OGH 7Ob2345/96w

OGH7Ob2345/96w23.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth V*****, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1.877,-- und Feststellung (Feststellungsstreitwert S 51.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26.April 1996, GZ 1 R 659/94 = 1 R 20/96d-12, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 16. September 1994, GZ 12 C 935/94a-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.706,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Rechtsschutzversicherung hat der Klägerin für die im Zusammenhang mit deren Autokauf bei der Firma Dieter F***** entstandenen rechtlichen Differenzen Deckung zugesagt. Im Zuge der außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Klägerin berichtete der Klagevertreter unter anderem mit an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 17.8.1993 (Beilage ./B) und vom 17.9.1993 (Beilage ./C) über den Stand der Verhandlungen und infomierte telefonisch den Referenten der Beklagten, Dr.T*****, vom Inhalt des beabsichtigten Vergleichs. Die außergerichtliche Tätigkeit des Klagevertreters für die Klägerin war erfolgreich. Die Beklagte zahlte auf das vom Klagevertreter für die Tätigkeit angesprochene Honorar S 19.894,--, lehnte aber die Bezahlung des Honorars für die Briefe Beilagen ./B und ./C sowie für das Telefonat mit dem Referenten der Beklagten von insgesamt S 1.877,-- ab.

Dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die ARB 1965/82 zugrunde, die auszugsweise lauten:

"Artikel 1

Gegenstand der Versicherung

(1) Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten in der in der Polizze bezeichneten Eigenschaft (Kategorie) zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen erwachsen:

1) bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes ...;

Artikel 3

Leistungen des Versicherers

(1) Der Versicherungsschutz umfaßt in den unter Art 1 genannten Fällen die zur Wahrung der rechtlichen Interessen notwendigen außergerichtlichen und gerichtlichen Maßnahmen.

...

(2) Der Versicherungsschutz umfaßt in den in Art 1 Abs 1 genannten Fällen auch die Betreuung des Versicherten.

(3) In den vom Versicherungsschutz umfaßten Fällen übernimmt der Versicherer alle Kosten des Verfahrens in allen Instanzen des ordentlichen Rechtsweges und des von ihm beauftragten Rechtsanwaltes

...

Die Kosten des beauftragten Rechtsanwaltes werden bis zur Höhe der Tarife bzw. der von den Rechtsanwaltskammern jeweils normierten Richtlinien honoriert. Der Versicherer behält sich vor, die Angemessenheit der angegebenen Kosten und Auslagen des Rechtsanwaltes (Verteidigers in Strafsachen), sofern sie nicht gerichtlich bestimmt sind, von der Rechtsanwaltskammer überprüfen zu lassen.

...

Artikel 6

Rechte und Pflichten des Versicherten

(1) Fordert der Versicherte Rechtsschutz gemäß Art 1, so hat er den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage aufzuklären und ihm die erforderlichen Beweismittel anzugeben bzw. auf Verlangen vorzulegen; im Falle des Art 1 Abs 1 lit a außerdem die Tatsachen darzulegen, aus denen hervorgeht, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint ....

(2) Der Versicherte hat das Recht, bei der Anzeige des Versicherungsfalles einen Rechtsanwalt vorzuschlagen, den der Versicherer mit der Wahrung der Interessen des Versicherers beauftragen soll ...

(3) Hat der Versicherer einen Anwalt mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt, so hat der Versicherte diesem Vollmacht zu erteilen, ihn vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage zu unterrichten, ihm Beweismittel anzugeben und die notwendigen Unterlagen zu beschaffen...".

Die Klägerin begehrt von der beklagten Rechtsschutzversicherung die Bezahlung von S 1.877,-- sA sowie daß dieser gegenüber festgestellt werde, daß sie im Rahmen des Rechtsschutzversicherungsvertrags vom 17.9.1983 verpflichtet ist, an die Beklagte gerichtete Berichtsbriefe und -telefonate des im Rahmen der Rechtsschutzversicherungsbedingungen beauftragten Rechtsanwalts, soweit sie einer sachgerechten rechtsanwaltlichen Vertretung dienen, gemäß dem RATG zu entlohnen. Gemäß Art 3 Abs 3 der ARB 1965/82 sei der Versicherer verpflichtet, die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes nach den einschlägigen Honorarbestimmungen zu bezahlen. Der einzige Maßstab für die Beurteilung der Entlohnung des Anwaltes seien daher die RATG und die AHR. Nur aus der Pflicht der Klägerin bzw. ihres Anwalts, der Rechtsschutzversicherung zu berichten, könne nicht abgeleitet werden, daß diese Berichte nicht zu honorieren seien. Auch der Anwalt müsse seinem Mandanten berichten und werde selbstverständlich dafür entlohnt. Tatsächlich habe die Beklagte die Schreiben des Klagevertreters an die Klägerin bezahlt und schon damit anerkannt, daß eine Pflicht zur Honorierung von Berichtsschreiben auch dann bestehe, wenn eine Berichtspflicht des Anwalts vorliege. Dies obwohl die Berichtsschreiben des Klagevertreters an die Klägerin ebensoviel oder -wenig zur Rechtsdurchsetzung notwendig seien wie die Berichtsschreiben des Klagevertreters an die Beklagte. Da die Beklagte die Bezahlung der Berichtsschreiben und -telefonate des Anwaltes an die Rechtsschutzversicherung abgelehnt habe und damit zu rechnen sei, daß sie dies auch in Hinkunft tun werde, sei das Feststellungsbegehren, das dazu diene, Klarheit über den Umfang des Rechtsschutzversicherungsvertrages zu schaffen und künftige Leistungsprozesse zu vermeiden, berechtigt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie wandte ein, die beiden nicht übernommenen Schreiben des Klagevertreters sowie das Telefonat mit dem Sachbearbeiter hätten (nur) der Informationspflicht des Versicherungsnehmers entsprochen und sohin nicht der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen, die allein in der Rechtsschutzversicherung gedeckt seien, gedient. Wenn der Versicherungsnehmer seine Informationspflicht durch einen Anwalt durchführen lasse, könne dies nicht zu einer Mehrbelastung des Rechtsschutzversicherers führen. Darüberhinaus sei der Anwalt ja ohnehin verpflichtet, den eigenen Klienten vom Fortgang seiner Rechtssache zu verständigen, wobei üblicherweise im Rechtsschutz eine Durchschrift des Berichtsschreibens an den Klienten mittels Begleitzettels an den Rechtsschutzversicherer erfolge. Hiedurch liefen keinerlei zusätzliche Kosten auf, weshalb die Beklagte das Leistungsbegehren im bestrittenen Umfang zu Recht abgelehnt habe. Der Klägerin mangle es am Feststellungsinteresse. Für den mit diesem geltend gemachten umfassenden Anspruch, nach dem jedweder Schriftverkehr des Anwaltes des Versicherungsnehmers mit dem Versicherer von letzterem zu honorieren sei, fehle es an einer entsprechenden Vereinbarung. Die Beurteilung, welche Leistungen des Anwaltes des Versicherungsnehmers vom Rechtsschutzversicherer zu honorieren seien, müsse dem Einzelfall vorbehalten bleiben.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren der Klägerin statt und wies das Feststellungsbegehren ab. Grundsätzlich sei der Versicherer zum Ersatz aller Kosten des beauftragten Rechtsanwaltes, die der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers dienten, verpflichtet. Eine weitergehende Einschränkung, wie sie die beklagte Partei offensichtlich in ständiger Praxis übe, sei den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen. Die genannten Berichtsschreiben bzw. das Telefonat seien jedenfalls als notwendige Kosten zur Durchsetzung der Ansprüche der Klägerin anzusehen. Gerade vom Umfang der Genauigkeit und der Umfassendheit von Informationen über den laufenden Stand von außergerichtlichen Maßnahmen hänge entscheidend ab, ob der Versicherer weiterhin Deckung gewähre bzw. den geplanten Vereinbarungen zustimme und diese mittrage oder nicht. Die Beklagte übersehe auch, daß der Versicherungsschutz in den in Art.1 Abs.1 genannten Fällen die Betreuung des Versicherten umfasse, worunter sicherlich derartige Informationsschreiben an den Versicherer fielen. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin sei zu verneinen. Sie schränke ihr Begehren mit dem Satz "soweit sie einer sachgerechten rechtsanwaltlichen Vertretung dienen" ein. Damit sei dieses Begehren aber nicht geeignet, künftige Rechtsstreitigkeiten zwischen den Streitteilen über die Entlohnung der an die Beklagte gerichteten Berichtsbriefe und -telefonate restlos hintanzuhalten, da jedenfalls die Frage einer sachgerechten rechtsanwaltlichen Vertretung eine Frage des Tatsachenbereichs sei, die immer nur an der Lage des Einzelfalles gemessen werden könne. Wenn nur klargestellt werden solle, wie in ähnlichen Fällen entschieden werden würde, sei das Feststellungsinteresse ebenfalls zu verneinen. Aus einer allfälligen Präjudizwirkung für die Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen sei daher ein rechtliches Interesse der Klägerin keinesfalls ableitbar. Die Klägerin habe auch nur behauptet, daß während der Dauer des Versicherungsvertrages mit dem Anfall weiterer Versicherungsfälle zu rechnen sei, ohne daß ein derartiger bereits angefallen sei oder dessen Anfall konkret in Sicht sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil unter Teilbestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Es bewertete den Streitgegenstand insgesamt als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Durch den Bezug "in den unter Artikel 1 genannten Fällen" und "in den vom Versicherungsschutz umfaßten Fällen" sei klargestellt, daß sich der Umfang der Verpflichtung des Versicherers, die Kosten des Rechtsanwaltes des Versicherungsnehmers zu tragen, nicht nur aus Art.3 der ARB 1965/82, sondern im Zusammenhang mit den versicherten Einzelrisken nach Art.1 Abs.1 lit.a bis c und Abs.3 ergebe. Im vorliegenden Fall komme als versichertes Risiko jenes nach Art.1 Abs.1 lit.a ARB 1965/82 in Betracht, nämlich die "Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte ...". "Dritte" im Sinne dieser Bestimmung seien jedoch vom Versicherungsnehmer und Versicherer verschiedene Personen. Daraus folge, daß keine Deckung für eine Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers gegen den eigenen Rechtsschutzversicherer vorgesehen sei. Die vom beklagten Rechtsschutzversicherer dem Rechtsanwalt des klagenden Versicherungsnehmers nicht honorierten Schreiben sowie das eine Telefongespräch stellten nur die im Rahmen der Informationspflicht sich ergebende Wahrnehmung der eigenen Interessen des Versicherungsnehmers dar. Die im vorliegenden Fall zu beurteilenden Leistungen des beauftragten Rechtsanwaltes des Versicherungsnehmers seien daher nicht in Erfüllung des Anwaltsvertrages mit der Klägerin zur Erledigung der unter Versicherungsschutz stehenden Rechtssache, sondern in Erfüllung der versicherungsvertraglichen Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Unterrichtung - auf seine Kosten - seines Versicherers nach Art.6 Abs.1 ARB 1965/82 erbracht worden.

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 2.Satz ZPO). Wie dieses zutreffend ausführt, umfaßt die vorliegende Schadenersatzrechtsschutzversicherung nur die Wahrung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Gegner; die darüber hinausgehenden Tätigkeiten des vom Versicherungsnehmer beauftragten Rechtsanwalts, so die gegenüber seinem Rechtsschutzversicherer, sind daher nur ausnahmsweise und nur dann, wenn der Versicherer zu Unrecht zur Gänze oder teilweise die Deckung ablehnt oder wenn sie vom Versicherer in Auftrag gegeben werden, zu honorieren. Es ist daher in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht der Lehrmeinung Harbauers (ARB Kommentar5 § 15 Anm.7, 11 und 25 sowie § 2 Anm.33 und 149) zuzustimmen, daß der Versicherungsnehmer auf seine Kosten seinen Rechtsschutzversicherer vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten hat, weil es sich dabei um eine auf die Bedürfnisse der Rechtsschutzversicherung zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs.1 VersVG handelt. Die Verpflichtung, den Versicherer auch über die Entwicklung eines bereits gemeldeten Versicherungsfalles auf dem laufenden zu halten, trifft den Versicherungsnehmer persönlich (vgl. Harbauer aaO Rz 11 und 25) und fällt mit der Bevollmächtigung eines vom Rechtsschutzversicherer beigestellten Anwaltes nicht weg. Daran vermag nichts zu ändern, daß nach den vorliegenden ARB 1965/82 im Gegensatz zu den folgenden Klauselwerken noch der Rechtsschutzversicherer die Betrauung (aber nicht die Bevollmächtigung) des Rechtsanwaltes des Versicherungsnehmers vorzunehmen hatte, lag doch auch diesen Versicherungsbedingungen der allgemeine Grundsatz zugrunde, daß der Versicherer diese Maßnahme nicht für sich selbst, sondern in Erfüllung seiner Deckungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer vornimmt, wobei seine Verpflichtung für den Versicherungsnehmer, die Kosten des Rechtsanwaltes zu übernehmen, im Vordergrund stand.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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