OGH 6Ob636/93

OGH6Ob636/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa M*****, vertreten durch Dr.Walter Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz H*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr.Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Dr.Josef Unterweger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Erbunwürdigkeit (Streitwert S 100.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. August 1993, GZ 16 R 122/93-20, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13.April 1993, GZ 26 Cg 208/92-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei, die mit S 5.433,60 (darin S 905,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15.3.1991 tötete der Beklagte seine Ehefrau Ingrid. Er war im Zeitpunkt der Tat auf Grund einer schizophrenen Psychose unfähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Im Verlassenschaftsverfahren des Bezirksgerichtes Hietzing 1 A 119/91 gab die Klägerin, die Mutter der Getöteten, wegen Erbunwürdigkeit des Beklagten die Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab, der Beklagte hingegen zu zwei Dritteln des Nachlasses, gestützt auf das gesetzliche Erbrecht. Das Verlassenschaftsgericht teilte der Mutter die Klägerrolle zur Einbringung der Erbrechtsklage zu.

Mit dieser Klage begehrt die Klägerin festzustellen, daß der Beklagte erbunwürdig sei, weil er die Erblasserin getötet habe. Die Geltendmachung von Erbansprüchen sei überdies rechtsmißbräuchlich.

Der Beklagte wandte ein, Erbunwürdigkeit liege nicht vor, weil er zum Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig gewesen sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Rechtlich sei Erbunwürdigkeit im Sinne des § 540 ABGB nicht gegeben, weil dem Beklagten kein Schuldvorwurf gemacht werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge.

Rechtlich führte es aus, der Gesetzgeber habe bei der Formulierung des § 540 ABGB in der Fassung des Erbrechtsänderungsgesetzes 1989 auf das Strafrecht Bezug genommen. Dem Strafgesetz seien daher Tatbild, Strafdrohung und der Begriff des Vorsatzes zu entnehmen. Der Verweis auf den Vorsatz mache es notwendig, auch die anderen Vorschriften über die Schuld anzuwenden, sodaß Schuldausschließungsgründe auch die Rechtsfolge der Erbunwürdigkeit ausschlössen. Zur Annahme einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung genüge es nicht, daß sich der Täter tatbestandsmäßig und rechtswidrig verhalten habe. Strafbar sei nur, wer schuldhaft gehandelt habe. Da der Beklagte im Tatzeitpunkt auf Grund seiner schizophrenen Psychose unfähig gewesen sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, habe er keine gerichtlich strafbare Tat begangen. Er sei daher nicht erbunwürdig im Sinne des § 540 ABGB.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Entscheidung zur Frage des § 540 ABGB mit der vorliegenden Problematik vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Entgegen den Revisionsausführungen besteht keinerlei planwidrige Gesetzeslücke, welche durch Analogie oder nach natürlichen Rechtsgrundsätzen geschlossen werden müßte. Die Bestimmung des § 540 ABGB "wer gegen den Erblasser eine gerichtlich strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen ............. hat, ist solange des Erbrechtes unwürdig, als sich nicht aus den Umständen entnehmen läßt, daß ihm der Erblasser vergeben habe", ist klar abgegrenzt. Sie verweist auf das Strafrecht, dem, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Tatbild, Strafdrohung und der Begriff des Vorsatzes zu entnehmen sind.

Nach § 4 StGB ist strafbar nur, wer schuldhaft handelt. Für die Strafbarkeit genügt es daher nicht, daß sich der Täter tatbestandsmäßig und rechtswidrig verhalten hat. Strafbar ist vielmehr nur, wer auch schuldhaft gehandelt hat. Aus dieser Gesetzesbestimmung folgt, daß Schuld unabdingbare Voraussetzung jeder Bestrafung ist. Die Schuld steht im Verbrechensaufbau gleichrangig neben der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit und bedeutet Vorwerfbarkeit des begangenen Tatunrechtes.

Schuldausschließungsgründe bewirken, daß die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung im konkreten Fall nicht vorwerfbar ist. Zu den Schuldausschließungsgründen zählt auch die in § 11 StGB definierte Zurechnungsunfähigkeit (Leukauf-Steininger Komm. zum StGB3 Rz 2 bis 6 zu § 4 mwN). Entsprechend diesen Ausführungen vertritt auch die Lehre einhellig den Standpunkt, daß das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes die von Gesetzes wegen eintretende Erbunwürdigkeit beseitigt (Welser in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 540 "Deliktsunfähigkeit des Täters bei der Tat bewahrt vor Erbunwürdigkeit"; Kralik Erbrecht, 36 "Der Verweis auf den Vorsatz macht es aber notwendig, die anderen Vorschriften über die Schuld anzuwenden, sodaß Schuldausschließungsgründe auch die Rechtsfolge der Erbunwürdigkeit ausschließen") und hat diesen Standpunkt entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch schon vor der durch die Einführung des StGB notwendig gewordenen Novellierung des § 540 durch das BGBl 1974/496 vertreten (Weiß in Klang2 III, 98 "Der Unzurechnungsfähige handelt schuldlos und wird daher auch nicht erbunwürdig").

Liegt aber - hier wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt - gar kein Erbunwürdigkeitsgrund vor, dann kann in der Abgabe einer Erbserklärung im Verlassenschaftsverfahren auch kein Rechtsmißbrauch gesehen werden.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher zu Recht abgewiesen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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