Swimmingpool noch die Wochenendwohnung auf der F***** bzw die im Eigentum des Beklagten stehenden Fahrzeuge zu Verfügung stünden, wäre auch der nicht mehr mögliche Gebrauch der Liegenschaften bzw Fahrzeuge bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen gewesen. Mit diesen Ausführungen zeigt die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Es trifft zwar zu, dass für die Ausmessung des Ehegattenunterhalts die bisherigen Lebensverhältnisse, der sogenannte Lebenszuschnitt (Lebensstandard) sowie der Stil der Lebensführung bestimmend sind (RIS-Justiz RS0009710; zuletzt 1 Ob 98/03y; Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht4, 160 mwN), doch ist der Unterhaltsanspruch immer auch durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen begrenzt (Koch in KBB2 § 94 ABGB Rz 11).

Die Rechtsmittelwerberin bestreitet gar nicht, dass nach Aufhebung der ehelichen Haushaltsgemeinschaft der gesamte angemessene Unterhalt grundsätzlich nur mehr in Geld zu leisten ist (RIS-Justiz RS0009414). Dadurch wird auch der Wohnbedarf des Unterhaltsberechtigten abgedeckt. Ein berechtigter Auszug aus der Ehewohnung wird grundsätzlich insofern berücksichtigt, als die Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen für die Ehewohnung den Unterhaltsanspruch nicht vermindern (RIS-Justiz RS0106427; vgl auch RS0009483; 7 Ob 582/91 ua). Das Berufungsgericht hat nach Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der hier relevanten Umstände des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0012492 [T8 und T11]; RS0009571 [T2 und T5]) den Unterhaltsanspruch der Klägerin - ausgehend von der im Sinn der ständigen, von der Lehre gebilligten Rechtsprechung ermittelten Bemessungsgrundlage - errechnet (RIS-Justiz RS0012492; auch RS0013386; Koch aaO Rz 18 mwN; Schwimann/Kolmasch aaO, 168 f; Gitschthaler Unterhaltsrecht2 Rz 630 mwN).

Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 55/07b auch ausdrücklich ausgesprochen, dass aus der vormaligen Gewährung von Naturalunterhalt in einem Teilbereich (in der zitierten Entscheidung die Tragung der gesamten Wohnungskosten durch den unterhaltsverpflichteten Gatten) nicht abgeleitet werden könne, dass nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft allein wegen der bisherigen Übung und unabhängig von Leistungsfähigkeit und Bedarf der Gatten ein Geldunterhaltsanspruch in dieser Höhe bestehe. Vielmehr entstehe durch Aufhebung der Gemeinschaft ein Geldunterhaltsanspruch, der nach allgemeinen Grundsätzen zu bemessen sei. Hat daher der unterhaltspflichtige Ehepartner dem unterhaltsberechtigten Teil - wie hier - ein in seinem Alleineigentum stehendes „villenähnliches Haus" als Ehewohnung zur Verfügung gestellt, kann daraus (allein) nicht abgeleitet werden, dass nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft jedenfalls der Geldunterhalt so zu bemessen sei, dass er die Unterhaltsberechtigte - unabhängig von den sonstigen für die Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Kriterien - in die Lage versetzen müsse, ihr Wohnbedürfnis durch eine gleichermaßen luxuriöse Wohnmöglichkeit zu decken.

Der Hinweis der Rechtsmittelwerberin auf die Rechtsprechung, wonach auch das Vermögen des Unterhaltsverpflichteten, der zur Deckung der Kosten der von ihm gewählten Lebensführung die Substanz seines Vermögens angreife, angemessen zu berücksichtigen sei, vermag ein, nicht einmal im Rechtsmittel nachvollziehbar erhobenes diesbezügliches erstinstanzliches Vorbringen nicht zu ersetzen. Die Klägerin hat zwar kostspielige Hobbies und eine aufwändige Lebensführung des Beklagten behauptet, ohne allerdings zur Frage, wie der Beklagte seinen „Lebenszuschnitt" gestalte und finanziere, (ausreichendes) Vorbringen zu erheben.

In der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts kann daher eine gravierende, das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordernde Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm die Kosten der Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuzusprechen waren (RIS-Justiz RS0035979, RS0123222).

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