OGH 9ObA95/02i

OGH9ObA95/02i22.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Otto E*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, zuletzt ***** wegen EUR 848,44 brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2002, GZ 15 Ra 1/02p-15, womit aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. November 2001, GZ 44 Cga 77/01m-9, der angefochtene Beschluss und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist mangels abweichender Regelung im § 47 ASGG auch im Verfahren in Arbeitsrechtssachen anzuwenden (RIS-Justiz RS0114690). Der Rekurs des Klägers ist daher - ungeachtet des Ausspruches des Rekursgerichtes und der Frage des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 46 Abs 1 ASGG - zulässig (Kuderna, ASGG² 286 f; Kodek in Rechberger, ZPO² § 519 Rz 3); er ist jedoch nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat die Parteifähigkeit der Beklagten zutreffend verneint, sodass auf die Rekursentscheidung hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Rekurswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

Für die Zulässigkeit des mit der Klage begehrten Rechtsschutzes müssen bestimmte verfahrensrechtliche Bedingungen, die Prozessvoraussetzungen, vorliegen. Als Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen sie feststehen, bevor darüber entschieden werden darf, ob die Klage begründet ist. Grundsätzlich ist die Klage zurückzuweisen, wenn sie nicht gegeben sind. Ihr Vorliegen ist daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Eine dieser allgemeinen Prozessvoraussetzungen, die in jedem Zivilprozess vorliegen muss, ist die Parteifähigkeit (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO² vor § 226 Rz 6 f mwN; infas 1998, A 100; RIS-Justiz RS0035392 ua). Sie ist in der ZPO nicht besonders geregelt, es gilt jedoch allgemein:

Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist, also ua auch alle juristischen Personen. Die Parteifähigkeit beginnt bei einer GmbH prinzipiell mit der Eintragung im Firmenbuch (Fucik in Rechberger, ZPO² Vor § 1 Rz 5 mwN).

Die Firma der beklagten GmbH wurde am 16.6.2001 gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht (ON 10). Nach dieser Bestimmung kann eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie trotz Aufforderung durch das Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff HGB) von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt (§ 40 Abs 1 FBG).

Nach herrschender Ansicht wirkt die Löschung der Firma einer GmbH im Firmenbuch nur deklarativ (RdW 1992, 8; infas 1998, A 100; NZ 2000, 90; wbl 2002/25; RIS-Justiz RS0061921 ua); die Gesellschaft besteht solange fort, als noch Aktivvermögen vorhanden ist. Fehlt ein solches, endet die Rechtspersönlichkeit der GmbH mit der amtswegigen Löschung. Die Vollbeendigung tritt sohin - was auch der Rekurswerber einräumt - dann ein, wenn neben der Löschung auch die materiellrechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (Koppensteiner, GmbHG² § 93 Rz 8; Fucik aaO Vor § 1 Rz 5 mwN; NZ 2000, 90; wbl 2002/25; RIS-Justiz RS0050186). Mit der Vollbeendigung ist die Gesellschaft als solche erloschen (infas 1998, A 100; RIS-Justiz RS0021209).

Das Rekursgericht hatte, nachdem die Löschung der Firma der Beklagten bekannt wurde, Zweifel an der Parteifähigkeit der Beklagten. Es ging letztlich von der Vermögenslosigkeit der Beklagten aus, nachdem im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Parteifähigkeit auch der Kläger über Aufforderung des Rekursgerichtes mitteilte, dass er ein verwertbares Vermögen der Beklagten weder behaupten noch bescheinigen könne, weil ihm ein solches nicht bekannt sei (ON 14). Der Rekurswerber missversteht in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Rekursgerichtes. Richtig ist, dass es zufolge Verpflichtung der Gerichte, das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen stets von Amts wegen zu prüfen, nicht um eine allfällige Beweisführungslast (subjektive Beweislast) des Klägers geht. Eine solche wurde auch nicht der Entscheidung des Rekursgerichtes zugrundegelegt. Die amtswegige Ermittlung der Prozessvoraussetzungen und der für ihre Feststellung erforderlichen Tatsachen ändert aber nichts daran, dass grundsätzlich jene Partei, die eine für sie günstige Sachentscheidung will, die objektive Beweislast für das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen trifft (Rechberger/Frauenberger aaO Vor § 226 Rz 6; vgl zur objektiven Beweislast auch RIS-Justiz RS0084383, RS0103347). Für den Kläger gereicht es daher zum Nachteil, dass kein Vermögen der Beklagten festgestellt werden konnte, sohin Tatsachen, die für die Bejahung der Parteifähigkeit der Beklagten erforderlich wären, vom Rekursgericht nicht festgestellt werden konnten (Rechberger in Rechberger, ZPO² Vor § 266 Rz 10). Im Übrigen behauptet der Rekurswerber auch jetzt kein Vermögen der Beklagten. Der Kläger war im gesamten Verfahren rechtsanwaltlich vertreten; was er damit meint, seine Auskunft, Vermögen der Beklagten sei ihm nicht bekannt (ON 14), sei die Auskunft eines "unbedarften Beteiligten" gewesen, ist daher nicht nachvollziehbar. Eine "falsche Verteilung der Beweislasten" fand entgegen der Ansicht des Rekurswerbers nicht statt.

Die Löschung der Firma der Beklagten erfolgte zwar erst nach der Klageeinbringung (2.5.2001), aber noch vor der Zustellung der Klage an die Beklagte. Wird eine beklagte Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebt der Kläger hingegen nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (JBl 1999, 126 [verst Senat]). Anders ist die Rechtslage hingegen, wenn das Prozessrechtsverhältnis erst nach der Löschung der beklagten GmbH begründet werden soll. Gegen eine vollbeendete und damit nicht mehr parteifähige Gesellschaft kann kein Prozessrechtsverhältnis begründet werden (8 ObA 274/01d). Die Fortsetzung eines anhängigen Passivprozesses der Gesellschaft trotz Vollbeendigung setzt nämlich voraus, dass ein Prozessrechtsverhältnis bereits zuvor begründet wurde (infas 1998, A 100; RIS-Justiz RS0109397). Voraussetzung ist sohin, dass "ein einmal zu Recht begonnenes Prozessrechtsverhältnis" vorliegt. Im vorliegenden Fall wurde aber die Klage der beklagten GmbH nie zugestellt, sodass mangels Eintritts der Streitanhängigkeit kein Prozessrechtsverhältnis mit der Beklagten begründet wurde (RIS-Justiz RS0035195). Den Überlegungen des Rekurswerbers, das Abstellen auf die Streitanhängigkeit begründe eine vom Kläger unbeeinflussbare "Willkür" bzw Zufälligkeit, kann nicht beigepflichtet werden; sie rechtfertigen kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung. In der Entscheidung 8 ObA 233/96f (= JBl 1999, 126 [verst Senat]) wurde ausdrücklich im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK und unter Bezugnahme auf Graff in AnwBl 1992, 154 f betont, dass ein einmal rite begonnenes Prozessverhältnis nicht durch einseitige Aktionen einer Partei zur Beendigung gebracht werden darf. Im vorliegenden Fall wurde aber noch gar kein Prozessverhältnis zur Beklagten begründet.

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