European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00286.07P.0707.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin ist die gemeinsame eheliche Tochter des 1917 geborenen Beklagten und der 1913 geborenen Friederike K*****; letztere verstarb am 14. 1. 2002. Zum Todeszeitpunkt waren die Erblasserin und der Beklagte bereits etwa 60 Jahre verheiratet gewesen. Sie waren jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** samt dem darauf errichteten Hotel „V*****", wo sie auch bis zum Hirnschlag der Erblasserin am 23. 3. 2001 gemeinsam gewohnt hatten; der Beklagte lebt heute noch dort. In den Jahren 1968 und 1983 hatte die Erblasserin die Klägerin testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt.
Es steht nicht fest, wie gut die Eheleute in den letzten Jahren ihres Zusammenlebens miteinander ausgekommen waren; die Erblasserin äußerte jedoch gegenüber der Sachwalterschaftsrichterin anlässlich der Erstanhörung am 18. 8. 1999, sie seien seit 59 Jahren verheiratet und sie könne sich keinen besseren Ehegatten wünschen.
Allerdings wurde das Leben der Ehegatten durch Streitigkeiten mit der Klägerin und dem Schwiegersohn Franz S***** beeinträchtigt. Zumindest der Beklagte - und auch der 1920 geborene Dr. Herbert G*****, der jahrzehntelang Hausarzt der Ehegatten gewesen war - hatten den Eindruck, dass es Tochter und Schwiegersohn nur darum ging, den Ehegatten die Leitung des Hotels und letztlich auch das Eigentum daran zu entreißen. Ob dies auch die Meinung der Erblasserin gewesen war, steht nicht fest. Wegen dieser schweren Zwistigkeiten erhielten Tochter und Schwiegersohn 1999 Hausverbot beim Beklagten und der Erblasserin, wodurch es zwangsläufig zu einer starken Verringerung der möglichen Kontakte kam; insbesondere der Beklagte mied möglichst jeden Kontakt.
Am 16. 8. 1999 regte die Klägerin die Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens betreffend die Erblasserin an; ihre damals 86‑jährige Mutter sei seit mehreren Jahren bettlägerig, habe im August 1999 ihre Tochter nicht mehr erkannt und Verwirrtes geredet. Anlässlich der Erstanhörung am 19. 8. 1999 besuchte die Sachwalterschaftsrichterin die Erblasserin in deren Wohnung. Sie fand sie dort gemeinsam mit dem Beklagten in gutem Ernährungszustand, gut gepflegt und geistig voll orientiert vor. Die Erblasserin erklärte, sie werde von einer Pflegerin betreut und fühle sich bei dieser sehr wohl. Sie äußerte sich enttäuscht über die Anregung ihrer Tochter auf Begründung einer Sachwalterschaft. Der Beklagte meinte, Hintergedanke des Antrags sei vermutlich, an das Geld der Mutter heranzukommen. Am 17. 3. 2000 stellte das Bezirksgericht Salzburg das Sachwalterbestellungsverfahren mit der Begründung ein, es bestehe dafür kein Anlass.
Bereits am 2. 2. 2000 hatte die Erblasserin ihr Testament dahin abgeändert, dass sie nunmehr den Beklagten als ihren Alleinerben einsetzte. Dass der Beklagte ihr im Zusammenhang mit diesem Testament irgendwelche Versprechungen gemacht hätte, sie unter keinen Umständen in ein Pflegeheim abzuschieben, steht nicht fest.
Am 23. 3. 2001 erlitt die Erblasserin einen Hirnschlag und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dort behandelte man sie vor allem wegen eines zerebralen Multiinfarktgeschehens sowie wegen verschiedener Organschäden; es wurden insbesondere ein chronisches Nierenversagen, eine koronare Herzkrankheit, eine Überfunktion der Schilddrüse, eine Blutzuckererkrankung, weitere Stoffwechselerkrankungen sowie ein hirnorganisches Psychosyndrom festgestellt. Aufgrund ihres äußerst schlechten Gesundheitszustands waren der Beklagte und die Betreuerin der Ehegatten, Frau J*****, nicht mehr in der Lage, die Erblasserin zu Hause entsprechend zu versorgen. Sie wurde deshalb am 19. 4. 2001 in die Pflegeabteilung der Seniorenwohnanlage in S***** eingeliefert.
Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 14. 5. 2001 wurde der Erblasserin Pflegegeld der Stufe 5 zuerkannt. Dagegen erhob sie zu 11 Cgs 79/01a des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht Klage auf Leistung von Pflegegeld der Stufe 7. Das Personal des Pflegeheims gab in diesem Verfahren an, dass die Erblasserin ein kompletter Pflegefall sei. Sie könne nur gelegentlich einige Antworten geben, könne und wolle nicht mehr essen und habe das Essen daher ausgespuckt, weshalb man ihr eine PEG‑Sonde (Magensonde, direkt am Magen eingeführt) gesetzt habe. Sie könne weder gehen noch stehen und auch nicht mehr sitzen und sei harn- und stuhlinkontinent, eine zielführende verbale Kommunikation mit ihr sei nicht mehr möglich. Der beigezogene Sachverständige Dr. Christian G*****, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychotherapeut, hielt gutachterlich fest, eine Exploration sei nur äußerst beschränkt möglich gewesen, wobei bei der Erblasserin eine Mischung aus dementer und depressiver Symptomatik vorliege. In psychischer Hinsicht beschrieb er sie als bewusstseinsklar, kontaktfähig, explorativ nur beschränkt zugänglich und im Wesentlichen desorientiert; die kognitive Leistungsfähigkeit sei erheblich herabgesetzt, die Stimmungslage gedrückt. Er bejahte einen außergewöhnlichen Pflegebedarf. Mit Vergleich vom 23. 11. 2001 wurde der Erblasserin daraufhin Pflegegeld der Stufe 7 ab 1. 5. 2001 zuerkannt.
Der Beklagte besuchte die Erblasserin bis zu deren Tod weder im Seniorenwohnheim noch im Krankenhaus, schickte jedoch fast täglich Frau J***** zu Besuch. Warum der Beklagte seine Ehegattin nicht mehr besuchte, steht nicht fest. Das Erstgericht hielt hiefür eine „Kombination aus eigener körperlicher Hinfälligkeit des Beklagten und aus psychischer Scheu, die so schwer leidende Gefährtin erleben zu müssen", für wahrscheinlich. Ob (auch) negative Gefühle des Beklagten gegenüber der Ehegattin dafür mitverantwortlich gewesen sein könnte, vermochte das Erstgericht hingegen nicht festzustellen; „rein theoretisch wäre es möglich, dass die Kenntnis vom Schenkungsvertrag beim Beklagten negative Gefühle ausgelöst haben könnte ‑ damit drohte und droht ihm jedenfalls [die] Einbringung einer Teilungsklage durch die Klägerin und [der] Verlust der Wohnung -, wobei auch das Testament seiner Ehefrau zu seinen Gunsten vom 2. 2. 2000 auf ein starkes Interesse des Beklagten hinweis[e], diese Gefahr auszuschalten; für eine positive Einstellung des Beklagten gegenüber [der Erblasserin spreche] wiederum der Umstand, dass er eben seine eigene Betreuerin Frau J***** fast täglich zu Besuch in das Pflegeheim geschickt hat".
Hinsichtlich des soeben erwähnten „Schenkungsvertrags" war zu 10 Cg 136/02m des Landesgerichts Salzburg ein Verfahren anhängig in dem die Klägerin am 10. 7. 2002, also etwa ein halbes Jahr nach dem Tod der Erblasserin, deren Verlassenschaft unter anderem auf Feststellung geklagt hatte, dass ein am 13. 7. 2001 abgeschlossener Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin und der Klägerin betreffend den Hälfteanteil der Erblasserin an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** rechtswirksam sei. Diesem Begehren wurde mit Urteil vom 23. 2. 2006 stattgegeben, nachdem der Beklagte das Begehren der Klägerin vor allem wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Notariatsakts vom 13. 7. 2001 bestritten hatte. Nach den maßgeblichen Urteilsfeststellungen war die Erblasserin bei Abschluss des Schenkungsvertrags in der Lage gewesen, die Tragweite dieses Geschäfts - dass sie also die ihr gehörende Hälfte ihrer Liegenschaft der Klägerin schenkt - zu beurteilen, ihre Wünsche und Vorstellungen zu erwägen sowie die Tragweite und Auswirkungen ihres Handelns abzuschätzen und dieser Einsicht gemäß zu disponieren. Diese Feststellungen gründeten sehr wesentlich auf dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. Erwin O*****, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der die Geschäftsfähigkeit vor allem deshalb bejaht hatte, weil der Unterfertigung des Notariatsakts der Sachverständige Univ.‑Prof. Dr. Wolfgang L*****, Facharzt für Psychiatrie, beigezogen worden war, der in seinem Privatgutachten nach einigen Testfragen an die Erblasserin deren Geschäftsfähigkeit bejaht gehabt hatte. Er führte dabei unter anderem aus:
„Insbesondere die psychiatrischen Auffälligkeiten (Hirnabbau) unterlagen beträchtlichen Schwankungen ... dieser fluktuierende Verlauf der psychopathologischen Auffälligkeiten, welche in mehreren Befunden als organisches Psychosyndrom und in anderen Befunden als demenzielle Entwicklung bezeichnet wurden, war offensichtlich durch eine Störung der Hirndurchblutung verursacht und ging in erster Linie von der koronaren Herzerkrankung mit Störung der Herzschlagfolge aus.
Vom 23. 3. bis 19. 4. 2001 befand sich die Geschenkgeberin [Erblasserin] in stationärer Behandlung der Landesklinik für Geriatrie, wobei zum Aufnahmezeitpunkt die Kommunikation möglich war. Die Patientin war wach, teilorientiert, affektiv flach und waren Aufmerksamkeit und Konzentration herabgesetzt. Neurologisch fand sich eine Einschränkung der Feinmotorik und Koordination, Stirnhirnzeichen, der Bewegungsablauf war verlangsamt. Der Gang wurde nicht geprüft. Es fand sich eine neurogene Schluckstörung.
Vom 26. 6. bis 11. 7. 2001 befand sich die Geschenkgeberin [Erblasserin] in stationärer Behandlung der Landesklinik für Innere Medizin I, wobei die Einweisung deswegen erfolgte, weil die Patientin im Pflegeheim die Nahrungsaufnahme verweigerte. Offensichtlich wegen einer ausgeprägten Dehydrierung war am 25. 6. 2001 die Eigenanamnese nicht erhebbar.
Am 26. 4. 2001 wurde die Geschenkgeberin [Erblasserin] zur Frage der Höhe des Bundespflegegelds untersucht und wurde eine demenzielle Entwicklung mit zeitweisen Verwirrtheitszuständen bei Parkinson‑Syndrom festgestellt. Diese demenzielle Entwicklung wird im Arztbrief der Landesklinik für Innere Medizin I als 'vasculäre Demenz' bezeichnet. Bei der vasculären Demenz handelt es sich um ein Syndrom (Anhäufung von Krankheitszeichen), welches einerseits durch die psychiatrischen Zeichen eines zunehmenden hirnorganischen Abbauprozesses gekennzeichnet ist, andererseits wird mit diesem Namen ausgedrückt, dass der Abbauprozess in erster Linie durch Veränderungen an den kleinen und kleinsten Hirngefäßen gefördert wird. Damit ist aber auch impliziert, dass es bei Verbesserung der Hirndurchblutung, durch welche Maßnahmen immer, zu einer Verbesserung der Konzentration und Aufmerksamkeit kommen kann. Dieses Phänomen wird in der alten und heute nicht mehr gebräuchlichen forensischen Literatur als 'luzides Intervall' bezeichnet. Dieses luzide Intervall bedeutet aber nicht, dass einmal zugrunde gegangenes Hirngewebe wiederhergestellt werden kann. Damit soll auch ausgedrückt werden, dass einmal zugrunde gegangene Intelligenz nicht mehr wieder aufgebaut werden kann. Allerdings ist es bei einer derartigen Art der Demenz möglich, dass etwa vorliegende Störungen der Wortfindung oder Schwierigkeiten in der Ausdrucksweise durch eine Verbesserung der Hirndurchblutung vorübergehend ebenfalls gebessert werden können.
Am 11. 7. 2001 wurde [die Erblasserin] aus der Behandlung im Krankenhaus entlassen, nachdem die Anlage einer Ernährungssonde (PEG) erfolgt war. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Geschenkgeberin [Erblasserin] während des genannten stationären Aufenthalts auch genug Flüssigkeit verabreicht wurde, welche letztlich auch für eine Verbesserung der Hirndurchblutung bedeutend sein kann. Offensichtlich hat der Verbesserungszustand auch bis zum Unterschriftenzeitpunkt am 13. 7. 2001 angehalten."
Am 15. 9. 2001 erschien die Klägerin bei der Bundespolizeidirektion Salzburg und erstattete Anzeige, sie habe am 13. 9. 2001 abends ihre Mutter im Seniorenwohnheim besucht und dabei von einer Mitarbeiterin namens Sonja die Auskunft erhalten, der behandelnde Arzt ‑ der ehemalige Hausarzt der Erblasserin und des Beklagten, Dr. Herbert G***** - habe bereits am 8. 9. 2001 angeordnet gehabt, dass im Auftrag des Ehemanns der Erblasserin - also des Beklagten - die breiige Nahrung abzustellen sei. Ab 14. 9. 2001 sei dann diese Nahrung tatsächlich abgestellt worden. Sie habe sich in der Folge mit ihrem Mann und Ärzten unterhalten und sei am 15. 9. 2001 abends wiederum zu ihrer Mutter gefahren; diese habe auf ihre Fragen geantwortet. Sie habe gesehen, dass am Bett eine Flüssigkeit angehängt gewesen sei, welche der Erblasserin computergesteuert zugeführt worden sei. Die Klägerin habe sich daraufhin beim Pfleger Alexander erkundigt, welcher erzählt habe, der ehemalige Hausarzt habe angeordnet, dass sowohl die breiige als auch die flüssige Nahrung abzustellen seien; dem habe er sich aber widersetzt und der Erblasserin weiter Flüssigkeit zugeführt und sogar heimlich Nahrung gegeben.
Vor dieser Anzeige - und nachdem sie festgestellt hatten, dass bei der Erblasserin Ernährung und Medikamente abgesetzt worden waren - hatten die Klägerin und ihr Ehegatte eine Nachdenkpause benötigt, wie sie reagieren sollten; ihr Ehegatte hatte es dabei der Klägerin sogar „freigestellt, wie sie sich hinsichtlich dieser Gegebenheiten, lebensverkürzende oder lebensverlängernde Maßnahmen bei ihrer Mutter, entscheiden wolle". In dieser Überlegungsphase hatten die beiden auch Rat von Ärzten eingeholt; erst danach hatten sie sich zur Anzeige entschlossen.
Aufgrund der Anzeige der Klägerin begab sich ein Polizeibeamter in das Seniorenwohnheim und stellte fest, dass ein Gespräch mit der Erblasserin aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands nicht möglich war. Zwei von ihm befragte Pfleger, darunter auch der Pfleger Alexander, ließen durchblicken, dass ihnen die Anordnungen des behandelnden Arztes nicht recht geheuer seien. Sie verwiesen auf ein Schreiben des Beklagten an die Pflegeleitung vom 6. 9. 2001, in dem es heißt:
Nach allen intensiven Versuchen ärztlicherseits, die schwere Krankheit mit ihren starken Beschwerden für die Patientin zu mildern, ist nach Ansicht aller, die mit der Behandlung und Betreuung befasst sind, nach menschlichem Ermessen eine Besserung nicht zu erwarten. Daher möchte ich die eventuell lebensverlängernden Maßnahmen nicht mehr angewendet wissen. Diese meine Anordnung erfolgt nach reiflicher Überlegung, um meiner geliebten Frau auch in dieser Situation zu helfen.
Weiters erzählte der Pfleger Alexander dem Polizeibeamten, dass der ehemalige Hausarzt zunächst mündlich angeordnet gehabt habe, der Erblasserin keine Medikamente und Infusionen (Wasser und Nahrung) mehr zu verabreichen, und dass am 11. 9. 2001 der ehemalige Hausarzt über Verlangen des Pflegers Alexander sogar handschriftlich auf dem Medikamentenblatt die Anordnung „Absetzen von Medikamenten und Nahrung trotz Einspruchs von Pfleger Alexander" vermerkt habe. Als der Pfleger den Wunsch geäußert habe, der Erblasserin wenigstens etwas zum Trinken anhängen zu dürfen, habe der ehemalige Hausarzt etwas widerwillig die Zustimmung dazu erteilt. Der ehemalige Hausarzt habe seine Vorgangsweise damit begründet, dass die Erblasserin schon so alt sei und schon mehrere Operationen gehabt habe; es werde nicht mehr besser, und der Beklagte tue ihm so leid; dieser habe ihn auch darum gebeten. Der Pfleger Alexander erzählte weiters, die Erblasserin habe am 13. 9. 2001 zum letzten Mal Nahrung und Medikamente erhalten; seither bekomme sie nur mehr Flüssigkeit, ihr Gesundheitszustand habe sich aber seither noch nicht verschlechtert.
Noch am 16. 9. 2001 vormittags ordnete die zuständige Staatsanwältin an, die Versorgung der Erblasserin mit Nahrung und Medikamenten wieder aufzunehmen, woraufhin sich gegen Mittag der Beklagte telefonisch bei der Polizei meldete und aufgebracht fragte, warum man seiner Ehegattin wieder Nahrung gebe, wo er doch sogar schriftlich ersucht gehabt habe, keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr zu setzen; diesen Brief habe er geschrieben, weil seine Frau nicht mehr in der Lage sei, den Wunsch zu äußern, Nahrung und Medikamente abzusetzen.
Nachdem am 16. 9. 2001 die Ernährung und Versorgung der Erblasserin mit Medikamenten wieder aufgenommen worden war - gesundheitliche Folgeschäden der dreitägigen Aussetzung konnten nicht festgestellt werden -, legte der ehemalige Hausarzt in weiterer Folge die Behandlung der Erblasserin, die er seit Jahrzehnten behandelt und auch durch wöchentliche Besuche im Seniorenheim als zuständiger behandelnder Arzt weiter betreut hatte, zurück.
Die gegen den ehemaligen Hausarzt und den Beklagten zu 28 Ur 1153/01a des Landesgerichts Salzburg wegen des Verdachts des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB eingeleiteten Vorerhebungen stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg im September 2002 nach Einholung eines Gutachtens der Gerichtsmedizin Salzburg‑Linz gemäß § 90 StPO ein. In diesem Gutachten war dargelegt worden, dass die Erblasserin im Jahr vor ihrem Tod an einer ganzen Reihe schwerer Erkrankungen gelitten hatte, angefangen von chronischem Nierenversagen, koronarer Herzkrankheit, Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes mellitus Grad II, Erkrankungen der Leber und der Gallenwege sowie Arthrose der Kniegelenke bis hin zu einem demenziellen Syndrom. Sie sei eine schwerstkranke Patientin gewesen, bei welcher spätestens ab April 2001 keine Besserung, geschweige denn eine Heilung mehr zu erwarten gewesen sei. Wenn die Erblasserin im März 2001 nach Verweigerung einer Nahrungsaufnahme in das Krankenhaus eingeliefert worden sei, so könne das nicht unbedingt als Willenserklärung bei klarem Bewusstsein und erhaltener Entscheidungsfähigkeit gedeutet werden, sondern ebenso als Folge krankhafter Veränderungen und einer körperlich bedingten Unmöglichkeit zu schlucken. Abschließend verwies das Gutachten auf medizinische Literatur, wonach gerade für alte und sterbende Menschen Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr oftmals eine unerträgliche Belastung darstellten, die man in solchen Fällen nicht vorschreiben dürfe.
Der Beklagte wollte im September 2001 - nach eingehender Beratung mit dem ehemaligen Hausarzt - tatsächlich das Leiden seiner Frau nicht mehr unnötig verlängern, allenfalls sogar abkürzen. Weder dem Beklagten noch dem Hausarzt können jedoch für ihre Anweisungen an das Pflegepersonal negative oder niedere Motive unterstellt werden; Mitleid als Motiv erscheint sogar wahrscheinlicher. Irgendein finanzielles Interesse des Beklagten an einem früheren Tod seiner Ehegattin ist weit und breit nicht zu erkennen, zumal der Beklagte von der Schenkung der Erblasserin an die Klägerin Kenntnis hatte und sich daher aufgrund ihres Todes um so mehr von einer möglichen Teilungsklage seiner mit ihm verfeindeten Tochter bedroht fühlen musste.
Eine verbale Kommunikation zwischen der Erblasserin und dem Pflegepersonal hat während ihres gesamten Aufenthalts im Seniorenwohnheim praktisch nicht stattgefunden; das Pflegepersonal hat dies auf „Hirnschwund" zurückgeführt. Ob demgegenüber die Erblasserin mit der Klägerin und deren Ehegatten verbal kommuniziert hat, und zwar praktisch nur mit ihnen, wie sie selbst behaupten, steht nicht fest. Es sind daher auch keine Äußerungen der Erblasserin, dass sie so lang wie möglich weiterleben möchte oder - im Gegenteil - möglichst rasch sterben wolle, überliefert. Sie hat jedenfalls die Klägerin und deren Ehegatten auch nicht darauf aufmerksam gemacht, dass ihr keine Nahrung oder Medikamente mehr zugeführt werden; ob das für die Erblasserin überhaupt erkennbar war, steht jedoch ebenfalls nicht fest.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Erbrechtsklage nach Verweisung auf den Rechtsweg im Verlassenschaftsverfahren gemäß §§ 125, 126 AußStrG 1854 die Feststellung der Ungültigkeit des Testaments der Erblasserin vom 2. 2. 2000, in eventu der Erbunwürdigkeit des Beklagten gegenüber der Erblasserin. Dieser habe die Erblasserin in betrügerischer Weise dadurch, dass er ihr zugesagt habe, sie nicht ins Altenheim abzuschieben, dazu verleitet, dieses Testament zu seinen Gunsten aufzusetzen. Er habe die Erblasserin bis zu ihrem Tod kein einziges Mal im Seniorenwohnheim oder im Krankenhaus besucht und schließlich Dritten gegenüber angeordnet, dem Leben der Erblasserin ein Ende zu setzen; deshalb habe sie jedenfalls mehrere Tage lang weder Nahrung noch Medikamente erhalten. Dies habe eine Straftat gegen die Erblasserin dargestellt, jedenfalls habe er aber seine ehelichen Beistandspflichten verletzt.
Der Beklagte bestreitet, dass das Testament nicht auf dem freien Willen der Erblasserin beruht habe, und hält der Klägerin entgegen, er sei damals selbst bereits 84 Jahre alt und gehbehindert gewesen; er habe kaum die Wohnung verlassen können. Weder er noch der ehemalige Hausarzt hätten angeordnet oder das Pflegepersonal im Seniorenwohnheim ersucht, die Flüssigkeitszufuhr einzustellen oder die Medikamente abzusetzen; es sei lediglich um die Einstellung der permanenten Nahrungszufuhr durch die Magensonde gegangen, weil sich die Erblasserin regelmäßig erbrochen und erhebliche Schmerzen gehabt habe; eine Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen sei nicht intendiert gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Beklagten sei ein charakterlich verwerfliches Verhalten nicht vorwerfbar; er habe nämlich nicht leichtfertig den Wunsch auf Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen bei der Erblasserin geäußert, sondern nach eingehender Beratung mit deren jahrzehntelangem Vertrauensarzt, weil er den Eindruck gehabt habe, dass das Weiterleben für sie nur mehr eine Qual darstelle. Zu berücksichtigen sei auch, dass seine Ehegattin ursprünglich die Nahrungsaufnahme verweigert und sodann die Sondennahrung häufig erbrochen habe. Es sei somit wahrscheinlich, dass der Beklagte nach bestem Wissen und Gewissen zur Auffassung gekommen sei, es sei der Wunsch der Erblasserin, die Qualen nicht unnötig zu verlängern. Damit scheide aber die Annahme einer Erbunwürdigkeit des Beklagten aus.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit (passive) Sterbehilfe einen Erbunwürdigkeitsgrund nach § 540 ABGB darstellt. In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der ehelichen Beistandspflicht (keine Besuche im Seniorenwohnheim und im Krankenhaus, mehrtägige Verweigerung von Nahrung und Medikamenten) durch den Beklagten könne lediglich einen Enterbungsgrund darstellen, nicht jedoch Erbunwürdigkeit begründen; enterbt habe die Erblasserin den Beklagten aber nicht. In Anbetracht des Leidenszustands der Erblasserin sei dem Beklagten im Übrigen auch kein versuchtes vorsätzliches Tötungsdelikt vorzuwerfen, vielmehr liege allenfalls eine straflose versuchte (passive) Sterbehilfe vor; es wäre auch gar nicht in der Macht des Beklagten selbst gestanden, die Unterlassung allfälliger lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen zu bewirken oder durchzusetzen. Der bloße Ausdruck seines Wunsches mit dem Motiv, die Qualen und Leiden seiner Ehegattin nicht unnötig zu verlängern, sei nicht strafbar.
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Vorwurf der Arglist:
1. Die Klägerin verfolgt in der Revision ihren Vorwurf, der Beklagte habe die Erblasserin in betrügerischer Weise dadurch, dass er ihr zugesagt habe, sie nicht ins Altenheim abzuschieben, dazu verleitet, das Testament vom 2. 2. 2000 zu seinen Gunsten aufzusetzen, nicht mehr weiter. Es braucht somit darauf auch nicht mehr näher eingegangen zu werden; im Übrigen hat das Erstgericht diesbezüglich ohnehin die Negativfeststellung getroffen, es stehe nicht fest, dass der Beklagte der Erblasserin im Zusammenhang mit diesem Testament irgendwelche Versprechungen gemacht hätte, sie unter keinen Umständen in ein Pflegeheim abzuschieben.
Zum Vorwurf der Vernachlässigung der Beistandspflicht:
2. Weiters meint die Klägerin, der Beklagte habe dadurch einen Enterbungsgrund gesetzt, dass er die Erblasserin weder im Seniorenwohnheim noch im Krankenhaus besucht und sie außerdem 3 Tage lang „hungern und dursten [habe] lassen"; dies führe zu seiner Erbunwürdigkeit.
2.1. Nach §§ 768, 769 ABGB kann zwar ein Ehegatte unter anderem enterbt werden, wenn er den Erblasser im Notstand hilflos gelassen oder seine Beistandspflicht gröblich vernachlässigt hat. Dazu würden sowohl das Unterlassen eines Besuchs im Krankenhaus bei lebensbedrohlicher Erkrankung (vgl Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 35 mwN) als auch die Verweigerung von Nahrung (vgl 10 Ob 2379/96t [Notstand ist jeder Zustand der nicht nur wirtschaftlich gemeinten Bedrängnis, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit/natürlichen Rechtsgrundsätze gerechtfertigter Weise zu der Erwartung berechtigt, dass dem Erblasser geholfen werde]) gehören.
Während jedoch dem Erbunwürdigen Erbrecht und Pflichtteil auch ohne erblasserische Anordnung nicht zustehen (1 Ob 569/56 = EvBl 1957/20), bedarf es in den Fällen der Enterbung einer letztwilligen Verfügung (s § 770 ABGB), damit der Erbe seine Ansprüche verliert (vgl Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 770 Rz 1 und Eccher in Schwimann, ABGB³ [2006] § 540 Rz 1 mwN, § 770 Rz 1 und 2); daher ordnet § 772 ABGB ausdrücklich an, dass die Enterbung auch nur durch einen ausdrücklichen in der gesetzlichen Form erklärten Widerruf aufgehoben werden kann. Dass die Erblasserin den Beklagten enterbt hätte, behauptet die Klägerin nicht.
2.2. Der Klägerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, auch das Vorliegen eines Enterbungsgrundes „führe" zu Erbunwürdigkeit. Nach § 770 ABGB kann zwar einem Noterben auch solcher Handlungen wegen, die einen Erben des Erbrechts unwürdig machen, durch die letzte Willenserklärung der Pflichtteil entzogen werden; damit macht eine Enterbung nur auf die vorliegende Erbunwürdigkeit aufmerksam (vgl § 770 ABGB) und schließt den Einfluss nachträglicher Verzeihung aus, weshalb es eben im Falle der Erbunwürdigkeit keiner Enterbung im technischen Sinne bedarf (1 Ob 569/56; 6 Ob 690/83 = SZ 57/147). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Enterbungsgründe der §§ 768, 769, 770 ABGB zwingend zu einer - von Amts wegen wahrzunehmenden (6 Ob 218/06m = Zak 2007/43; Eccher in Schwimann, ABGB³ [2006] § 540 Rz 5 mwN; Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 293 [bei Offenkundigkeit]) - Erbunwürdigkeit führen würden; das Vorliegen eines Umstands, der nur Enterbungsgrund, nicht zugleich aber auch Erbunwürdigkeitsgrund ist, ohne dass der Erblasser von ihm Gebrauch gemacht hat, führt also nicht zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs (Eccher aaO Rz 1 mwN). Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0037146) der Erbunwürdigkeitstatbestand des § 540 2. Fall ABGB (s 2.3.) jedenfalls enger, keinesfalls aber weiter als jener des § 768 Z 2 ABGB (vgl auch Apathy aaO § 540 Rz 3).
2.3. § 540 2. Fall ABGB in seiner seit dem ErbRÄG 1989 (BGBl 1989/656) geltenden Fassung sieht einen Erbunwürdigkeitstatbestand in der gröblichen Verletzung der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber, erwähnt hingegen die Verletzung der ehelichen Beistandspflicht nicht. In diesem Fall ist es daher - ebenso wie in jenem der beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart durch den Ehegatten (§ 768 Z 4 iVm § 769 ABGB) - dem Erblasser anheim gestellt zu entscheiden, ob er den Ehegatten ausschließen will oder nicht. Darauf hat bereits das Berufungsgericht hingewiesen.
2.4. Die Festlegung der gröblichen Verletzung familienrechtlicher Pflichten zwischen Eltern und Kindern als Erbunwürdigkeitstatbestand hatte seinen Grund darin, dass testierunfähige Kinder den Enterbungstatbestand des § 768 Z 1 ABGB nicht wahrnehmen können (vgl Schauer, Neues Erbrecht, RdW 1990, 70; Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 540 Rz 9; Eccher aaO § 769 Rz 13; Apathy aaO § 540 Rz 3; Likar‑Peer aaO 289). Allerdings meint Eccher (aaO), diese Begründung trage auch etwa jene Fälle, in denen einer unter Sachwalterschaft stehenden Person nur begrenzte Testierformen (§§ 568, 569 ABGB) zur Verfügung stehen.
Ob diese durchaus beachtlichen (Sinn und Zweck der Erbunwürdigkeitstatbestände ist es ja, den [hypothetischen] Willen des Erblassers zu verwirklichen, und zwar auch in jenen Fällen, in denen es dem Erblasser selbst nicht mehr möglich war, eine Enterbung vorzunehmen [vgl etwa B. Jud, § 540 ABGB - Erbunwürdigkeit und Tod des Erblassers, NZ 2006, 13 mwN]) Analogieüberlegungen (die taxative [6 Ob 169/68 = NZ 1969, 105; Eccher aaO § 540 Rz 1; Likar‑Peer aaO 285] Aufzählung der Erbunwürdigkeitsgründe im Gesetz meint nur die äußeren Tatbestände [Likar‑Peer aaO]) tatsächlich zutreffend sind und (etwa) auch auf Ehegatten anzuwenden sein könnten, die zwar nicht unter Sachwalterschaft stehen, aber aufgrund ihres geistigen und körperlichen Zustands nicht einmal in der Lage sind, die erwähnten begrenzten Testierformen (§§ 568, 569 ABGB) wahrzunehmen, kann hier allerdings dahin gestellt bleiben:
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (GlU 14.332; 6 Ob 218/06m; Likar‑Peer aaO 293 mwN) ist es nämlich Sache desjenigen, der Erbunwürdigkeitsgründe geltend macht, diese auch zu beweisen. Die Vorinstanzen konnten jedoch nicht feststellen, warum der Beklagte die Erblasserin bis zu deren Tod weder im Seniorenwohnheim noch im Krankenhaus besuchte, sondern fast täglich Frau J***** auf Besuch schickte.
Damit wäre der Klägerin aber der Beweis einer vorsätzlichen (Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 141; ders in Rummel, ABGB³ [2000] § 540 Rz 10; Eccher aaO § 540 Rz 17; Winkler, Handbuch Erbrecht [2006] Rz 18; Apathy aaO § 540 Rz 3; Likar‑Peer aaO 288) gröblichen Verletzung der ehelichen Beistandspflicht, die dann (allenfalls) zur Erbunwürdigkeit führen würde, nicht gelungen. Dies würde auch für das Absetzen lebensverlängernder Maßnahmen bei der Erblasserin für die Dauer von ein paar Tagen gelten. Dazu stellten die Vorinstanzen nämlich fest, es könnten dem Beklagten dabei weder negative noch niedere Motive oder gar ein finanzielles Interesse unterstellt werden; Mitleid als Motiv erscheine wahrscheinlicher, er habe das Leiden seiner Frau nicht mehr unnötig verlängern wollen. Ging es dem Beklagten aber um die Verkürzung dieses Leidens, würde die Annahme eines auf gröbliche Verletzung der ehelichen Beistandspflicht gerichteten Vorsatzes ausscheiden.
Zum Vorwurf der (versuchten) strafbaren Handlung:
3. Schließlich wirft die Klägerin dem Beklagten noch vor, den Erbunwürdigkeitstatbestand des § 540 1. Fall ABGB („Wer gegen den Erblasser eine gerichtlich strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen hat") erfüllt zu haben. Das Absetzen der Nahrung (künstliche Ernährung), welches zum Tod führen würde, sei „bei rechtlich korrekter Beurteilung" als (versuchtes) Tötungsdelikt zu werten; auch versuchte passive Sterbehilfe sei nicht als strafloses Verhalten zu qualifizieren.
3.1. Der Erbunwürdigkeitstatbestand des § 540 1. Fall ABGB erfasst zwar lediglich gerichtlich strafbare (vorsätzliche) Handlungen, die sich gegen den Erblasser selbst (stRsp, s etwa 7 Ob 43/07k = iFamZ 2007/134 [Tschugguel] mwN) gerichtet haben. Es fällt jedoch auch der Versuch einer Straftat darunter, weil dieser gemäß § 15 StGB strafrechtlich dem vollendeten Delikt gleichgestellt ist (3 Ob 271/53 = JBl 1954, 174; 7 Ob 43/07k = NZ 2008/20 [G. Kogler]; Eccher in Schwimann, ABGB³ [2006] § 540 Rz 6; Winkler, Handbuch Erbrecht [2006] Rz 18; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 540 Rz 2; Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 285).
Ob es aufgrund der Straftat zu einer Verurteilung gekommen ist, ist nach herrschender Auffassung (5 Ob 45/58; Winkler aaO; Apathy aaO; Likar‑Peer aaO) irrelevant; dies gilt sogar für den Fall eines freisprechenden Strafurteils (5 Ob 45/58; Weiß in Klang² III [1952] 97). In diesen Fällen hat das Zivilgericht über die Qualifikation der Straftat (als strafrechtliche Vorfrage) zu entscheiden (3 Ob 104/64 = SZ 37/124; Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 540 Rz 6).
Versuchte Bestimmung zum Mord:
3.2. Nach § 75 StGB hat, wer einen anderen tötet, Mord zu verantworten, wobei jedoch gemäß § 12 StGB nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung begeht, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt. Gemäß § 15 Abs 1 StGB sind nicht nur die vollendete Tat, sondern auch der Versuch und jede Beteiligung an einem Versuch strafbar, wobei nach Abs 2 die Tat versucht ist, sobald der Täter seinen Entschluss, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12 StGB), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt.
Nach den von den Vorinstanzen in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen äußerte der Beklagte am 6. 9. 2001 gegenüber der Pflegeleitung des Seniorenwohnheims, in dem die Erblasserin damals lebte, schriftlich seinen Wunsch, er „möchte die eventuell lebensverlängernden Maßnahmen [bei der Erblasserin] nicht mehr angewendet wissen"; der langjährige Hausarzt des Beklagten und der Erblasserin ordnete daraufhin - vom Beklagten „darum gebeten" - am 11. 9. 2001 an, der Erblasserin keine Medikamente und Infusionen (Wasser und Nahrung) mehr zu verabreichen; nachdem die zuständige Staatsanwältin am 16. 9. 2001 die Wiederaufnahme der Versorgung der Erblasserin mit Nahrung und Medikamenten angeordnet hatte, fragte der Beklagte bei der Polizei „aufgebracht [an], warum man seiner Ehegattin wieder Nahrung gebe, wo er doch sogar schriftlich ersucht gehabt habe, keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr zu setzen"; der Beklagte wollte damals nach eingehender Beratung mit dem Hausarzt tatsächlich das Leiden seiner Frau „nicht mehr unnötig verlängern, allenfalls sogar abkürzen".
Gesundheitliche Folgeschäden aufgrund dieses dreitägigen Aussetzens von Nahrung und Medikamenten blieben zwar - wie das Erstgericht weiters feststellte - bei der Klägerin unmittelbar aus. Tatsächlich hätte jedoch der vom Beklagten nicht nur dem Hausarzt, sondern auch der Pflegeleitung des Seniorenwohnheims gegenüber geäußerte Wunsch, lebensverlängernde Maßnahmen bei der Erblasserin nicht mehr anzuwenden, - wodurch er ihr Leben „nicht mehr unnötig verlängern, allenfalls sogar abkürzen" wollte - wohl in weiterer Folge zum Tod der Erblasserin geführt, hätte nicht die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme der Versorgung der Erblasserin angeordnet. Damit wäre aber an sich der Tatbestand der versuchten Bestimmung zum Mord nach § 12 2. Fall, § 15 in Verbindung mit §§ 2, 75 StGB erfüllt gewesen, was wiederum zu der von der Klägerin behaupteten Erbunwürdigkeit des Beklagten gemäß § 540 1. Fall ABGB führen würde (vgl auch Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 286, die als Beispiel ausdrücklich Mord erwähnt).
Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, es wäre gar nicht in der Macht des Beklagten selbst gestanden, die Unterlassung allfälliger lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen zu bewirken oder durchzusetzen, der bloße Ausdruck seines Wunsches mit dem Motiv, die Qualen und Leiden seiner Ehegattin nicht unnötig zu verlängern, sei nicht strafbar, kann dem nicht gefolgt werden:
Der Beklagte hat durch den in seinem Schreiben vom 6. 9. 2001 zum Ausdruck gebrachten Wunsch im ehemaligen Hausarzt den Entschluss hervorgerufen, die künstliche Ernährung der Erblasserin einzustellen und dadurch seine Hilfeleistungs- und Behandlungspflicht als Arzt im Sinne des § 2 StGB zu verletzen. Eine absolute Untauglichkeit des Versuchs des Beklagten im Sinne des § 15 Abs 3 StGB ist dabei nicht erkennbar, weil dieser Versuch ja sogar zum gewünschten Erfolg, nämlich zum Absetzen der Ernährung und damit zum Versuch des Mordes nach § 15 in Verbindung mit §§ 2, 75 StGB geführt hat.
Auch der Versuch des ehemaligen Hausarztes, die Erblasserin durch die Einstellung der künstlichen Ernährung im Sinne der §§ 2, 75 StGB zu töten, war nicht untauglich im Sinne des § 15 Abs 3 StGB. Es ist nur auf das Eingreifen der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft Salzburg und die dadurch bewirkte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung zurückzuführen, dass der Erfolg der Handlung ausgeblieben ist. Es war daher nicht denkunmöglich im Sinne des § 15 Abs 3 StGB (Hager/Massauer in Höpfel/Ratz, WK zum StGB² [1999] §§ 15, 16 Rz 70 mwN), dass der Versuch des Arztes, die Erblasserin zu töten, zu einem Erfolg im Sinne des § 75 StGB führen konnte.
Mordversuch gegen den Willen der Erblasserin:
3.3.1. Nach einem Teil der Lehre (Weiß in Klang² III [1952] 97; Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 540 Rz 5) muss sich die Straftat ‑ um im Sinne des § 540 Satz 1 ABGB Erbunwürdigkeit des Täters zu begründen - allerdings nicht nur „gegen den Erblasser", sondern auch „gegen dessen Willen" gerichtet haben. Erbunwürdigkeit trete demnach etwa dann nicht ein, wenn ein voll geschäftsfähiger Erblasser den Täter um die Handlung selbst ersucht hatte (Welser aaO); ein Täter, der Tötung auf Verlangen gemäß § 77 StGB zu verantworten hat, sei damit nicht erbunwürdig, weil sich die Straftat eben nicht „gegen den Erblasser" gerichtet habe (Weiß aaO).
Ein anderer Teil der Lehre (Kralik, Das Erbrecht³ [1983] 38) meint demgegenüber, Tötung auf Verlangen gemäß § 77 StGB mache erbunwürdig, wenn die Tat nicht zwischen der Handlung des Täters und dem Eintritt des Erfolgs verziehen wurde; Verzeihung gemäß § 540 letzter Halbsatz ABGB könne nur im Nachhinein, nicht aber im Voraus als Ermächtigung zu einer Straftat erfolgen. Die Voraussetzung, die Tat müsse sich gegen den Erblasser richten, ist dabei - auch nach Kralik (aaO 36) - ein Erfordernis des Privatrechts und nicht des Strafrechts.
3.3.2. Berücksichtigt man nun Sinn und Zweck des § 540 1. Fall ABGB, so ist jedenfalls bei Beurteilung der erbrechtlichen Konsequenzen einer vom Erben geleisteten (versuchten) Sterbehilfe der erstgenannten Auffassung der Vorzug zu geben:
Das Gesetz vermutet, dass eine strafbare Handlung den Erblasser so sehr verletzt, dass er dem Täter keine erbrechtlichen Vorteile mehr zuwenden will (Kralik aaO 35; B. Jud, NZ 2006, 13; Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II13 [2007] 457; Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 285). Es versucht also, dem Willen des Erblassers zu entsprechen (Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch II [1812] 396; Stubenrauch, Commentar zum österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch8 I [1902] 747; Welser aaO § 540 Rz 1; B. Jud aaO), und legt dabei die Straftat deshalb (auch) als Erbunwürdigkeitsgrund fest, weil der Erblasser möglicherweise von ihr gar nicht erfahren hat oder vom Tod ereilt wurde, bevor er eine entsprechende Verfügung treffen konnte, oder eine Verfügung aufgrund der Natur der Straftat überhaupt ausgeschlossen ist (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht² [1937] 371; B. Jud aaO [etwa „weil der Täter den Erblasser ermordet hat"]).
War aber nun der Wille des Erblassers darauf gerichtet, vom Täter getötet zu werden, erschiene es nicht sachgerecht und regelmäßig auch dem Willen des Erblassers nicht entsprechend (aus seiner Sicht nimmt der Täter ja sogar strafrechtliche Sanktionen in Kauf, um das Verlangen des Erblassers zu erfüllen), den Täter nicht nur der strafrechtlichen Sanktion des § 77 StGB zu unterwerfen (vgl dazu jedenfalls für die Fälle der direkten aktiven Sterbehilfe statt vieler Moos in Höpfel/Ratz, WK zum StGB² [2002] Vorbem zu §§ 75‑79 Rz 17 mwN; U. Pesendorfer in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts [2007] 417 mwN), sondern ihn außerdem auch noch für erbunwürdig zu erklären. § 540 1. Fall ABGB hat „nicht den Sinn, der Übeltat neben der strafrechtlichen auch noch eine zivilrechtliche Sühne folgen zu lassen", wie Kralik (aaO) zutreffend anmerkt; das „Unwerturteil des Gesetzgebers dem Verbrecher gegenüber" (Weiß in Klang² III [1952] 97) findet sich im Strafrecht und nicht (nochmals) im Erbrecht. Gegen diese Auffassung sprechen auch nicht Überlegungen zur „Einheit der Rechtsordnung", ermöglicht doch § 540 letzter Satz ABGB selbst - im Gegensatz zum Strafgesetzbuch - dem Erblasser ausdrücklich die Verzeihung der gegen ihn gerichteten strafbaren Handlung mit dem Ergebnis des Wegfalls der Erbunwürdigkeit; unmittelbare strafrechtliche Konsequenzen hat die Verzeihung jedoch nicht.
Im Übrigen zwingt auch das erst jüngst in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz zu einer verstärkten Berücksichtigung des Verlangens des Erblassers (zur deutschen Rechtslage vgl etwa BGH BGHZ 154, 205), ist doch nunmehr sogar der behandelnde Arzt an eine verbindliche Verfügung, die eine bestimmte Behandlung untersagt, selbst dann unmittelbar gebunden, wenn die Behandlung medizinisch indiziert wäre und der Patient ohne diese voraussichtlich sterben wird (RV 1299 BlgNR 22. GP 2; U. Pesendorfer aaO 376; Kunz/Gepart, Aufgaben der bei der Errichtung einer Patientenverfügung mitwirkenden Juristen - am Beispiel des Rechtsanwalts, FamZ 2006, 81; vgl allgemein dazu auch Bernat, Planungssicherheit am Lebensende, EF‑Z 2006, 42, 74).
3.3.3. Im vorliegenden Verfahren haben die Vorinstanzen ein (ausdrückliches) ernstliches und eindringliches Verlangen der Erblasserin gegenüber dem Beklagten im Sinne des § 77 StGB, sie dadurch zu töten, dass sie nicht mehr mit Nahrung und Medikamenten versorgt werde, nicht festgestellt; derartiges wurde auch nicht behauptet. Dass dieser Umstand strafrechtlich zur Annahme eines Mordversuchs führen müsste, wurde bereits erörtert (s 3.2.). Der Beklagte hat dann aber den Tatbestand des § 540 1. Fall ABGB in objektiver Hinsicht erfüllt.
Passive Sterbehilfe:
3.4. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dem Beklagten sei allenfalls straflose versuchte (passive) Sterbehilfe vorzuwerfen. Darunter versteht die herrschende Meinung das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen, sei es, dass solche gar nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden, sei es, dass das Unterlassen direkt zum Zweck der Tötung oder indirekt zur lebenshemmenden Schmerzbekämpfung erfolgt (siehe etwa Kneihs, Grundrechte und Sterbehilfe [1998]514 ff; Schmoller, Lebensschutz bis zum Ende, ÖJZ 2000, 361; Moos in Höpfel/Ratz, WK zum StGB² [2002] Vorbem zu §§ 75‑79 Rz 31; Kert, Der rechtliche Rahmen für das Ende des Lebens, JAP 2005/2006/34; U. Pesendorfer in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts [2007] 418; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis4 [2008] Rz 287; Maleczky, Wenn Todgeweihte sterben möchten, iFamZ 2008, 141 uva).
(Mutmaßlicher) Wille der Erblasserin:
3.4.1. „Schlüsselstelle der Straflosigkeit" der passiven Sterbehilfe ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, also sein Wille (s nur die Nachweise bei Moos aaO Rz 32; ebenso deutscher BGH BGHSt 40, 275 [„Kemptener Fall"]; vgl zu dieser Entscheidung etwa Bernat, Behandlungsabbruch und [mutmaßlicher] Patientenwille, RdM 1995, 51; Ulsenheimer aaO Rz 271 ff; Kopetzki, Einleitung und Abbruch der medizinischen Behandlung beim einwilligungsunfähigen Patienten, iFamZ 2007, 197). Die Straflosigkeit ergibt sich dabei aus § 110 StGB, wonach eine Heilbehandlung nur mit Zustimmung des Patienten zulässig ist. Lehnt ein Patient hingegen die Heilbehandlung klar ab, darf diese auch nicht vorgenommen werden, und zwar selbst dann nicht, wenn davon auszugehen ist, dass der Patient ohne die Behandlung stirbt. Würde der Arzt in einem solchen Fall die Heilbehandlung dennoch vornehmen, würde er sich nach § 110 StGB strafbar machen (Moos aaO Rz 34 mwN). Durch § 110 StGB entfällt daher bei Ablehnung einer medizinischen Behandlung durch den Patienten die Pflicht wie auch das Recht des Arztes, den Patienten zu behandeln; mit anderen Worten entfällt die Garantenpflicht des behandelnden Arztes, die ihn zur Hilfeleistung gegenüber seinem Patienten beziehungsweise zu dessen Behandlung verpflichten würde, sodass es in einer solchen Konstellation bei Unterlassen einer an sich gebotenen Behandlung bereits am Tatbestand des § 2 in Verbindung mit § 75 StGB mangelt (Moos aaO).
Ist der Patient äußerungsunfähig, etwa weil er nicht bei Bewusstsein ist oder weil ihm die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt, ist zu prüfen, ob eine solche ausdrückliche Willensäußerung in Form einer Patientenverfügung oder einer Vollsorgevollmacht (mit der der Patient einen Stellvertreter bestimmt hat, der zur Entscheidung über medizinische Behandlungen ermächtigt ist) vorliegt (s ausführlich Kopetzki, iFamZ 2007, 197 mwN). Auf Erklärungen von Personen, die in Fällen mangelnder Einsichts- und Urteilsfähigkeit anstelle des Patienten zu entscheiden haben (etwa Sachwalter, Pflegepersonen, Eltern usw), kommt es hingegen nicht an (Kopetzki aaO mwN; Maleczky, iFamZ 2008, 141).
3.4.2. Liegt eine ausdrückliche Willensäußerung des Patienten zur eigenen Behandlung bzw zum Behandlungsabbruch im Falle einer schweren Erkrankung am Ende des Lebens - wie eben auch im vorliegenden Fall (3.3.3.) - nicht vor, ist für die weitere ärztliche Behandlung der mutmaßliche Wille des Patienten maßgebend (Bernat, RdM 1995, 51; Moos aaO Rz 35; Kert, JAP 2005/2006/34; Maleczky, iFamZ 2008, 141).
3.4.3. Nach überwiegender Auffassung (vgl etwa Rittler, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts AT² [1954] 151; Triffterer, Österr Strafrecht AT² [1994] 244; Bernat, RdM 1995, 51; an der Eigenständigkeit des Rechtfertigungsgrundes der mutmaßlichen Einwilligung zweifelnd Nowakowski, Das österr Strafrecht in seinen Grundzügen [1955] 64) stellt die mutmaßliche Einwilligung in eine Heilbehandlung einen (ungeschriebenen) Rechtfertigungsgrund dar; die mutmaßliche Behandlungsverweigerung ist jedoch nichts Anderes als die „Kehrseite der Medaille" (Bernat, aaO; vgl auch Roxin, Über die mutmaßliche Einwilligung, FS Welzel [1974] 447; ähnlich Müller‑Dietz, Mutmaßliche Einwilligung und Operationserweiterung - BGH, NJW 1988, 2310, JuS 1988, 280). Dieser Rechtfertigungsgrund liegt somit dann vor, wenn eine Einwilligung wirksam erteilt werden könnte, der Patient aber nicht handlungsfähig ist, nach den Umständen des Falls und bei Würdigung der Interessenlage seine Zustimmung jedoch zu erwarten wäre (Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Teilband 18 [1992] 396; Triffterer aaO; Bernat aaO); er ist auch im Rahmen der passiven Sterbehilfe anwendbar, weil eine Verweigerung ärztlicher Behandlung dem entscheidungsfähigen Menschen jederzeit möglich ist (Bernat aaO).
3.4.4. Im Anwendungsbereich des § 540 1. Fall ABGB muss die Annahme eines entsprechenden mutmaßlichen Willens des Erblassers zur Verneinung der Voraussetzung führen, dass sich die Tat des Erben gegen den Erblasser und gegen dessen Willen gerichtet hatte (s 3.3.1. und 3.3.2.); der Unterschied zum tatsächlich geäußerten Willen liegt nur darin, dass der Erblasser sein Verlangen im Sinne des § 77 StGB aufgrund seines körperlichen und geistigen Zustands nicht mehr nach außen transportieren konnte (vgl dazu Bernat, RdM 1995, 51, der zum insofern durchaus vergleichbaren Fall der Verweigerung einer Heilbehandlung durch den Patienten ausführt, ein Behandlungsabbruch sei nicht nur nicht rechtswidrig, sondern sogar geboten, wenn ihn der mutmaßliche Wille des Patienten fordert). Auch in diesem Fall kann nicht unterstellt werden, dass die Tat den Erblasser so sehr verletzte, dass er dem Erben keine erbrechtlichen Vorteile mehr zuwenden wollte (3.3.2.).
Im Übrigen setzt§ 540 1. Fall ABGB für die Annahme der Erbunwürdigkeit ausdrücklich vorsätzliches Handeln voraus; Erbunwürdigkeit liegt daher unter anderem dann nicht vor, wenn sich der Erbe auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann (Kralik, Das Erbrecht³ [1983] 36; Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 287; vgl auch 6 Ob 636/93 = JBl 1994, 536).Gelingt somit dem Erben der Beweis des mutmaßlichen Willens des Erblassers in den Behandlungsabbruch, scheidet Erbunwürdigkeit aus.
Ist jedoch (auch) der mutmaßliche Wille des Patienten nicht feststellbar, gilt im Zweifel der Wille, durch die medizinische Behandlung weiterzuleben („in dubio pro vita"), also der normale ärztliche Heilauftrag. In einem solchen Fall ist dann passive regelmäßig ebenso strafbar wie direkte aktive (s dazu 3.3.2.) Sterbehilfe (Moos aaO Rz 37; Ulsenheimer aaO Rz 274 unter Hinweis auf deutsche Rechtsprechung [„Vorrang des Lebensschutzes"]). Im Anwendungsbereich des § 540 1. Fall ABGB wäre dann aber vom Vorliegen einer strafbaren Handlung gegen den Willen der Erblasserin auszugehen.
3.4.5. Die Frage nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers ist nach der Lehre (etwa Moos in Höpfel/Ratz, WK zum StGB² [2002] Vorbem zu §§ 75‑79 Rz 17 [„mutmaßliche Wille des Patienten ... feststellbar"]; Kert, JAP 2005/2006/34 [„mutmaßliche Patientenwille ... zu ermitteln"]; Verrel, Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung [2006] C 24 [„Erforschung des individuellen Willens"]; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis4 [2008] Rz 274h [„Wille des bewusstlosen oder sonst nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten ... feststellbar"]) eine solche der Tatsachenebene. Dazu kann im Übrigen auch auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwiesen werden, wonach für Art und Ort der Bestattung eines Leichnams vor allem der Wille des Verstorbenen maßgebend ist; im Streitfall ist zu erforschen, wie der Verstorbene mutmaßlich entschieden hätte, wenn er vor seinem Tode einen Wunsch zu äußern gehabt hätte (RIS‑Justiz RS0009719); dieser mutmaßliche Wille ist Tatsachenfeststellung (1 Ob 257/72 = SZ 45/133).
3.4.6. Für die Einschätzung des mutmaßlichen Willens sind primär mündliche oder schriftliche Äußerungen des Patienten entscheidend.
Dazu stellten nun im vorliegenden Fall die Vorinstanzen fest, es seien keine Äußerungen der Erblasserin dahin überliefert, dass sie so lang wie möglich weiterleben möchte oder - im Gegenteil - möglichst rasch sterben wolle; sie habe auch nicht darauf aufmerksam gemacht, dass ihr keine Nahrung oder Medikamente mehr zugeführt worden seien, wobei es aber auch nicht feststehe, ob das für die Erblasserin überhaupt erkennbar war; die Verweigerung der Nahrungsaufnahme durch die Erblasserin (durch Ausspucken) könne nicht unbedingt als Willenserklärung bei klarem Bewusstsein und erhaltener Entscheidungsfähigkeit gedeutet werden; es könne ebenso eine Folge krankhafter Veränderungen und einer körperlich bedingten Unmöglichkeit zu schlucken gewesen sein.
Diese Feststellungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass ein mutmaßlicher Wille der Erblasserin weder in der einen (Aufrechterhalten der lebensverlängernden Maßnahmen) noch in der anderen Richtung (Einstellen der Versorgung mit Nahrung und Medikamenten) festgestellt worden ist.
3.4.7. Es wurde bereits dargestellt (2.4.), dass die Klägerin die Beweislast für die Erbunwürdigkeit des Beklagten trägt. Dieser Beweis ist ihr hinsichtlich des Tatbestands des § 540 1. Fall ABGB auch gelungen (3.2.). Wenn sich nun der Beklagte darauf beruft, sein Verhalten im September 2001 sei nicht „gegen den Willen" der Erblasserin gerichtet gewesen, macht er einen die Rechte der Klägerin vernichtenden Einwand geltend, für den er auch beweispflichtig wäre (vgl dazu allgemein Rechberger in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] Vor § 266 Rz 32 mwN).
Da dem Beklagten der Beweis eines mutmaßlichen Willens der Erblasserin im September 2001 dahin, dass ihre Versorgung mit Nahrung und Medikamenten eingestellt werden sollte, nicht gelungen ist, ist als weiteres Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Beklagte den Tatbestand des § 540 1. Fall ABGB nicht nur in objektiver Hinsicht erfüllt hat, sondern sich auch nicht auf den Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung der Erblasserin berufen kann.
3.4.8. Daran ändern auch die vom Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung vorgetragenen Überlegungen nichts, wonach bei Beurteilung der Straflosigkeit passiver Sterbehilfe auf allgemeine Wertvorstellungen „unserer Rechtsgemeinschaft" zurückgegriffen werden müsse, wenn der mutmaßliche Wille des Patienten nicht eruiert werden kann; auf lebensverlängernde Maßnahmen, wie etwa künstliche Ernährung, könne dabei verzichtet werden, wenn eine Heilung des Patienten nicht mehr möglich sei und das Sterben nach ärztlicher Erfahrung unabwendbar erscheint.
Tatsächlich wird auch von Teilen der Lehre die Auffassung vertreten, es sei erlaubt, ohne oder sogar gegen den Willen des Patienten seinen Tod durch Unterlassen der medizinischen Behandlung herbeizuführen, wenn der Tod nahe bevorsteht und im Hinblick auf den Leidenszustand des Patienten und die Aussichtslosigkeit einer Heilbehandlung weitere lebenserhaltende Maßnahmen nach ärztlicher Erkenntnis nicht mehr angezeigt sind; Kriterien für die Zulässigkeit des Verzichts auf lebensverlängernde Maßnahmen sollen daher sein, dass das Sterben unabwendbar scheint, der Patient schwerstens leidet oder sein Leben nur durch den intensiven und dauernden Einsatz moderner Medizintechnik aufrechterhalten wird; ein Behandlungsabbruch soll dabei umso eher vertretbar sein, je weniger die Wiederherstellung eines nach allgemeinen Vorstellungen menschenwürdigen Lebens zu erwarten ist und je kürzer der Tod bevorsteht (vgl etwa Kert, JAP 2005/2006/34 mwN; jüngst Maleczky, iFamZ 2008, 141).
Andere Lehrmeinungen weisen jedoch zutreffend darauf hin, dass sich die „Mutmaßlichkeit" des Patientenwillens mangels hinreichend dokumentierter Anhaltspunkte „schnell als bloßes Einfallstor für allgemeine Rechtsgüter- und Interessenabwägungen erweisen kann, die durch die fiktive terminologische Zurechnung als 'eigener' mutmaßlicher Wille 'des Betroffenen' eher verschleiert werden" (Kopetzki, iFamZ 2007, 197 unter Hinweis auf Schick, Fremd- und Selbstbestimmung zum Tode im Lichte strafrechtlicher Wertungen, in GedS Zipf [1999] 413 sowie Töten oder Sterbenlassen. Zur Rechtspflicht der Lebenserhaltung von PVS‑Patienten, in Pump/Klobassa, Voitsberger Manuskripte [1999] 56 und Schmoller, ÖJZ 2000, 361 [374]). Und auch der deutsche BGH (BGHSt 40, 275 [„Kemptener Fall"]) hat in erster Linie auf die Frage abgestellt, ob der von den dort Angeklagten geplante Behandlungsabbruch auch wirklich dem mutmaßlichen Willen der Patientin entsprochen hat (vgl dazu ausführlich Bernat, RdM 1995, 51).
Bei der Beurteilung des (mutmaßlichen) Willens des Erblassers kann und darf es somit auf Wertvorstellungen der Gesellschaft oder anderer Personen nicht ankommen. Allein maßgeblich ist der Wille des Erblassers; und dieser ist ausschließlich Tatfrage.
Die Ansicht, wer um jeden Preis an seinem Leben festhält, das unabwendbar zu Ende geht und nur mit technischen Mitteln künstlich aufrecht erhalten werden kann, widerspreche seiner eigenen Würde, degradiere sich selbst zum Objekt (Moos, aaO Rz 41) und verliere damit sein Recht auf Selbstbestimmung, was Sterbehilfe zulässig mache (Maleczky, iFamZ 2008, 141), vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Tatsächlich würde diese Auffassung letztlich zu einem Urteil über den Wert eines zu Ende gehenden Lebens abgleiten, das sich in einem den Werten der Europäischen Menschenrechtskonvention verhafteten Rechtsstaat niemand hinsichtlich einer anderen Person anmaßen darf (in diesem Sinn auch Schmoller, Lebensschutz bis zum Ende, ÖJZ 2000, 361 [366]).
Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts:
3.5. Zuletzt ist noch auf die Überlegungen des Berufungsgerichts einzugehen, wonach dem Beklagten in Anbetracht des Leidenszustands der Erblasserin „Vorsatz" nicht vorgeworfen werden könne.
3.5.1. Nach § 8 1. Satz StGB kann wegen vorsätzlicher Begehung nicht bestraft werden, wer irrtümlich einen Sachverhalt annimmt, der die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließen würde. Die Regelung stellt den Erlaubnistatbestandsirrtum mit dem vorsatzausschließenden Tatbestands‑(Tatbild‑)Irrtum auf eine Stufe: Nimmt der Täter irrtümlich eine Rechtfertigungslage an, so ist ihm das Vorsatzdelikt nicht zuzurechnen. Sein Irrtum lässt zwar nicht den Vorsatz als solchen, wohl aber dessen Unwert entfallen. Je nachdem, wo man diesen Unwert systematisch ansiedelt, fällt damit das Unrecht oder jedenfalls die Schuld im Sinne der vorsätzlichen Handlung fort. Die Parallelität zu § 5 StGB findet ihre Fortsetzung in der Regelung des § 8 Satz 2 StGB, der eine allfällige Fahrlässigkeitshaftung vorsieht (Höpfel in Höpfel/Ratz, WK zum StGB² [2001] § 8 Rz 3 mwN).
Im vorliegenden Zusammenhang könnte sich der Beklagte daher tatsächlich darauf berufen, er habe ‑ irrtümlicherweise - angenommen, dass die Erblasserin die Behandlung durch künstliche Ernährung nicht wünschte und dem einen (letztlich letalen) Behandlungsabbruch vorziehen würde.
3.5.2. Von der irrigen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn der Irrtum zur Folge hat, dass kein Vorsatz in der Richtung einer nicht gerechtfertigten Deliktserfüllung vorliegt. Bei Zweifel am Vorliegen des rechtfertigenden Sachverhalts kommt § 8 StGB nicht zum Zuge, wenn der Handelnde das Nichtvorliegen der rechtfertigenden Situation (auch nur) ernstlich für möglich gehalten und sich mit dieser Sachverhaltslage abgefunden hat, also bedingter Vorsatz vorliegt, das Delikt nicht gerechtfertigt zu begehen (Höpfel aaO Rz 8).
Für den Bereich des § 540 1. Fall ABGB bedeutet dies, dass der Erbe dafür beweispflichtig ist, er habe irrtümlich einen mutmaßlichen Willen des Erblassers dahin angenommen, nicht mehr weiter leben zu wollen; allfällige Zweifel gehen dabei zu seinen Lasten. Der Beweis dieses Irrtums ist einer besonders strengen Beurteilung zu unterziehen (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit), um nicht derartige Behauptungen zu einem Einfallstor für die mangelnde Vorsätzlichkeit von Sterbehilfe zu machen. Bloße Verdachtsmomente können den Erben somit nicht entlasten (vgl Höpfel, aaO [„Begnügt sich der Rechtfertigungsgrund in objektiver Hinsicht mit dem Vorliegen bestimmter Verdachtsmomente, also etwa des Verdachts einer Erkrankung als Indikation für einen ärztlichen Eingriff, so ist § 8 StGB insoweit beiseite geschoben, wäre es also verfehlt, ihn bei Nichtzutreffen des vermuteten Umstands heranzuziehen."]).
3.5.3. Im vorliegenden Fall steht in diesem Zusammenhang nur fest, der Beklagte habe den Brief vom 6. 9. 2001 auch deshalb geschrieben, weil die Erblasserin nicht mehr in der Lage gewesen sei, den Wunsch zu äußern, Nahrung und Medikamente abzusetzen; im Brief selbst ist die Rede davon, dass er seiner „geliebten Frau" auch in dieser Situation helfen wolle.
Diese Feststellungen reichen - im Hinblick auf die den Erblasser treffende strenge Beweispflicht (3.5.2.) - selbst dann nicht aus, dem Beklagten die Entlastung des § 8 StGB zu gewähren, wenn man - wie dies die Vorinstanzen getan haben - davon ausgeht, dass weder dem Beklagten noch dem ehemaligen Hausarzt für ihre Anweisungen an das Pflegepersonal negative oder niedere Motive unterstellt werden könnten, vielmehr Mitleid als Motiv sogar wahrscheinlicher erscheine, und irgendein finanzielles Interesse des Beklagten an einem früheren Tod der Erblasserin weit und breit nicht zu erkennen sei.
Die Sache ist allerdings dennoch nicht - im Sinne einer Klagsstattgebung - spruchreif, weil es die Vorinstanzen unterlassen haben, die Frage einer allfälligen irrigen Annahme auf Seiten des Beklagten dahin, die Erblasserin wünsche keine Behandlung durch künstliche Ernährung und würde dem einen (letztlich letalen) Behandlungsabbruch vorziehen, mit den Parteien ausreichend zu erörtern und eingehende Feststellungen dazu zu treffen. Dieses Versäumnis wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.
3.5.4. Sollte es dabei im aufgezeigten Zusammenhang tatsächlich positive Feststellungen in Richtung einer irrtümlichen Annahme dieses mutmaßlichen Willens treffen können, wird es das Klagebegehren (neuerlich) abzuweisen haben. Nach § 8 2. Satz StGB wäre zwar der Täter wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen, wenn die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts auf Fahrlässigkeit beruhte und die fahrlässige Begehung mit Strafe bedroht ist; im Anwendungsbereich des § 540 1. Fall ABGB ist dies jedoch im Hinblick auf das Erfordernis vorsätzlichen Handelns nicht von Belang.
Kostenentscheidung
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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