OGH 9Nd509/00

OGH9Nd509/0028.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Eva V*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen ihren seit 1996 in Taiwan lebenden Ehegatten Georg G*****, Kaufmann, ***** sowohl den seit 1. 1. 1997 rückständigen als auch den seit 1. 10. 1999 laufenden gesetzlichen Unterhalt gerichtlich geltend zu machen. Eine darauf gerichtete, beim BG Hietzing eingebrachte Klage wurde von diesem wegen Fehlens eines inländischen Gerichtsstandes des Beklagten und somit der österreichischen internationalen Zuständigkeit rechtskräftig zurückgewiesen (1 C 29/99d-5 des BG Hietzing; 44 R 3/00t-10, 20 des LGfZRS Wien). Zur Begründung des Ordinationsantrags führte die Antragstellerin aus, dass eine Prozessführung im Ausland unzumutbar sei.

Zum einen stünden politische Gründe dagegen: Einerseits sei ein Angriff der Volksrepublik China auf Taiwan nicht auszuschließen. Andererseits könnte es möglich sein, dass die Klägerin persönlichen Anfechtungen ausgesetzt sei, weil die derzeit aufrechten Sanktionen der anderen 14 EU-Staaten auch Auswirkungen auf das Verhalten der Bevölkerung anderer Staaten haben könnten.

Zum anderen sei die einkommens- und vermögenslose Klägerin, welcher deshalb Verfahrenshilfe gewährt worden sei, nicht in der Lage, aus eigenem die Kosten einer Prozessführung im Ausland zu tragen; dazu kämen noch Sprachschwierigkeiten.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn

1. Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages verpflichtet ist oder

2. der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder zumutbar wäre,

3. die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (§ 28 Abs 1 JN idF Art VI Z 3 WGN 1997, BGBl I 1997/140). Nach § 28 Abs 4 leg cit hat in streitigen bürgerlichen Rechtssachen der Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 oder 3 zu behaupten und zu bescheinigen.

Die im § 28 Abs 1 Z 1 JN angeführte Voraussetzung kommt hier nicht in Betracht, die des Abs 1 Z 3 wurde nicht behauptet; eine Ordination wäre daher nur möglich, wenn eine Rechtsverfolgung in Taiwan nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2).

Das vorgenannte Argument der Unzumutbarkeit einer Prozessführung im Ausland aus politischen Gründen erschöpft sich in rein hypothetischen Erwägungen, sodass sich die dafür ins Treffen geführten Bescheinigungsmittel als unzulässige Ausforschungsmittel darstellen.

Das Prozesskostenargument wiederum stellt sich grundsätzlich bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher im Allgemeinen nach dem Grundsatz, dass der Kläger dem Beklagten an dessen Wohnsitz zu folgen habe, zu Lasten des Klägers (RdW 1986, 308; 7 Nd 3/92; 6 Nd 2/94). Dieser Grundsatz wird von der Rechtsprechung (zuletzt 2 Nd 505/99) trotz der in den Materialien zur WGN 1997 (898 BlgNR XX. GP RVErlBem 33) bekundeten, jedoch aus der Neuformulierung des Gesetzestextes des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht hervorgehenden (Matscher in Fasching ZPO-Komm2 RdZ 41, 67 zu § 28 JN) Intention, die Kostspieligkeit der Führung eines Rechtsstreits im Ausland stärker zu berücksichtigen, aufrecht erhalten. Selbst dann, wenn man im konkreten Fall die Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Klägerin berücksichtigen wollte, könnte dieser Umstand ihrem Ordinationsantrag nicht förderlich sein:

Taiwan ("Republik China") gehört nämlich wie Österreich dem New Yorker Unterhaltsübereinkommen an, welches durch die Einschaltung von Übermittlungs- und Empfangstellen die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch eine Person (Anspruchswerber), die sich im Gebiet eines der vertragsschließenden Teile befindet, gegen eine andere Person (Anspruchsgegner), die der Gerichtsbarkeit eines anderen vertragschließenden Teiles untersteht, wesentlich erleichtert (Art I des Abkommens, s §§ 2 ff des Durchführungsgesetzes BGBl Nr 317/1969 idF BGBl Nr 377/1986). Daneben sieht das Abkommen die Gleichstellung des Anspruchswerbers mit Bewohnern oder Angehörigen des Staates, wo das Verfahren anhängig ist, insbesondere betreffend Kosten- und Gebührenbefreiungen, vor (Art 9 Abs 1). Art 9 Abs 2 des Abkommens schließt wiederum eine in der Ausländereigenschaft begründete Verpflichtung zum Erlag einer aktorischen Kaution aus. Gemäß § 4 des Durchführungsgesetzes BGBl Nr 317/1969 idF BGBl Nr 377/86 sind überdies die Bestimmungen über die Gewährung von Verfahrenshilfe auch für die Herstellung notwendiger Übersetzungen anzuwenden. Von der Antragstellerin wurde auch nicht dargetan, warum ihre Einvernahme im Rechtshilfeweg durch ein österreichisches Gericht nicht möglich oder tunlich sein sollte, sodass auch diese Beweisaufnahme nicht mit wesentlichen Kosten verbunden wäre. Den Angaben der Antragstellerin ist nicht entnehmbar, dass der Beklagte über irgendein Vermögen im Inland verfügt. Vielmehr ist wegen des Fehlens gegenteiliger Behauptungen davon auszugehen, dass eine Vollstreckung in Taiwan zu erfolgen hätte. Mangels eines konkreten Vollstreckungsabkommens mit Taiwan wäre daher die Durchsetzbarkeit eines in Österreich geschaffenen Titels äußerst fraglich. Es kann aber nicht Ziel einer Ordination sein, die Schaffung einer "wertlosen" Entscheidung zu ermöglichen (7 Nd 509/86 = IPRE 2/222; vorsichtig zustimmend auch Matscher aaO RdZ 71).

Zusammenfassend kann demnach dem Argument der Unzumutbarkeit einer Prozessführung im Ausland nicht beigepflichtet werden, sodass es an der Voraussetzung für eine Ordination iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN mangelt.

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