OGH 8Ob23/08b

OGH8Ob23/08b27.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in Wien, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, 2. T***** AG, *****, vertreten durch Knoflach-Kroker-Tonini, Rechtsanwälte in Innsbruck, 3. V***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.293,53 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2007, GZ 2 R 151/07a-32, womit über Berufung der beklagten Partei und sämtlicher Nebenintervenientinnen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. Juni 2007, GZ 24 Cg 151/06f-24, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 875,34 EUR (darin enthalten 145,89 EUR an USt), der Erstnebenintervenientin die mit 813,90 EUR und der Zweit- und Drittnebenintervenientin die mit jeweils 976,68 EUR (darin enthalten jeweils 162,78 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Betreiberin eines Stromübertragungsnetzes. Die Klägerin als zugelassene Kundin bezog von der Rechtsvorgängerin der Beklagten Strom und entrichtete im Zeitraum vom 19. 2. 1999 bis 30. 9. 2001 15.293,53 EUR an ihr vorgeschriebenen Beiträgen zur Aufbringung der Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen aus Investitionen („Stranded-Costs-Verordnung-Beiträge").

Mit Bescheid der Energie Control Kommission (ECK) vom 28. 6. 2006 wurde der Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Rückzahlung der im Zeitraum 19. 2. 1999 bis 30. 9. 2001 eingehobenen Stranded-Costs-Beiträge in der genannten Höhe zu verpflichten, abgewiesen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer im Rahmen der sukzessiven Kompetenz erhobenen Klage die Rückzahlung der für diesen Zeitraum eingehobenen Beträge samt auf § 1333 Abs 2 ABGB gestützten Zinsen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren samt 4 % Zinsen statt und wies das Zinsenmehrbegehren rechtskräftig ab.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der Beklagten das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Es erklärte die ordentliche Revision im Hinblick auf die von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts abweichende Entscheidung 7 Ob 181/04z für zulässig. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben; die Beklagte und die Drittnebenintervenientin stellen überdies den Antrag auf Zurückweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) unzulässig.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 32; E. Kodek in Rechberger³ § 502 Rz 18; RIS-Justiz RS0112921; RS0112769; 3 Ob 7/00a; 5 Ob 90/07g). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde.

Dieser Fall liegt hier vor:

Der Oberste Gerichtshof hat in zwei jeweils am 23. 4. 2008 gefällten Entscheidungen (7 Ob 116/07w; 7 Ob 176/07v) die auch in der vorliegenden Rechtssache entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob § 10 Abs 1 der sogenannten Stranded-Costs-Verordnung II, BGBl 2001/354 idF BGBl II 2005/311 (kurz: VO II nF) eine Rechtsgrundlage für die Einhebung der bezahlten und nun von der Klägerin rückgeforderten Stranded-Costs-Beiträge bilde, mit ausführlicher Begründung und unter ausdrücklicher Ablehnung des in der Entscheidung 7 Ob 181/04z erzielten Auslegungsergebnisses bejaht. Dabei ist der Oberste Gerichtshof zusammengefasst davon ausgegangen, dass § 10 Abs 1 der VO II nF, wonach die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern zwischen dem 19. 2. 1999 und dem 30. 9. 2001 gemäß § 69 Abs 6 ElWOG idF BGBl I 1998/143 iVm § 9 Abs 1 der Verordnung BGBl II 1999/52 („Stranded-Costs-Verordnung I") zu leisten waren, durch die vorliegende Verordnung unberührt bleibt, im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 26. 2. 2007, V 1/07 (das über Antrag des Erstgerichts in diesem Verfahren ergangen ist - s ON 18) dahin zu interpretieren sei, dass mit der VO II nF die auch hier in Frage stehende öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtung geregelt sei. Durch das genannte Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof indirekt klar gestellt, dass er die von ihm zugrunde gelegte Rückwirkung der VO II nF auf den auch hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum für gesetzeskonform halte. § 10 Abs 1 VO II nF bilde daher die Rechtsgrundlage für die Einhebung der Beiträge als parafiskalische Abgaben, zu deren Entrichtung die Klägerin als zugelassene Kundin verpflichtet sei. Sie habe nicht rechtsgrundlos geleistet.

Da somit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung dieses Rechtsfalls die zitierten einschlägigen Vorentscheidungen des 7. Senats bereits ergangen waren, die auch die hier allein entscheidungswesentliche Rechtsfrage behandelten, ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht (mehr) als erheblich einzustufen. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen. Für die Kostenentscheidung ist allerdings zu beachten, dass die Beklagte und die Nebeninterventientinnen der Beklagten die Unzulässigkeit der Revision bei Einbringung ihrer Rechtsmittelbeantwortungen noch nicht erkennen konnten, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungen 7 Ob 116/07w und 7 Ob 176/07v noch nicht ergangen waren. Da der klagenden Revisionswerberin die Kosten der Rechtsmittelbeantwortungen auch im Falle einer Sachentscheidung über die Revision auferlegt worden wären, sind in analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO der Beklagten und den Nebenintervenientinnen die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen unabhängig davon zuzusprechen, ob sie - wie die Drittnebenintervenientin und (im Ergebnis auch) die Beklagte - ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hinwiesen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 32).

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