OGH 7Ob116/07w

OGH7Ob116/07w23.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OEG, DDr. Christian F. Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wegen 123.842,65 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Februar 2007, GZ 5 R 231/06i-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. September 2006, GZ 22 Cg 116/06k-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.766,54 EUR (darin enthalten 461,09 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 6.667,03 EUR (darin enthalten 331,80 EUR an USt sowie 4.667,03 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hob von der Klägerin im Zeitraum 1. Juli 1999 bis 30. September 2001 so genannte „Stranded Costs" Beiträge von 123.842,65 EUR ein.

Mit Bescheid der Energie-Control Kommission (ECK) vom 28. Juni 2006, GZ K STR 03/06, PA 3604/06, wurde der Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Rückzahlung der für den Leistungszeitraum 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 eingehobenen Stranded Costs Beiträge in der genannten Höhe samt 4 % Zinsen seit 1. Oktober 2001 zu verpflichten, abgewiesen.

Mit der vorliegenden Klage, die im Rahmen der sukzessiven Kompetenz erhoben wird, begehrt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung der für diesen Zeitraum eingehobenen Beiträge samt 9,97 % Zinsen seit 1. Oktober 2001 (im Ersturteil irrig: „1. Jänner 2001"). Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte sei durch die Einhebung der Beiträge als Netzbetreiber zwar passiv legitimiert; die Zahlungen seien aber nicht rechtsgrundlos, sondern gemäß § 10 Abs 1 der Stranded Costs Verordnung II, BGBl II 2005/311, erfolgt, der - dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Juni 2004, V 3/04 (VfSlg 17.210) Rechnung tragend - nunmehr nur noch für zugelassene Kunden gelte.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagestattgebenden Sinn ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Dabei ging es von folgender, zwischen den Parteien unstrittiger „Vorgeschichte" des vorliegenden Prozesses aus:

Vor Beginn der Liberalisierung des österreichischen Strommarkts erfolgten zahlreiche Investitionen in Kraftwerke, die nach der Liberalisierung nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Daraus entsprang der Gedanke, dass jene Kunden, die von der Liberalisierung durch Kostensenkungen profitieren sollten, diese Stranded Costs, das heißt die „verlorenen", nicht mehr wettbewerbsfähigen Investitionen finanzieren sollten. Insbesondere ging es um die Investitionen der Verbundgesellschaft in das Braunkohlekraftwerk Voitsberg samt Kohlebezugsvertrag über inländische Braunkohle. In der ersten Stufe der Liberalisierung waren nur sogenannte zugelassene Kunden, im Wesentlichen Großbetriebe (Endverbraucher) mit einem bestimmten Jahresverbrauch, wie die Klägerin, berechtigt, ihren Stromlieferanten frei zu wählen und dadurch von der Liberalisierung zu profitieren, sodass auch nur diese zugelassenen Kunden zur Finanzierung der Stranded Costs herangezogen werden sollten.

In Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 96/92/EG vom 19. Dezember 1996 (EB-RL) wurde in § 69 Elektriziätswirtschafts- und -organisationsgesetz idF BGBl I 1998/143 (ElWOG I) mit Wirksamkeit ab 19. Februar 1999 unter anderem normiert:

„(1) Wurden nicht rentable Investitionen und Rechtsgeschäfte eines Elektrizitätsunternehmens ... durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 24 EB-RL anerkannt, ist der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß zugelassene Kunden Beiträge für die Aufbringung von Mitteln zu leisten haben, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen für Elektrizitätsunternehmen erforderlich sind, deren Lebensfähigkeit aufgrund von Erlösminderungen infolge von Investitionen oder Rechtsgeschäften, die durch die Marktöffnung unrentabel geworden sind, gefährdet ist. In dieser Verordnung sind weiters die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen diesen Unternehmen Betriebsbeihilfen zu gewähren sind. ...

(2) Die Verordnung gemäß Abs 1 hat insbesondere zu enthalten:

1. Art und Ausmaß der von zugelassenen Kunden zu leistenden Beiträge;

...

(3) Die Beiträge gemäß Abs 2 Z 1 sind so zu bemessen, dass durch die zu entrichtenden Beiträge jene zu erwartenden Erlösminderungen von Elektrizitätsunternehmen gedeckt werden, für die Betriebsbeihilfen gewährt werden. ...

...

(6) Die Netzbetreiber haben die gemäß Abs 1 bis 3 bestimmten Beiträge einzuheben und an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuführen, das diese treuhändig zu verwalten hat.

(7) Die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten verwalteten Mittel sind ausschließlich als Betriebsbeihilfen für nicht rentable Investitionen oder Rechtsgeschäfte ... zu verwenden (begünstigte Unternehmen).

..."

§ 44 ElWOG I bestimmte:

„(1) Die Ausführungsgesetze haben

  1. 1. ab 19. Februar 1999 Endverbraucher, deren Verbrauch 40 gWh,
  2. 2. ab 19. Februar 2000 Endverbraucher, deren Verbrauch 20 gWh,
  3. 3. ab 19. Februar 2003 Endverbraucher, deren Verbrauch 9 gWh im vorangegangenen Abrechnungsjahr überschritten hat, als zugelassene Kunden vorzusehen. Der Verbrauch berechnet sich je Verbrauchsstätte und einschließlich der Eigenerzeugung.

    ..."

    Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA) zur Regelung der Aufbringung und Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen von Elektrizitätsunternehmen für Investitionen und Rechtsgeschäfte, die durch die Marktöffnung unrentabel werden könnten, BGBl II 1999/52, die so genannte Stranded Costs Verordnung I (VO I), lautete, soweit hier von Bedeutung:

    „§ 8 (1) Zur Aufbringung der zur Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen aus Investitionen gemäß § 3 Z 1 bis 3 können bis zum Ablauf des 18. Februar 2009 Beiträge eingehoben werden, wenn und insoweit diese Investitionen als nicht rentable Investitionen von der Europäischen Kommission anerkannt werden.

    ...

(5) Zur Aufbringung der für die Gewährung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen aus Investitionen und Rechtsgeschäften gemäß § 3 Z 4 und 5 (= Kraftwerk Voitsberg 3 und Kohle-Lieferungsvertrag, abgeschlossen zwischen der Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbau Gesellschaft und der Österreichischen Draukraftwerke Aktiengesellschaft vom 20. Juli 1977) erforderlichen Mittel sind vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten jährlich Beträge pro kWh festzusetzen, die von den Endverbrauchern aufzubringen sind. ...

§ 9 (1) Zur Einhebung der Beiträge gemäß § 8 Abs 5 haben die Netzbetreiber vierteljährlich beginnend mit 1. April 2000 die ihrer Gesamtabgabe an die Verbraucher entsprechenden Beträge an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuführen. Gegenüber Endverbrauchern, die zugelassene Kunden sind, kann der Netzbetreiber diesen Betrag gesondert in Rechnung stellen.

(2) Beiträge gemäß § 8 Abs 5 sind beginnend mit 19. Februar 1999 einzuheben.

(3) Werden Betriebsbeihilfen gemäß § 8 Abs 5 nicht oder nur in geringerem Ausmaß von der Europäischen Kommission anerkannt, sind die über die Anerkennung hinausgehenden Beihilfen aufbringungsgerecht und verzinst zurückzuerstatten.

...

§ 10 (1) Die Netzbetreiber haben die Beiträge von Stranded Costs, die zugelassenen Kunden verrechnet werden, auf den Rechnungen oder Teilrechnungen für die Netznutzung gesondert auszuweisen, wobei auch der Verwendungszweck der eingehobenen Mittel anzugeben ist. Die Beträge können auch aufgeschlüsselt nach Verwendungszweck angeführt werden.

..."

Diese Verordnung trat mit 19. Februar 1999 in Kraft. Die Bezugnahme auf Artikel 24 der EB-RL in § 69 Abs 1 ElWOG I erfolgte deshalb, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass es sich beim Stranded Costs Finanzierungsregime um eine Ausnahme von den Vorgaben dieser Richtlinie handelte, welche aufgrund ihrer Übergangsbestimmung nur mit Zustimmung der Europäischen Kommission zulässig sei. Diese teilte jedoch mit Entscheidung vom 8. Juli 1999 mit, dass eine Zustimmung gar nicht erforderlich sei, weil es sich beim Stranded Costs Finanzierungsregime um keine Ausnahme von den Bestimmungen der Richtlinie handle. Bereits mit Note vom 21. Oktober 1998 wurde die Republik Österreich allerdings von der Europäischen Kommission aufgefordert, das Stranded Costs Finanzierungsregime nach Artikel 88 Abs 1 EGV zu notifizieren, weil es sich um eine Beihilfe im Sinn des Artikel 87 EGV handle. Dieser Aufforderung kam sie am 7. Jänner 1999 nach.

Dem Umstand, dass es sich beim Stranded Costs Finanzierungsregime um keine Ausnahme von der EB-RL, sondern um eine Beihilfe handelt, wurde durch die Novellierung des § 69 Abs 1 ElWOG I mit dem Energieliberalisierungsgesetz, BGBl I 2000/121, Rechnung getragen. Diese Bestimmung hatte danach auszugsweise folgenden Wortlaut (im Folgenden ist diese Fassung als ElWOG II zitiert):

„Wurden nicht rentable Investitionen und Rechtsgeschäfte eines Elektrizitätsunternehmens ... durch die EUK gemäß Artikel 88 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft anerkannt, ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß zugelassene Kunden Beiträge für die Aufbringung der Mittel zu leisten haben, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen für Elektrizitätsunternehmen erforderlich sind, ...

...

(6) Die Netzbetreiber haben die gemäß Abs 1 bis 3 bestimmten Beiträge einzuheben und an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen, die diese treuhändig zu verwalten hat."

Die novellierte Bestimmung trat am 1. Oktober 2001 in Kraft. Hierauf erließ der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerks Voitsberg 3 stehen, die so genannte Stranded Costs Verordnung II, BGBl II 2001/354 (VO II), die Folgendes normierte:

„§ 6 (1) Zur Aufbringung der zur Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen gemäß § 1 Abs 1 sind bis zum Ablauf des 30. Juni 2006 die in der Anlage festgesetzten Beiträge durch den Netzbetreiber vom Endverbraucher einzuheben.

...

§ 10 (1) Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der gemäß § 69 Abs 6 ElWOG iVm § 9 Abs 1 VO I bis 30. September 2001 einzuhebenden Beiträge bleibt durch diese Verordnung unberührt. Die Elektrizitäts-Control GmbH kann diese, sich aus der Abgabe an alle Endverbraucher und dem, in den Kundmachungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten ... festgelegten Betrag von 0,574 g/kWh ergebenden Beiträge dem Netzbetreiber auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid vorzuschreiben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat die bis zum 30. September 2001 vereinnahmten Mittel an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen. Die Elektrizitäts-Control GmbH hat diese Mittel gemäß den in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen den begünstigten Unternehmen zuzuteilen.

§ 11 (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Oktober 2001 in Kraft.

...

(3) Die VO I tritt mit Ablauf des 30. September 2001 außer Kraft."

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Juni 2004, GZ V3/04-8, VfSlg 17.210, wurde § 10 Abs 1 der VO II wegen Widerspruchs zum - eine Belastung bloß der zugelassenen Kunden vorsehenden - ElWOG als gesetzwidrig aufgehoben.

Mit Verordnung vom 28. September 2005, BGBl II 2005/311, wurde hierauf § 10 Abs 1 der VO II mit folgendem auszugweisen Wortlaut neu erlassen (im Folgenden ist diese Fassung als VO II nF zitiert):

„(1) Die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der Beiträge, die von den Endverbrauchern und Netzbetreibern nach Maßgabe ihrer Qualifikation als zugelassene Kunden im Sinn des § 44 Abs 1 und 2 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 143/1998, zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 gemäß § 69 Abs 6 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 143/1998, in Verbindung mit § 9 Abs 1 der Verordnung BGBl II Nr 52/1999 zu leisten waren, bleibt durch die vorliegende Verordnung unberührt. Insoweit diese Beiträge zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung noch nicht oder nicht vollständig abgeführt worden sind, hat die Elektrizitäts-Control GmbH den Netzbetreibern ... die Beträge ... zur Abführung mit Bescheid vorzuschreiben ..."

Der jährliche Verbrauch der Klägerin an ihrem Standort B***** in dem den 19. Februar 1999 vorangegangenen Abrechnungsjahr (1. Februar 1998 bis 31. Jänner 1999) lag über 40 gWh, sie war daher von Anfang an als zugelassener Kunde anzusehen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht folgenden Standpunkt:

Beim Stranded Costs Finanzierungsregime seien das Aufbringungsverfahren und das Verteilungsverfahren voneinander zu trennen. Ersteres werde überdies nach der gesetzlichen Regelung, welcher Fassung auch immer, in einen Zahlungsvorgang der vom Endverbraucher für Stranded Costs zu leistenden Beiträge an seinen Netzbetreiber und die Ablieferung dieser Beiträge an den Bund (BMwA, später BMWA) und ab dem 1. Oktober 2001 an die Elektrizitäts-Control GmbH gegliedert. Die Beiträge für die hier relevante Beihilfe seien in einem bestimmten Betrag pro kWh festgesetzt worden. Eine Gestaltung der Beiträge als (Bundes-)Steuer sei nicht erkennbar, wenn es beispielsweise in § 9 Abs 1 letzter Satz der VO I heiße, dass der Netzbetreiber gegenüber Endverbrauchern, die zugelassene Kunden seien, diesen Betrag gesondert „in Rechnung" stellen könne. Im Hinblick darauf, dass der Endverbraucher, der die Beihilfe also als Zuschlag zu seinem Strompreis aufzubringen gehabt habe, nur in einer vertraglichen Beziehung zum Netzbetreiber stehe, nicht jedoch gegenüber (zuvor dem BMwA, dann) dem BMWA und später der Elektrizitäts-Control GmbH unmittelbar verpflichtet gewesen sei, könne wohl der Adressat für einen allfälligen Rückersatzanspruch betreffend diese Beiträge nur der jeweilige Vertragspartner sein. Die hier Beklagte sei daher passiv legitimiert.

Maßgeblich für die Entscheidung, ob die Klägerin ihre Stranded Costs Finanzierungsbeiträge zurückverlangen könne, sei zunächst die Frage, aufgrund welcher materiellen Rechtsgrundlage diese geleistet worden seien und dann, ob dies rechtens gewesen sei.

Gemäß § 5 ABGB wirkten Gesetze nicht zurück; sie hätten daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. Jede Änderung der Rechtslage wirke sich grundsätzlich nur für die Zukunft aus. Mangels einer anders lautenden gesetzlichen Rückwirkungsanordnung neuen Rechts (meist in Form von Übergangsbestimmungen) seien abschließend und endgültig verwirklichte Sachverhalte immer den ehemals relevanten, bereits außer Kraft getretenen Gesetzesbestimmungen zu unterstellen.

Für die im hier relevanten Zeitraum (19. Februar 1999 bis 30. September 2001) bezahlten Stranded Costs Finanzierungsbeiträge sei dies § 69 ElWOG I iVm der VO I gewesen, weil weder das Energieliberalisierungsgesetz, BGBl I 2000/121, eine rückwirkende Änderung des § 69 ElWOG II angeordnet habe noch die VO II mit Rückwirkung ausgestattet worden sei. Insbesondere im § 10 Abs 1 der VO II nF sei gerade das Gegenteil, also keine Rückwirkung, normiert worden, weil betreffend die von den Endverbrauchern aufzubringenden Beiträge ausdrücklich Bezug darauf genommen werde, dass sie nach Maßgabe ihrer Qualifikation als zugelassene Kunden „zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 gemäß § 69 Abs 6 ElWOG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I 1998/143 iVm § 9 Abs 1 der Verordnung BGBl II 1999/52 zu leisten waren" und die daraus resultierende Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung dieser Beiträge durch die vorliegende Verordnung (= VO II nF) unberührt bleibe.

Dieser Interpretation stehe auch nicht entgegen, dass das Ziel dieser Bestimmung nach dem Willen des Normgebers die Schaffung einer einwandfreien Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 fällig gewordenen Beiträge für Stranded Costs gewesen sei, weil auch hieraus zu ersehen sei, dass es in erster Linie um die Vorschreibung gegangen sei. Erkennbar sei dies mit der Anordnung verfolgt worden, dass, soweit diese Beiträge zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung noch nicht oder nicht vollständig abgeführt worden seien, die Elektrizitäts-Control GmbH den Netzbetreibern diese Beträge zur Abführung mit Bescheid vorzuschreiben habe. Betreffend das Ausmaß der abzuführenden Beträge sei auch in diesem Zusammenhang auf die VO I ausdrücklich Bezug genommen worden. Im Übrigen werde der Inhalt dieser Novellierung mit „Ermächtigung der Elektrizitäts-Control GmbH zur bescheidmäßigen Vorschreibung der Abführung der zwischen dem 19. Februar 1999 und dem 30. September 2001 fällig gewordenen Beiträge von Endkunden und Netzbetreibern, die in diesem Zeitraum zugelassene Kunden waren" definiert. Dazu, auf welcher Rechtsgrundlage die erwähnten Beiträge für Stranded Costs fällig geworden seien, äußere sich der Verordnende nicht; er habe diese ganz offensichtlich nicht verändern wollen.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Bezahlung von Stranded Costs Finanzierungsbeiträgen für den Zeitraum 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 sei daher nach wie vor nach den Bestimmungen des § 69 ElWOG I in Verbindung mit der VO I zu entscheiden; der von der Beklagten gesehene Unterschied zwischen § 10 Abs 1 der VO II und der nun geltenden novellierten Fassung dieser Bestimmung könne vom Berufungsgericht nicht erblickt werden: In beiden Fällen finde sich die sinngemäß gleiche Wortfolge, dass die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der bis 30. September 2001 einzuhebenden Beträge (Fassung VO II) bzw der Beträge, die zwischen 19. Februar 1999 und 30. September 2001 zu leisten gewesen seien (laut VO II nF), unberührt bleibe. Während nach der VO II noch strittig sein könnte, welche Fassung des § 69 Abs 6 ElWOG (I oder II) gemeint sei, könne dies nach der novellierten Fassung nicht mehr unklar sein. Auch das Berufungsgericht teile daher die vom Oberlandesgericht Innsbruck in seinem Urteil vom 7. April 2004, 4 R 47/04z, vertretene Auffassung (die der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. November 2005, 7 Ob 181/04z, ausdrücklich für zutreffend erachtet habe), dass die - nicht erfolgte - wirksame Anerkennung der nicht rentablen Investitionen und Rechtsgeschäfte eines Elektrizitätsunternehmens im Sinn des § 69 Abs 1 ElWOG I und des § 9 Abs 3 der VO I unter Bedachtnahme auf Artikel 24 EB-RL durch die Europäische Kommission (wobei die nochmalige Befassung mit dieser Frage nicht zu erwarten sei, weil die Republik Österreich schon längst eine andere gesetzliche Regelung geschaffen habe) Voraussetzung für die Gewährung von Betriebsbeihilfen einerseits und für die Aufbringung der dafür notwendigen Mittel (= Stranded Costs Finanzierungsbeiträge) andererseits gewesen sei. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung könnten die aus diesem Titel tatsächlich bezahlten Beträge von denjenigen, die sie aufzubringen gehabt hätten (Endverbraucher), als nicht rechtens verlangte Leistung zurückgefordert werden, zumal sie auch nicht geschuldet worden seien. Das Ersturteil sei daher in eine Klagsstattgebung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur - nicht nur für den vorliegenden Fall bedeutsamen - Frage der Zahlungspflicht oder Rückforderbarkeit von Stranded Costs Finanzierungsbeiträgen unter Berücksichtigung der Aufhebung des § 10 Abs 1 idF der VO II durch den Verfassungsgerichtshof und die nachfolgende Änderung dieser Bestimmung durch die VO BGBl II Nr 2005/311 fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird dessen Aufhebung und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht, in eventu an das Berufungsgericht beantragt.

Die Klägerin beantragt, die Revision „abzuweisen" und das Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar die Verpflichtung zugelassener Stromkunden, im strittigen Zeitraum (19. Februar 1999 bis 30. September 2001) Stranded Costs Beiträge zu bezahlen, in der Entscheidung 7 Ob 181/04z (ecolex 2006, 78/42 [Schanda]) verneint und - dem mit dieser Entscheidung bestätigten Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck (4 R 47/04z) folgend - ausgesprochen, zugelassene Kunden „im Sinn der ersten Phase der Strommarktliberalisierung" seien für den genannten Zeitraum nicht zur Zahlung von Stranded Costs Finanzierungsbeiträgen nach § 69 ElWOG verpflichtet, weil die maßgebenden Rechtsgrundlagen „auf eine Anerkennung dieses Finanzierungsregimes nach Art 24 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 96/92/EG abstellen", die nicht erfolgt sei (vgl auch Schanda, Energierecht³, 115 § 69 ElWOG Anm I. B. mit Hinweis auf Binder in FN 429). Die Beklagte vertritt jedoch den Standpunkt, die zitierten Entscheidungen seien (noch) zur Rechtslage gemäß § 69 ElWOG I und § 9 der VO I ergangen, während hier von einer anderen Rechtslage auszugehen sei, weil nunmehr auch § 10 Abs 1 der VO II nF (idF der Nov BGBl II 2005/311) berücksichtigt werden müsse. Dass es (nur) auf die Auslegung dieser Bestimmung ankomme, werde auch durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (Erkenntnis VfSlg 17.210 und Beschluss vom 26. Februar 2007, GZ V 1/07) erhärtet; danach sei § 10 Abs 1 der VO II (nF) nämlich die „alleinige Rechtsgrundlage" für die Beurteilung von Beitragspflichten. Die Neuerlassung des Art 10 Abs 1 der VO II durch die Novelle BGBl II 2005/311 habe das Bestehen der Zahlungspflicht für Stranded Costs Finanzierungsbeiträge durch zugelassene Kunden im Sinn der ersten Phase der Strommarktliberalisierung festgeschrieben. Der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung sei daher, ebenso wie dem Rückforderungsanspruch der Klägerin, die Grundlage entzogen.

Dazu ist vorweg Folgendes festzuhalten:

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 26. Februar 2007, GZ V 1/07, den gemäß Art 89 Abs 3 B-VG in Verbindung mit Art 139 B-VG gestellten Antrag eines Gerichts auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Stranded Costs VO I, BGBl II 1999/52, zurück. Im gerichtlichen Verfahren begehrte die Klägerin als Endverbraucherin von elektrischer Energie und Kundin der beklagten Stromnetzbetreiberin die Rückzahlung der vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 bezahlten Stranded Costs Beiträge, weil die in § 9 Abs 3 VO I geforderte Anerkennung nicht erfolgt sei. Die Rückzahlungsverpflichtung wurde von der Beklagten bestritten. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass er nicht berechtigt sei, durch seine Präjudizialitätentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichts in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dürfe aber ein Antrag nach § 139 B-VG dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) sei, dass die angefochtene generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bilde. Nach der Beurteilung des Verfassungsgerichtshofs sei durch die Übergangsbestimmung des § 10 Abs 1 VO II (nF) den Regelungen der VO I auch für den Zeitraum der Geltung der VO I derogiert worden, wie auch aus dem Erkenntnis V 3/04, VfSlg 17.210 (mit dem § 10 Abs 1 VO II als gesetzwidrig aufgehoben wurde) hervorgehe. Die VO II sei als „abschließende Regelung" der Einhebung der ausständigen Stranded Costs Beiträge von den Netzbetreibern auch für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 anzusehen. Das antragstellende Gericht habe daher die Frage der gesetzlichen Deckung für die entrichteten Beiträge nach dieser Regelung und nicht nach der angefochtenen Verordnung zu beurteilen.

Außerdem hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B 623/03 (VfSlg 17.315) unter anderem ausgesprochen, dass § 69 Abs 1 ElWOG II nicht die Rechtsbeziehungen zwischen beitragspflichtigen Kunden und Beitragsempfängern regle, sondern dass die Beiträge als öffentlich-rechtliche (elektrizitätswirtschaftliche) Geldleistungsverpflichtung der Stromkunden besonderer Art zu beurteilen seien. Dass die für die begünstigten Unternehmen bestimmten Beiträge von der Elektrizitäts-Control GmbH nur „treuhändig" verwaltet würden und nicht einer Gebietskörperschaft zukämen, mache sie nicht zu zivilrechtlichen Ansprüchen, sondern unterscheide diese nur von den öffentlich-rechtlichen Abgaben im Sinn der Finanzverfassung.

In dem Erkenntnis G 240/02, V 60/02 (VfSlg 16.921), in dem auch der Ablauf des Notifizierungsverfahrens dargestellt ist, sprach der Verfassungsgerichtshof bereits aus, dass die Verordnungsermächtigung im ElWOG II ausreichend inhaltlich determiniert sei. Davon ausgehend wendet sich die Revisionswerberin zu Recht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts:

In der Entscheidung 7 Ob 181/04z (auf die sich die Klägerin stützt und die auch das Gericht zweiter Instanz zitiert) stand die Auslegung des § 10 der VO II, dessen hier interessierender Teil - wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt - der neuen Fassung entspricht, an, wonach die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abführung der gemäß § 69 Abs 6 ElWOG in Verbindung mit § 9 Abs 1 VO I einzuhebenden Beiträge durch diese Verordnung unberührt bleibe. Aufgrund einer Interpretation nach dem Wortlaut kam der Oberste Gerichtshof (Binder in Hauer, Aktuelle Fragen des Energierechts 2002, 35, FN 11, folgend) zur Ansicht, dass § 9 der VO I für den Zeitraum vor dem 30. September 2001 - entsprechend dem Wortlaut - „unberührt" bleibe, das heißt, dass diese Bestimmung weiterhin die normative Grundlage für die Einhebung der Beiträge bilde.

Mittlerweile erging jedoch das oben wiedergegebene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Februar 2007, GZ V 1/07. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof - wie er darin selbst ausführt - das Gericht nicht an eine bestimmte Rechtsauslegung bindet, kann dies - entgegen der Ansicht der Revisionsbeantwortung - aber nichts daran ändern, dass er in den tragenden Zurückweisungsgründen dieses Erkenntnisses letztlich - als der nach Art 139 B-VG zur Verordnungsprüfung berufene Gerichtshof - auch über den zeitlichen Geltungsbereich der VO I und II abgesprochen hat; legt er doch seine Rechtsansicht zum zeitlichen Geltungsbereich der VO I und deren Derogierung durch die VO II auch für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 dar. Er ließ sich dabei von einer teleologischen Auslegung leiten.

Dem ist nun zu folgen. Der Oberste Gerichtshof hält die in der Entscheidung 7 Ob 181/04z vorgenommene Auslegung der VO I und II nicht aufrecht. Mit der VO II wird die öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtung ab 19. Februar 1999 abschließend geregelt (so - dem VfGH folgend - auch Oberndorfer in Hauer ElWOG Kommentar [2007] § 69 Rz 3). Damit ist eine Genehmigung der Europäischen Kommission gemäß Art 24 EB-RL nicht mehr Voraussetzung für die Zahlungspflicht der zugelassenen Endverbraucher.

Der Verfassungsgerichtshof hat die VO II als für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 für anwendbar erklärt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass er - als der nach Art 139 B-VG zur Verordnungsprüfung berufene Gerichtshof - die von ihm erkannte Rückwirkung der VO II für gesetzeskonform hält. Ein Eingehen auf die Bedenken des Berufungsgerichts und der Revisionsgegenerin gegen die Zulässigkeit der Rückwirkung der VO II und gegen die Gesetzmäßigkeit der VO II wegen der Rückwirkung erübrigt sich daher im Hinblick auf die zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs. § 10 Abs 1 VO II bildet somit, zusammenfassend gesagt, im fraglichen Zeitraum (vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001) die Rechtsgrundlage für die Einhebung der Beiträge, die öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtungen sind und von der Klägerin als zugelassene Kundin zu entrichten waren. Da sie nicht rechtsgrundlos geleistet hat, kann sie die bezahlten Stranded Costs Beiträge auch nicht zurückfordern (so auch 7 Ob 176/07v).

In Stattgebung der Revision ist daher das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen, ohne dass auf die Frage der Passivlegitimation und die weiteren Einwände der Beklagten weiter eingegangen werden muss.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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