OGH 2Ob32/08g

OGH2Ob32/08g24.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate T*****, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Tunesien, vertreten durch das Ministerium für öffentliches Gut und Liegenschaftsangelegenheiten, Generaldirektion für Rechtsstreitigkeiten des Staates, 19, Avenue de Paris, 1000 Tunis, dieses vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 158.400 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. Dezember 2007, GZ 12 R 235/07b‑26, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Oktober 2007, GZ 12 Cg 258/06h‑19, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. November 2007, GZ 12 Cg 258/06h‑20, bestätigt wurde, sowie über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.289,04 EUR (darin 381,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2.) Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Äußerung selbst zu tragen.

Begründung

Die Klägerin begehrte mit der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage vom beklagten Staat Zahlung von 158.400 EUR sA. Sie sei als Immobilienmaklerin beim Abschluss eines Kaufvertrags über mehrere Liegenschaften in Wien 19, auf denen die beklagte Partei mittlerweile ihre völkerrechtliche Vertretung in Österreich eingerichtet habe, verdienstlich tätig geworden und habe Anspruch auf Vermittlungsprovision.

Am 20. 10. 2006 erging auf Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil gegen die beklagte Partei. Diese erhob dagegen (ua) Widerspruch sowie die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Am Beginn der Tagsatzung vom 18. 6. 2007 hob das Erstgericht das Versäumungsurteil aufgrund des Widerspruchs auf. Im Zuge der sich daran anschließenden abgesonderten Verhandlung über die Prozesseinreden der beklagten Partei stützte sich die Klägerin - soweit in dritter Instanz noch von Bedeutung - auf den Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN und brachte vor, die beklagte Partei sei eine juristische Person im Sinne dieser Zuständigkeitsnorm.

Das Erstgericht erklärte sich für unzuständig und wies die Klage zurück. Die inländische Gerichtsbarkeit (im engeren Sinn) sei zwar zu bejahen, weil der geltend gemachte Anspruch auf ein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen gegründet sei. Es fehle jedoch an einem Gerichtsstand in Österreich. § 99 Abs 3 JN scheide aus; ein Staat falle auch bei Heranziehung des äußerst möglichen Wortsinns nicht unter die dort genannten Rechtssubjekte.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, wonach § 99 Abs 3 JN zur Begründung der Zuständigkeit für die gegen einen Staat gerichtete Klage nicht geeignet sei. Die dort enthaltene Aufzählung umfasse nicht alle juristischen Personen schlechthin. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage existiere, ob der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN auch durch den Sitz der Botschaft eines ausländischen Staats begründet werden könne.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem (sinngemäßen) Abänderungsantrag, die von der beklagten Partei erhobenen Prozesseinreden zu verwerfen; hilfsweise stellt sie einen Ordinationsantrag und regt die Bestimmung des angerufenen Gerichts als örtlich zuständiges Gericht an.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben. Sie spricht sich ferner gegen die beantragte Ordination aus.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, die Vorinstanzen hätten die Zuständigkeitsnorm des § 99 Abs 3 JN unrichtig ausgelegt. Bei historischer Interpretation sei der in dieser Bestimmung angeführte Begriff der „Gesellschaft" nicht im engen handelsrechtlichen Sinn, sondern im Sinne der sämtliche im Privatrechtsverkehr auftretenden juristischen Personen umfassenden „erlaubten Gesellschaft" des § 26 ABGB zu verstehen. Sachliche Gründe, die eine differenzierte Anwendung der Zuständigkeitsnorm auf Körperschaften privaten Rechts einerseits und privatrechtlich handelnden Körperschaften öffentlichen Rechts andererseits rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Sollte die unmittelbare Subsumtion eines ausländischen Staats unter den Begriff „Gesellschaft" nicht möglich sein, sei von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. Allenfalls sei eine teleologische Reduktion dahin angebracht, dass die Zuständigkeit nur für Klagen aus von der inländischen ständigen Vertretung des ausländischen Staats abgeschlossenen Rechtsgeschäften gegeben sei.

Hiezu wurde erwogen:

1. Ausländische Staaten sind nach allgemeinem Völkerrecht nur insoweit von der Gerichtsbarkeit der inländischen Gerichte eximiert, als es sich um Akte handelt, die sie in Ausübung der ihnen zustehenden Hoheitsgewalt (acta iure imperii) vorgenommen haben; in Rechtsstreitigkeiten aus Privatrechtsverhältnissen (acta iure gestionis) sind ausländische Staaten hingegen auch nach innerstaatlichem Recht der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen (Grundsatz der relativen Immunität; vgl SZ 23/143; 2 Ob 156/03k = JBl 2004, 390 [Karollus]; 6 Ob 150/05k = SZ 2005/175; RIS‑Justiz RS0045581; Matscher in Fasching2 I Art IX EGJN Rz 203; Mayr in Rechberger, ZPO3 Art IX EGJN Rz 4; Neuhold/Hummer/Schreuer4, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I [2004] Rz 866).

Die Beurteilung, ob ein Akt hoheitlich oder privatrechtsgeschäftlich zu qualifizieren ist, richtet sich hiebei nicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht, sondern nach allgemeinem Völkerrecht (EvBl 1988/118; 2 Ob 156/03k mwN; Matscher aaO Rz 209; vgl auch Mayr aaO Rz 5). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits in einigen Entscheidungen ausgesprochen, dass ein ausländischer Staat, der Abschluss eines Vertrags über im Inland zu erbringende Arbeits- oder Werkleistungen als Privatrechtsträger handelt, im Inland aus diesem Vertragsverhältnis belangt werden kann; dabei ist nicht auf den Zweck, sondern auf die Erbringung der Leistung an sich abzustellen (vgl 9 ObA 170/89 = SZ 62/111; 9 ObA 244/90 = SZ 63/206 = DRdA 1991/53 [Simotta]; 1 Ob 100/98 = ZfRV 1999/6 mwN). Im Lichte dieser Rechtsprechung beruhen jedenfalls auch Provisionsansprüche aus einem Maklervertrag, mit welchem der Abschluss eines Kaufvertrags über die der Einrichtung der inländischen diplomatischen Vertretung eines Staats dienen sollenden Grundstücke vermittelt wurde, auf privatrechtsgeschäftlichem Handeln des ausländischen Staats (vgl dazu auch die bei Matscher aaO Rz 215 angeführten Beispiele zu Maklerverträgen aus der deutschen Judikatur). Dies wird von der beklagten Partei auch nicht in Frage gestellt.

2. Von der soeben behandelten inländischen Gerichtsbarkeit im engeren (völkerrechtlichen) Sinn muss seit der WGN 1997 die inländische Gerichtsbarkeit aufgrund von Völkervertragsrecht oder autonomer Normen des inländischen Rechts, zu denen auch § 27a JN gehört, unterschieden werden. In diesen Fällen spricht die neuere Lehre von der „internationalen Zuständigkeit" (zum nunmehr „gespaltenen Begriff der inländischen Gerichtsbarkeit" vgl 6 Ob 190/05t = EvBl 2006/102 = JBl 2007, 329; Matscher aaO vor Art IX EGJN Rz 88 und Art IX EGJN Rz 12 ff sowie § 27a JN Rz 5 und 11; ferner Mayr aaO § 27a JN Rz 1). Unter diesem Aspekt, auf den sich auch die Prozesseinrede der beklagten Partei bezieht, setzt die inländische Gerichtsbarkeit voraus, dass für den geltend gemachten Anspruch ein österreichisches Gericht örtlich zuständig ist (§ 27a Abs 1 JN).

Die Klägerin beruft sich zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (und damit der inländischen Gerichtsbarkeit) in dritter Instanz nur noch auf den Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN. Danach können ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Vereine „überdies" (gemeint: zusätzlich zum Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 und 2 JN; vgl Simotta in Fasching2 I § 99 JN Rz 90) auch bei dem inländischen Gericht geklagt werden, in dessen Sprengel sich ihre ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ befindet. Dabei entspricht es herrschender Lehre und Rechtsprechung, dass sich der eingeklagte vermögensrechtliche Anspruch nicht auf die Geschäftstätigkeit der Vertretung oder des Organs beziehen muss (1 Ob 579/95 = SZ 68/118; 8 Ob 105/99w; RIS‑Justiz RS0107713 [T1], RS0057113; Simotta aaO § 99 JN Rz 88; Mayr aaO § 99 JN Rz 11).

3. Der als Gerichtsstand der ständigen inländischen Vertretung (Simotta aaO § 99 JN Rz 84 ff; Schoibl in Schumacher/Gruber, Rechtsfragen der Zweigniederlassung [1993]: Die Niederlassung im österreichischen Zivilprozessrecht, 301 [341]), aber auch als Gerichtsstand der inländischen Niederlassung (Mayr aaO § 99 JN Rz 11; Fasching, Lehrbuch2 Rz 311) bezeichnete Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN erweitert den Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN um einen weiteren Tatbestand. Während Abs 1 leg cit einen Wahlgerichtsstand schlechthin für „Personen, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben", normiert, beschränkt sich der Anwendungsbereich des Gerichtsstands nach Abs 3 leg cit seinem Wortlaut gemäß auf bestimmte ausländische juristische Personen.

Unter den Personenbegriff des Abs 1 leg cit fallen neben den physischen Personen sämtliche der in § 75 JN genannten Rechtssubjekte, sofern sie nur im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand (Sitz) haben (Simotta aaO § 99 JN Rz 13), somit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts. In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Vermögensgerichtsstand nach § 99 Abs 1 JN auch für ausländische Staaten, die im Inland über von der Immunität nicht gedeckte Vermögenswerte bestimmten Umfangs verfügen, begründet werden kann (vgl SZ 2/1; JBl 1986, 733; RIS‑Justiz RS0045489; Matscher aaO Art IX EGJN Rz 218 und 227; Schreuer, Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ausländischer Staaten, ÖJZ 1991, 41 [46 ff]). Demgegenüber findet sich zu § 99 Abs 3 JN im Schrifttum häufig der Hinweis, dass sich diese Zuständigkeitsnorm (nur) auf die „dort bezeichneten ausländischen juristischen Personen" (Simotta aaO § 99 JN Rz 84; Schoibl aaO 342; Hagen, Der Gerichtsstand der Niederlassung, JBl 1969, 61 [64]) bezieht. Die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hatte bisher auch nur die Beurteilung der zuständigkeitsbegründenden Wirkung des § 99 Abs 3 JN auf derartige juristische Personen zum Gegenstand (vgl SZ 57/206; 1 Ob 579/95 = SZ 68/118; 3 Ob 514/94; 4 Ob 538/94; 8 Ob 105/99w).

4. Bei wörtlicher Auslegung bleibt für die Einbeziehung ausländischer Staaten unter die Zuständigkeitsbestimmung des § 99 Abs 3 JN kein Raum. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob, wie die Klägerin meint, im Wege der historischen Auslegung ein anderes Ergebnis erzielt werden kann:

Aus den „Materialien zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen" (687 Blg AH 11. Sess 83) geht hervor, dass die Einführung eines Gerichtsstands des Vermögens (damals § 100 JN) für notwendig erachtet wurde, um die Interessen inländischer Gläubiger gegenüber ausländischen Schuldnern im internationalen Geschäftsverkehr zu wahren. Dabei sollte sich die Abgrenzung des Gerichtsstands möglichst an „bezüglichen" ausländischen Vorschriften orientieren. Konkret wurde die Zuständigkeitsbestimmung „dem § 24 der für das deutsche Reich geltenden Civilprocessordnung gleichlautend textirt".

Letztes galt allerdings nur für die Absätze 1 und 2 der neuen Zuständigkeitsnorm, also für die Gerichtsstände des Vermögens und des Streitgegenstands (zur Entstehungsgeschichte des heutigen § 23 dZPO vgl Roth in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung22 [2003] § 23 nach dem Gesetzestext). Den durch Abs 3 leg cit begründeten Gerichtsstand bezeichnete Pollak (System des österreichischen Zivilprozessrechts2 I [1930] 327) hingegen als „dem deutschen Rechte fremd". Nach Auffassung dieses Autors stellte der Gerichtsstand eine Ausdehnung des durch Art IV der kaiserlichen Verordnung vom 29. 4. 1865, RGBl 127, gegen ausländische Aktiengesellschaften begründeten Gerichtsstands dar, die den im Inland sesshaften Klägern die Prozessführung im Ausland ersparen sollte. Seine Aufzählung der von der JN „gemeinten" juristischen Personen umfasste nur solche des privaten Rechts (aaO 326).

Diese Ausführungen legen in ihrer Gesamtheit nahe, dass nach dem Willen des historischen Gesetzgebers inländischen Unternehmern bei der Rechtsdurchsetzung gegenüber ihren ausländischen Geschäftspartnern im internationalen Handelsverkehr keine Nachteile entstehen sollten. Dieser Hintergrund rechtfertigt entgegen der Ansicht der Klägerin durchaus eine enge, von einem handelsrechtlichen (unternehmensrechtlichen) Verständnis ausgehende Auslegung des Begriffs der „Gesellschaft" in § 99 Abs 3 JN, das - soweit überblickbar - auch dem aktuellen Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung entspricht. Dem Argument, dieser Begriff wäre im Sinne der „erlaubten Gesellschaft" des § 26 ABGB zu verstehen und umfasse sämtliche Gebilde mit Rechtspersönlichkeit, ist überdies entgegenzuhalten, dass sich bei Richtigkeit dieser Auffassung die Nennung weiterer Rechtssubjekte neben der „Gesellschaft" erübrigt hätte.

5. Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, dass Staaten häufig durch mehr oder weniger selbständige Einrichtungen oder Staatsunternehmen, die meist eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, im Wirtschaftsleben vertreten sind, wobei sich auch bei Geschäften mit solchen staatlichen Einrichtungen die Frage nach der Immunität stellen kann (vgl Neuhold/Hummer/Schreuer aaO Rz 872 f). Ist im Einzelfall die inländische Gerichtsbarkeit (im engeren Sinn) zu bejahen, steht dem Gläubiger einer ausländischen staatlichen Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit für Klagen aus einem Rechtsgeschäft der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN zur Verfügung, sofern sie im Inland eine ständige Vertretung oder ein mit der Besorgung der Geschäfte befugtes Organ hat. Er kann diesen Gerichtsstand aber nicht in Anspruch nehmen, wenn der ausländische Staat „selbst" durch eine im Inland ansässige vertretungsbefugte Person privatrechtsgeschäftlich gehandelt hat.

Trotz dieses scheinbaren Widerspruchs lässt sich das von der Klägerin angestrebte Auslegungsergebnis aber auch durch objektiv‑teleologische Überlegungen nicht erzielen:

Ausländische Staaten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Inland. Ihre Vertretung in einem Verfahren vor inländischen Gerichten bestimmt sich nach dem Recht des jeweiligen beklagten ausländischen Staats. Die Anwendung des § 99 Abs 3 JN auf all jene ausländischen Staaten, mit denen die Republik Österreich diplomatische Beziehungen unterhält, käme der Schaffung eines allgemeinen Gerichtsstands am Sitz der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des ausländischen Staats gleich (vgl Hausmann in Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung und Nebengesetze3 [1994], § 18 dZPO Rn 5). Ein solches Verständnis entspricht weder den aktuellen Wertungen des Gesetzgebers noch dem Sinn der strittigen Zuständigkeitsnorm, würde es doch in völkerrechtswidriger Weise zu einem Eingriff in die Souveränität fremder Staaten führen. Die im Revisionsrekurs erwogene Beschränkung der Zuständigkeit auf die durch die diplomatische Vertretung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte wäre mit dem schon erörterten Grundsatz der Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen, wonach sich der beim Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN eingeklagte Anspruch nicht auf die Geschäftstätigkeit der Vertretung oder des Organs beziehen muss (siehe Punkt 2.).

Es liegt auch keine planwidrige Unvollständigkeit der Zuständigkeitsregelung vor. Eine solche Lücke wäre nur dann nachgewiesen, wenn das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig wäre und die Ergänzung auch nicht vom Gesetz gewollten Beschränkungen widerspricht (8 Ob 84/06w mwN; RIS‑Justiz RS0098756 [T6]). Gerade diese Voraussetzungen sind aus den obigen Erwägungen aber nicht erfüllt.

6. Den Vorinstanzen ist somit darin beizupflichten, dass § 99 Abs 3 JN für ausländische Staaten nicht zuständigkeitsbegründend wirkt. Im vorliegenden Fall fehlt es daher an einem inländischen Gerichtsstand, weshalb das angerufene Gericht international und örtlich unzuständig ist.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

II. Zum Ordinationsantrag:

Entscheidet der Oberste Gerichtshof - wie im vorliegenden Fall - im Zusammenhang mit der Behandlung eines Rechtsmittels über einen Eventualantrag auf Ordination, so hat dies in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu geschehen (6 Ob 190/05t mwN; Matscher aaO § 28 JN Rz 170).

Der inhaltlichen Erledigung des Eventualantrags steht nicht entgegen, dass die Vorinstanzen nicht nur die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ausgesprochen, sondern auch die Klage zurückgewiesen haben und der dagegen erhobene Revisionsrekurs erfolglos blieb (10 Nd 502/98; 10 Nd 510/00).

Die Klägerin bringt zur Begründung des Ordinationsantrags vor, dass ihr die Prozessführung gegen einen fremden Staat wegen eines vermögensrechtlichen Anspruchs aus dessen privatrechtsgeschäftlichen Tätigkeit in eben diesem Staat nicht zumutbar sei. Sämtliche der zu vernehmenden Parteien und Zeugen hielten sich in Österreich auf, die Rechtssache sei auch nach österreichischem Recht zu beurteilen. Bei einer Prozessführung in Österreich könne die Beweisaufnahme in deutscher Sprache erfolgen, es fielen weder Reisekosten noch die Kosten für die Übersetzung relevanter Urkunden oder zusätzliche Kosten für einen ausländischen Rechtsanwalt an. In Tunesien werde ferner nicht zwischen hoheitlichem und privatwirtschaftlichem Staatsvermögen unterschieden, sondern es sei sämtliches Vermögen ex lege unpfändbar. Aus der dem Antrag beigefügten Urkunde ergebe sich, dass die tunesische Justiz ausländischen Gläubigern gegenüber nicht unparteilich sei.

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt eine Ordination nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

Diese Bestimmung soll die Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (10 Nc 19/05h; Matscher aaO § 28 JN Rz 40). Gemäß § 28 Abs 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu behaupten und zu bescheinigen.

Das Naheverhältnis der Klägerin zum Inland folgt aus ihrem inländischen Wohn- oder Unternehmenssitz. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Lehre und Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder die Prozessführung im Ausland äußerst kostspielig wäre (RIS‑Justiz RS0046148; Mayr aaO § 28 JN Rz 4 mwN). Nach den maßgeblichen Angaben der Klägerin ist keines dieser Kriterien erfüllt.

Art 1 Abs 1 des zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik in Geltung stehenden Vertrags über die Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, BGBl 1980/304, gewährt den Angehörigen der beiden Vertragsstaaten wechselseitig zum Zwecke der Verfolgung und Verteidigung ihrer Rechte freien Zugang zu den Gerichten (Bajons in Fasching2 I Anh B §§ 38‑40 JN Rz 361). Eine Sicherheitsleistung für Prozesskosten ist in Tunesien nicht vorgesehen (Bajons aaO Rz 371). Gemäß Art 16 des Vertrags ist den Staatsangehörigen jedes Vertragsstaats vor den Gerichten des anderen Vertragsstaats die Verfahrenshilfe unter denselben Bedingungen wie Inländern zu gewähren. Bereits diese Vertragsbestimmungen sprechen gegen die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in der Republik Tunesien (vgl 6 Ob 190/05t mwN).

Aus den Bestimmungen des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der tunesischen Republik über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts, BGBl 1980/305, ergibt sich ferner, dass die Entscheidung eines tunesischen Gerichts auch in Österreich vollstreckbar ist, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder - im Falle einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft - seinen Sitz oder die Hauptniederlassung in Tunesien hat (vgl Art 3 Abs 1 iVm Art 10 Z 1 und Art 15 des Abkommens). Die beklagte Partei hat ihren Verwaltungssitz in Tunesien, sodass eine gegen sie ergangene Entscheidung eines tunesischen Gerichts in Österreich anerkannt werden würde und grundsätzlich in beiden Vertragsstaaten vollstreckt werden kann. Insofern unterscheidet sich die Sachlage wesentlich von dem in ZÖR 38 (1987/88), 318 referierten Fall (vgl dazu Matscher aaO § 28 JN Rz 69). Hingegen läge für eine Prozessführung in Österreich keiner der in Art 10 des Vertrags genannten Zuständigkeitstatbestände vor. Eine in Österreich erwirkte Entscheidung würde deshalb in Tunesien voraussichtlich nicht anerkannt werden und wäre dort auch nicht vollstreckbar. Schon deshalb kommt der Behauptung, in Tunesien befindliches tunesisches Staatsvermögen wäre nach tunesischem Recht jedenfalls unpfändbar, keine den klägerischen Standpunkt stützende Bedeutung zu; ihr ist nicht weiter nachzugehen. Im Übrigen ist im Zuständigkeitsstreit auch nicht hervorgekommen, dass die beklagte Partei derzeit in Österreich über der Exekution unterworfenes Vermögen verfügt.

Auch das ins Treffen geführte Prozesskostenargument ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen. Im Regelfall stellt sich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher zu Lasten des Klägers (9 Nd 509/00; 2 Nc 8/04f ua; RIS‑Justiz RS0046420 [T1 und T2]). Dass die beklagte Partei eine diplomatische Vertretung im Inland hat, ändert daran nichts, weil diese, wie in erster Instanz geklärt wurde, zur Vertretung der beklagten Partei im Zivilprozess nicht berufen ist. Umstände, die auf eine besondere Kostspieligkeit der Rechtsverfolgung in Tunesien hindeuten würden, hat die Klägerin nicht dargetan. Sie hat insbesondere nicht vorgebracht, aus welchen Gründen die persönliche Anwesenheit „der Parteien" und Zeugen in Tunesien erforderlich wäre und warum die Einvernahme dieser Personen nicht im Rechtshilfeweg vor einem österreichischen Gericht möglich sein sollte, zumal zwischen Österreich und Tunesien das erwähnte Rechtshilfeabkommen besteht (vgl auch 9 Nd 509/00; 8 Nc 25/06b; 10 Nc 44/06m).

Schließlich wird die Unzumutbarkeit der ausländischen Prozessführung auch durch den dem Ordinationsantrag beigefügten „Exportbericht Tunesien" des Außenwirtschaftszentrums Bayern (Stand: April 2007) nicht hinreichend bescheinigt. Die Klägerin vermag sich konkret nur auf die darin enthaltene, nicht weiter konkretisierte „Rechtsinformation" zu beziehen, wonach tunesische Gerichte gegenüber ausländischen Gläubigern „eine Parteihaltung einnehmen" würden, dieser aber durch die empfohlene Einschaltung eines Rechtsanwalts begegnet werden kann.

Der Ordinationsantrag war daher abzuweisen.

Das Ordinationsverfahren ist einseitig (Matscher aaO § 28 JN Rz 145), weshalb der beklagten Partei für ihre Äußerung zum Ordinationsantrag kein Kostenersatz gebührt.

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