Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 18.244,26 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 3.040,71 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger sind Inhaber des Gasthofes S***** in F*****. Die Beklagte hatte ihren Sitz in Amsterdam. Sie betreibt ein Reisebüro und tritt unter der Bezeichnung "G***** Reizen" auf. Die Streitteile schlossen im Juni/Juli 1989 einen in der Folge stillschweigend verlängerten Vertrag, mit dem die Kläger ihr gesamtes Zimmerkontingent der Beklagten für den Zeitraum 15.12.1989 bis 15.12.1990 zur Verfügung stellten. Als Entgelt wurden monatlich S 100.000,- vereinbart. Punkt 14 des Vertrages lautet:
"Gasthof S*****/Herr A***** ist nicht befugt, Zimmerreservierungen anzunehmen, direkte Anfragen müssen an unseren Geschäftspartner in Österreich, T*****, weitergeleitet werden".
Der Vertrag wurde von den Klägern mit Gerhard van der M*****, einem Angestellten der Beklagten, ausgehandelt. Zu Beginn des Vertragsverhältnisses kam Gerhard van der M***** mit Regina W***** in den Gasthof S*****. Regina W***** ist Geschäftsführerin der T***** Gesellschaft mbH. Gerhard van der M***** erklärte den Klägern, daß Regina W***** die Repräsentantin der Beklagten in Österreich sei, an welche sie sich bei irgendwelchen Problemen wenden könnten. Es wurde nicht erörtert, ob es Angelegenheiten gäbe, die die Kläger nur direkt mit der Beklagten besprechen sollten. Zwischen der Beklagten und der T***** Gesellschaft mbH bestand eine Geschäftsbeziehung. Aufgabe der T***** Gesellschaft mbH war es, im Bedarfsfall Betten für Kunden der Beklagten im Raum S***** zu besorgen und vor allem die im Gasthof S***** untergebrachten Gäste der Beklagten zu betreuen und mit deren örtlicher Reiseleitung zusammenzuarbeiten. Über die vertraglichen Leistungen hinausgehende Leistungen der Kläger für die Beklagte wurden über die T***** Gesellschaft mbH abgerechnet, welche die Rechnungen an die Kläger weiterleitete. Unter Einschaltung der T***** Gesellschaft mbH wurden im Gasthof S***** für die Reiseleiter der Beklagten Büroeinrichtungen angeschafft und ein Telefonansschluß installiert, der auf "Regina W*****" lautete. Die Telefonrechnungen wurden von den Klägern an Regina W***** weitergeleitet. Bei der Raiffeisenkasse E***** bestand ein Konto mit der Bezeichnung "G***** Reizen", von dem die monatlichen Zahlungen, die die Beklagte den Klägern zu leisten hatte, abgebucht wurden. Regina W***** und ein Mitarbeiter der Beklagten waren gemeinsam zeichnungsberechtigt. Das Konto wurde im Frühjahr 1991 aufgelöst. Zwischen der Beklagten und Regina W***** wurde jedenfalls bis einschließlich Jahresende 1990 abgerechnet. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß die Beklagte bei Klagseinbringung noch offene Forderungen gegen Regina W***** gehabt hätte. Zwischen den Streitteilen kam es im Frühjahr 1991 zu Unstimmigkeiten.
Die Kläger begehren S 214.938,- sA. Die Beklagte habe den Vertrag im Mai 1991 unberechtigterweise aufgelöst. Sie habe die monatlichen Zahlungen für März und Mai 1991 nicht geleistet. Offen seien auch S 4.830,- aus einer Rechnung vom 15.3.1991 sowie die halbe Kurtaxe für Februar und März 1991 von S 10.108,-.
Die Beklagte werbe mit ihrer inländischen Vertretung, des nicht protokollierten Unternehmens T***** Regina W***** in E*****. Ein leitender Angestellter der Beklagten habe die T***** wiederholt als Repräsentanz der Beklagten in Österreich vorgestellt. Die Beklagte habe der T***** ihr gesamtes Zimmerkontingent überlassen, das sie bei den Klägern gebucht habe. Die Beklagte habe gegen Regina W***** eine S 100.000,- bei weitem übersteigende Forderung. Das Konto der Beklagten bei der Raiffeisenkasse E***** weise einen entsprechenden Habensaldo auf. Das angerufene Gericht sei gemäß § 99 Abs 1 und 3 und § 87 Abs 1 JN zuständig.
Die Beklagte erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes. In der Sache selbst beantragte sie, das Klagebegehren abzuweisen. Die Beklagte habe in Österreich keinen Wohn- und Geschäftssitz; die Firma T***** Regina W***** sei nicht ihre inländische Vertretung. Die Beklagte besitze auch keinerlei nennenswertes Vermögen in Österreich; sie habe weder gerichtliche Forderungen gegen Regina W***** oder andere inländische Geschäftspartner noch ein Konto mit einem wesentlichen Guthaben.
Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens der Kläger per 30.4.1991 aufgelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie die vereinbarten monatlichen Zahlungen geleistet. Die Rechnung vom 15.3.1991 habe sie nicht zur Gänze beglichen, weil die Kläger verschiedene Leistungen nicht erbracht hätten. Die Kurtaxe für Februar und März habe die Beklagte wegen der Vertragsauflösung nicht bezahlt; ihr stünden Gegenforderungen zu, weil ihr wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung Gewinn entgangen sei.
Das Erstgericht wies die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit ab. Der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN sei nicht gegeben, weil keine Forderungen der Beklagten für den Zeitpunkt der Klagseinbringung feststellbar gewesen seien. Für den Gerichtsstand nach § 87 Abs 1 und nach § 99 Abs 3 JN sei die faktische Situation maßgebend. Es genüge, daß der Vertretene selbst den Rechtsschein der Vertretungsmacht gesetzt habe. Das gemeinsame Auftreten von Gerhard van der M***** und Regina W***** sowie die Tatsache, daß Gerhard van der M***** Regina W***** zu Beginn des Vertragsverhältnisses als Repräsentantin der Beklagten vorgestellt habe, seien jedenfalls geeignet gewesen, bei den Klägern den Anschein hervorzurufen, Regina W***** (das von ihr geführte Unternehmen) sei die Vertretung der Beklagten in Österreich. Der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN sei demnach gegeben. Damit bestehe auch eine für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit ausreichende Inlandsbeziehung.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klage zurückwies. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und der Firma T***** bzw. Regina W***** habe bei Klageeinbringung nicht mehr bestanden. Der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN liege, anders als der nach § 87 Abs 1 JN, nur vor, wenn kein allgemeiner Gerichtsstand im Inland gegeben sei. Somit könnte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes nur auf § 99 Abs 3 JN gestützt werden. Nach dieser Bestimmung sei jedoch erforderlich, daß die ständige Vertretung auch noch im Zeitpunkt der Klageeinbringung für den Vertretenen tätig sei. Im vorliegenden Fall sei aber die T***** nur bis spätestens Frühjahr 1991 für die Beklagte tätig gewesen. Danach habe sich die Geschäftsbeziehung auch nicht "in Liquidation" befunden. Die Kläger hätten auch gar nicht behauptet, daß Regina W***** als Vertreterin der T***** für die Beklagte bis zur Klageeinbringung tätig gewesen wäre.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit abgewiesen würden.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht; er ist auch berechtigt.
Die Kläger verweisen auf die Entscheidung SZ 57/206, wonach eine ausländische juristische Person in Österreich geklagt werden kann, wenn sie durch ihr Verhalten im geschäftlichen Verkehr den Eindruck erweckt, eine inländische Niederlassung zu haben. Auch im vorliegenden Fall habe die Beklagte einen solchen Eindruck erweckt; dieser Eindruck habe bei Klageeinbringung noch bestanden.
Der Gerichtsstand nach § 87 Abs 1 JN setzt - ebenso wie der nach § 99 Abs 3 JN - nicht voraus, daß der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (so im Ergebnis schon SZ 27/315). Nach § 87 Abs 1 JN können Personen, die außerhalb des Gerichtssprengels ihres Wohnsitzes oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts ein Bergwerk, eine Fabrik, eine Handelsniederlassung oder eine sonstige Betriebsstätte ihres Geschäftes oder Berufes haben, in streitigen Rechtssachen, die sich auf ihre geschäftliche oder berufliche Tätigkeit beziehen, bei dem Gericht geklagt werde, in dessen Sprengel sich ihre Niederlassung oder Betriebsstätte befindet. § 99 Abs 3 JN schafft einen (weiteren) Gerichtsstand gegen ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine. Diese können (auch) bei dem inländischen Gerichte geklagt werden, in dessen Sprengel sich ihre ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ befindet. Bei beiden Gerichtsständen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine (inländische) Niederlassung oder Vertretung besteht; es genügt vielmehr der vom Beklagten geschaffene äußere Tatbestand: Der Beklagte muß dem Kläger gegenüber den Eindruck erweckt haben, über eine solche Niederlassung (Vertretung) zu verfügen (SZ 57/206 mwN; s auch Fasching, LB2 Rz 297; zust Ballon in FS Fasching 64). Auf diesen äußeren Tatbestand muß der Kläger auch noch bei Klagseinbringung vertraut haben (s SZ 57/206). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist daher nicht maßgebend, ob im Zeitpunkt der Klageeinbringung eine inländische Niederlassung (Vertretung) bestanden hat, sondern es kommt darauf an ob die Kläger auch noch in diesem Zeitpunkt auf das Bestehen einer solchen Niederlassung (Vertretung) vertraut haben.
Nach dem festgestellten Sachverhalt haben die Kläger zu Recht angenommen, daß die Beklagte eine inländische Vertretung habe: Regina
W***** wurde ihnen vom Vertreter der Beklagten als deren "Repräsentantin in Österreich" vorgestellt; sie hat Aufgaben wahrgenommen, die für einen solchen Vertreter typisch sind (siehe RdW 1992, 211). Daß die Kläger im Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht mehr darauf vertraut hätten, daß Regina W***** (die T***** Gesellschaft mbH) die Beklagte in Österreich vertritt, wurde weder vorgebracht noch festgestellt: Die Beklagte hat nicht behauptet, den Klägern mitgeteilt zu haben, daß sie nicht mehr von Regina W***** (der T***** Gesellschaft mbH) vertreten werde. Den Klägern war zwar bekannt, daß das Konto, über das Regina W***** gemeinsam mit einem Angestellten der Beklagten zeichnungsberechtigt war, im Frühjahr 1991 aufgelöst wurde; daraus folgt aber noch nicht die Beendigung sämtlicher Geschäftsbeziehungen, die die Vertretungstätigkeit der Regina W***** (der T***** Gesellschaft mbH) für die Beklagte mit sich gebracht hat. Vor allem ergibt sich daraus nicht, daß die Beziehungen schon zur Gänze liquidiert waren. Der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN ist aber auch noch während der Liquidation einer inländischen Repräsentanz begründet (SZ 8/6).
Das angerufene Gericht ist daher nach § 99 Abs 3 JN zuständig. Damit ist jedenfalls im vorliegenden Fall auch eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland gegeben (siehe SZ 60/164; 4 Ob 550/92). Die inländische Gerichtsbarkeit und die (örtliche) Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes sind daher zu bejahen, so daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen ist.
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO.
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