OGH 7Ob173/04y

OGH7Ob173/04y28.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Diana S*****, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Baden, gegen die beklagte Partei Z*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Andreas Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 18.000,- -), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2003, GZ 2 R 181/03g-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13. Mai 2003, GZ 12 Cg 113/02s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 1.000,98 (darin enthalten EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1. 1. 1999 bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1995) zu Grunde, die ua folgende, für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Bestimmungen enthalten:

Art 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten. ...

...

Art 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

1. Der Versicherungsschutz umfasst nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

...

1.2. in unmittelbarem oder mittelbarem

Zusammenhang mit nuklearen Ereignissen,

sonstigen Ereignissen, die in außergewöhnlichem

Umfang Personen- oder Sachschäden bewirken

(Katastrophen im Sinne der

Katastrophenhilfegesetze) sowie mit Ereignissen,

die auf allmähliche Einwirkung zurückzuführen

sind;

...

Art 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und

wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage

aufzuklären und ihm alle erforderlichen

Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

...

1.4. alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig

erhöht oder die Kostenerstattung durch Dritte

ganz oder teilweise verhindert;

1.5. bei der Geltendmachung oder Abwehr von

zivilrechtlichen Ansprüchen außerdem

...

1.5.2. vor der gerichtlichen Geltendmachung oder

Abwehr von Ansprüchen und vor der Anfechtung

einer gerichtlichen Entscheidung die

Stellungnahme des Versicherers, insbesondere zur

Aussicht auf Erfolg, einzuholen; ...

...

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei.

...

Art 24

Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete

1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?

Versicherungsschutz hat der Versicherungsnehmer in seiner jeweils versicherten Eigenschaft als Eigentümer, Vermieter, Verpächter, Mieter, Pächter oder dinglich Nutzungsberechtigter des in der Polizze bezeichneten Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles (Wohnung).

2. Was ist versichert?

...

2.3. Abweichend von Art 7 Pkt. 1.2. umfasst der

Versicherungsschutz auch die gerichtliche

Geltendmachung von nachbarrechtlichen

Ansprüchen auf Grund allmählicher

Einwirkungen, die von unmittelbar benachbarten

Grundstücken ausgehen.

...

4. Was gilt als Versicherungsfall?

Bei der gerichtlichen Geltendmachung von nachbarrechtlichen Ansprüchen auf Grund allmählicher Einwirkungen, die von unmittelbar benachbarten Grundstücken ausgehen, gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem die allmählichen Einwirkungen begonnen haben oder begonnen haben sollen, das ortsübliche Maß zu überschreiten. ...

5. Wartefrist

Für Versicherungsfälle, die vor Ablauf von drei Monaten ab dem vereinbarten Versicherungsbeginn eintreten, besteht kein Versicherungsschutz.

Die Klägerin ist seit 1985 Eigentümerin der (gemäß Art 24 ARB 1995 vom Versicherungsschutz umfassten) Liegenschaft *****. An der Grenze zum Nachbargrundstück der Ingeborg D***** befindet sich eine Stützmauer, die bereits beim Erwerb der Liegenschaft durch die Klägerin vorhanden war und von dieser in keiner Weise verändert wurde. Im Jahr 2000 monierte die Nachbarin D*****, dass die Stützmauer zu "bröseln" beginne, worauf die Klägerin die zum Nachbargrundstück weisende Mauerwand neu verputzen ließ.

In weiterer Folge erhob die Nachbarin D***** zu 24 Cg 334/01k LG Wr. Neustadt gegen die Klägerin (dort Beklagte) eine auf § 364 Abs 2 ABGB gestützte Klage: Die (eben erwähnte) Stützmauer weise - wie sie, Ingeborg D*****, erst im Jahr 2000 erkannt habe - eine starke Ausbuchtung in Richtung ihres Grundstückes auf. Eine Vermessung am 7. 12. 2000 habe ergeben, dass die Mauer bis zu 17 cm überhänge. Eine weitere Vermessung am 3. 9. 2001 habe erbracht, dass sich die Mauer über eine Länge von 10,83 m einen weiteren Zentimeter vorgeneigt habe. Es stehe zu befürchten, dass es zu einem Abstürzen der Mauer auf das Haus D***** komme, weshalb die (hier) Klägerin (dort Beklagte) verhalten werden möge, dafür Sorge zu tragen, dass der Überhang vermieden bzw beseitigt werde.

Diese Klage wurde der nunmehrigen Klägerin am 10. 12. 2001 zugestellt. Die Klägerin verständigte sofort ihre Anwältin, die die Beklagte mit Schreiben vom 21. 12. 2001 unter Vorlage der Klage um Deckungszusage ersuchte. In einem Telefonat am 28. 12. 2001 legte die Klagevertreterin dem Urlaubsvertreter des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten auch den Inhalt der Klagebeantwortung dar. Über Hinweis des Urlaubsvertreters, es sei notwendig, der Beklagten eine entsprechende (schriftliche) Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln, erstellte die Klägerin eine solche am 16. 1. 2002. Diese Darstellung, deren Quintessenz war, dass die Klägerin seit dem Liegenschaftserwerb 1985 keinerlei Veränderung an der Stützmauer vorgenommen habe, langte am 21. 1. 2002 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 28. 1. 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass kein Versicherungsschutz gewährt werden könne, da der Versicherungsfall bereits vor Jahrzehnten, jedenfalls aber vor Beginn des betreffenden Versicherungsvertrages eingetreten sei. Von diesem Standpunkt rückte die beklagte Partei in der Folge trotz mehrerer Interventionen der Klagevertreterin nicht mehr ab. Auf Grund ihrer Auffassung, der Schadensfall sei bereits vor Versicherungsbeginn eingetreten (und daher nicht versichert) zeigte sich die Beklagte (in Person ihres Sachbearbeiters) am Verfahren 24 Cg 334/01k, LG Wr. Neustadt in keiner Weise interessiert und nahm darauf keinerlei Einfluss.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für den betreffenden Schadensfall (Klage zu 24 Cg 334/01k LG Wr. Neustadt).

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Da sich die Mauer nach den Angaben der Klägerin seit vielen Jahren in unverändertem Zustand befinde, müsse der derzeitige Zustand bereits vor vielen Jahren, jedenfalls weit vor dem Versicherungsbeginn am 19. 7. (soll heißen 1.) 1999 erreicht worden sein. Im Übrigen habe die Klägerin vorsätzlich ihre Obliegenheit gemäß Art 8.1.4. und Art 8.5.2. (gemeint 8.1.5.2.) der ARB 1995 dadurch verletzt, dass sie sie von der Klage erst mit Schreiben vom 21. 12. 2001 verständig habe. Bei rechtzeitiger Benachrichtigung hätte sie darauf gedrängt, dass der Streitwert von S 500.000,-- auf S 150.000,-- herabgesetzt worden wäre. Ferner sei ihr die Möglichkeit genommen worden, unmittelbar nach der Klage, vor Auflaufen weiterer Kosten, Erhebungen an Ort und Stelle durchzuführen und die Erfolgsaussichten zu prüfen, weshalb sie gemäß Art 8.2. ARB 1995 leistungsfrei sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dem von ihm festgestellten, hier bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es im Wesentlichen dahin, eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin liege nicht vor. Die Beklagte sei ausreichend informiert worden. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, weitere ihr nötig scheinende Informationen einzuholen, wovon sie jedoch von sich aus Abstand genommen habe, weil sie der Meinung gewesen sei, ein Versicherungsfall liege nicht vor. Unstrittig sei, dass der Beklagten die Klage der Nachbarin D***** noch vor der ersten mündlichen Streitverhandlung zugekommen sei, weshalb sie eine Streitwertbemängelung hätte anregen können. Da nach Art 24 ARB 1995 auch die gerichtliche Geltendmachung von nachbarrechtlichen Ansprüchen auf Grund allmählicher Einwirkungen unter den Versicherungsschutz falle, wobei der Versicherungsfall eintrete, so bald die allmählichen Einwirkungen begonnen hätten oder begonnen haben sollten, das ortsübliche Ausmaß zu überschreiten, sei Deckung zu gewähren.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,- -, nicht aber EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, der Beklagten, die in ihrer Rechtsrüge einen Verstoß der Klägerin gegen Art 8.1.1. ARB 1995 behaupte, sei zu erwidern, dass ihr die Klägerin die Unterlassungsklage der Nachbarin zu einem Zeitpunkt zugemittelt habe, als die Klagebeantwortungsfrist, die erst am 14. 1. 2002 geendet habe, längst noch nicht abgelaufen gewesen sei. Aus der Klage habe sich die Sachlage ohnedies hinreichend ergeben. Wollte man von der Versicherten eine umfangreiche "Schadensmeldung" verlangen, in der alle möglichen und denkbaren Eventualitäten berücksichtigt sein müssten, wobei jede Rückfrage der Versicherung bereits die Leistungsfreiheit (mangels Vollständigkeit) zur Folge hätte, hieße dies die Aufklärungspflicht bei weitem überspannen. Die Beklagte habe selbst nicht erklären können, welcher Sachverhalt über den Inhalt der Klage hinaus noch aufklärungsbedürftig gewesen sein sollte. Über den Umstand, dass der Überhang der Stützmauer bereits seit Jahrzehnten bestehe, sei die Beklagte schon in dem Telefonat vom 28. 12. 2001 informiert worden; dazu habe somit keine Stellungnahme eingeholt werden müssen. Den Streitwert hätte die Beklagte bereits aus der Klage ersehen und die Klägerin zur Antragstellung nach § 7 RATG auffordern können. Dass sie nicht eingeschritten sei, liege nicht daran, dass sie über den Sachverhalt nicht informiert worden wäre, sondern daran, dass sie sich als nicht deckungspflichtig erachtet habe. Erhebungen an Ort und Stelle hätte sie bereits unmittelbar nach Erhalt der Klage durchführen können, wenn sie dies gewollt hätte. Das Erstgericht habe daher zu Recht eine Obliegenheitsverletzung nicht angenommen.

Da der Erddruck auf die - offenbar im Lauf der Zeit Festigkeit einbüßende - Stützmauer sich der Natur nach allmählich vollziehe, könne im gegenständlichen Fall von einem Allmählichkeitsschaden gesprochen werden. Nach Art 24.4. ARB 1995 sei für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht der Zeitpunkt der Errichtung der Mauer, sondern allein der Zeitpunkt bedeutend, in dem die allmählichen Einwirkungen das ortsübliche Maß überschritten hätten. Wann das ortsübliche Maß eines Überhanges einer Mauer überschritten werde, sei schwierig zu beantworten. Löse man die Frage rechtlich, müsste man daran denken, dass eine Überschreitung vorliege, wenn Nachbarrechte betroffen seien. Löse man die Frage bautechnisch - und einer solchen Lösung sei eher der Vorzug zu geben - werde dieses Maß wohl dann überschritten sein, wenn die Mauer eine Gefahr für das Nachbargrundstück zu bilden beginne. Die Eigentümerin des Nachbargrundstückes habe ganz offenbar die weitere Setzung der Mauer auf einer Länge von mehr als 10 m um einen Zentimeter in nicht einmal einem Jahr beunruhigt, was - insbesondere nach langjährigem Gleichbleiben des Zustandes - wohl als Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes anzusehen sei. Zu Recht habe das Erstgericht daher auch den Versicherungsfall als eingetreten erachtet.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu Art 24.4. ARB 1995 - geschweige denn zur Überschreitung der Ortsüblichkeit des Überhanges einer Mauer - soweit ersichtlich noch nicht ergangen seien.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten, die Aktenwidrigkeit sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin als unzulässig zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund - mangels oberstgerichtlicher Judikatur zu Art 24.4. ARB 1995 - zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte hält in der Revision daran fest, nicht zur Deckung verpflichtet zu sein, weil die Klägerin die Obliegenheit des Art 8.1.1. ARB 1995 verletzt habe. Leistungsfreiheit sei aber auch schon deshalb gegeben, weil der Versicherungsfall nach Art 24.4. ARB 1995 bereits vor Beginn der Laufzeit des gegenständlichen Versicherungsvertrags und damit außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs (Art 3 bzw Art 24.5. ARB 1995) der gegenständlichen Versicherung eingetreten sei.

Beide Einwände wurden aber von den Vorinstanzen mit Recht als nicht stichhältig erachtet:

Die Klägerin will Rechtsschutzdeckung bei der Abwehr von gegen sie erhobenen nachbarrechtlichen Ansprüchen (Unterlassung bzw Beseitigung einer Immission in Form eines Mauerüberhanges gemäß § 364 Abs 2 ABGB) in Anspruch nehmen. Gemäß Art 24.4. ARB 1995 gilt bei gerichtlicher Geltendmachung von nachbarrechtlichen Ansprüchen auf Grund allmählicher Einwirkungen, die von unmittelbar benachbarten Grundstücken ausgehen, der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem die allmählichen Einwirkungen begonnen haben oder begonnen haben sollen, das ortsübliche Maß zu überschreiten. Die zitierte Bestimmung schafft hinsichtlich nachbarrechtlicher Ansprüche eine Abgrenzung, wann die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr sich konkret zu verwirklichen beginnt (vgl Maier in Harbauer, Komm Rechtsschutzversicherung7 Rz 39 zu § 14 ARB 75). Sie dient damit der Differenzierung, ob ein während der Laufzeit des Versicherungsvertrages (im vorliegenden Fall 1. 1. 1999 bis 1. 1. 2009) eingetretener, deckungspflichtiger Versicherungsfall vorliegt, oder der Versicherungsfall schon vor dem Vertragsabschluss eingetreten und damit ein für den Versicherer deckungsfreier "Zweckabschluss" gegeben ist (vgl 7 Ob 25/89; 7 Ob 202/98a; 7 Ob 43/00z; 7 Ob 268/01i zu Versicherungsfällen in der Rechtsschutzversicherung allgemein).

Die in diesem Zusammenhang hier entscheidende Frage, wann die betreffende allmähliche Einwirkung (Neigung bzw Überhang der Stützmauer) begonnen hat bzw haben soll, das ortsübliche Maß zu überschreiten, ist, da es bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen nach hM auf das beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer vorauszusetzende Verständnis und nicht auf das spezielle Verständnis eines Juristen ankommt (7 Ob 6/92, JBl 1992, 717 = VersR 1993, 511; RIS-Justiz RS0081741), nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu beantworten: Maßgebend ist also die Ansicht des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0008901 und RS0050063, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Nach stRsp sind die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (VR 1990, 57 = RdW 1987, 329 [Schauer]; VR 1992, 88; ecolex 1994, 610; 7 Ob 147/00v; 7 Ob 41/01g; 7 Ob 43/02i; 7 Ob 160/03k uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste (SZ 69/134; 7 Ob 372/98a, SZ 72/83; 7 Ob 93/00b, SZ 73/169; 7 Ob 107/04t mwN uva), wobei Unklarheiten iSd § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen (7 Ob 37/89, JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = VR 1990/198 = VersR 1990, 445; 7 Ob 205/02a uva; Rummel in Rummel ABGB3 Rz 13 zu § 864a mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Auffassung des Berufungsgerichtes, es sei eher ein bautechnischer Lösungsansatz zu suchen, ebenso beizupflichten, wie der Meinung, das ortsübliche Maß sei wohl erst dann überschritten, wenn die Mauer eine Gefahr für das Nachbargrundstück zu bilden beginne. Zumindest bis zum tatsächlichen Erkennen einer Immission durch den durchschnittlich aufmerksamen Betroffenen wird eine Überschreitung der Ortsüblichkeit gewöhnlich nicht angenommen werden können. Aufgefallen ist der Beklagten die gegenständliche Mauerausbuchtung aber erstmals im Jahr 2000 (wobei ein etwa diesbezüglich sorgloses Verhalten der Beklagten von keiner Seite behauptet wurde). Insbesondere im ländlichen Raum wird eine eher geringfügige, keinerlei Gefährdung darstellende Mauerneigung zum Nachbargrundstück hin in der Regel eher toleriert und erst dann Überschreitung eines ortsüblichen Maßes angenommen und eine Beseitigung verlangt werden, wenn das eigene Grundstück dadurch merklich beeinträchtigt bzw sogar gefährdet erscheint. Genauso war es auch im vorliegenden Fall: Die Nachbarin der Klägerin sah sich zunächst, als am 7. 12. 2000 ein Überhang von immerhin maximal 17 cm festgestellt wurde, noch nicht zur Vornahme gerichtlicher Schritte veranlasst. Erst als man bei einer weiteren Verbesserung am 3. 9. 2001 eine weitere Setzung von 1 cm auf einer Länge von 10 m feststellte und ein gänzliches Abstürzen der Mauer befürchtet wurde, setzte die Nachbarin ein rechtsschutzversicherungsrelevantes Verhalten. Die Meinung des Berufungsgerichtes, es liege kein "vorvertraglicher" Versicherungsfall vor, weshalb grundsätzlich Deckungspflicht bestehe, ist daher zu billigen.

Zu prüfen bleibt demnach der Einwand der Obliegenheitsverletzung. Bei der betreffenden Bestimmung des Art 8.1.1. ARB 1995 handelt es sich nach stRsp (zu gleichlautenden Bestimmungen der ARB 1965 und 1988) um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat (7 Ob 2345/96w; 7 Ob 6/97a; 7 Ob 13/99h, RIS-Justiz RS0105784; vgl Bauer in Harbauer, Komm Rechtsschutzversicherung7, § 15 ARB 75 Rz 7). Dieser - nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilenden (vgl 7 Ob 13/99h) - Auskunftsverpflichtung hat die Klägerin im vorliegenden Fall durch schriftliche Mitteilung und Übersendung der gegen sie erhobenen Klage grundsätzlich genügt. Erteilt der Versicherungsnehmer - wie hier also geschehen - Auskünfte, die dem Versicherer aber nicht genau genug sind, so hat der Versicherer konkret zu sagen, worauf es ihm ankommt (Prölss/Armbruster in Prölss/Martin VVG27 Rz 2 zu ARB 75 § 15). Der anlässlich eines Telefonates am 28. 12. 2001 ergangenen - ganz allgemeinen - Aufforderung der Beklagten, eine schriftliche Darstellung des Sachverhaltes (aus ihrer Sicht) zu geben, ist die Klägerin sodann ebenfalls nachgekommen. Inwieweit diese Sachverhaltsdarstellung nicht ausreichend gewesen sein soll, wurde von der Beklagten in keiner Weise dargelegt. Von ihr wird vielmehr nach wie vor lediglich moniert, dass diese Darstellung nicht rechtzeitig gewesen sei; sie sei dadurch verhindert gewesen, den in der Klage angegebenen Streitwert zu bemängeln und unmittelbar nach der Klage, vor Auflaufen weiterer Kosten, Erhebungen an Ort und Stelle durchzuführen sowie die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen. Zutreffend hat dazu das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Beklagte an einem solchen Vorgehen aber keineswegs gehindert gewesen wäre, sondern sich (nach dem Bekunden ihres zuständigen Sachbearbeiters) dazu lediglich deshalb nicht veranlasst gesehen hat, weil sie den vorliegenden Versicherungsfall als vorvertraglich ansah und sich deshalb von vornherein leistungsfrei wähnte. Von einer Verletzung der Obliegenheit des Art 8.1.1. ARB 1995 durch die Klägerin kann daher gar keine Rede sein.

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes erweist sich demnach frei von Rechtsirrtum.

Auch die von der Revisionswerberin noch behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Sie wird in der Ausführung des Berufungsgerichtes erblickt, die schließlich festgestellte Neigung der Mauer um einen Zentimeter in nicht einmal einem Jahr sei "insbesondere nach langjährigem Gleichbleiben des Zustandes" wohl als Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes anzusehen. Dass der Zustand der Mauer langjährig gleichgeblieben sei, stehe mit den erstgerichtlichen Feststellungen in Widerspruch.

Abgesehen davon, dass ein solcher Widerspruch schon mangels erstgerichtlicher Feststellungen über die Entwicklung der schließlich festgestellten Mauerneigung nicht gegeben sein kann, verkennt die Revisionswerberin das Wesen einer Aktenwidrigkeit. Diese liegt nur bei einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellung im Urteil vor, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteiles ist (Fasching, LB2 Rz 1771), wobei aber dieser Widerspruch einerseits wesentlich, andererseits unmittelbar aus den Akten ersichtlich und behebbar sein muss. In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen kann somit eine Aktenwidrigkeit nicht gelegen sein (RIS-Justiz RS0043421 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Da die betreffende Ausführung des Berufungsgerichtes ganz offenbar eine Schlussfolgerung aus den Feststellungen darstellt, dass die Mauer von der Klägerin in keiner Weise verändert wurde, und der Beklagten ein Überhang erstmals im Jahr 2000 auffiel, wird dadurch eine Aktenwidrigkeit nicht verwirklicht.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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