Spruch:
Der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung seines Gewinnanteiles unterliegt nicht der dreijährigen Verjährung nach § 1480 ABGB.
Entscheidung vom 16. Oktober 1957, 1 Ob 287/57.
I. Instanz: Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrt von den Beklagten, sie hätten anzuerkennen, daß er seit 1. März 1942 stiller Gesellschafter der Erstbeklagten sei, sie hätten seinen mit 75.800 S berechneten Gewinnanteil für die Jahre 1946, 1947 und 1948 zu bezahlen und ihm für die Zeit ab 1. März 1942 Bucheinsicht zu gewähren und Rechnung zu legen.
Das Erstgericht wies die Klage ab, nachdem schon in einem früheren Rechtsgang dem Begehren auf Rechnungslegung rechtskräftig nicht Folge gegeben worden war. Adolf A., öffentlicher Gesellschafter der Erstbeklagten, habe, so führte das Erstgericht aus, im Februar 1942 dem Kläger, seinem Sohn, von seinem Geschäftsanteil an der Erstbeklagten einen Teilbetrag von 4000 RM (S) abgetreten. Das sei jedoch nur für den Fall geschehen, daß die Umschreibung nicht auf den Widerstand der übrigen Gesellschafter stoße oder im Rechtsstreit 32 Cg 197/41 des damaligen Landgerichtes Wien durchgesetzt werden könne, was nicht der Fall gewesen sei. Trotz der Bestimmung des § 8 des Übereinkommens vom 6. Oktober 1930 könnte der Kläger auch auf Grund der Abtretung nicht verlangen, als stiller Gesellschafter der Erstbeklagten anerkannt zu werden, weil das Übereinkommen vom 6. Oktober 1930 mit Rücksicht darauf, daß über das Ausmaß der Beteiligung des Klägers nichts gesprochen worden sei und der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages noch hätte erfolgen sollen, nur als Vorvertrag betrachtet werden könnte, der aber wegen des Verstreichens der einjährigen Frist des § 936 ABGB. erloschen sei. Da der Kläger daher nicht stiller Gesellschafter der Erstbeklagten geworden sei, könne er auch keinen Gewinnanteil und keine Bucheinsicht verlangen.
Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil im Ausspruch, daß das Begehren auf Zahlung von 78.000 S und auf Gewährung der Bucheinsicht abgewiesen werde. Es änderte das erstgerichtliche Urteil aber insofern ab, als es dem Begehren des Klägers, anzuerkennen, daß er seit 1. März 1942 stiller Gesellschafter der Erstbeklagten sei, stattgab. Nicht nur, daß die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis für die eingewendete bloß bedingte Übertragung der 4000 RM (S) Geschäftsanteil des Adolf A. auf den Kläger nicht hätten erbringen können, habe der Kläger, so meinte das Rechtsmittelgericht, nach der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht sogar den Beweis erbracht, daß die Übertragung in der Absicht geschehen sei, ihn entsprechend dem Übereinkommen vom 6. Oktober 1930 zum stillen Gesellschafter der Erstbeklagten zu machen. Die Zustimmung der Gesellschafter zur Aufnahme des stillen Gesellschafters sei schon im Gesellschaftsvertrag erteilt worden. Trotzdem könne der Kläger weder einen Gewinnanteil für die Jahre 1946, 1947 und 1948 in der Höhe von 78.000 S beanspruchen noch von den Beklagten verlangen, daß sie ihm Bucheinsicht gewährten. Der Anspruch auf die Gewinnanteile sei nämlich wegen des Verstreichens der dreijährigen Frist des § 1480 ABGB. verjährt. Nach der Bestimmung des § 338 Abs. 1 HGB. könne ein stiller Gesellschafter auch nicht die uneingeschränkte Bucheinsicht verlangen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Anerkennung des Klägers als stillen Gesellschafters der Erstbeklagten bestätigt wurde, im übrigen samt dem entsprechenden Teil des erstgerichtlichen Urteils auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Was das Begehren des Klägers, ihm die Gewinnanteile für die Jahre 1946, 1947 und 1948 zuzuerkennen, anlangt, hält das Berufungsgericht den Anspruch als nach § 1480 ABGB. verjährt. Nach dieser Gesetzesstelle erlöschen nämlich "Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten" in drei Jahren.
Der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters wird nach § 337 Abs. 1 HGB. auf die Weise realisiert, daß am Schluß jedes Geschäftsjahres der Gewinn und Verlust der Gesellschaft berechnet und der auf den stillen Gesellschafter fallende Gewinn ihm ausgezahlt wird. Der Anspruch auf den Gewinnanteil beruht allerdings auf den einschlägigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, die ein für allemal festlegen, in welcher Weise der Gewinnanteil zu errechnen sei. Während aber die Zinsen von Schuldverschreibungen, Renten, Unterhaltsbeiträge, Ausgedingsleistungen und Annuitäten in ihrem jährlich wiederkehrenden Ausmaß im allgemeinen feststehen oder durch einfache Berechnung festgestellt werden können, sind Gewinnanteile von der schwankenden Höhe des Gewinnes und des Verlustes und anderen, oft schwierig feststellbaren Voraussetzungen (vgl. SZ. XXIII 12) von Jahr zu Jahr abhängig, und es kann der Fall eintreten, daß in einzelnen Jahren mangels Erzielung eines Gewinnes überhaupt kein Gewinnanteil an den stillen Gesellschafter ausgezahlt werden kann.
Unter den rückständigen jährlichen Leistungen nach § 1480 ABGB. können nur solche wiederkehrende Leistungen verstanden werden, die periodisch fällig werden, mag auch ihre Höhe nach einem vorausbestimmten Plan wechseln. Dort hingegen, wo die periodischen Leistungen von Gewinnberechnungen abhängen, die in den vereinbarten Intervallen vorgenommen werden müssen, und die Möglichkeit besteht, daß auf Grund solcher Berechnungen in manchen Jahren die Leistung nicht zu erbringen ist, kann mangels der ununterbrochenen Wiederkehr der Leistungen von einer "jährlichen Leistung" nicht mehr gesprochen werden.
Einen ähnlichen Standpunkt hat schon Randa, Das österreichische Handelsrecht, 2. Aufl. II S. 178, allerdings auf Grund der alten Fassung des § 1480 ABGB., vertreten. Die durch § 192 der III. Teilnovelle vorgenommene Neustilisierung hatte jedoch keine grundlegende Änderung zur Folge, sondern sollte nur den Umfang des Anwendungsgebietes des § 1480 ABGB. deutlicher und wohl auch allgemeiner machen als vorher (Materialien zur III. Teilnovelle, Bericht der Kommission für Justizgegenstände, S. 426). Dementsprechend sind Staub - Pisko, Kommentar zum AHGB., 3. Aufl. S. 988, bei der Ansicht Randas geblieben. Auch Klang (2. Aufl. VI 611) vertritt die Ansicht, daß Gewinnanteile keine wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 1480 ABGB. sind. Nur Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 310 (anders als in der 1. Auflage) ist der Meinung, daß sich § 1480 ABGB. auch auf Gewinnanteile beziehe. Freilich fehlt für diese Ansicht eine nähere Begründung, wie auch die damit in Übereinstimmung stehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes GlUNF. 1111 bei der Betonung der jährlichen Wiederkehr des Dividendenanspruchs auf Grund desselben Rechtstitels den Umstand außer acht läßt, daß die Flüssigmachung einer Dividende nicht für jedes Jahr gewährleistet ist. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XVIII 157 hingegen hat befunden, daß § 1480 ABGB. auf das vereinbarte Kostgeld nicht anzuwenden sei, weil die periodischen Kostgeldansprüche nicht durch den bloßen Zeitablauf, sondern durch das fortgesetzte Erbringen von Gegenleistungen entstehen. Die Vergleichbarkeit der laufenden Kostgeldansprüche mit den Ansprüchen auf Gewinnanteil ergibt sich daraus, daß auch beim Gewinnanteil außer dem Zeitablauf weitere, nicht voraussehbare Umstände, nämlich die jeweilige Erzielung eines Gewinns, maßgebenden Einfluß auf das Entstehen des Anspruches auf Gewinnanteil haben (vgl. auch GlU. 2098). Auch das neueste deutsche Schrifttum (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 16. Aufl. S. 147; Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB., 10. Aufl. I S. 396) zählt Gewinnanteile und Dividenden mangels gesicherter Periodizität nicht zu den wiederkehrenden Leistungen (so auch RGZ. 88, 42). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Gewinnanteiles für die Jahre 1946, 1947 und 1948 sei verjährt, ist daher nicht zutreffend. Da die Untergerichte die zur Prüfung des Anspruches erforderlichen Feststellungen nicht getroffen haben, ist ihr Verfahren auch in dieser Richtung mangelhaft geblieben.
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