OGH 7Ob246/04h

OGH7Ob246/04h11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** KEG, *****, vertreten durch Mag. Stephan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Adolf F*****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Josef F*****, vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 22. April 2004, GZ 21 R 239/03z-39, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 30. April 2003, GZ 4 C 130/01z-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 266,49 (darin enthalten EUR 44,45 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Mit der am 3. 8. 2001 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung kündigte die Klägerin der Verlassenschaft nach der am 22. 6. 2001 verstorbenen Adelheid Fenzl das gegenständliche Bestandobjekt gegen „vierteljährige Kündigung" für den 31. 12. 2001 gerichtlich auf und beantragte die Bestellung eines Prozesskurators sowie die Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung an diesen, da das Verlassenschaftsverfahren noch anhängig und die Verlassenschaft noch niemanden eingeantwortet oder sonst überlassen worden sei.

Das Erstgericht ersuchte daraufhin die Verlassenschaftsabteilung um Bestellung eines Verlassenschaftskurators bzw um Bekanntgabe des erbserklärten Erben, dem die Verwaltung eingeräumt wurde. Es erhielt daraufhin die Mitteilung, dass ein Termin zur Abgabe der Erbserklärung und Überlassung der Nachlassverwaltung an die beiden Söhne der Erblasserin (= Erst- und Zweitbeklagter) beim Gerichtskommissär in Kürze stattfinden werde. Tatsächlich fand am 25. 9. 2001 beim zuständigen Notar eine Tagsatzung statt, in der die Beklagten als erblasserische Söhne unbedingte Erbserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses abgaben. Der Verlassenschaftsakt wurde mit dem vorbereiteten Beschlussentwurf (welcher ua vorsah, dass die von den erblasserischen Söhnen auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte des Nachlasses jeweils unbedingt abgegebenen Erbserklärungen zu Gericht angenommen und deren Erbrecht für ausgewiesen erachtet werde) sowie mit der vorbereiteten Einantwortungsurkunde dem Gericht übermittelt.

Am selben Tag erließ das Erstgericht die Aufkündigung und verfügte deren Zustellung an die erbserklärten Erben. Der Erstbeklagte hat die Aufkündigung am 26. 9. 2001 persönlich übernommen, die Zustellung an den Zweitbeklagten erfolgte am 28. 9. 2001 durch Hinterlegung. Der ebenfalls am 26. 9. 2001 im Verlassenschaftsverfahren ergangene Beschluss im oben genannten Sinn sowie die Einantwortungsurkunde wurden den Beklagten - nach ihren eigenen Angaben - am 28. 9. 2001 zugestellt.

In ihren Einwendungen machten die Beklagten - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - geltend, die Zustellung der Aufkündigung hätte nur an einen Kurator erfolgen dürfen. Weder die erforderlichen Kündigungsfristen noch der Kündigungstermin seien daher eingehalten worden.

Das Erstgericht wies den Antrag, die (aufgrund der Einantwortung) erfolgte Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Parteien gemäß § 235 Abs 5 ZPO nicht zuzulassen, ab (ON 11). Es erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagten, der Klägerin das aufgekündigte Bestandobjekt binnen 14 Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. § 810 ABGB sehe vor, dass, wenn der Erbe bei Antritt der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweise, ihm die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu übertragen sei. Der Alleinerbe, dessen Erbserklärung angenommen wurde, sei grundsätzlich zur Verwaltung berufen und berechtigt. Im vorliegenden Fall sei die Erbserklärung zu Gericht angenommen worden. Eine gesonderte Übertragung der Verwaltung sei deshalb nicht erfolgt, weil ohnehin unter einem die Einantwortungsurkunde erlassen wurde und somit eine Vertretungstätigkeit für den Nachlass nicht mehr erforderlich gewesen sei, da durch die Einantwortung die erbserklärten Erben Rechtsnachfolger ihrer verstorbenen Mutter geworden seien. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Aufkündigung habe die Verlassenschaft als juristische Person noch existiert, da zwar die Erbserklärungen schon abgegeben waren und damit auch der „Anspruch" der Beklagten zur Vertretung der Verlassenschaft gegeben gewesen sei, jedoch die Einantwortungsurkunde noch nicht erlassen war.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte über Berufung des Zweitbeklagten die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Beschluss, mit dem die unbedingten Erbserklärungen der Beklagten angenommen wurden, sei diesen nach ihrem eigenem Vorbringen am 28. 9. 2001 zugestellt worden. Zum hier relevanten Zeitpunkt, dem 30. 9. 2001, sei die Einantwortung noch nicht in Rechtskraft erwachsen und der ruhende Nachlass daher noch als Kündigungsgegner existent gewesen. Entscheidend sei daher, ob zu diesem Zeitpunkt zur Vertretung der Verlassenschaft im Kündigungsstreit lediglich ein zu bestellender Verlassenschaftskurator berufen gewesen sei, oder ob die Bestellung eines solchen nicht mehr erforderlich war und die bereits unbedingt erbserklärten, vom Erstgericht (jedoch noch nicht rechtskräftig) eingeantworteten Erben bereits zur Vertretung der Verlassenschaft im Kündigungsstreit berufen gewesen seien, ohne dass ihnen mit gesondertem ausdrücklichen Beschluss die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde. In der Entscheidung MietSlg 6.917 sei der Oberste Gerichtshof davon ausgegangen, dass das Abhandlungsgericht, wenn es die bedingt abgegebene Erbserklärung angenommen und den Erbsrechtsausweis auf Grund der Aktenlage für erbracht angesehen habe, dieses damit iSd § 810 ABGB und des § 145 Abs 1 AußStrG entschieden habe. Deshalb sei in einem solchen Fall im Zweifel anzunehmen, dass dem Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, zumal die ausdrückliche Überlassung in der Praxis nur ausnahmsweise in Anspruch genommen würde. Im vorliegenden Fall sei - über die Annahme der nicht widersprechenden Erbserklärungen hinaus - sogar bereits die Einantwortung vorgenommen worden. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes ziele das Einantwortungsbegehren der Erben auch darauf ab, dass ihnen auch ab Fassung des Einantwortungsbeschlusses bis zu dessen Rechtskraft die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses bereits zukommen solle. Deshalb sei in der Einantwortung auch die schlüssig getroffene Gerichtsentscheidung gelegen, dass den beiden erbserklärten Erben die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses für den Zeitraum bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses eingeräumt werde.

Der Zulassungsanspruch des Berufungsgerichtes wird damit begründet, die hier maßgebende Frage, ob (im Falle nicht widerstreitender Erbserklärungen) mit der Fassung des Einantwortungsbeschlusses, noch vor dessen Rechtskraft die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses für diesen Zeitraum und somit dessen Vertretung bereits den (noch nicht rechtskräftig) eingeantworteten Erben zukomme, sei - im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 8/01x dargelegte kritische Auseinandersetzung mit der Frage einer schlüssig getroffenen Entscheidung des Abhandlungsgerichtes bei Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses - zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit von erheblicher Bedeutung.

Auch der Revisionswerber beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels auf die dargestellte Rechtsfrage und macht geltend, die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes widerspreche der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass die Möglichkeit einer schlüssigen Übertragung der Verwaltung des Nachlasses an einen Miterben durch das Abhandlungsgericht in der zitierten Entscheidung verneint wird (RIS-Justiz RS0036551 [T 3] = RS0008055). Im dortigen Fall ging es jedoch um die Einräumung der Verwaltung des Nachlasses gegen den Willen der anderen Miterben, welche einen von den anderen Erben anfechtbaren Beschluss darstellt (6 Ob 8/01x = RIS-Justiz RS0008120 [T 4] = RS0114888), also darum, unter welchen Voraussetzungen einer von mehreren erbserklärten Erben den ruhenden Nachlass vertreten kann (vgl dazu RIS-Justiz RS0008120 und RS0008131).

Ein derartiger Fall ist hier aber nicht zu beurteilen, weil von der eingangs dargestellten Feststellungen auszugehen ist, wonach die Aufkündigung ohnehin beiden erbserklärten Erben nach Annahme der Erbserklärung durch das Verlassenschaftsgericht zugestellt wurde. Der vorliegende Sachverhalt ist in rechtlicher Hinsicht daher schon mit der stRsp zu lösen, dass der Nachlass im Prozess - wie hier - durch sämtliche erbserklärte Erben, deren Erbserklärung durch das Verlassenschaftsgericht angenommen wurde, vertreten wird (RIS-Justiz RS0012285), und dass, solange ein Beschluss gemäß § 810 ABGB, § 145 AußStrG nicht ergangen ist, der Nachlass nur zu Handen aller erbserklärten Erben [die iSd § 547 ABGB „hinsichtlich der Erbschaft den Erblasser vorstellen": 2 Ob 686/87, 2 Ob 687/87] geklagt werden kann (RIS-Justiz RS0008229).

Die vom Berufungsgericht bzw in der Revision als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dargestellte Rechtsfrage stellt sich demnach gar nicht, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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