Spruch:
- 1. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
- 2. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
- 3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 1.257,48 EUR (darin 209,58 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 976,68 EUR (darin 162,78 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Elektrizitätsunternehmen haben in der Vergangenheit im Vertrauen auf das Fortbestehen des regulierten Markts oder aufgrund auferlegter Verpflichtungen (zB Ausbau der Wasserkraft oder Einsatz bestimmter Energieträger) Kraftwerksanlagen errichtet und Rechtsgeschäfte abgeschlossen, die im liberalisierten Markt nicht mehr rentabel sind (Stranded Costs, Stranded Investments). Art 24 der EB-RL (RL 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt) gestattete Mitgliedsstaaten zur Abgeltung von unrentablen Aufwendungen, die vor Inkrafttreten der EB-RL getätigt wurden, befristete Übergangsregelungen zu schaffen, die Ausnahmen zu den Kapiteln IV, VI und VII EB-RL enthalten dürfen. Diese Übergangsregelungen sind bei der Europäischen Kommission anzumelden und von ihr zu genehmigen.
§ 69 ElWOG I (BGBl I 1998/143), welcher mit 19. 2. 1999 in Kraft trat, trifft unter anderem folgende Regelungen:
„(1) Wurden nicht rentable Investitionen und Rechtsgeschäfte eines Elektrizitätsunternehmens oder eines mit diesem im Sinne des § 228 Abs 3 HGB verbundenen Unternehmens durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 24 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie anerkannt, ist der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß zugelassene Kunden Beiträge für die Aufbringung der Mittel zu leisten haben, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen für Elektrizitätsunternehmen erforderlich sind, deren Lebensfähigkeit aufgrund von Erlösminderungen infolge von Investitionen oder Rechtsgeschäften, die durch die Marktöffnung unrentabel geworden sind, gefährdet ist. (...)
(6) Die Netzbetreiber haben die gemäß Abs 1 bis 3 bestimmten Beträge einzuheben und an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuführen, das diese treuhändig zu verwalten hat.
(7) Die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten verwalteten Mittel sind ausschließlich als Betriebsbeihilfen für nicht rentable Investitionen oder Rechtsgeschäfte des Netzbetreibers oder der mit dem Netzbetreiber im Sinne des § 228 Abs 3 HGB verbundenen Unternehmen zu verwenden (begünstigte Unternehmen).
(8) Die Abs 1 bis 7 treten mit Ablauf des 18. Februar 2009 mit der Maßgabe außer Kraft, dass die Zuerkennung von Betriebsbeihilfen bis zum 31. Dezember 2009 erfolgen kann. (...)"
Die entsprechende VO I (BGBl II 1999/52), welche ebenfalls am 19. 2. 1999 in Kraft trat, trifft zur Einhebung der Beiträge folgende Regelung:
„§ 9 (3) Werden Betriebsbeihilfen gemäß § 8 Abs 5 nicht oder nur in geringerem Ausmaß von der Europäischen Kommission anerkannt, sind die über die Anerkennung hinausgehenden Beihilfen aufbringungsgerecht und verzinst zurückzuerstatten."
Die Republik Österreich beantragte bei der Europäischen Kommission die Gewährung einer Übergangsregelung gemäß Art 24 EB-RL. Diese nahm in ihrer Entscheidung vom 8. 7. 1999 ABlEG 1999 L 319/30 Bezug auf das zur Umsetzung der EB-RL bereits in Kraft getretene ElWOG sowie auf die notifizierten konkreten Ausnahmeregelungen gemäß Art 24 EB-RL samt den näheren Angaben dazu und kam in ihrer rechtlichen Analyse zu folgenden „Schlussfolgerungen":
„Die von der österreichischen Regierung gemäß Art 24 der Richtlinie 96/92/EG notifizierte Übergangsregelung ist gemäß Artikel 24 Absätze 1 und 2 geprüft worden. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass eine Übergangsregelung gemäß Artikel 24 insoweit weder genehmigt werden kann noch erforderlich ist, weil die gewählten Maßnahmen keine Ausnahmeregelungen zu den Kapiteln IV, VI und VII der Richtlinie darstellen. In der Regelung ist die Leistung von Ausgleichszahlungen an bestimmte Elektrizitätserzeuger vorgesehen, deren Finanzierung über eine von den Verbrauchern zu erhebende Abgabe oder Gebühr erfolgen soll. Solche Maßnahmen sind nicht unmittelbar Gegenstand der Richtlinie, müssen jedoch nach den Bestimmungen über staatliche Beihilfen, insbesondere nach Art 87 Abs 3 Buchstabe c EG-Vertrag geprüft werden."
Daraufhin wurde § 69 Abs 1 ElWOG mit BGBl I 2000/121 (ElWOG II) insofern abgeändert, als nunmehr eine Anerkennung gemäß Art 88 EG durch die Europäische Kommission vorgesehen ist.
Mit 1. 10. 2001 trat die VO II aF (BGBl II 2001/354) in Kraft, welche folgende „Übergangsbestimmung" im § 10 Abs 1 enthält:
„Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der gemäß § 69 Abs 6 ElWOG in Verbindung mit § 9 Abs 1 der Verordnung (..., gemeint VO I) bis 30. September 2001 einzuhebenden Beiträge bleibt durch diese Verordnung unberührt. Die Elektrizitäts-Control GmbH kann diese sich aus der Abgabe an alle Endverbraucher und dem in den Kundmachungen (...) festgelegten Betrag von 0,574 g/kWh ergebenden Beiträge dem Netzbetreiber auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid vorschreiben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat die bis zum 30. September 2001 vereinnahmten Mittel an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen. Die Elektrizitäts-Control GmbH hat diese Mittel gemäß den in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen den begünstigten Unternehmen zuzuteilen."
Gemäß § 11 Abs 3 VO II tritt die VO I mit Ablauf des 30. 9. 2001 außer Kraft.
Die Europäische Kommission entschied am 25. 7. 2001 über die entsprechende österreichische Notifikation und sprach aus, dass die österreichischen Regelungen als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar angesehen würden.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11. 6. 2004, V3/04, die Übergangsbestimmung des § 10 Abs 1 VO II idF BGBl II 2001/354 wegen Gesetzwidrigkeit auf. Die Verordnungsermächtigung des § 69 Abs 1 ElWOG habe bloß Beiträge von zugelassenen Kunden vorgesehen, während die VO II idF BGBl II 2001/354 eine solche Einschränkung nicht vorgesehen habe. Dieser Mangel wurde mit der Verordnung BGBl II 2005/311 saniert.
§ 10 Abs 1 VO II nF hat danach folgenden Wortlaut: „Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern nach Maßgabe ihrer Qualifikation als zugelassene Kunden im Sinne des § 44 Abs 1 und 2 ElWOG idF BGBl I 1998/143 zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 gemäß § 69 Abs 1 ElWOG idF BGBl I 1998/143 iVm § 9 Abs 1 der Verordnung (..., VO I) zu leisten waren, bleibt durch die vorliegende Verordnung unberührt. Insoweit diese Beiträge zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung noch nicht oder nicht vollständig abgeführt worden sind, hat die Energie-Control GmbH den Netzbetreibern, an deren Netz zugelassene Kunden im Sinne des § 44 Abs 1 ElWOG idF BGBl I 1998/143 angeschlossen waren und die selbst zugelassene Kunden im Sinne des § 44 Abs 2 ElWOG idF BGBl I 1998/143 waren, die Beträge in jenem Ausmaß zur Abführung mit Bescheid vorzuschreiben, das sich aus der gemäß § 8 Abs 2 oder 3 der Verordnung (..., VO I) gebildeten Bemessungsgrundlage und dem in den Kundmachungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl II 1999/53 und BGBl II 2000/103 sowie der Kundmachung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit BGBl II 2000/430 festgelegten Betrag von 0,042 Cent/kWh (0,574 g/kWh) ergibt. Endverbraucher und Netzbetreiber gemäß § 44 Abs 1 und 2 ElWOG idF BGBl I 1998/143 sind nur für jenen Zeitraum zur Leistung der Beiträge verpflichtet, in dem sie als zugelassene Kunden qualifiziert waren. Netzbetreiber, die nicht zugelassene Kunden im Sinne des § 44 Abs 2 ElWOG (idF BGBl I 1998/143) waren, sind nur zur Abführung jener Beiträge zu verpflichten, die sie von den an ihr Netz angeschlossenen Endverbrauchern gemäß § 44 Abs 1 ElWOG (idF BGBl I 1998/143) erhalten haben."
Die Klägerin zahlte der Beklagten als Netzbetreiberin sogenannte Stranded Costs-Beiträge von insgesamt 35.477,50 EUR. Davon entfallen auf den Zeitraum vom 19. 2. 1999 bis 18. 2. 2000 14.883,54 EUR und auf den Zeitraum vom 19. 2. 2000 bis 30. 9. 2001 20.593,96 EUR. Die Klägerin begehrte mit Antrag an die Energie-Control Kommission (E-CK) im obligatorischen Streitschlichtungsverfahren die Rückzahlung dieser Beiträge. Diese verpflichtete die Beklagte zur Rückzahlung von 14.883,54 EUR und wies das Mehrbegehren ab.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin - neuerlich - die Rückzahlung des Gesamtbetrags von der Beklagten, in Bezug auf die bereits von der E-CK zuerkannte Forderung „vorsichtshalber", weil sie - zutreffenderweise - damit rechnete, dass die Beklagte eine (Feststellungs-)Klage gegen den stattgebenden Teil des Bescheids der E-CK einbringen und mit der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts diese Entscheidung der E-CK außer Kraft treten werde. Als Begründung für die Rückforderung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beiträge ohne Rechtsgrundlage eingehoben worden seien. Die Europäische Kommission habe erst im Jahr 2001 eine „Quasi-Anerkennung" der Betriebsbeihilfen vorgenommen, was keine Rückwirkung entfalte. Im Übrigen sei die Klägerin im Zeitraum 19. 2. 1999 bis 18. 2. 2000 noch kein „zugelassener Kunde" und damit jedenfalls von einer Beitragspflicht ausgenommen gewesen. Die Beklagte wendete ein, dass die Europäische Kommission die mit innerstaatlicher Verordnung normierte Betriebsbeihilfe „anerkannt" habe und deren Einhebung sohin nicht rechtsgrundlos erfolgt sei. Ab 19. 2. 2000 sei die Klägerin als „zugelassene Kundin" jedenfalls zur Zahlung der Beiträge verpflichtet gewesen. Im Zeitraum davor habe die Beklagte - wie auch danach - die von ihr eingehobenen Beiträge an das zuständige Ministerium abgeführt; sie sei insoweit lediglich als „Verwaltungshelferin" tätig geworden, daher nicht bereichert und nicht passiv klagslegitimiert. Bei den Rückforderungsansprüchen handle es sich um wiederkehrende Leistungen, die gemäß § 1480 ABGB verjährt seien.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Verordnungsermächtigung gemäß § 69 Abs 1 ElWOG I sei unter der Bedingung gestanden, dass die Europäische Kommission die nicht rentablen Investitionen des Elektrizitätsunternehmens gemäß Art 24 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EB-RL) anerkenne. Die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 8. 7. 1999 sei jedoch keine solche „Anerkennung", weil diese lediglich zum Ergebnis komme, dass eine derartige Regelung im Rahmen des Art 24 EB-RL weder genehmigt werden könne, noch eine solche Genehmigung erforderlich sei. Damit habe die Voraussetzung für die Gewährung von Betriebsbeihilfen im Sinne des § 69 Abs 1 ElWOG I und II und des § 9 Abs 3 VO I gefehlt, sodass die Klägerin die Beiträge rechtsgrundlos geleistet habe. Die VO I sei vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben worden. § 10 VO II derogiere entgegen der nicht bindenden Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofs nicht dem § 9 VO I, sodass letztere Verordnung als normative Grundlage bestehen geblieben sei. Die Beklagte sei passiv legitimiert. Gemäß § 69 Abs 6 ElWOG I und II sei die Beklagte zur Einhebung der Beiträge berechtigt gewesen und durch die Leistung der Klägerin bereichert worden. Der Rückforderungsanspruch bestehe gemäß § 1042 ABGB zu Recht, weil die 30-jährige Verjährungsfrist gelte; § 1480 ABGB sei nicht analog anzuwenden.
Das Berufungsgericht gab der Klage lediglich im Umfang von 14.883,54 EUR statt und wies das Mehrbegehren ab. Die ordentliche Revision wurde zugelassen. Sowohl die VO I als auch die VO II nF hätten Stranded Costs-Beiträge nur für „zugelassene Kunden" vorgesehen. In diese Kategorie sollten große Endverbraucher und Verteiler fallen. Dementsprechend habe § 44 Abs 1 ElWOG I normiert, dass jene Endverbraucher als zugelassene Kunden gelten, wenn sie folgende Verbrauchsgrenzen, jeweils im vorangegangenen Abrechnungsjahr, überschritten haben:
Ab 19. 1. 1999 - 40 GWh
ab 19. 2. 2000 - 20 GWh, und
ab 19. 2. 2003 - 9 GWh.
Die Klägerin sei im Zeitraum 19. 2. 1999 bis 18. 2. 2000 kein zugelassener Kunde gewesen. Daher habe sie weder nach der VO I noch nach der VO II nF eine Beitragspflicht getroffen. Hingegen habe die Klägerin ab dem 19. 2. 2000 bis 30. 9. 2001 die Qualifikation als „zugelassener Kunde" erfüllt, sodass sie zur Zahlung der verrechneten Stranded Costs-Beiträge verpflichtet gewesen sei. Dies resultiere aus § 10 Abs 1 VO II nF, welcher eine abschließende Neuregelung für die Einhebung von ausständigen Stranded Costs-Beiträgen treffe, und zwar auch im Verhältnis von Netzbetreibern und Endverbrauchern. Hinsichtlich des Zeitraums 19. 2. 1999 bis 18. 2. 2000 habe die Klägerin irrtümlich eine Leistung erbracht, die sie nicht geschuldet habe, weshalb ihr ein Kondiktionsanspruch gemäß § 1431 ABGB zustehe. Die (Rechtsvorgängerin der) Beklagte(n) habe die eingehobenen Stranded Costs-Beiträge an die E-CK überwiesen. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sei darauf abzustellen, wer nach dem angenommenen Schuldverhältnis oder der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte; die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung sei zwischen diesen Personen vorzunehmen. Dabei sei die Absicht des Leistenden wie bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom Empfängerhorizont aus festzustellen. Nach den Rechnungen sei für die Klägerin die Empfängerin der Stranded Costs-Beiträge die Rechtsvorgängerin der Beklagten gewesen. Ihr sei nicht erkennbar gewesen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bloß als Hilfsperson für das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten eingeschritten sei und diese die eingehobenen Stranded Costs-Beiträge abzuliefern gehabt habe. Daher sei die Beklagte für den nun geltend gemachten Rückforderungsanspruch passiv legitimiert. Hinsichtlich der Verjährung sei die allgemeine Frist des § 1478 ABGB von 30 Jahren anzuwenden, da Bereicherungsansprüche grundsätzlich in der langen Frist verjährten. Eine analoge Anwendung des § 1480 ABGB sei nicht vorzunehmen, weil Stranded Costs-Beiträge nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Übergangsregelung eingehoben werden dürften, welche zudem von Anfang an befristet gewesen sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht mit seiner Rechtsansicht zur Derogation von § 9 Abs 3 Stranded Costs-Verordnung I (BGBl II 1999/52) durch § 10 Stranded Costs-Verordnung II (BGBl II 2001/54 idF BGBl II 2005/311) von oberstgerichtlicher Rechtsprechung (7 Ob 181/04z) abgewichen sei. Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin und gegen den stattgebenden jene der Beklagten. Die Revision der Klägerin ist unzulässig, jene der Beklagten nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Revision der Klägerin:
Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (8 Ob 23/08b mwN). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde.
Dieser Fall liegt hier vor:
Der Oberste Gerichtshof hat in zwei jeweils am 23. 4. 2008 gefällten Entscheidungen (7 Ob 116/07w; 7 Ob 176/07v) die auch in der vorliegenden Rechtssache entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob § 10 Abs 1 der sogenannten Stranded-Costs-Verordnung II, BGBl 2001/354 idF BGBl II 2005/311 (VO II nF), eine Rechtsgrundlage für die Einhebung der bezahlten und nun von der Klägerin rückgeforderten Stranded Costs-Beiträge bilde, mit ausführlicher Begründung und unter ausdrücklicher Ablehnung des in der Entscheidung 7 Ob 181/04z erzielten Auslegungsergebnisses bejaht. Dabei ist der Oberste Gerichtshof zusammengefasst davon ausgegangen, dass § 10 Abs 1 der VO II nF, wonach die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern zwischen dem 19. 2. 1999 und dem 30. 9. 2001 gemäß § 69 Abs 6 ElWOG idF BGBl I 1998/143 iVm § 9 Abs 1 der Verordnung BGBl II 1999/52 („Stranded Costs-Verordnung I") zu leisten waren, durch die vorliegende Verordnung unberührt bleibt, im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 26. 2. 2007, V 1/07, dahin zu interpretieren sei, dass mit der VO II nF die auch hier in Frage stehende öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtung geregelt sei. Durch das genannte Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof indirekt klar gestellt, dass er die von ihm zugrunde gelegte Rückwirkung der VO II nF auf den auch hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum für gesetzeskonform halte. § 10 Abs 1 VO II nF bilde daher die Rechtsgrundlage für die Einhebung der Beiträge als parafiskalische Abgaben, zu deren Entrichtung die Klägerin als zugelassene Kundin verpflichtet sei. Sie habe nicht rechtsgrundlos geleistet (8 Ob 23/08b).
Da somit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision der Klägerin die zitierten einschlägigen Vorentscheidungen des 7. Senats bereits ergangen waren, die auch die hier allein entscheidungswesentliche Rechtsfrage (richtig) behandelten, ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht (mehr) als erheblich einzustufen. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
II. Revision der Beklagten:
Die Beklagte macht geltend, dass sie für die Rückforderung der Stranded Costs-Beiträge nicht passiv legitimiert sei. Die Absicht der Klägerin anlässlich ihrer Leistung wäre vom Empfängerhorizont aus - somit aus der Sicht der Beklagten als Leistungsempfängerin - festzustellen gewesen. Aufgrund der klaren Regelung der Aufbringung, Einhebung und Weiterleitung der genannten Beiträge im ElWOG und in den dazu ergangenen Verordnungen habe die Beklagte davon ausgehen können, dass der Klägerin klar gewesen sei, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Einhebung der Beiträge nur als Hilfsperson oder Vertreterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten eingeschritten sei. Zweck der Leistung der Klägerin sei die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht gewesen. Diese habe nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber dem Bund bestanden. Bei der Beklagten stelle die Leistung nur eine Durchlaufpost dar, weshalb sie zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nicht passiv legitimiert sei.
Im Übrigen seien allfällige Rückzahlungsansprüche der Klägerin bereits verjährt.
Das Berufungsgericht habe es aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung unterlassen, Beweise über die tatsächliche Absicht der Klägerin aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen. Überdies sei das Berufungsverfahren mangelhaft, weil das Berufungsgericht den Berufungsgrund der Verletzung des § 405 ZPO unbehandelt gelassen habe. Die Klägerin habe ihren Rückforderungsanspruch nämlich ausdrücklich auf § 9 Abs 3 der inzwischen außer Kraft getretenen Stranded Costs VO I gestützt, welche Bestimmung nicht das Verhältnis zwischen Kunden und Netzbetreiber, sondern jenes zwischen dem Bund und den Beihilfenempfängern betreffe. Folglich hätte das Berufungsgericht den ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützten Anspruch der Klägerin gemäß § 405 ZPO abweisen müssen. Es habe auch gegen die materielle Prozessleitungspflicht gemäß § 182a ZPO verstoßen, weil es den Parteien nicht bekanntgegeben habe, dass auch die Frage, ob der Klägerin erkennbar gewesen sei, dass die Stranded Costs-Beiträge an die Beklagte nur zur Weiterleitung zu zahlen seien, für das Verfahren wesentlich wäre. Der Beklagten sei daher die Möglichkeit verwehrt worden, dazu entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegen zu halten:
1. Richtig ist, dass die Klägerin ihren Rückzahlungsanspruch in erster Linie auf § 9 Abs 3 Stranded Costs-VO I stützte. Sie berief sich jedoch auch allgemein auf einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch (siehe nur den Schriftsatz vom 19. 7. 2007 = ON 6), was im gegebenen Sachzusammenhang zweifellos als Geltendmachung einer condictio indebiti nach § 1431 ABGB zu verstehen ist. Von einer Verletzung des § 405 ZPO kann daher keine Rede sein.
2. Nach herrschender Auffassung dienen Leistungskondiktionen der Rückgängigmachung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen, die in einer Leistung bestehen. Als Leistung ist die zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens durch bewusste Zuwendung anzusehen. Die Feststellung, wer „Leistender" und wer „Leistungsempfänger" ist, ist dabei nach der beabsichtigten Zweckbeziehung zu treffen, die sich aus dem (beabsichtigten) Rechtsgrund der Leistung ergibt. Die Rückabwicklung hat in derselben Zweckbeziehung zu erfolgen, die für die Leistung maßgebend war (8 Ob 13/05b mwN).
Im vorliegenden Fall lag die der Zahlung der Stranded Costs-Beiträge durch die Klägerin zugrunde liegende „Zweckbeziehung" im Stromlieferungsvertrag zwischen den Streitteilen. Die Beklagte verrechnete der Klägerin die genannten Beiträge in ihren Rechnungen jeweils als „Zuschlag" zum Energielieferungsentgelt und zu den sonstigen Abgaben, ohne darauf hinzuweisen, dass sie die strittigen Beiträge für einen Dritten einhebe und an diesen abliefern werde. Dass die Beklagte die Stranded Costs-Beiträge in der Folge an das Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuführen hatte (§ 9 Abs 1 Stranded Costs VO I), ändert nichts daran, dass die Rückabwicklung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger, somit zwischen Klägerin und Beklagter stattzufinden hat, muss doch bei dieser Sachlage der Klägerin unterstellt werden, dass sie ein auf dem Stromlieferungsvertrag basierendes „Gesamtentgelt" leisten wollte. Dem Argument der Beklagten, die Einhebung der Stranded Costs-Beiträge durch sie gründe nicht auf dem zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrag, sondern auf § 69 Abs 6 ElWOG, weshalb der Bund Partei des Kondiktionsanspruchs sei, ist entgegenzuhalten, dass die klagsgegenständlichen Beiträge in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Strombezug der Klägerin bei der Beklagten standen, vergleichbar etwa mit jenem zwischen Kaufpreis und Umsatzsteuer. Auch bei der Rückabwicklung eines Kaufgeschäfts ist der Käufer gewiss zur Rückforderung des Bruttokaufpreises vom Verkäufer berechtigt. Wenn die Beklagte zur Begründung ihres Standpunkts betont, dass die Stranded Costs-Beiträge bei ihr nur „Durchläufer" (gewesen) seien, übersieht sie dabei, dass sich die Passivlegitimation bei bereicherungsrechtlicher Rückforderung nicht immer danach richtet, wem letztlich ein Betrag zugeflossen ist. Dann wäre nämlich auch ihre Ansicht, es sei der Bund in Anspruch zu nehmen, verfehlt, fungierte Letzterer gemäß § 69 Abs 6 und 7 ElWOG doch auch nur als „treuhändiger Verwalter" der eingehobenen Beiträge. Dass aber die letztlich begünstigten Unternehmen von der den Beitrag erbringenden Person eruiert und bereicherungsrechtlich in Anspruch genommen werden müssten, zieht selbst die Beklagte nicht in Betracht. Derartiges erwiese sich auch als unzumutbar. Schließlich sei darauf verwiesen, dass die Rechtsprechung etwa bei unzulässigen Ablösen für Mietrechte die Passivlegitimation desjenigen als gegeben ansieht, dem sie nach der Vereinbarung zukommen sollten, wobei es bedeutungslos ist, wem sie tatsächlich zugeflossen oder in der Folge zugekommen sind (vgl 5 Ob 143/00s).
Die Passivlegitimation der Beklagten ist daher gegeben. Zur Gewinnung dieser Rechtsansicht bedurfte es keiner weiteren Feststellungen durch die Tatsacheninstanzen und liegt auch keine Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht gemäß § 182a ZPO durch das Berufungsgericht vor.
3. Die Verjährung von Ansprüchen nach den §§ 1431, 1435 ABGB tritt grundsätzlich nach 30 Jahren ein (RIS-Justiz RS0033819; RS0020167). In der Lehre (und in besonderen Fällen auch in der Rechtsprechung) werden allerdings vielfältige Durchbrechungen dieses Grundsatzes vertreten (Mader in Schwimann, ABGB3 Vor §§ 1431 ff Rz 23). Beispiele aus der Rechtsprechung für die Anwendung der kurzen Frist sind etwa die Rückforderung von irrtümlich zu viel gezahltem Arbeitsentgelt, die Rückforderung einer zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung bei Obliegenheitsverletzung des Bereicherungsschuldners, die Rückforderung rechtsgrundlos erhöhter Kreditzinsen und (jüngst) Kondiktionsansprüche wegen irrtümlicher Mehrlieferung in vermeintlicher Erfüllung bestehender vertraglicher Verbindlichkeiten (siehe den Überblick bei Werderitsch, Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen, in Zak 2008, 263). Die Beklagte fordert die analoge Anwendung des § 1480 ABGB (kurze Verjährungsfrist für „rückständige jährliche Leistungen") bzw die Heranziehung der - auf eine Rechtsanalogie zu § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG gestützten - Rechtsprechung zur Rückforderung zuviel gezahlter Kreditzinsen (RIS-Justiz RS0117773).
Dem ist nicht beizutreten.
Die Anwendung des § 1480 ABGB scheitert schon daran, dass es sich bei den Stranded Costs-Beiträgen nicht um „(jährlich) wiederkehrende Leistungen" im Sinne dieser Bestimmung handelt, ist die Pflicht zur Zahlung dieser Beiträge doch - wie sich gerade im vorliegenden Fall deutlich gezeigt hat - davon abhängig, ob und wieviel elektrische Energie bezogen wird, sodass im Hinblick auf die Ungewissheit der Zahlungspflicht von einer „periodischen Wiederkehr" nicht gesprochen werden kann (vgl SZ 30/58 zum Gewinnanteil des stillen Gesellschafters; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1480 Rz 2). Daher ist auch die „Heranziehung" der Rechtsprechung zur Rückforderung zuviel gezahlter Kreditzinsen nicht geboten.
Es hat somit im Fall der bereicherungsrechtlichen Rückforderung von Stranded Costs-Beiträgen bei der allgemeinen, langen Verjährungszeit von 30 Jahren gemäß § 1478 ABGB zu bleiben. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt.
Der Revision der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben. III. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.
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