OGH 5Ob294/99t

OGH5Ob294/99t30.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl-Heinz M*****, vertreten durch Fritsch, Kollmann & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei G***** mbH, ***** vertreten durch Dr. Guido Held, Mag. Gottfried Berdnik, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 250.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 15. Juni 1999, GZ 5 R 61/99a-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Februar 1999, GZ 23 Cg 214/98x-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

12.195 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Wohnungseigentümer der Wohnungen top Nr 2 und 12 sowie zusammen mit seiner Gattin Miteigentümer von 40/2061 Anteilen (verbunden mit dem ausschließlichen Nutzungsrecht an der Wohnung top Nr 23) an der Liegenschaft*****. Die Wohnung Nr 2 hat der Kläger von der Beklagten direkt gekauft, die Wohnung top Nr 12 und 23 von früheren Eigentümern, von denen er sich Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte abtreten ließ.

Die Eigentumswohnhausanlage wurde in den Jahren 1980 und 1981 von der Beklagten errichtet. In einem einheitlichen Vertragswerk veräußerte die Beklagte als Verkäuferin die 26 Wohnungen der Anlage, darunter auch die top Nr 2 an den Kläger.

Zu den Wohnungen des Klägers gehören jeweils zwei Balkone, die folgende Schäden aufweisen: An den Vorderkanten der Balkone sind Betonabplatzungen aufgetreten. Die in die Balkone eingelegten Eisen (Eisenarmierungen) sind sichtbar geworden und haben zu rosten begonnen. Weiters ist es zu Farbabblätterungen und Sprüngen an den Balkonuntersichten gekommen.

Ein vom Kläger eingeholter Kostenvoranschlag weist diese Mängel als mit einem Kostenaufwand von S 1,000.000 für sämtliche Balkone des Hauses behebbar aus.

Der Kläger begehrt von der Beklagten als seinerzeitiger Vertragspartnerin bzw aufgrund von Abtretungserklärungen seiner Rechtsvorgänger den Betrag von S 250.000 als dem Verhältnis der Miteigentumsanteile entsprechend von der Beklagten als Sanierungsaufwand für die schadhaft gewordenen Balkone.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Abweisung der Klage. Im Wesentlichen wendete sie ein, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation zur Geltendmachung solcher Ansprüche, diese komme nur der Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Darüber hinaus bestritt die Beklagte die Abtretung der Ansprüche der Voreigentümer an den Kläger. Weiters wurde Verjährung des Anspruchs eingewendet, weil dem Kläger das Schadensbild seit 1992 bekannt sei. Im Übrigen bestritt die Beklagte, die Mängel vertreten zu müssen, weil die Balkone nach dem damaligen Stand der Technik errichtet worden seien. Es lägen nur die üblichen zeitbedingten Korrosionsschäden vor, an denen die Wohnungseigentümer die Erhaltungspflicht treffe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil dem Kläger als Minderheitseigentümer die Aktivlegitimation fehle. Zur klagsweisen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauträger sei, weil der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag von allen Wohnungseigentümern (und daher der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) mit der beklagten Partei abgeschlossen worden sei, nur die Wohnungseigentümergemeinschaft legitimiert.

Einer dagegen erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Zunächst lehnte es die Rechsansicht des Gerichtes erster Instanz ab, wonach sämtliche Käufer aufgrund eines einheitlichen Vertrags von der Beklagten Eigentum erworben hätten.

Dem Kläger fehle allerdings die Berechtigung, Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten ohne Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer geltend zu machen. Fest stehe, dass eine Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer zur Klagsführung nicht vorliege. Der Kläger hätte zwar folgend der höchstgerichtlichen Entscheidung WoBl 1998/32 die Zustimmung der Mehrheit noch bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz beibringen können, habe dies jedoch trotz Erörterung der Frage der Aktivlegitimation im Verfahren erster Instanz unterlassen. Es bestehe daher keine Veranlassung, dem Kläger neuerlich Gelegenheit zu geben, einen Mehrheitsbeschluss zu erwirken.

Die Abweisung des Klagebegehrens sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen eines Erwerbers einer Wohnung gegen den Bauträger noch keine gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an die zweite oder erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Hilfsweise wird eine Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung beantragt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

In der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung WoBl 1998/32 hat der Oberste Gerichtshof wie auch in 5 Ob 274/97y (vgl insgesamt zur Entwicklung der Rechtsprechung RS0013213) ausgesprochen, dass für die Frage der Aktivlegitimation bzw Berechtigung zur Klagsführung danach zu unterscheiden sei, aus welchen vertraglichen Grundlagen Gewährleistung begehrt werde, d.h. wer Vertragspartner jenes Vertrages sei, in dessen Abwicklung eine Störung eingetreten ist. Handle es sich etwa um einen von der Wohnungseigentümergemeinschaft anläßlich der Renovierung einer älteren Anlage abgeschlossenen Vertrag, so sei nur diese gewährleistungsberechtigt. Rühre der Gewährleistungsanspruch aber aus einem vom Erwerber einer Wohnung mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrag, so sei nur der Erwerber und nicht die dingliche Rechtsgemeinschaft forderungsberechtigt. Auch bei Existenz einer Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c WEG bestehe kein überzeugender Grund, dem Erwerber die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger abzuerkennen, selbst wenn Mängel nicht sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses beträfen. Die Bedachtnahme auf die Interessen anderer Wohnungseigentümer zwinge nicht zur Verneinung der Klagslegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers. Die Interessen könnten allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb bei Bestehen einer dinglichen Rechtsgemeinschaft am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses grundsätzlich festzuhalten sei. Bei Untätigkeit der Mehrheit sei die Erwirkung eines Beschlusses des Außerstreitrichters gemäß § 13a Abs 1 Z 1 WEG zu erwägen. Was den Zeitpunkt des erforderlichen Mehrheitsbeschlusses anlange, habe zwar die Willensbildung grundsätzlich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen vorauszugehen, bei Gefahr der Verfristung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln an allgemeinen Teilen des Hauses müsse in analoger Anwendung des § 13a Abs 2 Satz 2 WEG ein Mehrheitsbeschluss allerdings nicht schon bei Klagseinbringung vorgelegt werden, sondern sei einem fristwahrenden Kläger Gelegenheit zu geben, die fehlende Zustimmung der Mehrheit in gesetzmäßiger Form bis zum Schluss der Verhandlung beizubringen.

Das Berufungsgericht folgte dieser Entscheidung und verneinte eine vom Kläger bereits im Berufungsverfahren behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, die Zustimmung der übrigen Miteigentümer einzuholen. Infolge Erörterung des Einwands der mangelnden Aktivlegitimation habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren die Behauptung aufgestellt, über die Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu verfügen, diese Behauptung jedoch nicht erwiesen. Tatsächlich stehe fest, dass die Zustimmung der übrigen Miteigentümer nicht erteilt worden sei.

Die neuerliche Geltendmachung dieses Verfahrensmangels ist dem Revisionswerber versagt. Wurde ein Mangel erster Instanz in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann dieser Mangel nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (SZ 62/157; JBl 1998, 643 ua; vgl Kodek in Rechberger Rz 3 zu § 503 ZPO).

Darüber hinaus macht der Revisionswerber geltend, dass jene 6 Balkone, auf die sich die klagsgegenständlichen Gewährleistungsansprüche beziehen, gemäß § 1 Abs 2 WEG in seinem Wohnungseigentum stünden und daher keine Interessen der übrigen Miteigentümer von der Geltendmachung solcher Ansprüche tangiert würden.

Im Ergebnis ist dieser Einwand nicht berechtigt.

Wohl trifft es zu, dass offene Balkone gemäß § 1 Abs 2 WEG Teile der Liegenschaft sind, die, weil sie nur von der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit aus zugänglich und deutlich abgegrenzt sind, Zubehör-Wohnungseigentum im Sinn des § 1 Abs 2 WEG sind. Zugleich sind sie jedoch wegen ihrer Konstruktion Teile der Außenfassade, somit allgemeiner Teile des Hauses, an denen die Erhaltungspflicht sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer trifft. Mängel an Balkonen, die nicht bloß deren Bodenbelag und dgl betreffen, beziehen sich daher auf das Haus. Keinem Zweifel unterliegt daher, dass Schäden an Eisenarmierungen der Balkone, somit an deren statischen Teilen, in die Erhaltungspflicht der Allgemeinheit fallen. Es können daher die möglicherweise unterschiedlichen Interessen der dinglichen Rechtsgemeinschaft der Miteigentümer (ob Naturalrestitution oder Geldersatz begehrt wird, bedarf der Beschlussfassung) nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses festzuhalten ist, selbst wenn der Kläger die Gewährleistungsrechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger (bzw der Abtretung solcher Rechte) geltend macht.

Einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss hat der Kläger nicht nachgewiesen, weshalb das Klagebegehren zu Recht der Abweisung unterlag.

Der Revision war sohin der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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