Normen
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Stranded Costs-VO I, BGBl II 52/1999
Stranded Costs-VO II, BGBl II 354/2001
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Stranded Costs-VO I, BGBl II 52/1999
Stranded Costs-VO II, BGBl II 354/2001
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Das antragstellende Gericht begehrt gemäß Art89 Abs3 iVm Art139 B-VG, auszusprechen, dass die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Aufbringung und Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen von Elektrizitätsunternehmen für Investitionen und Rechtsgeschäfte, die durch die Marktöffnung unrentabel werden könnten, geregelt wird, BGBl. II Nr. 52/1999, (in der Folge: Stranded Costs-Verordnung I) gesetzwidrig war.
2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung führt das antragstellende Gericht aus:
Die Klägerin des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht, als Endverbraucherin von elektrischer Energie Kunde der Beklagten, einer Stromnetzbetreiberin, habe für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 insgesamt € 15.293,53 an "Stranded-Costs-Beiträgen" an die Beklagte bezahlt. Mit Mahnklage vom 14. Juli 2006 habe die Klägerin die Rückzahlung dieser Beiträge begehrt und sich insbesondere darauf gestützt, dass "die in §9 Abs3 [der angefochtenen Verordnung] geforderte Anerkennung nicht erfolgt sei". Die Beklagte bestreite die Rückzahlungsverpflichtung; §9 Abs3 der angefochtenen Verordnung beziehe sich auf die Rückzahlung von Beihilfen, nicht von Beiträgen, und regle daher nur das Verhältnis zwischen dem Bund und den Beihilfenempfängern, nicht zwischen den Netzbetreibern und den Endverbrauchern; darüber hinaus sei die Anerkennung nicht erforderlich, da die Beihilfe gemäß einer Kommissionsentscheidung von vornherein mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.
Da sich sowohl das Klagsvorbringen als auch das Bestreitungsvorbringen auf §9 Abs3 der angefochtenen Verordnung stützten, sei es erforderlich, diese Bestimmung bei der Prüfung des geltend gemachten Anspruches anzuwenden. Die Frage, ob es tatsächlich zu einer Bereicherung der Beklagten gekommen ist, lasse sich erst beantworten, nachdem "die Bestimmungen der [angefochtenen Verordnung]" angewendet wurden.
Auch §10 der Stranded Costs-Verordnung II in der Fassung BGBl. Nr. 311/2005 stelle keine Bestimmung dar, aufgrund derer die angefochtene Verordnung nicht mehr anzuwenden wäre, da in Abs1 leg. cit. zunächst nur die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung jener Beiträge geregelt werde, die zwischen 19. Februar 1999 und 30. September 2001 gemäß §69 Abs6 ElWOG iVm §9 Abs1 der angefochtenen Verordnung zu leisten waren. Auch aus dem vorletzten Satz dieser Bestimmung lasse sich keine unmittelbare, über die Bestimmungen der Stranded Costs-Verordnung I hinausgehende, die von der Klägerin behauptete Vermögensverschiebung deckende Zahlungsverpflichtung ableiten, da sich daraus "nur ein Regelungsinhalt für die Frage einer Zahlungsverpflichtung von (zwischenzeitig) zugelassenen Kunden" ergebe. Darüber hinaus verweise diese Bestimmung auch nur darauf, dass eine allenfalls nach der Stranded Costs-Verordnung I bestehende Zahlungsverpflichtung weiter bestehe, ohne eine eigene zu normieren.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrags erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9911/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 13.704/1994, 16.565/2002).
2. Im vorliegenden Fall ist es aufgrund der Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofs offenkundig unrichtig, dass das antragstellende Gericht im Anlassfall die von ihm angefochtene Norm anzuwenden hat:
In seinem Erkenntnis VfSlg. 17.210/2004 hob der Verfassungsgerichtshof §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II in der Stammfassung als gesetzwidrig auf. Diese Bestimmung hatte gelautet:
"Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der gemäß §69 Abs6 ElWOG iVm §9 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. II Nr. 52/1999 bis 30. September 2001 einzuhebenden Beiträge bleibt durch diese Verordnung unberührt. Die Elektrizitäts-Control GmbH kann diese, sich aus der Abgabe an alle Endverbraucher und dem, in den Kundmachungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. II Nr. 53/1999 und BGBl. II Nr. 103/2000 sowie des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, BGBl. II Nr. 430/2000, festgelegten Betrag von 0,574 g/kWh ergebenden Beiträge dem Netzbetreiber auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid vorschreiben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat die bis zum 30. September 2001 vereinnahmten Mittel an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen. Die Elektrizitäts-Control GmbH hat diese Mittel gemäß den in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen den begünstigten Unternehmen zuzuteilen."
Der Verfassungsgerichtshof hat das Verhältnis dieser Bestimmung zur hier angefochtenen Stranded Costs-Verordnung I in folgender Weise beurteilt:
"Gemäß dem ersten Satz des §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II bleibt zwar 'die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der gemäß §69 Abs6 ElWOG iVm §9 Abs1 der [Stranded Costs-Verordnung I] bis 30. September 2001 einzuhebenden Beiträge unberührt.' Angesichts der folgenden Sätze ist §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II als abschließende Neuregelung der Einhebung der ausständigen Stranded Costs-Beiträge von den Netzbetreibern für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 anzusehen. Diese Neuregelung hat den Regelungen der Stranded Costs-Verordnung I über die Einhebung von Stranded Costs-Beiträgen von den Netzbetreibern für diesen Zeitraum derogiert. Überdies trat gemäß §11 Abs3 Stranded Costs-Verordnung II die Stranded Costs-Verordnung I mit Ablauf des 30. September 2001 außer Kraft.
Deshalb entfällt mit Aufhebung des §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II die materiellrechtliche Grundlage für die Einhebung von Stranded Costs-Beiträgen von den beschwerdeführenden Netzbetreibern für den Zeitraum von 19. Februar 1999 bis 30. September 2001."
Der Verfassungsgerichtshof hob §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II in der Stammfassung mit folgender Begründung auf:
"Der eindeutige Wortlaut des §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II lässt nur folgende Auslegung dieser Bestimmung zu: Die Netzbetreiber müssen - unabhängig davon, ob sie selbst oder ihre Kunden 'zugelassene Kunden' iSd §44 ElWOG in der Stammfassung waren oder nicht - Beiträge an die (nunmehr:) Energie-Control GmbH entrichten, die sich aus dem Produkt ihrer Stromabgabe in kWh 'an alle Endverbraucher' im Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 mit dem Betrag von 0,574 g/kWh ergeben. [...] §69 Abs1 ElWOG ermächtigt den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit aber nur dazu, durch Verordnung zu bestimmen, welche Beiträge 'zugelassene Kunden' zur Abgeltung von 'stranded costs' zu leisten haben.
Für die vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vertretene gesetzeskonforme Interpretation, es würden in Übereinstimmung mit §69 Abs1 erster Satz ElWOG 'lediglich Beitragstatbestände bezüglich der zugelassenen Kunden normiert', bietet zum einen der Wortlaut des §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Mit der Formulierung, es könnten die 'sich aus der Abgabe an alle Endverbraucher' ergebenden Beiträge durch Bescheid vorgeschrieben werden, sollten wohl allfällige Unklarheiten der Stranded Costs-Verordnung I bereinigt werden. Zum anderen würde die Annahme, der Vorschreibung der Beiträge wäre nur die an 'zugelassene Kunden' abgegebene Strommenge zugrunde zu legen oder die Annahme, es dürften nur Netzbetreibern, die selbst 'zugelassene Kunden' waren, Beiträge vorgeschrieben werden, dazu führen, dass - bei der gegebenen Höhe des Beitrags von 0,574 g/kWh - nicht der gesamte Betrag der abzugeltenden 'stranded costs' hereingebracht werden könnte. Denn gemäß §8 Abs5 Stranded Costs-Verordnung I wurde der pro kWh festzusetzende, 'von den Endverbrauchern' aufzubringende Betrag durch Teilung der 'Höhe der unrentablen Investitionen und Rechtsgeschäfte' durch die im entsprechenden Kalenderjahr an (alle) Endverbraucher abgegebene elektrische Energie ermittelt. Der gemäß dieser Bestimmung festgesetzte Betrag wurde unverändert in §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II übernommen (vgl. die Erläuterungen zur Stranded Costs-Verordnung II, wiedergegeben in Pauger/Pichler, Das österreichische Elektrizitätsrecht², 410 ff, 427)."
Daraus geht hervor, dass nach der Beurteilung des Verfassungsgerichtshofs durch die "Übergangsbestimmung" des §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II den Regelungen der Stranded Costs-Verordnung I über die Einhebung von Beiträgen der Endverbraucher durch die Netzbetreiber und Weiterleitung an die Energie-Control GmbH auch für den Zeitraum der Geltung der Stranded Costs-Verordnung I derogiert wurde. Die Bestimmungen der Stranded Costs-Verordnung I waren daher im damaligen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und sind auch im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht anzuwenden.
Durch die "Ersatzregelung", die der Verordnungsgeber in Folge des Erkenntnisses VfSlg. 17.210/2004 durch BGBl. II Nr. 311/2005 traf, wird dieser Befund noch unterstrichen (wenn auch das antragstellende Gericht diese Bestimmung im entgegengesetzten Sinn auslegt). §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II lautet in dieser Fassung:
"Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern, nach Maßgabe ihrer Qualifikation als zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs1 und 2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 gemäß §69 Abs6 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, in Verbindung mit §9 Abs1 der Verordnung BGBl. II Nr. 52/1999 zu leisten waren, bleibt durch die vorliegende Verordnung unberührt. Insoweit diese Beiträge zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung noch nicht oder nicht vollständig abgeführt worden sind, hat die Energie-Control GmbH den Netzbetreibern, an deren Netz zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs1 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, angeschlossen waren oder die selbst zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, waren, die Beträge in jenem Ausmaß zur Abführung mit Bescheid vorzuschreiben, das sich aus der gemäß §8 Abs2 oder 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 52/1999 gebildeten Bemessungsgrundlage und dem in den Kundmachungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl. II Nr. 53/1999 und BGBl. II Nr. 103/2000 sowie der Kundmachung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit BGBl. II Nr. 430/2000 festgelegten Betrag von 0,042 Cent/kWh (0,574 g/kWh) ergibt. Endverbraucher und Netzbetreiber gemäß §44 Abs1 und 2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, sind nur für jenen Zeitraum zur Leistung der Beiträge verpflichtet, in dem sie als zugelassene Kunden qualifiziert waren. Netzbetreiber, die nicht zugelassene Kunden im Sinne des §44 Abs2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, waren, sind nur zur Abführung jener Beiträge zu verpflichten, die sie von den an ihr Netz angeschlossenen Endverbrauchern gemäß §44 Abs1 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 143/1998, erhalten haben."
Diese Bestimmung ist im Ergebnis - nämlich insbesondere angesichts der Passage "Endverbraucher [...] sind nur für jenen Zeitraum zur Leistung der Beiträge verpflichtet, in dem sie als zugelassene Kunden qualifiziert waren" - eindeutig als Neuregelung auch der Verpflichtungen von Endverbrauchern zur Leistung von Beiträgen für den Zeitraum zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 - nunmehr im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 17.210/2004 - zu verstehen. Das antragstellende Gericht hat daher die Frage der gesetzlichen Deckung für die entrichteten Beiträge nach dieser Regelung und nicht nach der angefochtenen Verordnung zu beurteilen.
3. Der Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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