OGH 7Ob28/07d

OGH7Ob28/07d18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Claudia Ö*****, vertreten durch Dr. Silke Beetz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Anna S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 30.829,89 sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2006, GZ 16 R 168/06b-22, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Seit der Entscheidung 2 Ob 79/00g wird vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ersatzfähigkeit von Schockschäden mit Krankheitswert bei Tötung naher Angehöriger bejaht (RIS-Justiz RS0031111, RS0116865). Ob ein derartiger Schockschaden mit Krankheitswert auch im Falle schwerster Verletzungen naher Angehöriger zu ersetzen ist, wurde bisher noch nicht entschieden (2 Ob 18/06w, 2 Ob 53/05a = ZVR 2006/178 [zust Karner]). Seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert könnten nach der Lehre nur bei „schwersten" Verletzungen naher Angehöriger so etwa bei lebenslänglicher Pflegebedürftigkeit eines Kindes oder Elternteils oder bei dauernder Pflege eines Schwerversehrten durch den Angehörigen ersatzfähig sein (2 Ob 53/05s = ZVR 2006/178 [zust Karner] mit dargelegten Lehrmeinungen und Empfehlungen des Europarates zur Entschließung (75) 7 vom 14. 3. 1975). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 53/05s bereits ausgesprochen, dass ein posttraumatisches Belastungssyndrom eines Busfahrers, der an einem Unfall beteiligt war, in dem er zwar nicht selbst äußere Verletzungen erlitt, bei dem aber 8 jugendliche Businsassen tödlich und 23 weitere unbestimmten Grades verletzt wurden, nicht als solche „schwerste" Verletzung qualifiziert werden könne. Auch dieses Belastungssyndrom führte zu einer Änderung des Verhaltens des Busfahrers gegenüber seiner Familie. Die Klage der Ehefrau des Busfahrers, die durch die psychische Erkrankung des Ehemannes ihrerseits eine seelische Störung mit Krankheitswert erlitten hatte, wurde abgewiesen.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin anwesend, als ihre Mutter deshalb zu Sturz kam, weil sie der Hund der Beklagten aus „Lebensfreude" ansprang oder um sie herumsprang, weshalb sie sich einen Oberschenkelhalsbruch sowie einen Oberarmbruch zuzog. Die Mutter erlitt darüber hinaus eine posttraumatische Belastungsstörung mit verhaltensändernder Auswirkung. Soweit die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch auf die ihrerseits erlittenen Störungen mit Krankheitswert stützt, die durch den von der Mutter aufgrund des Vorfalls erlittenen Schocks entstanden sind, ist der Sachverhalt mit dem der Entscheidung 2 Ob 53/05s zugrunde liegenden vergleichbar und liegt bei der Abweisung des Klagebegehrens keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung vor. Schon aus den von der Klägerin vorgebrachten Verletzungen und Beschwerden der Mutter (auf allfällige Verfahrensmängel kommt es in diesem Zusammenhang gar nicht an) ist im Einzelfall vertretbar kein Krankheitsbild abzuleiten, aus dem sich die für den Schadenersatzanspruch jedenfalls zu fordernden „schwersten" Verletzungen der Mutter ergeben könnten.

Soweit die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch darauf stützt, dass sie unmittelbar durch das Unfallgeschehen (Beobachten des Sturzes der Mutter wegen des Verhaltens des Hundes) einen Schock erlitten habe, könnte sie diesen nur unter denselben Voraussetzungen wie auch ein Dritter geltend machen. Um die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung einzugrenzen, haftet ein Schädiger einem Dritten nur dann, wenn das Verhalten des Schädigers gerade auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich ist, also die Verletzungshandlung in hohem Maße geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen. Der Schock muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein (2 Ob 79/00g, 2 Ob 111/03t= RIS-Justiz RS0117794). Eine eigene Gefährdung der Klägerin war nicht gegeben. Sie hat den Vorfall nur beobachtet. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Vorfall nicht in hohem Maß geeignet war, einen Schock herbeizuführen, ist im Einzelfall ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin kann daraus keine Ansprüche ableiten.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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