OGH 2Ob907/54

OGH2Ob907/5415.12.1954

SZ 27/315

Normen

JN §87
JN §87

 

Spruch:

Eine Betriebsstätte liegt vor, wann ein ausländischer Holzhändler im Inland ein Büro mit einem Angestellten unterhält, der aufzukaufendes Holz sucht und die Preise seinem Chef mitteilt, auch wenn er zum Vertragsabschluß die Zustimmung des Händlers einholen muß.

Entscheidung vom 15. Dezember 1954, 2 Ob 907/54.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger begehrt Zuspruch von Schadenersatz, da er dem Beklagten Holz verkauft und wegen Nichterfüllung des Vertrages von diesem unter Setzung einer Nachfrist zurückgetreten sei. Die Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck wurde in der Klage auf §§ 87, 99 JN. gestützt. Nachdem der Beklagte örtliche Unzuständigkeit eingewendet hatte, brachte der Kläger noch vor, daß nach den Vereinbarungen der Organisation der Holzhändler in Österreich und in Italien am 2. Mai 1953 die Usancen und Normen für den Holzverkehr zwischen Österreich und Italien festgelegt wurden und daß - sofern im Vertrag nichts anderes vorgesehen ist - als Gerichtsstand für Streitigkeiten der Wohnort des Verkäufers gilt.

Das Gericht erster Instanz nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Dr. Luigi R. ist Angestellter des Beklagten und nimmt in I., T.- Straße 5/III die Offerte der Lieferfirmen entgegen, leitet sie an den Beklagten nach M. weiter und wirkt an der Kollaudierung mit. Die Geschäftskarten des Beklagten enthalten den Hinweis: "Recapito in Innsbruck, T.straße 5/III. Telef. 75.313." Das Erstgericht kam zu der rechtlichen Beurteilung, daß Dr. Luigi R. nur Vertreter ist und keine Handelsniederlassung des Beklagten zu führen hat. Daher sei der Gerichtsstand nach § 87 JN. nicht gegeben. Auch § 99 JN. könne nicht herangezogen werden, da nicht erwiesen wurde, daß der Beklagte zur Zeit der Klageeinbringung im Inlande ein Vermögen hatte. Doch sei gemäß Art. 23 der Usancen Beilage 6 das Landesgericht Innsbruck zuständig.

Das Rekursgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück und führte aus:

Art. 23 der angeführten Usancen komme schon deshalb nicht zur Anwendung, da zwischen den Parteien über den Inhalt des Kaufvertrages keine Einigung erzielt worden sei und sich die Verkaufsverhandlungen zerschlagen haben. Überdies hätte der auf Art. 23 gegrundete Gerichtsstand gemäß § 104 JN. schon in der Klage urkundlich nachgewiesen werden müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs des Klägers ist begrundet, denn die Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck ist gemäß § 87 Abs. 1 JN. gegeben. Laut dieser Bestimmung bedarf es keiner Zweigniederlassung des Beklagten; es genügt, daß dieser im Sprengel des angerufenen Gerichtes eine Betriebsstätte unterhält. In der Entscheidung SZ. VIII/12 hat der Oberste Gerichtshof die Vermittlungsagentur einer Versicherungsgesellschaft als Betriebsstätte im Sinne von § 87 Abs. 1 JN. gewertet.

Dem Zeugen Dr. Luigi R., dessen Aussage das Gericht erster Instanz seinem Beschlusse zugrunde gelegt hat, obliegt es, Holz zu suchen und die Preise dem Beklagten mitzuteilen. Er beurteilt, ob das Holz zu verladen ist; zur Abschließung des Kaufvertrages muß er aber die Zustimmung des Beklagten einholen.

Unter diesen Umständen kann zwar nicht von einer Zweigniederlassung gesprochen werden; wohl aber bildet die Tätigkeit des Dr. Luigi R. einen Teil des Handelsbetriebes des Beklagten.

Dieser unterhält unter der auf der Geschäftskarte angegebenen Adresse eine Betriebsstätte, der im Rahmen des Gesamtunternehmens keine geringere Bedeutung zukommt wie der Vermittlungsagentur einer Versicherungsgesellschaft. Da das strittige Rechtsgeschäft, wie aus den Feststellungen des Erstrichters erhellt, in den Geschäftsbereich des Dr. R. fiel, ist die Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck gegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte