OGH 8ObA47/04a

OGH8ObA47/04a28.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und ADir. RR. Winfried Kmenta als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert N*****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen EUR 7.939,05 brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei und Kostenrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2004, GZ 8 Ra 173/03z, 8 Ra 174/03x-18, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. August 2003, GZ 8 Cga 40/03b-9, dieses aufgehoben, das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Der Kostenrekurs der beklagten Partei wird als absolut unzulässig zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 222,33 (darin enthalten EUR 34,06 an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2.) Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war in der Zeit vom 8. 2. 1990 bis 27. 9. 2002 bei der beklagten GmbH beschäftigt. Als diese liquidiert wurde, wurde dem Kläger so wie den übrigen Arbeitskollegen eine Weiterbeschäftigung bei einer am 27. 5. 2002 im Firmenbuch eingetragenen KEG angeboten. Vom 21. 10. 2002 bis 1. 11. 2002 war der Kläger dann dort tätig, wobei sich an dem Inhalt seiner Tätigkeiten, der Arbeitsstätte, den Betriebsmittel, der Belegschaft oder im Arbeitsumfeld keine Änderungen ergaben.

Auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen, wonach dem Kläger trotz der Unterbrechung seines Dienstverhältnisses zu der Beklagten in den Wintermonaten jeweils aliquot einen Abfertigungsanspruch erwerben sollte, hat er einen Abfertigungsanspruch auf drei Monatsentgelte.

Mit seiner am 28. 3. 2003 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Zahlung dieser Abfertigung von der bereits mit 11. 11. 2002 amtswegig gelöschten GmbH. Zur hier maßgeblichen Frage der Parteifähigkeit der Beklagten verwies er darauf, dass diese trotz Löschung über ein ausreichendes Vermögen verfüge, da die Beklagte einen Regressanspruch für die Abfertigung gegen die nach dem AVRAG ja solidarisch dafür haftende KEG habe.

Die beklagte GmbH wendete vor allem ein, dass die Liquidation bereits erfolgt sei und sie über keinerlei Vermögen verfüge.

Das Erstgericht ging davon aus, dass ein Betriebsübergang im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG stattgefunden habe. Dementsprechend hafteten für die Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor dem Zeitpunkt des Überganges begründet wurden, Veräußerer und Erwerber zu ungeteilten Handen. Im Innenverhältnis stehe der beklagten GmbH ein Regressanspruch gegen die betriebsübernehmende KEG zu und damit auch ein Vermögenswert der GmbH.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil einschließlich des vorangegangenen Verfahrens als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es ging davon aus, dass die Beklagte hier die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit erhoben und das Erstgericht darüber gemeinsam mit der Hauptsache entschieden und die Einrede implizit verworfen habe.

Hier sei die Klage bereits nach Löschung der beklagten Kapitalgesellschaft eingebracht worden. Die Parteifähigkeit bestehe nur unter der Voraussetzung, dass trotz des Erlöschens noch ein verwertbares und verteilbares Vermögen vorhanden sei. Der Regressanspruch, der der Beklagten nach § 6 AVRAG gegen die solidarisch haftende Betriebsübernehmerin - KEG - zustehe, sei aber von der Berechtigung des Zuspruches der Klagsforderung abhängig. So wie bei einem akzessorischen Prozesskostenanspruch reiche aber auch dies nicht für die Annahme der Parteifähigkeit aus. Das nach § 896 ABGB bestehende Regressrecht der liquidierten GmbH setze eine tatsächliche Befriedigung der Forderung voraus, zu der die Beklagte eben nicht bereit sei. Mangels verwertbaren Vermögens bestehe daher keine Parteifähigkeit und sei daher die Entscheidung des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen. Die Kosten hob das Berufungsgericht gegenseitig auf, da die letztlich unzutreffende Rechtsauffassung des Klägers kein Verschulden an der Einleitung des Verfahrens begründe.

Den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluss erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt, der gegen die Kostenentscheidung erhobene Kostenrekurs der Beklagten ist absolut unzulässig.

Nach ständiger Judikatur ist unter Beachtung des Ausschlusses der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO („über den Kostenpunkt") ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wurde, ausgeschlossen (vgl zuletzt OGH 17. 2. 2005, 8 Ob 19/05k mwN; etwa RIS-Justiz RS0044233; RIS-Justiz RS0044153 oder RIS-Justiz RS0041711). Der Kostenrekurs der Beklagten war daher als absolut unzulässig zurückzuweisen.

Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit hingewiesen. Die Kosten der Beantwortung des Kostenrekurses sind jedoch nicht auf Grundlage von TP 3 C, sondern von TP 3 A zu berechnen (vgl RATG TP 3 A Pkt I. 5 lit b).

Die Zulässigkeit des Rekurses des Klägers ist hier jedenfalls schon deshalb zu bejahen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, inwieweit ein allfälliger „Regressanspruch" zwischen Erwerber und Veräußerer eines Betriebes noch die Parteifähigkeit einer bereits liquidierten GmbH bewirkt, nicht vorliegt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0043882 mwN, insb OGH 4 Ob 512/96, 1 Ob 63/02z sowie 2 Ob 185/02y und Kodek in Rechberger ZPO2 § 519 Rz 3).

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte bereits in erster Instanz ihre mangelnde Parteifähigkeit eingewendet und das Erstgericht im Ergebnis gemeinsam mit der Hauptsache über diese Einrede entschieden hat. Als eine der Prozessvoraussetzungen ist ja auch jene der Parteifähigkeit anzusehen (vgl zuletzt etwa OGH 9 ObA 95/02i; Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2, vor 226 Rz 6 f; RIS-Justiz RS0035392 mwN). Als parteifähig werden allgemein juristische Personen und damit auch Gesellschaften mbH mit der Eintragung im Firmenbuch angesehen (vgl Schubert in Fasching/Konecny2 II vor § 1 ZPO Rz 32; Fucik in Rechberger ZPO2 vor § 1 Rz 5 jeweils mwN).

Die Löschung der Firma einer GmbH im Firmenbuch, die hier gemäß § 40 Firmenbuchgesetz erfolgte, hat grundsätzlich nur deklarative Bedeutung; die Gesellschaft besteht solange fort, als noch verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (vgl allgemein RIS-Justiz RS0050186 mwN, zuletzt OGH 4 Ob 57/03s; Schubert aaO Rz 36). Mit der Vollbeendigung ist die Gesellschaft aber als solche erloschen (vgl OGH 9 ObA 95/02i mwN; RIS-Justiz RS0021209). Bis zum Beweis des Gegenteiles ist davon auszugehen, dass nach der Löschung die Kapitalgesellschaft vermögenslos ist (vgl OGH 9 ObA 95/02i). Die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der Prozessvoraussetzungen und der für ihre Feststellung erforderlichen Tatsachen ändert dabei nichts daran, dass grundsätzlich jene Partei, die eine für sie günstige Sachentscheidung will, die objektive Beweislast für das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen trifft (vgl OGH 9 ObA 95/02i mwN).

Wird die Klage gegen eine GmbH erhoben, die bereits voll beendet ist, so mangelt es an der Prozessvoraussetzung der Parteifähigkeit und die Klage ist zurückzuweisen, während dann, wenn bei einer beklagten GmbH die Löschung und Vollbeendigung erst während aufrechten Prozesses erfolgt, dem Kläger die Möglichkeit offen steht, den Prozess fortzusetzen (vgl dazu RIS-Justiz RS0110979 mzwN; insb die Entscheidung des verstärkten Senates 8 ObA 2344/96f = SZ 71/175; RIS-Justiz RS0109397 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, etwa zuletzt OGH 1 Ob 153/02k und OGH 7 Ob 242/03f).

Hier wurde nun als einziger Bestandteil des Aktivvermögens der bereits gelöschten GmbH deren Regressanspruch als Betriebsübergeber gegen die KEG als Betriebsübernehmer im Sinne des § 3 AVRAG für die eingeklagte Abfertigung genannt.

Nach § 3 Abs 1 AVRAG tritt der Erwerber eines Betriebes als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten, die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehen, in die Arbeitsverhältnisse ein. Zufolge § 6 Abs 2 AVRAG haftet der Veräußerer für Abfertigungsansprüche, die nach dem Betriebsübergang entstehen, für einen dort näher festgelegten Zeitraum für jenen Betrag, der den fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspricht. § 6 AVRAG regelt die Frage der Haftung sowohl des Betriebserwerbers als auch des Übergebers jeweils gegenüber dem Arbeitnehmer im Sinn einer solidarischen Haftung für das jeweils betroffene Entgelt (vgl allgemein auch RIS-Justiz RS0108284 mwN, insb 8 ObA 214/02g zum Erlöschen der Verpflichtung des einen Solidarschuldners durch die Zahlung des anderen Solidarschuldners). Es bedarf nun keiner näheren Erörterung, inwieweit der Kläger die Haftung der KEG für seine Abfertigung im Hinblick auf die behauptete einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits knapp vor dem Betriebsübergang und die danach erfolgte Fortsetzung auf § 3 Abs 1 AVRAG oder § 6 Abs 1 AVRAG stützen kann. Geht es doch hier nur um den allfälligen Regressanspruch des alten Arbeitgebers gegen den Betriebserwerber. Es geht also darum, welchen Ausgleich der eine leistende Solidarschuldner (Betriebsveräußerer) gegen den anderen dadurch befreiten Solidarschuldner (Betriebserwerber) hat. Dazu hat der Oberste Gerichtshof aber bereits ausgesprochen, dass diese Frage entsprechend § 896 ABGB nach den allfälligen „besonderen Verhältnissen" zwischen Veräußerer und Erwerber zu lösen ist. Es soll auf den Nutzen, den der alte bzw der neue Betriebsinhaber aus der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezogen haben bzw darauf, welche Entgeltbestandteile diesen Nutzen abgelten sollten, abgestellt werden. Bei sukzessiv entstehenden Anwartschaftsrechten wie der Abfertigung ist unter Heranziehung von § 6 Abs 2 AVRAG jener Betrag dem Veräußerer zuzurechnen, der dem „fiktiven" - hier tatsächlichen - Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspricht (vgl OGH 16. 12. 2003, 5 Ob 114/03f; RIS-Justiz RS0118665 mwN, etwa 9 ObA 17/04x; allgemein Bydlinski in FS Bauer/Maier/Petrag, 215 ff, insb 225).

Hier war aber der Abfertigungsanspruch des Klägers in dem geltend gemachten Umfang bereits zur Gänze beim „Betriebsveräußerer" entstanden. Ein Regress gegenüber dem Betriebserwerber kommt also schon im Ansatz nicht in Betracht. Schon aus diesem Grund kann der Kläger mit seinen Behauptungen ein Aktivvermögen der gelöschten GmbH nicht nachweisen.

Soweit es der Kläger als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, dass das Berufungsgericht im Akt befindliche Urkunden bzw das Firmenbuch nicht berücksichtigt habe, aus dem sich ergeben hätte, dass die GmbH Forderungen gegen die Gesellschafter in Höhe von EUR 18.000,-- aus der nicht einbezahlten Stammeinlage offen hätte, stellt er gar nicht dar, welche konkreten Urkunden dies gewesen wären, aus denen sich dies ergeben könnte. Vielmehr liegt im Akt der Beschluss über die Löschung der Beklagten gemäß § 40 FBG. Im Übrigen konnte das Berufungsgericht ja davon ausgehen, dass gerade die aus dem Firmenbuch ersichtlichen Tatsachen Gegenstand des Verfahrens der Löschung der Beklagten nach § 40 FBG waren (vgl RIS-Justiz RS0060134 mwN, zuletzt OGH 6 Ob 19/01i).

Soweit der Kläger nunmehr erstmals vorbringt, dass die Beklagte noch Ansprüche auf Einzahlung von übernommenen, aber nicht zur Gänze einbezahlten Stammeinlagen habe, tritt dem die Beklagte mit einer Saldenliste entgegen, aus der hervorgehe, dass diese Zahlung bereits geleistet wurde.

Grundsätzlich gilt nun das Neuerungsverbot auch im Rekursverfahren (vgl RIS-Justiz RS0042091 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt OGH 9 ObA 154/01i). Davon ausgenommen sind von Amts wegen zu beachtende Umstände, etwa auch Prozessvoraussetzungen (vgl RIS-Justiz RS0108589 mwN, etwa OGH 8 Ob 103/03k). Im Zwischenstreit über die Parteifähigkeit hat aber der Prozessteil über dessen Parteifähigkeit zu entscheiden ist, die Stellung einer Prozesspartei und kann selbst dann, wenn ihm die Parteifähigkeit aberkannt wurde, noch alle Rechtsmittel ergreifen (vgl dazu Schubert aaO Rz 74 mwN, etwa SZ 60/154). Insoweit lag also gar kein von Amts wegen zu beachtender Umstand vor und verstoßen die nunmehrigen - im Übrigen auch bestrittenen - Ausführungen des Klägers zu allenfalls doch vorhandenen Vermögensbestandteilen gegen das Neuerungsverbot.

Es war daher dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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