OGH 5Ob85/06w

OGH5Ob85/06w27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft Liegenschaft EZ *****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. Roman M*****, vertreten durch Dr. Rudolf Wöran, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 29.356,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2006, GZ 1 R 200/05w-20, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin (Wohungseigentümergemeinschaft) hatte den Beklagten (RA) mit der Geltendmachung von - allgemeine Teile der Liegenschaft betreffenden - Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger beauftragt und macht nunmehr Schadenersatzansprüche gegen diesen wegen Schlechtvertretung geltend. Der Beklagte bestreitet die von den Vorinstanzen bejahte Aktivlegitimation der Klägerin zur Erhebung dieser Ansprüche, weil Mängel an der Liegenschaft verfolgt worden seien, zu deren Geltendmachung nicht die Klägerin (Wohungseigentümergemeinschaft), sondern die einzelnen Mit- bzw Wohnungseigentümer legitimiert gewesen seien.

Die Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen infolge Schlechtvertretung durch den Beklagten ist - entgegen dessen Ansicht - durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs gedeckt:

Der aus individuellen Verträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger herrührende Gewährleistungsanspruch steht den Wohnungseigentümern zu; die Wohungseigentümergemeinschaft (nunmehr: Eigentümergemeinschaft) ist insofern nicht anspruchsberechtigt. Die den einzelnen Wohnungseigentümern aus ihren individuellen Verträgen mit dem Errichter der Baulichkeit zustehenden Gewährleistungsansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung und Beseitigung von Mängeln ist allerdings weitgehend deckungsgleich mit dem der Verwaltung zuzuordnenden Bereich der ordnungsgemäßen Erhaltung allgemeiner Teile und der Behebung ernster Schäden in einzelnen Wohnungseigentumsobjekten. Insofern bestehen gemeinschaftliche Interessen an der Herstellung eines mängelfreien Zustands sowie einer gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung zur Erreichung dieses Zwecks. Es können daher solche Individualrechte der Miteigentümer gegenüber Dritten auf erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands der Baulichkeit auch der Eigentümergemeinschaft als Trägerin der Verwaltung der Liegenschaft abgetreten werden.

Obwohl also diese Ansprüche (Gewährleistungsansprüche) ihren

vertraglichen Wurzeln nach den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern

zustehen, können diese der Eigentümergemeinschaft durch Abtretung

zugewiesen werden, weil ihre gemeinsame Durchsetzung

Gemeinschaftsinteressen entspricht (RIS-Justiz RS0119208). In diesem

Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits erkannt, es mache

unter dem Aspekt des Gemeinschaftsinteresses an der Herstellung eines

mangelfreien Zustands keinen Unterschied, ob der Anspruch an die

Gemeinschaft abgetreten und sodann von dieser - mit Hilfe eines von

ihr beauftragten Rechtsanwalts und auf ihr Kostenrisiko - verfolgt

oder ob die Rechtszuständigkeit beim einzelnen Wohnungseigentümer

belassen und die Klage von diesem eingebracht wird, die Gemeinschaft

aber den Rechtsanwalt mit der Klagsführung beauftragt und das

Kostenrisiko übernimmt. Auch eine solche Vorgangsweise entspreche dem

Gemeinschaftsinteresse und halte sich innerhalb des Geschäftskreises,

für den der Gemeinschaft Rechtsfähigkeit zukommt (5 Ob 304/04y = wobl

2005/49, 178, Call = RdW 2005, 422 = immolex 2005, 217 = NZ 2005, 275

= ecolex 2005, 689); liegt aber der Auftrag an den Rechtsanwalt - bei

aufrechter Rechtszuständigkeit (Aktivlegitimation) der Mit- und Wohnungseigentümer - innerhalb des Geschäftskreises der Gemeinschaft, muss dies auch für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen resultierend aus dem von der Gemeinschaft erteilten Mandat gelten.

2. Zu den fachlichen Anforderungen an einen Rechtsanwalt bzw sonstige Rechtsberater existieren bereits zahlreiche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (vgl zB RIS-Jusitz RS0026584; RS0026535; RS0026303; RS0026732; RS0107814). Der Umfang der Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts hängt dabei vom jeweiligen Einzelfall ab und kann schon deshalb in aller Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellen (RIS-Justiz RS0026458). Wenn das Berufungsgericht seit der Entscheidung vom 8. 7. 1997, 5 Ob 147/97x

(= SZ 70/129, zust Pfersmann, ÖJZ 2000, 84 = MietSlg 49/25 = WoBl

1998/32, 55 krit Hausmann = JBl 1998, 51 = bbl 1998/67 = ÖWR 1999, E

17), bis zur Erhebung der Klage im Gewährleistungsprozess (16. 1. 2001) zur Frage der Aktivlegitimation bei Erhebung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln allgemeiner Teile des Hauses (hier: gegenüber dem Bauträger) vom Vorliegen einer bereits gefestigten Judikatur des erkennenden Senats ausging und die vom Beklagten ohne oder aufgrund anderer rechtlicher Erwägungen erfolgte abweichende Klageerhebung (durch die Wohnungseigentürmergemeinschaft statt der Mit- bzw Wohnungseigentümer) als unvertretbar erachtete, dann liegt darin jedenfalls keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls;

immerhin hatte der erkennende Senat an der Entscheidung 5 Ob 147/97x

auch in der Folge zu 5 Ob 2148/96k = MietSlg 49/31 = immolex

1998/110, 181; 5 Ob 274/97y = MietSlg 49/40; 5 Ob 294/99t = immolex

2000/205, 334 = bbl 2000/165, 236 = MietSlg 52.575 = ÖWR 2001, E 16)

festgehalten. Letztgenannte Entscheidung widerspricht nicht 5 Ob 147/97x, sondern hält daran - genauso wie 5 Ob 201/00w - ausdrücklich fest; auch soweit der Beklagte aus 5 Ob 280/98g eine Abweichung von dieser Rechtsprechung erkennen will, trifft dies nicht zu, weil diese Entscheidung keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der dort bestandenen Vertragslage enthält. Wenn das Berufungsgericht von einem Rechtsanwalt die Wahrnehmung dieser mehrfachen einschlägigen und seit 5 Ob 147/97x einheitlichen Rechtsprechung verlangt und dieser mehr Bedeutung beilegt als teilweise kritischer Literatur und nicht fundierten Spekulationen über eine angebliche Judikatur(rück)wende, stellt dies jedenfalls keine grobe Verkennung der Rechtslage dar; dies gilt gleichermaßen für den als unvertretbar erkannten - inzwischen auch vom Beklagten für unzulässig gehaltenen - Zwischenantrag auf Feststellung der Aktivlegitimation und die Parteienberichtigung auf nur eine Wohnungseigentümerin bei Geltendmachung des gesamten Geldanspruchs ohne behauptete Zession. Da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist, erweist sich die außerordentliche Revision des Beklagten als unzulässig und ist zurückzuweisen.

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