Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass auch der Antrag der erblasserischen Schwester Anna R*****, auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft abgewiesen wird.
Text
Begründung
Das Vermögen der am 7. 10. 1998 verstorbenen Erblasserin besteht im Wesentlichen aus einem Sparbuch mit einer Einlage von 1,137.037,20 S und einem geschlossenen Hof. Ein Testament liegt nicht vor. Gesetzliche Erben sind die Schwester der Verstorbenen sowie ein Neffe und eine Nichte, Kinder des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin. Die Schwester hat eine bedingte Erbserklärung abgegeben, die Nichte eine unbedingte. Der Neffe hat sich die Abgabe einer Erbserklärung vorbehalten. Alle drei Erben streben die Einräumung der Anerbenstellung an. Unstrittig ist, dass die Schwester der Erblasserin auf dem Hof gelebt und diesen auch über viele Jahre bewirtschaftet hat.
Am 14. 7. 1999 stellten die Nichte und der Neffe gemeinsam den Antrag, der Nichte die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu übertragen. Ihre Tante sei zur Verwaltung nicht geeignet. Die Schwester der Erblasserin sprach sich gegen diesen Antrag aus und beantragte ihrerseits, dass die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses "ihr belassen bzw an sie übertragen werde".
Das Erstgericht wies den Antrag der Nichte und des Neffen, der Nichte die Verwaltung des Nachlasses zu übertragen, ab und überließ die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft der Schwester der Erblasserin. Es traf Feststellungen über den Hof und seine Bewirtschaftung, die Berufsausübung der beteiligten Erben und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass nach ständiger Judikatur die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses auch stillschweigend überlassen werden könne, wovon hier auszugehen sei. Ein Antrag auf Übertragung der Verwaltung und Besorgung des Nachlasses sei erst am 14. 7. 1999 bei Gericht eingegangen. Bis dahin habe die erblasserische Schwester die tatsächliche Besorgung und Verwaltung vorgenommen. Eine Entziehung ihrer Verwaltung sei nach der ständigen Judikatur nur möglich, wenn eine Gefährdung im Sinne der Bestimmungen der §§ 379 und 381 EO glaubhaft gemacht werde. Dies sei hier nicht geschehen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des erblasserischen Neffen (rechtskräftig) als unzulässig zurück und gab dem Rekurs der erblasserischen Nichte nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses der erblasserischen Schwester bereits schlüssig überlassen worden sei. Die Verwaltung könne dann der Erbin nicht entzogen werden, außer es läge eine Gefährdung nach den §§ 379 und 381 EO vor. Die Miterben hätten der Bewirschaftung des Hofes durch die erblasserische Schwester stillschweigend zugestimmt und erstmals nach mehr als 9 Monaten eine unsachgemäße Bewirtschaftung behauptet.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Nichte primär die Aufhebung zur Verfahrensergänzung, erkennbar auch die Abänderung dahin, dass ihrem Antrag stattgegeben werde, ihr den Nachlass zur Verwaltung zu übertragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig und teilweise berechtigt.
Mehrere Erben werden in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechts für eine Person angesehen (§ 550 ABGB). Einem von mehreren Miterben kann die Besorgung und Benützung (Verwaltung) der Verlassenschaft (§ 810 ABGB; § 145 AußStrG) nur mit Zustimmung der übrigen und grundsätzlich nicht gegen den Willen der anderen Miterben überlassen werden (Eccher in Schwimann, ABGB2 Rz 5 zu § 810 mwN). Die Miterben bilden eine Verwaltungsgemeinschaft zur ungeteilten Hand (SZ 49/148; 6 Ob 2332/96a, 2333/96y). Die Überlassung der Verwaltung an einen Miterben wurde nur in besonderen - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefällen zugelassen (im Fall eines Praelegats: SZ 49/148 oder einer Anerbenbestellung: RZ 1973/8). Von diesen erst jüngst wiederholten Grundsätzen (6 Ob 105/00k) ist auch hier auszugehen. Mangels einer letztwilligen Bestellung der Schwester zur Anerbin liegt kein Sonderfall vor, der die Einräumung der Verwaltung des Nachlasses an sie gegen den Willen der anderen Miterben rechtfertigen könnte.
Die Vorinstanzen haben dennoch der erblasserischen Schwester die Verwaltung überlassen, indem sie von einer schon schlüssig erfolgten Übertragung der Verwaltung an die Schwester ausgingen, sodass nur mehr eine Entziehung der Verwaltung aus wichtigen, hier nicht vorliegenden Gründen in Frage komme. Dieser Ansicht kann, wenngleich sie sich auf ältere oberstgerichtliche Judikatur stützt, nicht beigestimmt werden:
In den Entscheidungen GlU 5190 und 15.244, NZ 1936, 159 und SZ 23/226 wurde die Zulässigkeit einer nur schlüssig erfolgten Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses bejaht. Die näheren Umstände, wie die schlüssige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes jeweils zustande gekommen sein soll, sind keiner der zitierten Entscheidungen zu entnehmen. Ihnen lagen Anträge eines der widerstreitenden Erben nach § 127 AußStrG auf Sequestration des Nachlasses zu Grunde. Die Entscheidung GlU 5190 begnügt sich mit dem Satz, dass dem Miterben "wenn auch nicht durch eine ausdrückliche gerichtliche Verfügung, thatsächlich die Besorgung und Benutzung des Nachlasses überlassen worden ist". In der Entscheidung GlU 15.244 wurde in der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz über eine tatsächliche Überlassung der Besorgung und Benützung des Nachlasses lediglich keine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt. Die Entscheidung NZ 1936, 159 führt nur aus, dass § 127 Abs 2 AußStrG auch dann Platz greife, wenn dem Erbansprecher der Nachlass zwar nicht mit ausdrücklicher gerichtlicher Verfügung überlassen wurde, ihm aber die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft, die er bisher hatte, belassen, "also ihm stillschweigend überlassen wurde".
Der Entscheidung SZ 23/226 lag der Fall zu Grunde, dass die Witwe bereits zum Abwesenheitskurator für den Erblasser bestellt gewesen war und dessen Vermögen bis zur Todeserklärung verwaltet hatte. Da das Abhandlungsgericht ihr die Verwaltung nicht entzogen hatte, habe es der Fortdauer der Verwaltung zugestimmt. Für die von den Brüdern des Erblassers angestrebte Sequestration müssten die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung (zur Entziehung der Verwaltung) vorliegen.
Keine der zitierten Entscheidungen setzte sich grundsätzlich mit dem Problem auseinander, ob Hoheitsakte tatsächlich und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen schlüssig ergehen können. Die ersten drei Entscheidungen können schon mangels Begründung und wegen der damals eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeit im außerstreitigen Verfahren keine taugliche Entscheidungshilfe bieten. Aus der Entscheidung SZ 23/226 geht immerhin hervor, dass in der tatsächlichen Fortsetzung einer mit gerichtlicher Verfügung bewilligten Verwaltung des Vermögens durch die Witwe im Rahmen der Abwesenheitskuratel nach der Todeserklärung und auf Grund des Schweigens des Abhandlungsgerichtes dazu eine schlüssige Entscheidung über die Übertragung der Verwaltung des Nachlasses an die Witwe angenommen wurde.
Schon in der Entscheidung 1 Ob 32/79 (SZ 52/165) wurde unter Hinweis auf zahlreiche Vorentscheidungen ein konträrer Standpunkt eingenommen. Hoheitsakte - wie etwa die Genehmigung eines Vertrages durch eine Behörde oder ein Gericht - könnten nicht stillschweigend, etwa durch bloße Untätigkeit bei Kenntnis des genehmigungspflichtigen Sachverhalts, erlassen werden.
Für den Zivilprozess vertritt der Oberste Gerichtshof grundsätzlich die Ansicht, dass die Prozessordnung keine stillschweigenden Prozesshandlungen oder Entscheidungen kenne. Zu dieser auf die Entscheidung SZ 45/19 zurückgehenden Auffassung hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 79/99g (= JBl 1999, 818) eine differenzierende Haltung eingenommen. In der faktischen Fortsetzung des Verfahrens nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes (§§ 190 f ZPO) habe schon die Entscheidung SZ 66/178 einen Fortsetzungsbeschluss erblickt. Dies gelte auch bei der Fortsetzung eines wegen Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens durch den Masseverwalter, wenn das Gericht eine Tagsatzung anberaume, Beweise aufnehme und in der Sache meritorisch entscheide. Für die Bejahung einer schlüssig getroffenen Gerichtsentscheidung sei aber immer zu fordern, dass der Entscheidungswille des Gerichts zweifelsfrei erkennbar ist. Diese Grundsätze sind auch hier anzuwenden:
Anders als in den in der Entscheidung SZ 23/226 zu beurteilenden Fall hatte hier die Schwester der Erblasserin lediglich den Besitz am Vermögen der Erblasserin, nicht aber eine vom Gericht verfügte Verwalterstellung. Diese wäre aufzuheben und durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes zu ersetzen gewesen. Im vorliegenden Fall kann für einen Entscheidungswillen des Abhandlungsgerichtes im Sinne der Ansicht der Vorinstanzen lediglich die bis zur Antragstellung der Beteiligten verstrichene Zeit ins Treffen geführt werden. Dies reicht jedoch für die Annahme nicht aus, das Abhandlungsgericht habe der Schwester die alleinige Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wollen. Bei der Beurteilung des Stillschweigens sowie von Unterlassungen wird im Bereich des rechtsgeschäftlichen Handelns ein strenger Maßstab angelegt. Dies muss umso mehr für die Beurteilung schlüssiger Gerichtsentscheidungen gelten. Die bloße Untätigkeit des Gerichts lässt auf seinen Entscheidungswillen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schlüsse zu. Selbst wenn man eine genaue Kenntnis des Abhandlungsgerichtes über die tatsächlichen Besitzverhältnisse unterstellt, so kann eine Kenntnis über die weiteren Erfordernisse der geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Schwester zur Verwaltung und weiters über die vorliegende oder fehlende Zustimmung der Miterben zur Überlassung der Verwaltung des Nachlasses an die Schwester der Erblasserin nicht angenommen werden. Schon aus diesen Gründen kann von einer schlüssigen Gerichtsentscheidung keine Rede sein. Die Übertragung der Verwaltung des Nachlasses an einen Miterben ist ein von den anderen Miterben anfechtbarer Beschluss. Wenn man schon im bloßen Verstreichen eines Zeitraumes eine schlüssige Gerichtsentscheidung erblickte, stellte sich die geradezu unlösbare Frage, wann die Gerichtsentscheidung erlassen und damit die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wurde. Schon die Zweifel über diesen Zeitpunkt müssen zum Ergebnis führen, dass hier bis zur Antragstellung auf Übertragung der Verwaltung des Nachlasses an die Nichte bzw die Schwester der Erblasserin noch keine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes in der von den Vorinstanzen angenommenen Richtung getroffen wurde.
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