OGH 10ObS134/04k

OGH10ObS134/04k14.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und DDr. Wolfgang Massl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hans-Herbert P*****, Technischer Kalkulant, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2004, GZ 12 Rs 3/04d-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. September 2003, GZ 19 Cgs 171/01t-44, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 15. 11. 1942 geborene Kläger absolvierte eine Lehre als Schriftsetzer und war in den letzten 15 Jahren vor Pensionsantragstellung ausschließlich beim OÖ L***** in W***** als technischer Kalkulant beschäftigt. Seine Aufgaben waren überwiegend kaufmännische Tätigkeiten, insbesondere Angebotserstellung, Auftragsbearbeitung, Kundenbetreuung, Vor- und Nachkalkulation, Fakturierung und Versand. Dieser Tätigkeitsbereich entspricht der Verwendungsgruppe IV des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie. Der Kläger ist seit Jänner 2000 arbeitslos und bezieht seit 31. 10. 2000 Pensionsvorschuss.

Der Kläger kann noch leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen im Sitzen, Stehen und Gehen verrichten. Nach 30 bis 60 Minuten Haltungskonstanz im Sitzen und Stehen sind Haltungsänderungen für drei bis fünf Minuten erforderlich; danach kann die ursprüngliche Körperhaltung wieder eingenommen werden. Dem Kläger sind insbesondere keine Arbeiten unter häufig erhöhtem Zeitdruck möglich sowie Arbeiten, die wesentliche bis überdurchschnittliche Anforderungen an Eigeninitiative und Eigenverantwortung stellen; ebenso scheiden Arbeiten mit psychisch belastendem Parteien- und Kundenverkehr aus. Mit diesem Leistungskalkül ist der Kläger nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten der Verwendungsgruppe IV des Rahmenvertrages für Angestellte der Industrie auszuüben.

Mit Bescheid vom 11. 4. 2001 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag des Klägers vom 19. 6. 2000 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger die Berufsunfähigkeitspension ab dem 1. 7. 2000 zu; eine vorläufige Zahlung wurde der beklagten Partei nicht aufgetragen. Rechtlich ging das Erstgericht im Wesentlichen davon aus, dass eine Verweisung des Klägers auf Tätigkeiten der Verwendungsgruppe III des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte der Industrie im Anwendungsbereich des § 255 Abs 4 ASVG nicht in Frage komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Ansicht des Erstgerichts, die dem Kläger unstrittig noch möglichen Tätigkeiten der Verwendungsgruppe III des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte der Industrie seien in Kombination mit den vom Kläger tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten schon nicht mehr als "eine Tätigkeit" iSd § 255 Abs 4 ASVG anzusehen, sei zu streng; sie würde die Verweisung nach § 255 Abs 4 ASVG zum seltenen Ausnahmefall machen. Für den Kläger bestehe offenbar die wesentliche Einschränkung darin, dass er keine Arbeit mit häufig erhöhtem Zeitdruck, mit wesentlichen Anforderungen an Eigeninitiative und Eigenverantwortung und mit psychisch belastendem Kundenverkehr durchführen könne. Für die Einordnung der vom Erstgericht beschriebenen Tätigkeiten eines technischen Kalkulanten in die Verwendungsgruppe IV bzw III des genannten Rahmenkollektivvertrages sei aber gerade nicht die funktionelle Eigenart dieser Tätigkeiten, sondern vielmehr der Umstand maßgeblich, ob diese Tätigkeiten inhaltlich schwieriger seien und insbesondere "verantwortlich selbständig" (Verwendungsgruppe IV) oder "nach allgemeinen Richtlinien und Weisungen" (Verwendungsgruppe III) ausgeführt werden müssten. Es sei also das für die Verwendungsgruppe IV kennzeichnende gesteigerte Maß an Eigenverantwortung, das dem Kläger nicht mehr abverlangt werden könne und ihn von diesen Tätigkeiten ausschließt. Wenn aber diese Tätigkeiten der Verwendungsgruppe IV und III im Übrigen, also ihrer Art nach (funktionell) praktisch gleichartig seien, dann handle es sich dabei jedenfalls noch um "eine Tätigkeit" iSd § 255 Abs 4 ASVG.

Entscheidend sei im vorliegenden Fall die Zumutbarkeitsfrage in dem Sinn, ob dem Kläger im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG eine Tätigkeitsänderung zumutbar sei, bei der die bisherige Tätigkeit nicht mehr selbständig und eigenverantwortlich, sondern nach Richtlinien und Weisungen, also in betrieblich-hierarchisch niedrigerer Stellung zu verrichten sei. Mit einem solcherart geänderten Einsatz verliere der Kläger ein gewisses Maß an Sozialprestige, das mit einer eigenverantwortlichen Tätigkeit erfahrungsgemäß verbunden sei; dies allein stehe aber nach Ansicht des Senates einer Verweisung im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG nicht entgegen. Anders wäre dies allenfalls dann zu beurteilen, wenn mit dem geänderten Kompetenzbereich auch wesentliche wirtschaftliche Nachteile im Sinne deutlicher Einkommenseinbußen verbunden wären, was bislang nicht erhoben worden sei.

Für die Verweisbarkeit des Klägers sei weiters maßgeblich, ob Arbeitsplätze (allein) mit Tätigkeiten, die der Verwendungsgruppe III entsprechen, im Druckereibereich oder in sonstigen, nach ihrem betrieblichen Umfeld ähnlichen Branchen überhaupt in nennenswerter Anzahl verfügbar seien, was bislang ebenfalls ungeklärt geblieben sei. Auf Tätigkeiten in einer völlig fremden Branche mit anderem arbeitskulturellen Umfeld und verbunden mit einer mehrmonatigen Einschulung dürfe der Kläger jedenfalls nicht verwiesen werden.

Zur Beurteilung der allfälligen Berufsunfähigkeit des Klägers werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären und festzustellen haben, ob in der Druckereibranche oder in einer Branche mit vergleichbarem Arbeitsumfeld zumindest 100 Arbeitsplätze mit technisch-kalkulatorischen Tätigkeiten im Sinne der Verwendungsgruppe III des genannten Rahmenkollektivvertrages existieren und welche Einkommenseinbußen für den Kläger damit voraussichtlich verbunden wären. Fehle es an einer ausreichenden Anzahl solcher Arbeitsplätze oder wären mit dem sozialen Abstieg auf die Verwendungsgruppe III auch relevante Einkommensverluste verbunden, wäre die Berufsunfähigkeit des Klägers zu bejahen; andernfalls wäre das Klagebegehren abzuweisen.

Angesichts der Frage der Bedeutung eines sozialen Prestigeverlusts und wirtschaftlicher Nachteile im Rahmen einer Verweisung nach § 255 Abs 4 ASVG sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der klagenden Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und in der Sache selbst im klagsstattgebenden Sinn zu entscheiden. Hilfsweise werden Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach der gemäß § 273 Abs 2 ASVG im Berufsunfähigkeitspensionsrecht entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/43, gilt als invalid (hier: berufsunfähig) ein Versicherter, der das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer Tätigkeit, die er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen.

In den Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales AB 187 BlgNR XXI. GP 3 f) wird zur Frage der "zumutbaren Änderungen" folgendermaßen Stellung genommen: "Als flankierende Maßnahme zur Abfederung von Härten infolge der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (wegen Erwerbsunfähigkeit) soll unter einem der Berufsschutz für Personen, die das 57. Lebensjahr bereits vollendet und durch 10 Jahre während der letzten 15 Jahre vor dem Pensionsstichtag eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt haben, verbessert werden. Können diese Personen aufgrund einer Krankheit (eines sonstigen Gebrechens) die besagte Tätigkeit nicht mehr ausüben, so gelten sie unter den erwähnten Voraussetzungen als invalid (berufs- bzw erwerbsunfähig), es sei denn, dass ihnen im konkreten Fall noch eine Änderung dieser Tätigkeit bzw eine Umorganisation des Betriebes in sachlicher wie personeller Hinsicht zugemutet werden kann". Weiters wurde im Ausschuss für Arbeit und Soziales in der Sitzung vom 31. 5. 2000 mit Stimmenmehrheit folgende Ausschussfeststellung angenommen: "Der Ausschuss für Arbeit und Soziales geht davon aus, dass mit § 255 Abs 4 (§ 273 Abs 3) ASVG insbesondere für ungelernte Arbeiter und Angestellte in niedrigen Verwendungsgruppen ein wirksamer Berufsschutz geschaffen werden soll. Ein anderer Tätigkeitsbereich als bisher ist jedenfalls unzumutbar, wenn er eine wesentliche Änderung des beruflichen Umfelds des Versicherten bedeuten würde wie zB das Anlernen gänzlich neuer Tätigkeiten oder der Verweis auf eine Tätigkeit, die in einem anderen arbeitskulturellen Umfeld erbracht werden muss (zB Bauhilfsarbeiter in die Textilbranche). Im Ergebnis soll mit der neuen Regelung auch bewirkt werden, dass entgegen der bisherigen Judikatur zu ungelernten Arbeiten die berufliche Entwicklung des Anspruchswerbers bei der Anspruchsprüfung berücksichtigt werden und beispielsweise für eine Person, die im Baubereich ungelernte Tätigkeiten verrichtet hat, der Verweis auf die Tätigkeit als Portier ausgeschlossen sein soll."

Der Oberste Gerichtshof hat etwa in den Entscheidungen 10 ObS 185/02g (SSV-NF 16/100 = EvBl 2003/20), 10 ObS 352/02s (SSV-NF 16/136) und 10 ObS 367/02x (SSV-NF 16/140) eingehend zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG Stellung genommen (siehe zur bisherigen Judikatur Hinterobermaier, Die Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG: Voraussetzungen und Verweisbarkeit, RdW 2004, 164 ff). Zu dem von Schrammel (Der Invaliditäts-/Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsbegriff nach dem SVÄG 2000, ecolex 2000, 886 ff [888]) als "kryptisch" bezeichneten Satz über die Berücksichtigung zumutbarer Änderungen der Tätigkeit (siehe auch Tomandl, Die Verweisung im Recht der Pensionsversicherung, in Tomandl [Hrsg], Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht, Band 43, 1 ff [6]) hat der Oberste Gerichtshof die Meinung vertreten, dass die zumutbaren Änderungen offenkundig eng zu interpretieren sind (RIS-Justiz RS0100022 [T4]).

In der Entscheidung 10 ObS 185/02g (SSV-NF 16/100 = EvBl 2003/20; siehe dazu Heckenast, DRdA 2003, 296) wurde eine Verweisung jedenfalls dann als zumutbar angesehen, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist (ebenso Schrammel aaO 889). Als Kriterien wurden dabei neben dem kulturellen Arbeitsumfeld unter anderem auch die Kontakte mit Mitarbeitern sowie die räumliche Situation angeführt (vgl Röhrenbacher, Gedanken und Überlegungen zum neuen Invaliditätsbegriff, SozSi 2001, 846 ff [852]). Der Branche wurde keine allein ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt; es wurde aber ausgesprochen, dass sie bei der Konkretisierung des Umfelds eine Rolle spielen kann.

In einer jüngeren Entscheidung wurde beispielsweise die Invalidität eines als LKW-Fahrer tätig gewesenen Klägers mit der Begründung verneint, dass er noch Tätigkeit als Fahrer eines Klein-LKWs oder Zusteller verrichten könne, weil beide Tätigkeiten das Lenken von LKWs zum wesentlichen Tätigkeitsinhalt haben und die Verweisungstätigkeit auch vom technischen und persönlichen Umfeld sowie vom räumlichen Arbeitsbereich her betrachtet der bisher ausgeübten Tätigkeit sehr ähnlich sei (10 ObS 186/03f). Eine Verweisung eines ohne Unterbrechungen als Muldenkipperfahrer in einem Steinbruch beschäftigten Versicherten auf Tätigkeiten eines Zustellfahrers wurde demgegenüber mit der Begründung verneint, dass sich durch eine Verweisung das bisherige Arbeitsumfeld wesentlich ändere (10 ObS 12/04v). Zur Frage der Verweisbarkeit eines bisher als Frachtgutlader auf einem Flughafen beschäftigt gewesenen Versicherten auf die Tätigkeit eines Arbeiters in der Leergutannahme eines Großhandelsbetriebes wurde die Ansicht vertreten, dass der Umstand, dass bei beiden Tätigkeiten mit Gütern manipuliert werde und das geistige Anforderungsprofil vergleichbar gering sei, für sich allein nicht ausreiche, um die Zumutbarkeit einer Verweisung zu begründen, da sonst die vom Gesetzgeber - im Verhältnis zu § 255 Abs 3, aber auch § 255 Abs 1 ASVG - beabsichtigte Einschränkung des Verweisungsfeldes nicht gewährleistet wäre (10 ObS 101/03f). In der Entscheidung 10 ObS 421/02p (ARD 5433/17/2003 = infas 2003, S 38 = DRdA 2003, 459 = SVSlg 48.813) wurde ausgeführt, dass eine Verweisung eines Bauschlossers auf die Tätigkeiten eines Einstellers an CNC-gesteuerten Maschinen oder eines Fertigungsprüfers den Rahmen der "zumutbaren Änderungen" überschreiten würde, weil nicht die eigenhändige Produktion, sondern die Kontrolle maschineller Tätigkeiten im Vordergrund stehe; außerdem sei das Arbeitsumfeld anders.

Im vorliegenden Fall war der Kläger nach den erstinstanzlichen Feststellungen im 15-jährigen Beobachtungszeitraum vor dem Stichtag "ausschließlich beim OÖ L***** in W***** als technischer Kalkulant beschäftigt. Die Aufgaben des Klägers waren überwiegend kaufmännische Tätigkeiten, insbesondere Angebotserstellung, Auftragsbearbeitung, Kundenbetreuung, Vor- und Nachkalkulation, Fakturierung und Versand. Dieser Tätigkeitsbereich entspricht der Verwendungsgruppe IV oder Beschäftigungsgruppe 4 des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie."

Im Rekurs wird vom Kläger in den Vordergrund gerückt, dass es sich bei einer Verweisung auf Tätigkeiten der Verwendungsgruppe III um eine unzumutbare Änderung iSd § 255 Abs 4 handle, weil Kern der bisherigen Tätigkeit des Klägers nicht nur die inhaltlich technisch-kalkulatorische Tätigkeit, sondern insbesondere die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit bei dieser Tätigkeit gewesen sei, sodass eine Änderung auf eine nach Richtlinien und Weisungen zu verrichtende Tätigkeit unzumutbar sei. In diesem Sinn wäre das klagsstattgebende Ersturteil zu bestätigen gewesen.

Diese Ausführungen sind insoweit berechtigt, als es bei der Beurteilung der Verweisbarkeit nach § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 4 ASVG auch darauf ankommt, mit welchem Maß an Verantwortung eine Tätigkeit verbunden war. Wurde die bisherige Tätigkeit selbständig und eigenverantwortlich ausgeführt, wäre eine Änderung auf eine deutlich untergeordnete, nur nach Weisungen und Vorgaben zu verrichtende Tätigkeit nicht zumutbar. Ob dies im konkreten Fall zutrifft oder nicht, kann mangels an ausreichenden Feststellungen zur bisherigen Tätigkeit und zu möglichen Verweisungstätigkeiten noch nicht beurteilt werden. Zu beachten ist, dass § 255 Abs 4 ASVG - ebenso wie die Vorgängerbestimmung (§ 253d ASVG) - nicht auf die Anforderungen an einem bestimmten Arbeitsplatz abstellt, sondern auf die abstrakte "Tätigkeit" mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt (10 ObS 367/02x = SSV-NF 16/140; 10 ObS 98/03i = ARD 5433/14/2003), sodass kein Arbeitsplatzschutz, sondern ein Tätigkeitsschutz (oder ein dem inhaltlich entsprechender "besonderer Berufsschutz") vermittelt wird.

Sollte sich, was Selbständigkeit und Verantwortlichkeit anlangt, bei einer Verweisung das arbeitskulturelle Umfeld nicht wesentlich ändern, sodass die Zumutbarkeit einer Änderung zu bejahen wäre, ist weiters zu klären, ob zumindest 100 Arbeitsplätze mit technisch-kalkulatorischen Tätigkeiten im Sinne der Verwendungsgruppe III des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte der Industrie existieren. Maßgeblich sind nicht allein die Druckereibranche und verwandte Branchen, sondern es ist eine Verweisbarkeit auch auf andere Branchen möglich, soweit ein vergleichbares arbeitskulturelles Umfeld besteht und eine Umschulung zumutbar ist.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Bedeutung einer relevanten Einkommenseinbuße ist insoweit zu relativieren, als nur eine gravierende Lohneinbuße eine Unzumutbarkeit der Verweisung bewirken kann. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 8/04f darauf hingewiesen, dass § 255 Abs 4 ASVG im Gegensatz zu § 255 Abs 3 ASVG und zur Vorgängerbestimmung (§ 253d Abs 1 Z 4 ASVG) nicht auf die Möglichkeit des Erreichens der Lohnhälfte abstellt. Allerdings können merkbare Lohneinbußen von der bisherigen Tätigkeit, wie sie auf dem Arbeitsmarkt entlohnt wird, auf eine Verweisungstätigkeit einen Einfluss auf die Beurteilung der Zumutbarkeit der Änderung der Tätigkeit (bzw Verweisung) in der Form haben, dass eine gravierende Lohneinbuße ein Kriterium für die Unzumutbarkeit einer Verweisung darstellen kann.

Mit den angeführten Ergänzungen und Präzisierungen erweist sich der Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichts als zutreffend.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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