OGH 2Nd505/99

OGH2Nd505/994.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko und Dr. Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K***** GesellschaftmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl und Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte KEG in Marchtrenk, wegen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die B***** Sistemi Industriali, *****, Italien eine Forderung von ATS 33.834,- sA gerichtlich geltend zu machen. Diese habe der Antragstellerin ein Hubgliedertor verkauft. Bei dessen Montage in Hörsching, Österreich, habe sich herausgestellt, daß es für den beabsichtigten Zweck ungeeignet gewesen sei. Zur Schadensbehebung sei der in der Klage begehrte Betrag erforderlich gewesen. Die Antragsgegnerin habe sich geweigert, Abhilfe zu schaffen.

Zur Begründung des Ordinationsantrags führte die Antragstellerin aus, es "sei ein österreichischer Bezugspunkt vorhanden, gerade aber nach der entsprechenden Judikatur bei Vertragsverletzungen der Gerichtsstand der Schadenszufügung nach § 92a JN nicht zum Tragen komme". Die Rechtsverfolgung im Ausland sei unzumutbar und kostenaufwendig.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat,

wenn

1. Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages verpflichtet ist oder

2. der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder zumutbar wäre,

3. die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (§ 28 Abs 1 JN idF Art VI Z 3 WGN 1997, BGBl I 1997/140).

Nach § 28 Abs 4 leg cit hat in streitigen bürgerlichen Rechtssachen der Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 oder 3 zu behaupten und zu bescheinigen.

Die im § 28 Abs 1 Z 1 JN angeführte Voraussetzung kommt hier nicht in Betracht, die des Abs 1 Z 3 wurde nicht behauptet; eine Ordination wäre daher nur möglich, wenn eine Rechtsverfolgung in Italien nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2).

Im Verhältnis zu Italien ist zu beachten, daß in Österreich das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. 9. 1968 samt Protokoll und Auslegungsprotokoll in der Fassung der Beitrittsübereinkommen von 1978, 1982, 1989 und 1996 (EuGVÜ) in der Fassung des vierten Beitrittsübereinkommens am 1. 12. 1998 in Kraft getreten ist (BGBl III 1998/167; vgl Tarko, Ein Europäischer Justizraum, Errungenschaften auf dem Gebiet der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, ÖJZ 1999, 401 ff). Italien hat nach Mitteilung des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union am 23. 3. 1999 seine Ratifikationsurkunde zum Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich hinterlegt (BGBl III 1999/102). Damit gilt das EuGVÜ im Verhältnis zu beiden Staaten seit 1. 6. 1999 (Art 16 des 4. Beitrittsübereinkommens zum EuGVÜ; vgl Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, 291).

Danach sind die Zuständigkeits- und Vollstreckungsvorschriften des EuGVÜ auf die einzubringende Klage anzuwenden (Art 13 des 4. Beitrittsübereinkommens zum EuGVÜ: Czernich/Tiefenthaler, aaO, 264), sie haben Vorrang vor den nationalen Vorschriften und sind von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl zum LGVÜ BlgNR XX. GP, 898, 33; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5 Rz 15 vor Art 2).

Ein Zuständigkeitstatbestand im Sinne des Übereinkommens wird nicht geltend gemacht. Auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 5 Z 1 EuGVÜ wird nicht behauptet. Zudem vertritt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, es stelle eine Auslegungsfrage dar, ob eine Klausel, die den Lieferort festlege, zugleich auch einen Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des Übereinkommens begründen wollte (2 Ob 221/98h; 2 Ob 208/98x).

Wenn aber im Geltungsbereich des EuGVÜ die Gerichte eines (ausländischen Vertrags-)Staates zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufen sind, ist es unzulässig, die inländische Gerichtsbarkeit mit der Begründung herbeizuführen, daß die Rechtsverfolgung in dem hiefür in Betracht kommenden ausländischen Staat "nicht möglich oder unzumutbar wäre" (vgl zum LGVÜ BlgNR XX. GP, 898, 33; Kropholler aaO).

Das Argument, die Rechtsverfolgung in Italien sei unzumutbar, schlägt daher unter diesen Gesichtspunkten nicht durch.

Das Prozeßkostenargument stellt sich bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht nach dem Grundsatz, daß der Kläger dem Beklagten an dessen Wohnsitz zu folgen habe, zu Lasten des Klägers (RdW 1986, 308; 7 Nd 3/92; 6 Nd 2/94).

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