OGH 2Ob163/06v

OGH2Ob163/06v14.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Wilhelm R*****, und 2.) Hildegard R*****, beide vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Heinrich F*****, und 2.) O***** Versicherung Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 14.000,-- sA, über die Rekurse sämtlicher Streitteile gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19. April 2006, GZ 37 R 277/05f-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 22. September 2005, GZ 16 C 703/05p-14, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die 1985 geborene Tochter der beiden Kläger, Isabella R*****, wurde am 6. 7. 2001 als Radfahrerin bei einem Verkehrsunfall, an dem der Erstbeklagte als Lenker eines im Unfallszeitpunkt bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW beteiligt war, schwerst verletzt. Im Verfahren 30 Cg 162/02f des Landesgerichtes Linz wurde rechtskräftig die Haftung der Beklagten gegenüber Isabella R***** zur ungeteilten Hand, begrenzt mit den Haftungshöchstbeträgen des EKHG, für alle zukünftig bekannt werdenden oder entstehenden Schäden aus diesem Verkehrsunfall festgestellt. Die Beklagten haften Isabella R***** nur aus Gefährdungshaftung, nicht auch aus Verschulden. Im vorliegenden Verfahren begehren die Kläger Schmerzengeld von je EUR 7.000,--. Die Tochter der Kläger habe nach dem Unfall um das Überleben gekämpft. Sie habe schwerste Verletzungen mit Dauerfolgen erlitten. Sie bedürfe ständiger Pflege und Aufsicht, ihr Leidensbild sei durch starke psychologische Belastungen, durch eine gestörte Sprachentwicklung sowie eine bleibend gestörte mentale Entwicklung geprägt. Die Tochter der Kläger sei auch auf den Rollstuhl angewiesen. Die Zweitklägerin habe ihren Beruf aufgegeben, um der Tochter beizustehen. Der Zustand der Kläger müsse als völlig „aus der Bahn geworfen" beschrieben werden. Die Kläger litten an Schlafstörungen, Erschöpfungserscheinungen und erlebten Zeiten der völligen Hoffnungslosigkeit. In der Sorge um die Tochter und in der Hoffnung, alles nur Mögliche zu tun, sei die gesamte Lebensenergie für die Tochter aufgebracht worden. Dies sei bis zur Grenze der Selbstaufopferung gegangen. Der Zustand der Kläger in der ersten Zeit nach Mitteilung des Unfallsgeschehens habe sicherlich Krankheitswert gehabt. Sie hätten jedoch medizinische oder psychologische Hilfe in Sorge um die Tochter nicht in Anspruch nehmen können, weil dafür keine Zeit gewesen sei. Dem Fall der Tötung stehe die Verletzung eines nahen Angehörigen mit schwersten Dauerfolgen gleich. Dieser Fall sei sogar noch weitaus schwerwiegender, da beim Tod nach dem punktuellen Ereignis wieder die Normalität einkehren könne. Bei schwersten Dauerfolgen des nahen Angehörigen sei dies aber ausgeschlossen; die Kläger hätten jeden Tag das Leid ihrer Tochter vor Augen. Ob die seelischen Schmerzen der Eltern Krankheitswert hätten oder nicht, sei irrelevant. Auch bei bloßer Gefährdungshaftung gebühre den Klägern Schadenersatz, wie ein wertender Vergleich mit § 31e Abs 3 KSchG ergebe. § 1324 ABGB stelle die Gefährdungshaftung der leichten Fahrlässigkeit gleich. Die Klagsführung sei erforderlich, da die insgesamt zur Verfügung stehende Summe nach den Bestimmungen des EKHG zur Befriedigung aller Ansprüche nicht ausreiche. Es bestünden konkurrierende Ansprüche mit der Sozialversicherung. Nach § 336 ASVG gehe ein gerichtlich festgestellter Schmerzengeldanspruch aus demselben Ereignis den Ersatzansprüchen der Versicherungsträger im Rang vor. Hier seien durch dasselbe Ereignis mehrere Menschen verletzt worden, sodass § 15 Abs 3 EKHG anwendbar sei. Für die beiden Kläger gelte sohin jeweils der Haftungshöchstbetrag gemäß § 15 Abs 1 Z 2 EKHG, der unabhängig von den Höchstbeträgen der Forderungen von Isabella R***** sei.

Die Beklagten begehrten Klagsabweisung und brachten im Wesentlichen vor, den Klägern stehe kein Schmerzengeldanspruch zu, da Isabella R***** durch den Unfall nicht verstorben sei. Schwere oder schwerste Verletzungen eines Angehörigen rechtfertigten kein Schmerzengeld. Die Beklagten treffe am Unfall kein Verschulden, erst recht keine grobe Fahrlässigkeit. Die Kläger hätten eine krankheitsbedingte Folge des Unfalls nicht behauptet. Eine solche liege auch nicht vor. Der Hinweis auf § 31e Abs 3 KSchG gehe fehl, da es sich dabei um eine gesetzliche Sonderregelung handle, die überdies einen unmittelbaren Schaden betreffe. Selbst wenn man den Klägern dem Grunde nach einen Schmerzengeldanspruch zubilligte, seien nach § 336 ASVG nur Schmerzengeldansprüche von Isabella R***** bevorzugt, nicht aber solche der Kläger. Den Klägern sei kein eigenständiger unmittelbarer Schaden entstanden, es stehe ihnen kein eigenständiger unmittelbarer Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten zu, sodass nicht von einer Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen im Sinne des § 15 Abs 3 EKHG ausgegangen werden könne. Es stehe daher der Höchstbetrag nach § 15 Abs 1 EKHG nur einmal für alle gemeinsam zur Verfügung. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Trauerschmerzengeld für Angehörige gebühre nur dann, wenn ein naher Angehöriger verstorben sei, nicht aber dann, wenn er, wenngleich schwerst verletzt, den Verkehrsunfall überlebt habe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Soweit sich das Begehren der Kläger auf den Ersatz des reinen Seelenschmerzes über die Verletzung der gemeinsamen Tochter, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt habe, stütze, sei im Ergebnis dem Erstgericht zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes komme ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt habe, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehle es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (2 Ob 84/01v, RIS-Justiz RS0115189). In seiner jüngsten Entscheidung zu diesem Themenkreis (2 Ob 18/06w) habe der Oberste Gerichtshof obiter ausgesprochen, dass selbst die Ausweitung dieser Rechtsprechung auf Fälle schwerster Verletzung von nahen Angehörigen grobes Verschulden des Schädigers voraussetze. Deshalb komme ein Schmerzengeldanspruch der Kläger wegen reiner Gefühlsschäden vorliegend nicht in Betracht, weil sich der Anspruch nur auf Gefährdungshaftung stütze.

Insoweit die Kläger ihren Schmerzengeldanspruch auf das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert infolge der schweren Verletzung ihrer Tochter stützten, scheitere ein solcher Anspruch entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht schon an der Tatsache, dass die Tochter beim Verkehrsunfall nicht getötet, sondern schwerst verletzt worden sei. So habe der Oberste Gerichtshof einem 20 Monate alten Kleinkind, das bei einem Verkehrsunfall leicht und dessen Mutter schwer verletzt worden war und das durch den Beziehungsabbruch zur Mutter infolge der medizinischen Behandlung eine krankheitswertige psychische Störung erlitten hatte, Schmerzengeld zugesprochen (2 Ob 45/93). Auch einer 14-jährigen Klägerin, deren Eltern bei einem Verkehrsunfall, den die Klägerin nicht miterlebt hatte, schwer verletzt worden waren und die auf Grund der durch die Abwesenheit der Eltern bedingten Mehrbelastung eine psychosomatische Erkrankung entwickelt hatte, habe der Oberste Gerichtshof Schmerzengeld zugesprochen. Die Gefahr eines Ausuferns von Schadenersatzverpflichtungen sei nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht vorgelegen, weil ja zwischen den unmittelbar geschädigten Unfallbeteiligten und der vom Fernwirkungsschaden betroffenen Klägerin eine aufrechte Eltern-Kind-Beziehung bestanden habe (2 Ob 111/03t).

Mittlerweile sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Dritter bei Erleiden eines Nervenschadens in seinem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigter anzusehen sei, sodass nicht bloß ein Drittschaden vorliegen (2 Ob 45/93). Diese Judikaturlinie sei in weiterer Folge fortgeführt (2 Ob 99/95) und dahingehend verfeinert worden, dass es im Fall von Schockschäden naher Angehöriger keinen Unterschied mache, ob diese durch das Unfallserlebnis oder die Unfallsnachricht bewirkt worden sei. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung eines Angehörigen ergebe sich zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern sollte, sondern aus der bei Verletzung absolut geschützter Güter gebotenen Interessenabwägung. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wiege aber doch so schwer, dass sich der Ausgleich des Fernwirkungsschadens nur bei Hinzutreten eines besonders starken Zurechnungsgrundes rechtfertigen lasse; ein solcher liege dann vor, wenn das Verhalten gerade auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich sei, also die Verletzungshandlung in hohem Maß geeignet erscheine, einen Schockschaden herbeizuführen (2 Ob 79/00g). Allgemein hafte ein Schädiger somit auch dritten (am Unfall nicht beteiligten und dennoch im besonderen Fall schockgeschädigten) Personen, wenn das Verhalten des Schädigers gerade auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich sei, also die Verletzungshandlung in hohem Maße geeignet erscheine, einen Schock-(Fernwirkungs-)schaden herbeizuführen; die Rechtswidrigkeit der Verletzung auch dieser dritten Person ergebe sich in solchen Fällen aus dem besonderen Unrechtsgehalt der Schädigungshandlung, sodass es auf eine gesteigerte Gefährlichkeit nicht notwendig ankomme (2 Ob 111/03t; RIS-Justiz RS0117794).

In diesem Sinne könne ein Schmerzengeldanspruch der Kläger somit nicht schon auf Grund der Tatsache verneint werden, dass die gemeinsame Tochter der Kläger bei dem Unfall nicht getötet worden sei.

Ein Schmerzengeldanspruch der Kläger komme aber nur in Frage, wenn die von ihnen infolge des Verkehrsunfalles der Tochter erlittene „Verletzung an der Gesundheit" ein krankheitswertiges Ausmaß erreicht habe. Eine solche „Verletzung an der Gesundheit" sei eine Störung der inneren Lebensvorgänge. Hierbei müsse es sich um massive Einwirkungen in die psychische Sphäre (zB einen Schock) handeln; eine psychische Einwirkung, die bloß das seelische Wohlbefinden beeinträchtige, sei keine Gesundheitsverletzung. Eine derartige massive psychische Beeinträchtigung sei insbesondere dann anzunehmen, wenn aus ärztlicher Perspektive die Behandlung der psychischen Störung geboten sei. Das sei vor allem dann der Fall, wenn nicht damit gerechnet werden könne, dass die Folgen von selbst abklingen würden oder wenn zu befürchten sei, dass ohne ärztliche Behandlung eine dauernde gesundheitliche Störung zurückbleibe (1 Ob 91/99k). Sei ein Mensch an seinem Körper oder an seiner Gesundheit durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verletzt worden, so sei gemäß § 1 EKHG der dadurch entstandene Schaden zu ersetzen. Die darin enthaltenen Tatbestandsmerkmale des Kausalzusammenhanges zwischen der Verwirklichung der Betriebsgefahr und dem Eintritt des Schadens und des Adäquanzzusammenhanges seien zweifellos auch im Hinblick auf einen krankheitswertigen Schockschaden der Kläger gegeben. § 13 EKHG regle die Art und den Umfang des Ersatzes bei Verletzung am Körper und entspreche im Wesentlichen § 1325 ABGB. Eine Haftung für eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert sei auch bei bloßer Gefährdungshaftung zu bejahen, da auch die Angehörigen unmittelbar durch das Unfallgeschehen in ihrer körperlichen Integrität verletzt würden und daher kein Unterschied zu jenen Unfallgeschädigten bestehe, die sich innerhalb der Unfallfahrzeuge befunden hätten und verletzt worden seien.

Auf Grund seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht leide das Ersturteil unter sekundären Feststellungsmängeln zum Ausmaß und zur Intensität der Beeinträchtigung der Kläger, insbesondere zur Frage, ob diese Beeinträchtigung Krankheitswert erreicht habe. Sollte im zweiten Rechtsgang hervorkommen, dass die Beeinträchtigung der Kläger ein krankheitswertiges Ausmaß erreicht habe, sei folgende Rechtsansicht zugrundezulegen: Im Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Personen normiere § 15 Abs 3 EKHG einen Gesamthöchstbetrag für alle aus dem zugrundeliegenden Unfallereignis abgeleiteten Ansprüche. Auf Grund eines Unfalles krankheitswertig schockgeschädigte Angehörige seien in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und somit als unmittelbar Geschädigte anzusehen (2 Ob 45/93; 2 Ob 99/95). Daher seien auch krankheitswertig schockgeschädigte Angehörige als „einzelne Verletzte" aus dem haftungsbegründenden Unfallereignis im Sinn des § 15 Abs 1 EKHG anzusehen. Damit stehe auch für die Ansprüche der Kläger jeweils ein eigener Haftungshöchstbetrag gemäß § 15 Abs 1 EKHG zur Verfügung. Da allfällige Ansprüche der Kläger somit in einem ausreichenden und nicht ausgeschöpften Haftungsfonds Deckung fänden, stelle sich die Frage eines Vorranges von Schmerzengeldansprüchen im Sinne des § 336 ASVG für diese Ansprüche nicht.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. In den bisher ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes habe dieser regelmäßig Konstellationen zu beurteilen gehabt, bei denen ein Verschulden des Schädigers festgestellt gewesen sei. Zur Frage, ob auch die bloße Gefährdungshaftung eine taugliche Haftungsgrundlage für den Ersatz von Schockschäden naher Angehöriger bilden könne, liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. Schon der Gesetzgeber habe bei Einführung des EKHG in den Materialien ausgeführt, dass es sich bei der Gefährdungshaftung wegen des Fehlens von Rechtswidrigkeit und Verschulden um einen schwächeren Haftungsgrund handle (RV 470 BlgNR 8. GP 13). Eine Schadenersatzpflicht für krankheitswertige Schockschäden naher Angehöriger bei bloßer Gefährdungshaftung sei daher fraglich. Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse sämtlicher Streitteile.

Die Kläger machen unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragen, der Oberste Gerichtshof möge „in Abänderung der Begründung des angefochtenen Beschlusses" im Falle schwerer Trauerschäden deren Ersatzfähigkeit im Falle des Bestehens bloßer Gefährdungshaftung auch dann billigen, wenn diese Trauerschäden noch keinen Krankheitswert erreicht hätten.

Die Beklagten machen unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragen die Wiederherstellung des Urteiles der ersten Instanz. In den Rekursbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, den Rekursen der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt sowohl das Ergebnis als auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses und verweist darauf (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

Ergänzend und in Erwiderung auf die Rechtsmittelschriften wird

Folgendes ausgeführt:

1.) Zum Schadenersatzanspruch der Angehörigen bei Vorliegen bloßen

Trauerschadens ohne Krankheitswert:

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung kommt ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (RIS-Justiz RS0115189). Der Oberste Gerichtshof hat sich in den in der zitierten Fundstelle angeführten Entscheidungen auch immer wieder mit der Lehre auseinandergesetzt und an dieser seit 2 Ob 84/01v = SZ 74/90 bestehenden Rechtsprechung festgehalten. Der Oberste Gerichtshof ist auch nicht der Auffassung von Reischauer in Rummel, ABGB3, 1325 Rz 5a, gefolgt, wonach diesfalls Schadenersatz auch bei leichter Fahrlässigkeit oder möglicherweise auch bei bloßer Gefährdungshaftung zustehe (2 Ob 141/04f; 2 Ob 90/05g; 2 Ob 62/05i; 2 Ob 18/06w; 2 Ob 153/06y). Daran ist auch weiterhin festzuhalten.

Zuletzt haben Kath, Schmerzengeld (2005), 115 ff, und Harrer in Schwimann, ABGB3, Anhang § 1325 Rz 5 bis 13, die durch 2 Ob 84/01v eingeleitete Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als zu weit gehend kritisiert.

Eine Auseinandersetzung mit diesen Meinungen ist nicht notwendig, da auch nach der zitierten Rechtsprechung hier - bei bloßer Gefährdungshaftung - eine Haftung für bloße Trauerschäden ohne Krankheitswert ohnehin zu verneinen ist.

Die von den Klägern georteten Wertungswidersprüche zur Rechtslage bei entgangenen Urlaubsfreuden oder sexuellen Belästigungen liegen nicht (zwingend) vor:

Der in § 31e Abs 3 KSchG geregelte Anspruch eines Reisenden auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreude setzt Verschulden und ein Vertragsverhältnis voraus. Beides liegt hier nicht vor. Weiters weist Karner, Verpatzter Urlaub und der EuGH, RdW 2002/194, 204 (205), zu Recht darauf hin, dass sich der Ausgleich für entgangene Urlaubsfreuden (auch bei leichter Fahrlässigkeit) damit rechtfertigen lässt, dass der Reisevertrag seinem Zweck nach gerade auf die Erlangung dieser immateriellen Vorteile ausgerichtet ist. § 1328 ABGB regelt Schmerzengeldansprüche einer Person, die unmittelbar sexuell missbraucht wurde, sieht jedoch keinen Schadenersatz für immaterielle Schäden dritter Personen vor, die auf Grund der Beeinträchtigung der unmittelbar sexuell missbrauchten Person Unlustgefühle erlitten haben. Weiters setzt der Schadenersatzanspruch gemäß § 1328 ABGB eine strafbare Handlung oder „Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses" voraus; an all dem oder vergleichbar verwerflichen Handlungsweisen fehlt es im vorliegenden Fall eines Unfalles, für den nur nach EKHG gehaftet wird.

Das Gewicht der von den Klägern gebrauchten Argumente reicht somit noch nicht aus, den erstmals in 2 Ob 84/01v angestellten, auf qualifiziertes Verschulden abstellenden Analogieschluss zu entkräften.

2.) Zur Haftung bei Vorliegen von Schockschäden mit Krankheitswert:

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist das Vorbringen der Kläger zu krankheitswertigen Beeinträchtigungen ausreichend. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können Beeinträchtigungen, wie sie die Kläger vorbringen, durchaus Krankheitswert haben (2 Ob 136/00i: Schlaflosigkeit, völlige Schwunglosigkeit; 8 Ob 127/02p:

Schlaflosigkeit, Erschöpfungszustände; 2 Ob 120/02i: Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörung; 2 Ob 186/03x: Schlafstörungen, Hoffnungslosigkeit, traurige Verstimmung, Antriebsstörungen). Aus dem Umstand, dass die Kläger bisher medizinische bzw psychologische Hilfe nicht in Anspruch genommen haben, folgt noch nicht, dass eine solche nicht notwendig (gewesen) wäre; dies schließt somit den allfälligen Krankheitswert der behaupteten Beeinträchtigungen der Kläger nicht aus (2 Ob 120/02i).

Die Beklagten führen aus, es liege kein Schockschaden, weder auf Grund unmittelbarer Wahrnehmungen beim Unfall noch auf Grund der Todesnachricht oder der Nachricht der schwersten Verletzungen, vor. Dem ist zu entgegnen, dass die Zuerkennung eines Schmerzengeldanspruches an einen Angehörigen wegen Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes weder eine Anwesenheit des Angehörigen des Getöteten oder Verletzten beim Unfall noch einen Schock auf Grund der Todesnachricht oder der Nachricht von den schwersten Verletzungen erfordert (2 Ob 111/03t; 2 Ob 18/06w; 2 Ob 53/05s).

Soweit die Beklagten argumentieren, die Haftung nach dem EKHG habe einen „schwächeren Haftungsgrund", ist auszuführen:

Der Gesetzgeber hat den schwächeren Haftungsgrund der Gefährdungshaftung bereits durch Festlegung von Haftungshöchstbeträgen (§ 15 EKHG) berücksichtigt (RV 470 BlgNR 8. GP 13, zitiert in Danzl, EKHG7, § 15 Anm 1 lit c; vgl Apathy, EKHG, § 1 Rz 3 f; § 15 Rz 1). Auch das EKHG kennt aber als Gegenstand des Ersatzes ein angemessenes Schmerzengeld (§ 12 Abs 1 Z 4, § 13 Z 4 EKHG). Warum daher bei im Übrigen gegebenen Haftungsvoraussetzungen bei Vorliegen bloßer Gefährdungshaftung nach dem EKHG Schmerzengeld nicht zu ersetzen wäre, ist nicht nachvollziehbar.

Weiters verlangt die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für die Anerkennung der Ersatzfähigkeit von Schmerzen eines Angehörigen bei Gesundheitsschädigung mit Krankheitswert das Hinzutreten eines besonders schweren Zurechnungsgrundes, der dann vorliegt, wenn das Verhalten des Schädigers gerade auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich ist, also die Verletzungshandlung in hohem Maße geeignet erscheint, einen Schock-(Fernwirkungs-)schaden herbeizuführen (2 Ob 111/03t). Dies trifft hier für die behaupteten Beeinträchtigungen der Kläger zu.

Seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert sind nach der Lehre (Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform, Gutachten zum 15. ÖJT 88 f) und der Rechtsprechung (2 Ob 53/05s = ZVR 2006/178 [Karner]; 7 Ob 28/07d) nur bei „schwersten" Verletzungen naher Angehöriger, so etwa bei lebenslänglicher Pflegebedürftigkeit eines Kindes durch eine Mutter oder bei dauernder Pflege eines Schwerversehrten durch eine Ehefrau, ersatzfähig. Nach Karner, ZVR 2006, 459 (460: Anm zu 2 Ob 53/05s) erscheint es nur folgerichtig, dass man einen Ersatzanspruch auch dann gewähre, wenn nicht die Verletzung des Angehörigen selbst einen Schock auslöse, sondern beispielsweise erst seine Betreuung auf Grund einer Überlastungssituation zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des pflegenden Familienmitgliedes führe. Ein Größenschluss erscheine insofern geradezu zwingend, da eine dauerhafte Belastung oftmals noch schwerer wiege als ein zeitlich begrenztes Schockgeschehen.

Nach diesen in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien wäre vorliegend eine Haftung der Beklagten - bei Zutreffen des Vorbringens der Kläger zum Zustand der Tochter und bei Vorliegen von Krankheitswert der Beeinträchtigungen der Kläger - zu bejahen.

3.) Haftungssumme nach § 15 EKHG:

Gemäß § 15 Abs 3 EKHG haftet der Halter eines Kraftfahrzeuges im Falle der Tötung oder der Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis insgesamt nur bis zu den dort genannten Höchstbeträgen. Nach der Lehre liegt dasselbe Ereignis vor, wenn die Verletzungen ursächlich und zeitlich (Apathy, EKHG, § 15 Rz 4: „räumlich und zeitlich eng"; Koziol, Haftplichtrecht II2, 570: „in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang") zusammenhängen (Danzl, EKHG7, § 15 Anm 4). Schauer führt in Schwimann, ABGB3, § 16 EKHG Rz 7, aus, dasselbe Ereignis liege nach herrschender Ansicht vor, wenn die Schadensursachen räumlich und zeitlich eng zusammenhingen. Es kommt also auf den engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang nicht der eingetretenen Verletzungen, sondern vielmehr der Schadensursachen an. Dass aber der Unfall adäquate Ursache nicht nur des Zustandes der Tochter der Kläger ist, sondern gegebenenfalls auch der Beeinträchtigungen der Kläger wäre, ist nicht zweifelhaft. Es kommen daher die Haftungshöchstbeträge gemäß § 15 Abs 3 EKHG zum Tragen. Hierbei bleiben hinsichtlich der einzelnen Verletzten die in § 15 Abs 1 EKHG genannten - hier für die Kläger noch nicht ausgeschöpften - Höchstbeträge unberührt (§ 15 Abs 3 Satz 2 EKHG). Wie schon das Berufungsgericht erkannt hat, stellt sich daher die Frage eines Vorrangs von Schmerzengeldansprüchen im Sinne des § 336 ASVG nicht.

Den Rekursen war daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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