OGH 10ObS23/06i

OGH10ObS23/06i7.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Dr. Peter Krüger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Günther S*****, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Oktober 2005, GZ 11 Rs 66/05p-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 2005, GZ 11 Cgs 86/03h-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22. 2. 1945 geborene Kläger hat die HTL für Maschinenbau abgeschlossen und 4 Semester Physik studiert. Von 1969 bis 1985 hat er gemeinsam mit seinem Bruder die G***** KG betrieben. Der Kläger war Komplementär und hatte die kaufmännische Leitung über. Nach der beruflichen Trennung von seinem Bruder war er im Rahmen der von ihm gegründeten Gravieranstalt Ing. G***** GmbH tätig. Mitarbeiter beschäftigte er keine. Von 1993 bis 1994 war er Angestellter der Gravieranstalt Ing. G***** GmbH & Co KG. Von 1997 bis 2002 betrieb er selbständig den G***** Exportgroßhandel (Vertrieb des Beschriftungssystems V*****).

Die Arbeit eines im Exportgroßhandel tätigen Kaufmanns besteht im Wesentlichen darin, neue Kunden anzuwerben, den Kontakt zu den Stammkunden aufrechtzuerhalten und ihnen immer die neuesten Produkte vorzustellen. Handelt es sich um einen Erstbesuch, so informiert er die neuen Kunden, berät sie und präsentiert das Produkt. Zahlungs- und Lieferbedingungen werden vereinbart. Die Berufsausübung ist mit häufiger Reisetätigkeit verbunden, wobei es einer entsprechenden Terminvereinbarung bedarf. Die Berufsanforderungen sind mathematisch-rechnerische Fähigkeiten (Aushandeln der Preise und Lieferbedingungen, Festsetzen von Rabatten), Organisationstalent, Kontaktfähigkeit, Sprachfertigkeit, Merkfähigkeit (Informieren der Kunden über Preise, Lieferbedingungen usw), Selbständigkeit (Auswählen der Kunden, Führen von Verkaufsgesprächen), generelle Lernfähigkeit (Beobachtung des Marktes) und psychische Belastbarkeit (Reisetätigkeit, unregelmäßige Arbeitszeit, Zeit- und Erfolgsdruck). Bei dieser Tätigkeit kommt es oft zu Konfliktsituationen, und zwar insbesondere dann, wenn zB die Lieferungen nicht zeitgerecht eintreffen oder aber der Kunde Zahlungsbedingungen nicht einhält. Die Tätigkeit ist außerdem mit einer Stressbelastung verbunden, weil Termine meist von den Kunden vorgegeben werden und sich der Kaufmann an diese Terminvorgaben halten muss. Wenn das Gespräch länger als erwartet dauert und der Kaufmann zu einem neuen Termin muss, kommt es eben zu einer entsprechenden Stresssituation.

Das medizinische Leistungskalkül des Klägers ist so stark eingeschränkt, dass er diese von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Kaufmann im Exportgroßhandel nicht mehr verrichten kann, dies vor allem deshalb, weil mit dieser Tätigkeit ein erhöhtes Konfliktpotenzial und ein erhöhter Zeitdruck verbunden sind, dabei eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht eingehalten werden kann und es zu Hebe- und Tragebelastungen kommt, die sein Leistungskalkül übersteigen.

Beim Unternehmen des Klägers handelte es sich um einen Ein-Mann-Betrieb gehandelt. Die wirtschaftliche Lage war so, dass er keinen Mitarbeiter einstellen hätte können, der die kalkülsüberschreitenden Tätigkeiten verrichten hätte können. Ein Großhändler hat keinen direkten Kundenkontakt. Die Verkaufsgespräche finden im Großhandel anders statt als im Einzelhandel, auch die „Warenwirtschaftung" ist eine andere. Beim Großhandel ist ein Produkt vorhanden und wird präsentiert, im Einzelhandel muss hingegen ein Produkt in mehrfacher Ausführung zum Verkauf angeboten werden können.

Der Kläger könnte mit dem Verkauf von Beschriftungssystemen ein Einzelhandelsgeschäft führen, weil er die diesbezüglichen Kenntnisse aufweist.

Möglich wäre auch das Führen eines Souvenirgeschäfts, also eines Handelsgeschäfts mit dem Handel von Souvenirartikeln. Diese wiegen einzeln nicht mehr als 7 kg. Es kommen keine Trage- und Hebebelastungen bzw Bück-, Steh-, Geh- oder Sitzbelastungen vor, die das Leistungskalkül des Klägers übersteigen. Es kommen auch nur die in einem Handelsgeschäft üblichen Konfliktsituationen und die übliche Stressbelastung vor, die sein Leistungskalkül aber nicht überschreiten. Üblicherweise wird ein Souvenirgeschäft von zwei Personen geführt. Einzelne kalkülsüberschreitende Tätigkeiten, wie das Verstauen schwerer Waren und Pakete, die im Übrigen auch vom Kläger in Einzellasten verteilt werden könnten, könnte die Ersatzkraft vornehmen.

Mit Bescheid vom 11. 4. 2003 hat die beklagte Sozialversicherungsantalt der gewerblichen Wirtschaft den Antrag des Klägers vom 25. 11. 2002 auf Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension mangels Erwerbsunfähigkeit abgewiesen. Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Zuerkennung der abgelehnten Leitung ab 1. 12. 2002 gerichtete Klage ab, Im Anwendungsbereich des § 133 Abs 2 GSVG könne der als Exportgroßhändler tätig gewesene Kläger auf die Tätigkeit eines Einzelhändlers, beispielsweise auf die Führung eines Souvenirgeschäftes verwiesen werden. Aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit besitze er die dafür erforderlichen Kenntnisse für die Buchhaltung und das Verrechnungswesen. Allfällige kalkülsüberschreitende Tätigkeiten könnten von einer Hilfskraft verrichtet werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte dessen Ansicht, dass eine Verweisung eines als Exportgroßhändler tätig gewesenen Versicherten auf den Einzelhandel (zB Souvenir-Einzelhandel) unzulässig sei, nicht und führte zusammengefasst aus, dass im Rahmen des für den Kläger maßgeblichen Erwerbsunfähigkeitsbegriffs des § 133 Abs 2 GSVG ein Berufsschutz, nicht aber ein Tätigkeitsschutz gewährt werde. Abzustellen sei demnach nicht auf die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Kalendermonate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich gewesen seien. Der Verweisungsberuf gemäß § 133 Abs 2 GSVG müsse keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen, sondern wie im Fall des § 255 Abs 1 ASVG sei auch eine Verweisung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nur Teilbereiche der bisher ausgeübten umfasse, zulässig. Dem Versicherten solle bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nur mehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei der zuletzt als Großhändler tätig gewesene Kläger auch auf Tätigkeiten im Einzelhandel verweisbar. Es spiele keine Rolle, ob er über eine „Ausbildung" im Großhandel oder im Einzelhandel verfüge, weil es nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankomme, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit als Großhandelskaufmann erforderlich gewesen seien. Dass der Kläger über die für die Verrichtung der damit zusammenhängenden Arbeiten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, habe er nie bestritten. Auch wenn der Großhandelskaufmann im Gegensatz zum Einzelhandelskaufmann seine Verkaufsgespräche nicht mit Verbrauchern führe, sondern nur mit Händlern, und diese Verkaufsgespräche „anders" stattfänden und auch die Warenwirtschaftung eine „andere" sei, seien die Tätigkeiten eines Einzelhandelskaufmanns und eines Großhandelskaufmanns doch sehr ähnlich und miteinander vergleichbar. In beiden Fällen handle es sich um kaufmännische Tätigkeiten im Rahmen des Einkaufs, der Lagerhaltung und des Verkaufs von Waren. Im Gegensatz zum Einzelhandel, der Waren in kleinen Mengen an Letztverbraucher abgebe, würden im Großhandel Waren in großen Mengen an Großabnehmer (Wiederverkäufer) verkauft. Gemeinsames entscheidendes Merkmal bleibe aber der Verkauf von Waren als selbständiger Kaufmann. Auch nach der im Jahre 1990 erfolgten Änderung der Ausbildungsvorschriften gehörten die Lehrberufe Einzelhandelskaufmann, Bürokaufmann, Großhandelskaufmann und Industriekaufmann zur einheitlichen Berufsgruppe der kaufmännischen Angestellten, innerhalb der eine Verweisung zulässig sei. Aber auch ein Vergleich des Berufsprofils und des Berufsbildes in den Berufsausbildungsvorschriften (Lehrberufe Großhandelskaufmann/Großhandelskauffrau bzw Einzelhandel) zeige in den maßgeblichen Punkten wesentliche Übereinstimmung. Auch der Oberste Gerichtshof habe beispielsweise die Verweisung eines Getränkegroßhändlers auf die Tätigkeit eines Getränkekleinhändlers für zulässig erachtet.

Dem Argument des Klägers, er habe noch kein Einzelhandelsgewerbe betrieben und könne aufgrund mangelnder Kenntnisse kein Souvenirgeschäft neu gründen, komme keine rechtliche Bedeutung zu. Die Verweisung habe nämlich abstrakt zu erfolgen. Die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit im Einzelfall auch tatsächlich erlangt werden könne, habe auch im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG außer Betracht zu bleiben. Aufgrund der dem Kläger noch zumutbaren Verweisungsmöglichkeit müsse auf die weitere von ihm aufgeworfene Frage, ob er einen Einzelhandelsbetrieb mit dem Verkauf des Beschriftungssystems V***** rentabel führen könnte, nicht mehr eingegangen werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob ein Großhandelskaufmann ohne Berücksichtigung der Branche auf jegliche Tätigkeit eines Einzelhandelskaufmanns verwiesen werden könne, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt. Es ist nicht strittig ist, dass die Prüfung der Erwerbsunfähigkeit des Klägers nach § 133 Abs 2 GSVG zu erfolgen hat.

Nach den Feststellungen kann der Kläger seine von ihm zuletzt durch mehr als 60 Kalendermonate ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Kaufmann im Exportgroßhandel aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr verrichten; eine Umstrukturierung seines Betriebes (Einstellen eines Mitarbeiters) ist ihm aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Es ist auch nicht strittig, dass die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung seines Betriebes notwendig war.

Nach § 133 Abs 1 GSVG gilt ein Versicherter als erwerbsunfähig, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Als erwerbsunfähig gilt iSd § 133 Abs 2 GSVG idF der 19. GSVG-Novelle auch der Versicherte, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des (= seines konkreten) Betriebes notwendig war, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer (nicht jener) selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat (§ 133 Abs 2 GSVG). Der Zweck des § 133 Abs 2 GSVG liegt darin, dass ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, so wie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50. Lebensjahr der Fall ist (§ 255 Abs 1 und 2 ASVG). Ein Tätigkeitsschutz soll allerdings nicht gewährt werden (10 ObS 257/02w = SSV-NF 16/112 [Uhrengroßhändler]; RIS-Justiz RS0086434 [T1], RS0086348 [T1]). Für eine Verweisung kommen alle selbständigen Tätigkeiten in Betracht, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit erfordern. Im Gegensatz zu § 133 Abs 3 GSVG stellt § 133 Abs 2 GSVG nicht auf die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch mindestens 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren, wobei für diese Beurteilung die Erfordernisse in einem branchentypischen Betrieb maßgeblich ist (10 ObS 153/99v = SSV-NF 13/114 [Händler mit Montagetätigkeiten]; RIS-Justiz RS0086448 [T13]). Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen

Tätigkeit nachzugehen (10 ObS 73/97a = SSV-NF 11/25 mwN

[Taxiunternehmerin]; 10 ObS 101/02d = ARD 5394/20/2003 [Pflasterer]

uva). Die Verweisungstätigkeit muss keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen und es ist wie im Fall des § 255 Abs 1 ASVG auch die Verweisung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nur Teilbereiche der bisher ausgeübten umfasst, zulässig, wenn nur für diesen Teilbereich die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich waren, die der Versicherte bisher benötigte (10 ObS 235/99b = SSV-NF 13/117 [Getränkehändler]). Die Verweisung hat auch im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG abstrakt zu erfolgen (10 ObS 257/02w = SSV-NF 16/112 [Uhrengroßhändler]; RIS-Justiz RS0105187). Der Frage, ob eine Verweisungstätigkeit im Einzelfall tatsächlich erlangt werden kann oder ob dem faktische oder rechtliche Gesichtspunkte, zum Beispiel gesundheitliche oder wirtschaftliche Gründe oder die Nichterfüllung einer behördlichen Auflage, entgegenstehen, kommt keine Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0105187 [T2]). Unter Bedachtnahme darauf, dass die konkret ausgeübte selbständige Tätigkeit und die bisherige Betriebsstruktur keinen Einfluss auf die Verweisbarkeit haben, kann es auch nicht maßgeblich sein, ob zur tatsächlichen Ausübung des Verweisungsberufes Umorganisationsmaßnahmen notwendig sind, die so weit gehen, dass im Verweisungsberuf ein Betrieb neu gegründet oder ein bestehender Betrieb übernommen werden muss. Entscheidend ist allein, ob abstrakt eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werden kann, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit erfordert, wobei eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung gewährleistet sein muss (10 ObS 28/04x = ARD 5511/7/2004 [Tischler]). Andernfalls würde sich die Erlangung der Erwerbsunfähigkeitspension danach orientieren, ob der Versicherte am Stichtag noch oder bereits über einen geeigneten Betrieb verfügt, in dem er die objektiv zumutbare Verweisungstätigkeit ausüben kann (10 ObS 257/02w = SSV-NF 16/112 [Uhrengroßhändler]).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, der zuletzt als Großhändler tätig gewesene Kläger sei auch auf Tätigkeiten im Einzelhandel verweisbar, zu bestätigen. Entscheidend ist nicht, welche Ausbildung (im Großhandel oder Einzelhandel) der Kläger absolviert hat; vielmehr kommt es nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die durch mindestens 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit als Großhandelskaufmann erforderlich waren. Trotz mancher Unterschiede im Ablauf sind die Tätigkeiten eines Einzelhandelskaufmanns und eines Großhandelskaufmanns doch miteinander vergleichbar, was sich auch in der Übereinstimmung der in den Ausbildungsordnungen bzw -vorschriften enthaltenen Berufsprofile und Berufsbilder in erheblichen Punkten (wenn auch naturgemäß nicht in völliger Übereinstimmung) zeigt. Entscheidende Merkmale der Tätigkeit sind die Beschaffung, der Einkauf, die Lagerhaltung und der Verkauf von Waren durch einen selbständigen Kaufmann, dies einschließlich der damit verbundenen Tätigkeiten wie beispielweise Kommunikation, Rechnungswesen, EDV und Verwaltung.

In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass sich ein Getränkegroßhändler im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG „auch auf einen anderen Unternehmensgegenstand, etwa auf den Getränkekleinhandel verweisen lassen" muss (10 ObS 235/99b = SSV-NF 13/117). Dabei kam es nicht entscheidend darauf an, dass der Versicherte bereits einen Lebensmitteleinzelhandel betrieben hatte. Maßgebend für die Beurteilung der Verweisbarkeit im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG ist nämlich nicht die konkrete Ausbildung des Versicherten; entscheidend sind diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch mindestens 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Auch bei unselbständig Erwerbstätigen wurde nach der im Jahre 1990 erfolgten Änderung der Ausbildungsvorschriften innerhalb der einheitlichen Berufsgruppe der kaufmännischen Angestellten (Lehrberufe Einzelhandelskaufmann, Bürokaufmann, Großhandelskaufmann und Industriekaufmann) eine Verweisung nach § 273 Abs 1 ASVG zugelassen (10 ObS 160/92 = SSV-NF 6/87; 10 ObS 20/93 = SSV-NF 7/34 = RIS-Justiz RS0064692 [T4] und [T5]).

Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte