OGH 6Ob32/05g

OGH6Ob32/05g19.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Schenk, Dr. Schramm und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Gerhard B*****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Univ. Prof. Dr. Peter H*****, vertreten durch Dr. Volker Mogel, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen, Widerrufs und Veröffentlichung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2004, GZ 2 R 132/04b-12, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. April 2004, GZ 19 Cg 173/03t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat dem Beklagten die mit 1.063,80 EUR (darin enthalten 177,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ordentlicher Universitätsprofessor an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) und geschäftsführender Gesellschafter der „G***** GmbH (Institut G*****). Der Beklagte ist ebenfalls Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ordentlicher Universitätsprofessor und Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH. Beide Parteien sind Mitglieder der Ärztekammer Wien.

Mit seiner am 5. 11. 2003 eingebrachten Klage begehrte der Kläger, der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten und/oder die wörtlichen und/oder sinngemäßen Behauptungen zu verbreiten, der Kläger sei als Leiter des Instituts G***** für inkorrekte oder möglicherweise sogar illegale Abrechnungen zwischen dem Institut G***** und dem AKH verantwortlich und/oder der Kläger habe das AKH mit Zuweisungen von Blutproben an das AKH getäuscht und/oder der Kläger als Leiter des Instituts G***** habe Leistungen in Bezug auf Hormonbestimmungen vom AKH unentgeltlich erhalten und diese den Patientinnen weiter verrechnet und/oder der Kläger als Leiter des Instituts G***** sei dafür verantwortlich, dass ein „indirekter Geldfluss" vom AKH bzw vom österreichischen Steuerzahler zu G***** bestehe. Hilfsweise begehrte er, diese Behauptungen ab sofort gegenüber Personen zu unterlassen, die nicht dem Kläger gegenüber aufsichts- und weisungsberechtigt oder zur Strafverfolgung berechtigt seien. Weiters begehrte er den Widerruf der zu unterlassenden Behauptungen gegenüber den Lesern der Zeitschrift „P*****" und der Tageszeitung „K*****" sowie gegenüber jenen Personen, an welche die in der Klage angeführten Schreiben mit den inkriminierten Behauptungen ergangen seien und die Veröffentlichung des Widerrufs in der Zeitschrift „P*****" und in der Tageszeitung „K*****", hilfsweise den Widerruf gegenüber den Genannten „mit Ausnahme der Stadt Wien" und die Veröffentlichung des Widerrufs, weiters hilfsweise nur den Widerruf „gegenüber den Lesern der Zeitschrift „P*****" und der Tageszeitung „K*****" und die Veröffentlichung des Widerrufs. Der Beklagte benachteilige den Kläger und dessen Mitarbeiter an der Abteilung für pränatale Diagnostik und Therapie am AKH seit Jahren und werfe ihm Verflechtungen des Instituts G***** mit dem AKH vor. Im August 2003 habe er ein Konvolut von Urkunden mit unwahren, kreditschädigenden und beleidigenden Behauptungen über den Kläger an verschiedenste Personen versendet. Am 25. 8. 2003 habe er eine „Sachverhaltsdarstellung" bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht, der ebenfalls ein umfangreiches Urkundenkonvolut beigelegt gewesen sei. In diesen Schreiben würden Behauptungen im Sinne des Klagebegehrens aufgestellt. Das Institut werde etwa beschuldigt, dass es teure Hormonbestimmungen im Serum vom AKH unentgeltlich erhalten und diese dem Patienten relativ teuer weiter verrechnet und dass es an das Zentrallabor des AKH Triple-Tests und Fish-Schnelluntersuchungen mit Krankenscheinen geschickt habe, obwohl derartige Untersuchungen von der Krankenkasse nicht übernommen würden, und die Testergebnisse dem Patienten weiter verrechnet habe, ohne sie seinerseits dem AKH abzugelten. Die Vorwürfe habe der Beklagte auch in den Medien verbreitet. Am 8. 9. 2003 habe die Zeitschrift „P*****" den Inhalt der Sachverhaltsdarstellung veröffentlicht. Am 14. 9. 2003 sei hierüber in der Tageszeitung „K*****" ein Artikel erschienen. Die Behauptungen seien unwahr, ehrenbeleidigend und kreditschädigend. Die Abrechnung der vom AKH für das Institut G***** erbrachten Leistungen sei korrekt erfolgt. Weder der Kläger noch das Institut hätten zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers Gewinne lukriert. Die interne Revision des AKH habe keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Vorwürfe des Beklagten ergeben. Dem Beklagten habe die Unrichtigkeit seiner Behauptungen bewusst gewesen sein müssen. Da es dem Beklagten noch immer nicht gelungen sei, den Kläger als Konkurrenten „auszuschalten" und die Vorwürfe im Rahmen eines „groß angelegten Feldzugs" verbreitet worden seien, sei Wiederholungsgefahr gegeben. Durch die Verhaltensweise des Beklagten sei es bereits zu einem Umsatzrückgang des Instituts gekommen. Die Schädigung der Reputation des Klägers habe tiefgreifende Folgen für dessen Laufbahn und Fortkommen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, und zwar primär deshalb, weil das in § 94 ÄrzteG vorgesehene Schlichtungsverfahren nicht eingeleitet worden sei. Im Übrigen wendete er ein, dass er als Institutsvorstand zur Prüfung der Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Abrechnungsmodalitäten zwischen dem Labor des AKH und dem Institut G***** verpflichtet gewesen sei. Der Kläger habe jedoch jede Auskunft und Mitwirkung verweigert. Der Beklagte habe deshalb die Angelegenheit der Institutskonferenz vorgetragen und von der Finanzprokuratur und der Staatsanwaltschaft Wien prüfen lassen. Es sei richtig, dass das AKH unentgeltliche Leistungen erbracht habe, die vom Institut G***** dennoch an die Patientinnen weiter verrechnet worden seien. Die Äußerungen des Beklagten seien gemäß § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB gerechtfertigt. Die vom Beklagten informierten Stellen hätten ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung und unterlägen der Geheimhaltungspflicht. Er habe die strittigen Äußerungen in Ausübung der ihm als Institutsvorstand auferlegten Amtspflichten getätigt. Die Behauptung, er habe entsprechende Mitteilungen auch an die in der Klage genannten Medien erstattet, sei falsch. Selbst wenn die unentgeltliche Inanspruchnahme von Leistungen des AKH durch den Kläger als Leiter seines Instituts korrekt und legal sein sollten, stellten die Äußerungen des Beklagten keine Tatsachenbehauptungen, sondern reine Werturteile dar, die auf einem zugleich mitgeteilten wahren Tatsachensubstrat beruhten.

Zum Einwand der mangelnden Klagbarkeit replizierte der Kläger, dass sich die Äußerungen des Beklagten nicht auf die Ausübung des ärztlichen Berufs des Klägers bezögen, die Anwendbarkeit des § 94 ÄrzteG aber das Vorliegen von Streitigkeiten, die sich „bei" Ausübung des ärztlichen Berufs ergäben, voraussetze. Zudem liege die Ausnahme des § 94 Abs 1 zweiter Satz ÄrzteG vor, weil sich die Streitigkeit auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien beziehe. Der Beklagte habe den Kläger als dessen Vorgesetzter bei den zuständigen Dienstbehörden angezeigt. Selbst bei Bejahung der Anwendbarkeit des § 94 ÄrzteG sei die klageweise Geltendmachung des Anspruchs ohne Einleitung eines Schlichtungsverfahrens zulässig. Die Verpflichtung des Arztes, den Schlichtungsausschuss der Ärztekammer anzurufen, stelle kein Prozesshindernis, sondern nur ein als Disziplinarvergehen zu ahndendes Verhalten dar.

Das Erstgericht wies das Haupt- und die Eventualbegehren ab. Es finde § 94 ÄrzteG Anwendung, nach dessen Abs 4 eine zivilrechtliche Klage erst eingebracht werden könne, wenn drei Monate nach Einleitung eines Schlichtungsverfahrens verstrichen seien oder das Schlichtungsverfahren noch vor Ablauf dieser Zeit beendet sei. § 94 Abs 1 ÄrzteG sei dahin auszulegen, dass auch Streitigkeiten über solche Tätigkeiten, die notwendigerweise mit der Ausübung des ärztlichen Berufs verbunden seien, wie etwa dessen Organisation oder die Abrechnung, davon erfasst werden. Ein vom Schlichtungsverfahren ausgenommener dienstrechtlicher Streit liege nicht vor. Der Bezug zum Dienstverhältnis der Streitteile sei hier nur mittelbar gegeben, weil der Beklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit seinen Verpflichtungen als Klinikvorstand, der auf sparsames Wirtschaften zu achten habe, rechtfertige. Der Verstoß gegen die Verpflichtung, den Schlichtungsausschuss der Ärztekammer anzurufen, habe zwar nicht die Unzulässigkeit des Rechtswegs zur Folge, führe aber zur Abweisung des Klagebegehrens mangels (derzeitiger) Klagbarkeit.

Das Berufungsgericht verwarf die auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gestützte Nichtigkeitsberufung des Klägers und gab seiner Berufung im Übrigen nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Auslegung des § 94 ÄrzteG durch das Erstgericht. Die vorliegende Auseinandersetzung beziehe sich nicht unmittelbar auf das Dienstverhältnis der Streitteile, sondern auf das Verhalten des Klägers als Leiter des Instituts G*****. Der Beklagte habe das strittige Verhalten gegen den Kläger nicht im Rahmen dienstlicher Schritte aus dem abgeschlossenen Dienstvertrag gesetzt. § 94 ÄrzteG erfasse nicht nur Tätigkeiten unmittelbar bei Ausübung des ärztlichen Berufs, sondern alle Streitigkeiten, die sich aus der Ausübung bzw im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufs ergäben. Für diese weite Auslegung spreche Sinn und Zweck der friedensrichterlichen Tätigkeit der Ärztekammer durch Mitwirkung fachkundiger Personen, die demselben Berufskreis wie die Streitteile angehörten. Dass auch die Tatbestände des § 1330 ABGB umfasst seien, ergebe sich daraus, dass unter die Schlichtungsklausel nicht nur zivilrechtliche Klagen, sondern auch Privatanklagen fielen. Die Nichteinhaltung einer Schlichtungsklausel begründe den materiell-rechtlichen Einwand mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 94 Abs 1 ÄrzteG fehle.

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 94 ÄrzteG 1998 („Schlichtungsverfahren") lautet:

„(1) Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, vor Einbringung einer zivilrechtlichen Klage oder Erhebung einer Privatanklage alle sich zwischen ihnen bei Ausübung des ärztlichen Berufes oder im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Standesvertretung ergebenden Streitigkeiten einem Schlichtungsausschuss der Ärztekammer zur Schlichtung vorzulegen. Diese Bestimmung ist auf Ärzte ..., die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts ausüben, nur insoweit anzuwenden, als sich die Streitigkeiten nicht auf das Dienstverhältnis oder die Dienststellung des Arztes beziehen.

(2) ...

(3) Die Zeit, während der die Ärztekammer oder der Schlichtungsausschuss mit der Sache befasst ist, wird in die Verjährungsfrist sowie in andere Fristen für die Geltendmachung des Anspruchs bis zur Dauer von drei Monaten nicht eingerechnet.

(4) Eine zivilgerichtliche Klage darf erst eingebracht und eine Privatanklage darf erst erhoben werden, sobald entweder die im Abs 3 genannte Zeit verstrichen oder noch vor Ablauf dieser Zeit das Schlichtungsverfahren beendet ist."

Entsprechende Bestimmungen waren schon im - mehrfach novellierten - ÄrzteG 1949 enthalten. Das Schrifttum interpretierte die Wendung „bei Ausübung des ärztlichen Berufs" dahin, dass damit Streitigkeiten, die sich aus der Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben, umfasst seien (Strobl, ÄrzteG [1971] § 40 Anm 2; Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, ÄrzteG [1988] § 59 Anm 3). Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, entspricht diese Auslegung der Zielsetzung der Einrichtung der Schlichtungsstellen, nämlich den Versuch zu unternehmen, einen Streit aus der beruflichen Tätigkeit durch eine interne, mit Fachleuten besetzte Einrichtung zu schlichten und damit ein Hinausdringen der dem Berufsstand meist nicht förderlichen Angelegenheit an eine breitere Öffentlichkeit zu verhindern. Das Schlichtungsverfahren soll den Parteien die Möglichkeit bieten, ohne jede Formstrenge unter Anleitung erfahrener und sachkundiger Personen den Versuch einer ein oft langwieriges und kostenaufwendiges gerichtliches Verfahren vermeidenden gütlichen Einigung zu unternehmen (Kuderna, Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, RdA 1978, 3 [11]). Dass von den Streitigkeiten, die sich „bei Ausübung des ärztlichen Berufs" ergeben, auch solche nach § 1330 ABGB umfasst sein sollen, ergibt sich insbesondere aus der Gleichstellung der Einbringung einer zivilrechtlichen Klage mit der Erhebung einer Privatanklage in § 94 Abs 1 und 4 ÄrzteG. Das Schlichtungsverfahren ist vor Einleitung sowohl eines zivilgerichtlichen als auch eines strafgerichtlichen Verfahrens auf Grund einer Privatanklage anzustreben. Privatanklagedelikte sind nach dem StGB die eigenmächtige Heilbehandlung (§ 110 StGB), die strafbaren Handlungen gegen die Ehre (§ 111 StGB: üble Nachrede, § 113 StGB: Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung; 115 StGB: Beleidigung), die Verletzung des Briefgeheimnisses und Unterdrückung von Briefen (§ 119 StGB), die Verletzung von Berufsgeheimnissen § 121 StGB), die Verletzung und die Auskundschaftung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen (§§ 122, 123 StGB), die Kreditschädigung (§ 152 StGB), die Begehung bestimmter Delikte im Familienkreis (§ 166 StGB) und die Ehetäuschung und die Ehenötigung (§ 193 StGB). Dass der durch ein solches Delikt verletzte Arzt durch einen Arztkollegen geschädigt und damit zur Privatanklage legitimiert wird, kommt - außer bei entsprechendem Zufall - nur bei den Delikten gegen die Ehre, bei der Kreditschädigung und bei der Geheimnisverletzung in Betracht. „Bei" der Berufsausübung im engeren Sinn kann von den aufgezeigten Delikten nur jenes der eigenmächtigen Heilbehandlung begangen werden (§ 110 StGB), bei dem aber zur Privatanklage nicht ein Arztkollege, sondern der eigenmächtig Behandelte legitimiert ist (§ 110 Abs 3 StGB). Es wäre ein durch nichts gerechtfertigter Wertungswiderspruch, müsste zwar vor Erhebung einer Privatanklage wegen ehrenbeleidigender oder kreditschädigender Äußerungen die Schlichtungsstelle angerufen werden, nicht aber vor Erhebung eine dieselben Äußerungen betreffenden Klage nach § 1330 ABGB. Die Streitschlichtungsfunktion der Schlichtungsstelle müsste sich in einem solchen Fall auf die Vermeidung einer Privatanklage beschränken, könnte aber auf die Vermeidung der - häufiger gewählten - zivilrechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen nach § 1330 ABGB von vornherein in keiner Weise hinwirken. Ein solcher Sinn kann der Regelung nicht unterstellt werden. § 94 Abs 1 erster Satz ÄrzteG betrifft daher auch Klagen nach § 1330 ABGB, die ehrenrührige oder (und) kreditschädigende Behauptungen über ein mit der ärztlichen Berufsausübung zusammenhängendes Verhalten zum Inhalt haben.

Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, definiert § 2 ÄrzteG 1998 den Arztberuf. Demnach umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufs

„jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien die krankhafter Natur sind;

2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

3. die Behandlung solcher Zustände

....

6. die Geburtshilfe ...".

Die Entgeltlichkeit der Ausübung der Heilkunde ist zwar kein Essentiale des ärztlichen Berufs (Aigner/Kierein/Kopetzki, ÄrzteG 19982 § 2 Anm 4). Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die Verrechnung ärztlicher Leistungen nicht unmittelbar mit der ärztlichen Berufsausübung zu tun habe. Auch die Verrechnung von Laboruntersuchungen, die der Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Heilbehandlung am Patienten zu Diagnose- und Behandlungszwecken durchführen lässt, ist mit der Ausübung seines ärztlichen Berufs untrennbar verbunden. Der Streit um die Korrektheit der Abrechnungen solcher Leistungen und die nach dem hier gestellten Klagebegehren zu unterlassenden Behauptungen des Beklagten stehen mit der Berufsausübung des Klägers in unmittelbaren Zusammenhang. Der Rechtsstreit wäre ohne Ausübung des Berufs des Klägers als Facharzt für Geburtshilfe und ohne seinen Tätigkeitsbereich in dem von ihm geleiteten Institut nicht denkbar.

Wie die Vorinstanzen ebenfalls zutreffend ausgeführt haben, liegt die Ausnahme des § 94 Abs 1 zweiter Satz ÄrzteG 1998 nicht vor. Beide Parteien üben zwar ihren Beruf auch im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses im Sinn dieser Bestimmung aus. Die Streitigkeit bezieht sich aber nicht auf dieses Dienstverhältnis oder diese Dienststellung der Parteien. Nach dem Inhalt des Klagebegehrens sind nur jene Äußerungen des Beklagten strittig, die Vorwürfe gegen den Kläger „als Leiter des Instituts G*****" und als dort beschäftigter Facharzt beinhalten. Das Handeln des Klägers als Universitätsprofessor an der Universitätsklinik und deren Abteilungsleiter wird damit nicht angesprochen. Die strittigen Vorwürfe betreffen keine Handlungen des Klägers bei seiner Dienstverrichtung an der Universitätsklinik und hängen nicht zwingend damit zusammen, dass beide Streitteile als Universitätsprofessoren am AKH beschäftigt sind.

Die Bestimmung des § 94 ÄrzteG 1998 enthält eine obligatorische Schlichtungsklausel. Eine solche Klausel bildet nach ständiger Rechtsprechung kein zur Klagezurückweisung führendes Prozesshindernis (RIS-Justiz RS0033687). Dies gilt nicht nur bei vertraglich vereinbarten, sondern auch bei gesetzlich vorgesehenen Schlichtungsklauseln, wenn die Folge der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht ausdrücklich angeordnet ist, wie dies etwa zu den vergleichbaren Regelungen der - inzwischen aufgehobenen - §§ 25 Abs 2, 28a Abs 4 WTBO (4 Ob 142/89 = RdW 1990, 82; 4 Ob 553/89), § 33 Abs 1 DentistenG (SZ 27/174) oder § 20 der Verordnung über das Kammerstatut der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland aus 1947 (6 Ob 11/60 = RZ 1960, 124) bereits ausgesprochen wurde. In den beiden zuletzt zitierten Entscheidungen wurde die Ansicht vertreten, dass aus dem Verstoß gegen die Schlichtungsklausel nur eine allfällige disziplinäre Verantwortlichkeit der zuwiderhandelnden Mitglieder abgeleitet werden könne. Auch zu den Vorgängerbestimmungen des § 94 ÄrzteG 1998 wurde teils in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum die Ansicht vertreten, die Missachtung der Verpflichtung, den Schlichtungsausschuss der Ärztekammer anzurufen, stelle (nur) ein als Disziplinarvergehen zu ahndendes Verhalten dar (Mayr, Schlichtungsverfahren zwischen Wirtschaftstreuhändern als Prozessvoraussetzung, RdW 1988, 159 [60] mwN). In den Entscheidungen 4 Ob 142/89 und 4 Ob 553/89 wurde die Frage nach der Sanktion des Verstoßes offen gelassen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung begründen jedoch obligatorische Schlichtungsklauseln den über Einwand wahrzunehmenden Mangel der (derzeitigen) Klagbarkeit (SZ 74/144; RIS-Justiz RS0045298; RS0033687) bzw der Fälligkeit (RIS-Justiz RS0082250; 1 Ob 300/00z mwN). Diese Entscheidungen bezogen sich zwar auf Schlichtungsklauseln, die in Vereinsstatuten, Kollektivverträgen und Versicherungsbedingungen (AUVB) enthalten waren. Wie die Vorinstanzen ausführten, kann aber für gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren nichts anderes gelten. Es besteht keine Veranlassung zur unterschiedlichen Auslegung derartiger Bestimmungen je nach dem, ob sie gesetzlich verankert oder vertraglich vereinbart werden. Die Erlassung von Bestimmungen über die materiell-rechtliche Folge der mangelnden (derzeitigen) Klagbarkeit vor Anrufung der Schlichtungsstelle fällt gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG ebenso wie die in § 94 Abs 3 ÄrzteG 1998 vorgesehene Verjährungshemmung in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes (vgl Aigner/Kierein/Kopetzki aaO § 94 ÄrzteG Anm 2). Die Frage, ob eine verfassungskonforme Interpretation zu einer anderen Auslegung zwingt, stellt sich daher nicht. Dass die Nichtanrufung der Schlichtungsstelle eine mit Ordnungsstrafe oder disziplinär zu ahndende Pflichtverletzung darstelle, lässt sich dem ÄrzteG nicht mit der entsprechenden Deutlichkeit entnehmen (vgl § 95 iVm § 69 ÄrzteG, § 136 ÄrzteG). Es besteht daher kein Anlass, die im ÄrzteG enthaltene obligatorische Schlichtungsklausel in Bezug auf ihre Rechtsfolgen anders zu verstehen als eine vergleichbare Klausel, die in Statuten oder Versicherungsbedingungen, die nicht Gesetzescharakter haben, enthalten ist, die aber ebenso wenig zwischen den betroffenen Parteien ausgehandelt wurde und bei deren Auslegung es daher ebenfalls nicht auf die Absicht der Parteien, sondern nur auf objektive Auslegungskriterien ankommen kann. Die unterschiedlichen Auslegungsregeln der §§ 6 f ABGB und der §§ 914 f ABGB stehen einem gleichen Auslegungsergebnis sinngemäß gleichlautender Bestimmungen nicht entgegen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt gemäß § 10 Z 6 lit a RATG 19.620,-- EUR.

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