OGH 6Ob260/03h

OGH6Ob260/03h29.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Snjezana K*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land Tirol, Landhaus, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 122.987,70 EUR, über die ordentlichen Revisionen beider Parteien und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Juni 2003, GZ 2 R 54/03p-48, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Jänner 2003, GZ 10 Cg 160/00w-41, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.894,39 EUR (darin 315,73 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Der Revision der klagenden Partei und ihrem Rekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 2.719,80 EUR (darin 453,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.373,76 EUR (darin 228,96 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revision und des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 22. 11. 1971 geborene Klägerin wurde am 27. 12. 1982 zur Vornahme eines pfannenbildenden Eingriffs nach Chiari in die Orthopädische Universitätsklinik Innsbruck aufgenommen, deren Rechtsträger (damals) die Beklagte war. Am 29. 12. 1982 führte ein Oberarzt dieser Klinik an der 11 Jahre alten Klägerin eine Beckenosteotomie nach Chiari (rechts) aus. Bei diesem Eingriff unterlief dem Arzt ein schwerer Kunstfehler. Durch den Operationsmeisel wurden im Operationsbereich verlaufende Nerven, und zwar der Nervus fibularis, der Nervus glutaeus superior, der Nervus glutaeus inferior und der Nervus femoralis geschädigt. Die Beklagte wurde wegen dieses Fehlers zu 17 Cg 252/86 des Landesgerichtes Innsbruck rechtskräftig zum Ersatz eines Betrages von S 352.086,15 verpflichtet. Außerdem wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für alle künftigen Schäden aus der Fehlerhaftigkeit dieser Operation zu haften habe.

Der Kunstfehler hatte für die Klägerin schwerwiegende körperliche Behinderungen zur Folge. Es war ihr vorerst nicht möglich, in das Erwerbsleben einzutreten und eine Arbeitsstelle zu finden. Der dadurch entstandene Verdienstentgang wurde im Verfahren 15 Cg 337/91 des Landesgerichtes Innsbruck eingeklagt, der Verdienstentgang für die Zeit vom 1. 12. 1991 bis 1. 12. 1993 zu 26 C 2559/94i des Bezirksgerichtes Innsbruck. Dieses Verfahren wurde mit Beschluss vom 9. 1. 1995 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens 15 Cg 337/91 des Landesgerichtes Innsbruck unterbrochen, in welchem am 21. 1. 1998 Ruhen des Verfahrens eintrat. Grund für dieses Ruhen war ein außergerichtlicher Vergleich der Streitteile vom 18. 11. 1997 dahin, dass der Klägerin für die erwähnten Zeiträume ein pauschaler Verdienstentgang von S 250.000 zuzüglich der Verfahrenskosten bezahlt wurde.

Mit 1. 2. 1993 nahm die Klägerin eine auf ein Jahr befristete Beschäftigung bei der T***** auf. Diese Tätigkeit gab sie nach Ablauf des Jahres mit 31. 1. 1994 wiederum auf und stellte am 5. 10. 1995 einen Antrag auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension. Mit Bescheid vom 13. 2. 1997 lehnte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten diesen Antrag ab. Die Klägerin erhob beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zu 42 Cgs 80/97z gegen diesen Bescheid Klage. In diesem Verfahren wurden diverse Sachverständigengutachten eingeholt, so unter anderem auch ein orthopädisches des Sachverständigen Dr. Thomas A*****. Dieser vertrat den Standpunkt, dass der Klägerin lediglich noch ganz leichte Arbeiten im Sitzen für maximal drei Stunden täglich möglich seien, und zwar so, dass auch nach einer halben Stunde zumindest die Körperhaltung für fünf Minuten kurzzeitig geändert werden könne, das Gehen während der Arbeit sowie längeres Stehen müsse absolut vermieden werden, ebenso das Heben von Lasten (auch im Sitzen) von über fünf Kilogramm. Der Anmarschweg sei auf eine Strecke von maximal 200 m eingeschränkt, und auch diese Strecke könne die Klägerin nur sehr langsam mit zwei Krücken bewältigen, ein öffentliches Verkehrsmittel könne sie nur mit einer Begleitperson benutzen. In diesem Sinne sei die Klägerin daher überhaupt nie arbeitsfähig gewesen, sodass sie daher ihre Arbeitstätigkeiten, die sie tatsächlich erbracht hatte, auf Kosten ihrer Gesundheit geleistet habe. Die Klägerin hätte prinzipiell nur dann Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension gehabt, wenn sie beim Eintritt in das Arbeitsleben erwerbsfähig gewesen wäre, was nach diesem Gutachten nicht der Fall war. Die Klägerin zog daher die Klage am 31. 3. 1999 zurück. Mittlerweile hat sie die Wiederaufnahme dieses Verfahrens beantragt; über den Wiederaufahmeantrag ist noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 19. 8. 1999 hat die beklagte Partei der Klägerin ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 gewährt. Die Klägerin sei monatlich aufgrund ihres Gesundheitszustandes mehr als 50 Stunden auf fremde Hilfe angewiesen. Sie bezog ab 1. 5. 1999 ein Pflegegeld in Höhe von S 2.000 monatlich.

Über einen weiteren Antrag hat die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit Bescheid vom 6. Juni 2002 der Klägerin eine befristete Berufsunfähigkeitspension für die Zeit vom 1. 8. 2001 bis 31. 7. 2003 zuerkannt, und zwar in Höhe von monatlich EUR 691,15 ab 1. 8. 2001 und von EUR 698,75 ab 1. 1. 2002.

Die Klägerin leidet an einer schweren Hüftdysplasie beidseits bei Zustand nach kongenitaler Hüftluxation und Arthrose, rechts mehr als links, an einer inkompletten Ischiadicusläsion rechts bei Zustand nach einer Beckenosteotomie nach Chiari 1982 rechts, an einer Spitzfußstellung und Veränderung des oberen und unteren Sprunggelenks und des Talonaviculargelenks bei paralytischem Plattfuß und dystrophen Störungen der Haut und Muskulatur des rechten Beines mit Sensibilitätsstörungen, an chronischen Lumbalgien bei Sacrum Acutum und degenerativen Veränderungen der letzten zwei Lumbalsegmente auch als Folge der Hüftdysplasien, an einer Beinverkürzung und Beckenschiefstand rechts, wobei die Veränderungen an der unteren Extremität (bis auf die Beinlängendifferenz) ausschließlich auf die erlittene Nervenläsion zurückzuführen sind.

In ihrem Dienstverhältnis konnte die Klägerin ihre Tätigkeit im Sitzen ausüben, sie musste diverse Daten in einen Computer eingeben, die fertig übertragenen Krankengeschichten wurden anschließend von ihr in einem Nebenraum im selben Stockwerk bzw später in ein anderes Stockwerk verbracht, wobei sie auch einen Lift benützen konnte. Auch Hilfestellungen durch Arbeitskollegen standen ihr zur Verfügung. Obwohl die Arbeit leicht war, klagte die Klägerin schon damals über Anschwellen des rechten, später auch des linken Beines und intermittierende Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Aufgrund ihrer Gangschwierigkeiten musste die Klägerin von ihrem Ehegatten mit dem Auto zur Arbeitsstelle gebracht und von dort wieder abgeholt werden.

Die Klägerin begehrt nach mehreren Klageausdehnungen und Klageeinschränkungen zuletzt einen Verdienstentgang von 122.987,70 EUR für die Zeit von März 1997 bis März 2002.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, dass die geltend gemachten fiktiven Verdienstmöglichkeiten nur spekulativ seien. Auch ohne die Operation vom 29. 12. 1982 hätte die Klägerin die behaupteten Verdienste nicht erzielt. Der Operationsfehler sei nicht kausal dafür, dass die Klägerin tatsächlich ohne jede Arbeit gewesen sei. Sie hätte ihr Dienstverhältnis fortführen können. Sie habe sich auch nicht um freie Stellen bemüht. Die Klägerin müsse sich das Pflegegeld und die Notstandshilfe anrechnen lassen, weil andernfalls eine Bereicherung der Klägerin vorläge. Ihre Ansprüche seien auch verjährt. Das Pflegegeld sei von der Beklagten erbracht worden und daher auf den Verdienstentgang anzurechnen. Dadurch, dass die Klägerin im Sozialrechtsverfahren die Klage zurückgezogen habe, sei ihr Anspruch gegenüber der Beklagten beseitigt.

Einen im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Sozialrechtsverfahrens gestellten Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens wie das Erstgericht ab.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 110.850,99 EUR und wies das Mehrbegehren von 12.136,71 EUR (unangefochten) wegen Verjährung ab. Von den weiteren Feststellungen ist folgender wesentliche Sachverhalt hervorzuheben:

Der befristete Dienstvertrag der Klägerin wäre verlängert worden, wenn sie dies gewollt hätte. Sie sei der Meinung gewesen, sie könne wegen ihrer körperlichen Einschränkungen und Schmerzen, die sie immer wieder erdulden habe müssen, die Tätigkeit nicht weiter ausüben. Wenn die Klägerin keine Schmerzen gehabt hätte, hätte sie weiter gearbeitet. Ob die Klägerin dann, wenn sie das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten hätte und öfter krank gewesen wäre, anstelle des Arbeitsentgeltes Krankengeld in geringerer Höhe erhalten hätte, sei nicht feststellbar. Es sei auch nicht feststellbar, ob die Klägerin ihren Arbeitsplatz "jedenfalls" verloren hätte. Die Klägerin sei nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses in ihre Heimat (Kroatien) zurückgekehrt und habe dort versucht, ihre Beschwerden bei einem Wunderheiler und durch verschiedene Therapien zu lindern. 1996 sei sie nach Innsbruck zurückgekehrt. Eine Bewerbung beim früheren Arbeitgeber in den Jahren 1996 und 1997 sei erfolglos geblieben. Von März 1997 an habe die Klägerin eine Umschulung, einen Englisch-Intensivkurs, einen Kurs für Schriftverkehr, einen Computerkurs und einen Kurs, um Bewerbungen richtig formulieren zu können, absolviert. Einer beruflichen Tätigkeit sei sie seit damals nicht mehr nachgegangen. Bis 1997 wäre die Klägerin prinzipiell fähig gewesen, Tätigkeiten als Bürokraft, wie sie schon 1993 ausgeübt wurden, zu erledigen, nämlich leichte Arbeiten hauptsächlich im Sitzen. Mit Juni 1997 sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes infolge Auftretens von Schmerzen an der linken Leiste mit Ausstrahlungen auch unabhängig von Belastungen aufgetreten. Auch im rechten Hüftgelenk sei es zu schmerzenden Blockierungen aufgrund zunehmender Arthrose gekommen. Das Gehen mit Stützkrücken über eine Strecke von über 100 m sei nicht mehr möglich gewesen. Die Fehlhaltung der Wirbelsäule habe sich beim Sitzen auch nach kurzer Zeit durch starke Schmerzen in der unteren Lendenwirbelsäule ausgewirkt. Selbst eine Halbtagsbeschäftigung hätte die Klägerin nicht mehr ausüben können. Mit einer Besserung des Zustandsbildes sei nicht zu rechnen. Die Klägerin sei seit Juni 1997 arbeitsunfähig. Diese sei in erster Linie eine Folge der bei der Operation verursachten Nervenlaesionen. Die beidseitige Hüftdysplasie und die Arthrose trügen zur Arbeitsunfähigkeit im geschätzten Ausmaß von 20 % bei, 80 % seien auf die missglückte Operation zurückzuführen. Wenn die Operation im Jahr 1982 fehlerfrei verlaufen wäre, hätte sich für die Zeit von Juni 1997 bis März 2002 ein wesentlich besserer Gesundheitszustand ergeben. Die Arbeitsfähigkeit der Klägerin wäre erheblich länger erhalten geblieben. Es sei nicht feststellbar, dass ohne den Kunstfehler die Klägerin in der Zeit von Juni 1997 bis März 2002 die von ihr im Jahr 1993 ausgeübten Arbeiten nicht hätte verrichten können. Aufgrund des operationsbedingten schlechten Gesundheitszustands sei die Klägerin im Monat auf zumindest 50 Stunden fremder Hilfe angewiesen.

Wenn die Klägerin ihre Beschäftigung fortgesetzt hätte, hätte sie in der Zeit von März 1997 bis März 2002 einen Nettoverdienst von 1,000.187,40 S erzielt. In der Zeit von Juni 1997 bis März 2002 hätten die Bruttoverdienstbeträge 1,310.878,71 S betragen, die Lohnsteuerbemessungsgrundlage wäre 1,081.415,86 S gewesen, der Nettobetrag hätte 962.179,44 S ausgemacht (zur näheren Aufschlüsselung schloss das Erstgericht seinem Urteil Tabellen aus dem Sachverständigengutachten an). Das Erstgericht stellte ferner für die angeführten Zeiten verschiedene Berechnungsvarianten über den Verdienstentgang an, einerseits mit Anrechnung der Transferleistungen (tatsächliche Bezüge der Klägerin), teils ohne Anrechnung. Zu den von der Klägerin vom Arbeitsmarktservice und von der Tiroler Gebietskrankenkasse bezogenen Zahlungen stellte das Erstgericht Folgendes fest:

Ab März 1997 bezog die Klägerin vom Arbeitsmarktservice diverse Zahlungen, die entweder als "Pensionsvorschuss" oder "Notstandshilfe" gewidmet wurden, von der Tiroler Gebietskrankenkasse bezog sie diverse Zahlungen unter dem Titel "Krankengeld". Nicht feststellbar ist, aus welchem Grund welche Zahlungen wie gewidmet wurden. Unabhängig davon aber, mit welcher Widmung diese Zahlungen erfolgten, waren sie der Höhe nach immer, abgesehen von den im Lauf der Jahre eingetretenen Anpassungen, gleich. Es wurde auch das Krankengeld entsprechend der Höhe der Notstandshilfe bzw des Pensionsvorschusses berechnet. Bei der jeweiligen Widmung der Beträge ist davon auszugehen, dass bei Fehlen anderweitiger Ansprüche die Berechnung des Pensionsvorschusses analog den Bestimmungen zur Berechnung der Notstandshilfe erfolgt, im Fall der Krankheit ruht eben der Anspruch auf Notstandshilfe, die Zahlungen des Pensionsvorschusses werden unter dem Titel "Krankengeld" vom Krankenversicherungsträger übernommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus:

Im Fall der sogenannten "überholenden Kausalität" hafte der Schadenersatzpflichtige nur für den durch die Vorverlegung des Schadenseintritts entstehenden Nachteil. Die Beweislast treffe aber den Schädiger. Ohne die missglückte Operation wäre die Klägerin bis 1997 mit Einschränkungen arbeitsfähig gewesen, bei einer geglückten Operation wäre ihr Gesundheitszustand wesentlich besser und ihre Arbeitsfähigkeit länger erhalten geblieben. Der Umstand, dass die Klägerin ab 1997 arbeitsunfähig sei, sei ausschließlich auf die missglückte Operation zurückzuführen. Eine tatsächlich bezogene Notstandshilfe mindere zwar einen Unterhaltsanspruch, nicht aber den Anspruch auf Verdienstentgang. Der Zweck der Gewährung einer Notstandshilfe sei nicht die Entlastung des Schädigers. Notstandshilfe und vergleichbare Leistungen seien auf den vom Schädiger zu ersetzenden Verdienstentgang nach § 1325 ABGB nicht anzurechnen. Daher seien die Notstandshilfe und der Pensionsvorschuss, allenfalls auch das Krankengeld, das die Notstandshilfe zeitweilig ersetzt habe, nicht anzurechnen. Auch das Pflegegeld sei nicht anzurechnen. Von Juni 1997 bis März 2002 habe die Klägerin ohne Berücksichtigung der Transferleistungen einen Verdienstentgang von S 998.729,80 gehabt. Von diesem Betrag seien infolge der Verjährung die von der Klägerin aus dem Titel der "Transferleistungen" in der Zeit von Juni bis einschließlich 23. 11. 1997 in Höhe von S 46.182,40 in Abzug zu bringen, sodass sich der Bruttoverdienstentgang der Klägerin mit S 952.547,40 errechne, ihr Nettobezug verringere sich entsprechend auf S 833.310,99. Dazu komme noch jener Betrag, der der Klägerin als Progressionsausgleich zustehe. Dieser Betrag würde nach den Feststellungen bei einem Verdienstentgang von S 998.729,80 für den Fall des Zuflusses im Jahre 2002 S 617.601,87 betragen, für den Fall des Zuflusses dieses Betrages erst im Jahr 2003 würde sich dieser Progressionsausgleich auf S 618.977,92 erhöhen (§ 273 ZPO). Unter Berücksichtigung der 50 %-igen Steuerprogression verringere sich der Progressionsausgleich um S 46.182,40 auf S 572.795,52. In Summe habe daher die Beklagte der Klägerin einen Betrag von S 1,525.342,92 (S 952.557,40 + S 572.795,52), ds EUR 110.850,99 zu zahlen, damit die Klägerin letztlich in den Genuss des Nettobetrages von S 833.310,99 komme, der ihrem tatsächlichen Verdienstentgang entspreche. Dieser Betrag samt Zinsenstaffel nach Fälligkeit sei der Klägerin zuzusprechen, das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von EUR 12.136,71 samt 4 % Zinsen seit 1. 9. 2000 und das Zinsenmehrbegehren, soweit es über die zugesprochene Zinsenstaffel hinausgehe, sei abzuweisen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das erstinstanzliche Urteil als Teilurteil hinsichtlich eines Betrages von 88.031,58 EUR und wies das Mehrbegehren von 11.409,71 EUR ab. Hinsichtlich des danach noch offenen Zahlungsbegehrens von 11.409,71 EUR hob das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen Folgendes aus:

Im Fall der überholenden Kausalität habe der Schadenersatzpflichtige nur den durch die Vorverlegung des Schadenseintritts entstehenden Nachteil zu ersetzen. Die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der überholenden Kausalität trage der Schädiger. Der Beweis, dass der Schaden irgendwann in der Zukunft eingetreten wäre, reiche nicht aus. Die Negativfeststellung des Erstgerichtes, dass nicht feststellbar sei, dass ohne den Kunstfehler des Arztes die Klägerin die von ihr 1993 ausgeübten Arbeiten und andere Arbeiten im Sitzen ganztags nicht hätte verrichten können, sei unbedenklich. Die Klägerin habe auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie ihre Klage gegen den Bescheid auf Abweisung des Pensionsantrags zurückgezogen habe. Wenn die Klägerin Pensionsansprüche hätte, würden diese im Wege der Legalzession übergehen. Es würde sich an der Höhe der Schadenersatzforderung nichts ändern. Der Umstand, dass die Klägerin ihr Dienstverhältnis nach dem 31. 1. 1994 nicht fortgesetzt habe, ändere an ihrem Schadenersatzanspruch nichts. Voraussetzung sei nur, dass der Verletzte tatsächlich einen Beruf ausgeübt hat oder dass zumindest angenommen werden müsse, der Verletzte hätte eine Beschäftigung gesucht und gefunden. Auch wenn die Klägerin ihre Berufstätigkeit nicht fortgesetzt habe und erst im Juni 1996 (gemeint: 1997) arbeitsunfähig geworden sei, stehe letzterer Umstand im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis, weil sie sich aufgrund ihrer Schmerzen und Beschwerden subjektiv nicht zur Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit in der Lage gesehen habe. Die Klägerin habe sich in der Folge auch um Arbeit bemüht, sodass anzunehmen sei, dass sie ohne das schädigende Ereignis berufstätig gewesen wäre und ein Einkommen erzielt hätte. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge könne bei der Ermittlung des Verdienstentganges fiktiv von jenem Einkommen ausgegangen werden, das sie bei ihrem früheren Dienstgeber erzielen hätte können. In der Frage der Vorteilsausgleichung sei dem Erstgericht zuzustimmen, dass die Notstandshilfe und der Pensionsvorschuss auf den Verdienstentgang der Klägerin nicht anzurechnen seien. Die Notstandshilfe diene nicht der Entlastung des Schädigers. Auch wenn der Oberste Gerichtshof in Unterhaltssachen die Auffassung vertrete, dass die tatsächlich bezogene Notstandshilfe den Unterhaltsanspruch mindere, weil sie als Versicherungsleistung mit Rechtsanspruch das Arbeitseinkommen des Notstandshilfeempfängers ersetze, habe der Oberste Gerichtshof an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Notstandshilfe und vergleichbare Leistungen den Verdienstentgangsanspruch nicht minderten (2 Ob 120/00m). Arbeitslosengeld und Notstandshilfe seien keine Leistungen der Sozialversicherungsträger. Sie würden aufgrund der Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom Arbeitsamt gewährt. Die Legalzession des § 332 ASVG greife hier nicht. Anders verhalte es sich mit dem Krankengeld, welches vom Verdienstentgang abzuziehen sei. Die Summe des von der Klägerin bezogenen Krankengeldes errechne sich aus den dem Ersturteil angeschlossenen Beilagen mit 157.001 S = 11.409,71 EUR. Diesen Betrag habe sich die Klägerin auf ihren Anspruch auf Verdienstentgang anrechnen zu lassen. In diesem Umfang sei das Klagebegehren abzuweisen. Da der Klägerin auch die auf diesen Betrag entfallende Einkommensteuer zugesprochen worden sei, sei noch ein weiterer Teil des Klagebegehrens nicht berechtigt. Wie hoch dieser Betrag sei, könne ohne Ergänzung des Sachverständigengutachtens nicht beurteilt werden. Es sei aber auszuschließen, dass die erforderlichen Abzüge den nunmehr abgewiesenen Teilbetrag von 11.409,71 EUR überstiegen. Die Ergänzung des Sachverständigengutachtens könne kostengünstiger durch das Erstgericht erfolgen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Notstandshilfe und Pensionsvorschuss im Schadenersatzrecht einerseits und im Unterhaltsrecht andererseits zulässig seien.

Mit ihrer Revision und ihrem Rekurs beantragt die Klägerin die Abänderung der Berufungsentscheidung dahin, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werde (hilfsweise die Aufhebung im gesamten Umfang zur Verfahrensergänzung).

Die Beklagte beantragt die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Beide Parteien brachten jeweils Rechtsmittelgegenschriften ein. Die Revision und der Rekurs der Klägerin sind jeweils zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

I. Zur Revision und zum Rekurs der Klägerin:

1. Das Berufungsgericht hat aus den dem erstinstanzlichen Urteil angeschlossenen Tabellen des Sachverständigen ergänzend die von der Klägerin als Krankengeld bezogenen Beträge (11.409,71 EUR) festgestellt und sie im Einklang mit der Judikatur (RIS-Justiz RS0031394: 2 Ob 258/77 und 2 Ob 603/82) zur Reduzierung des Anspruchs auf Verdienstentgang herangezogen. Die Revisionswerberin rügt, dass die Vorteilsausgleichung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag vorzunehmen ist und dass die Beklagte die Behauptungs- und Beweislast über die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung trifft (RS0036710). Die Beklagte hat den Einwand der Vorteilsausgleichung im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nur hinsichtlich der Notstandshilfe und des Pflegegeldes erhoben und diesen Einwand auch nicht ergänzt und konkretisiert, nachdem aus den erstatteten ergänzenden Gutachten (ON 38; zu ON 39) die Widmung der vom Arbeitsmarktservice, der Tiroler Gebietskrankenkasse und der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte der Klägerin ausbezahlten Bezüge ersichtlich wurde. Der Einwand der Vorteilsausgleichung wurde weder zum Krankengeld noch zum Pensionsvorschuss erhoben. Es ist aber auch der weitere Revisionseinwand zutreffend, dass nach den getroffenen Feststellungen und der eingangs wiedergegebenen Negativfeststellung zu den Widmungen der einzelnen Zahlungen kein eindeutiges Beweisergebnis vorliegt, das eine verlässliche Beurteilung der von der Gebietskrankenkasse ausbezahlten Beträge erlaubt. Auch dieser Umstand geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten. Ob es sich bei den Krankengeldbezügen um solche handelt, die einer krankenversicherten Notstandshilfebezieherin (§ 6 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, AlVG) gewährt wurden, diese also die Notstandshilfe ersetzten und wie diese nicht zur Vorteilsausgleichung heranzuziehen sind (vgl auch die Ablehnung der Vorteilsausgleichung bei Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz: 2 Ob 203/98m), kann dahingestellt bleiben, weil die Vorteilsausgleichung hier schon aus den angeführten Gründen zu unterbleiben hat. Die gleichen Argumente tragen auch die Ablehnung der Vorteilsausgleichung hinsichtlich der als Pensionsvorschüsse gewidmeten Bezüge der Klägerin (vgl § 6 Abs 1 Z 3 AlVG).

2. Der Bezug von Krankengeld (hier nach § 40 Abs 1 AlVG iVm §§ 138 ff ASVG) ist allerdings nicht allein unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung, sondern bei richtigem Verständnis vor allem unter dem der Aktivlegitimation zu betrachten, weil der Schadenersatzanspruch von Gesetzes wegen insoweit auf den Sozialversicherungsträger übergeht, als dieser Leistungen (das Krankengeld) zu erbringen hat (§ 332 Abs 1 ASVG) und der Geschädigte damit die Klagslegitimation verliert (darauf wurde bereits in der oben zitierten Entscheidung 2 Ob 603/82 hingewiesen). Geht bei Entstehung der Leistungspflicht bzw bei Erbringung von Leistungen durch den Sozialversicherungsträger die Rechtszuständigkeit bezüglich der Ersatzansprüche auf diesen über, so stellt sich weder die Frage der Schadensminderungspflicht noch die der Vorteilsanrechnung (SZ 67/135). Während der Legalzessionar in Rahmen des Deckungsfonds Ansprüche gegen den Schädiger erwirbt, verliert der Geschädigte in demselben Ausmaß, in dem sein Schaden durch die Leistungspflicht des Legalzessionars gedeckt ist, die Aktivlegitimation gegenüber dem Schädiger (RIS-Justiz RS0035295).

Auch diese Erwägungen sprechen jedoch nicht gegen eine Klagestattgebung im Sinne des erstgerichtlichen Urteils. Das Fehlen der aktiven Klagslegitimation infolge einer Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers (hier Krankenversicherungsträgers) ist nämlich im Direktprozess des Geschädigten gegen den ersatzpflichtigen Schädiger nicht von Amts wegen, sondern als Frage des materiellen Rechts nur auf Grund einer Einwendung des Beklagten zu berücksichtigen: er hat Tatsachen vorzubringen, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (RIS-Justiz RS0084869; ZVR 1965/6, 13; 2 Ob 129/71; ZVR 1989/129, 216; 2 Ob 2380/96f; 10 ObS 29/97f uva). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei weder den Mangel der Aktivlegitimation infolge Legalzession an den Krankenversicherungsträger eingewendet noch dazu ein Tatsachenvorbringen erstattet. Daher war es dem Berufungsgericht verwehrt, von Amts wegen auf diesen Umstand Bedacht zu nehmen. Aus den dargelegten Gründen ist die Sache spruchreif im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Das Berufungsgericht hat die Vorteilsausgleichung durch Anrechnung der von der Klägerin bezogenen Notstandshilfe auf den Verdienstentgangsanspruch im Einklang mit der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgelehnt (RIS-Justiz RS0031478, zuletzt 2 Ob 45/92; 2 Ob 203/98m; 1 Ob 216/99t; 2 Ob 120/00m). Unter Zitierung von oberstgerichtlichen Entscheidungen in Unterhaltssachen versucht der Revisionswerber darzutun, dass die Notstandshilfe, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, das Arbeitseinkommen ersetze und daher anzurechnen sei. Diesem Argument ist die Verschiedenheit der Rechtsmaterien entgegenzuhalten. Wohl werden im Unterhaltsrecht öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltsverpflichteten als Einkommen einbezogen bzw auch als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zur Vermeidung von Doppelbezügen qualifiziert (RS0080395, zuletzt 6 Ob 237/03a), die Fragen der Berechtigung und der Höhe eines Unterhaltsanspruchs - für den die Bedürfnisse ein entscheidendes Kriterium sind - sind aber gänzlich andere als die im Schadenersatzrecht maßgebliche Frage, ob das Gesetz mit der Zuwendung einer Leistung zumindest auch den Zweck verfolgt, einen Schädiger zu entlasten. Bei der Gewährung der Notstandshilfe wird ein solcher Gesetzeszweck aber in ständiger Rechtsprechung verneint (so schon 8 Ob 217/80). An diesem in teleologischer Gesetzesauslegung gewonnenen Auslegungsergebnis, wie es auch für Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) und dem Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) vertreten wird (RS0031441; 2 Ob 203/98m), ist festzuhalten. Zur Vergleichbarkeit der Rechtsfälle mit denjenigen aus dem Unterhaltsrecht führt die Revision nichts weiter aus, sodass es genügt, darauf hinzuweisen, dass sich in der Mehrzahl der Sozialleistungen das Problem der Vorteilsausgleichung schon wegen der gesetzlichen Anordnung von Zessionsbestimmungen ohnehin nicht stellt (dazu Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 13 zu § 1312) und dass dort, wo sie fehlen, jedenfalls die Frage nach dem Gesetzeszweck zu stellen ist, wer durch die öffentlich-rechtliche Zuwendung begünstigt werden soll. Die Argumentation des Revisionswerbers läuft darauf hinaus, dass bei einer aufgrund einer Schädigungshandlung eingetretenen Arbeitsunfähigkeit die sonst mittellose, geschädigte Person einen Rechtsanspruch auf Notstandshilfe hat und in diesem Umfang deshalb vom Schädiger keinen Schadenersatz verlangen kann. Dies bedeutete im Ergebnis, dass die öffentliche Hand anstelle des Täters dessen Schadenersatzpflicht übernimmt und die Aufwendungen ersatzlos zu tragen hat, wenn keine gesetzliche Regressregel existiert. Eine gesetzgeberische Absicht in diese Richtung ist geradezu auszuschließen. Der Argumentation der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass mit den einem Geschädigten geleisteten Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln kein Schadenersatzanspruch abgegolten, sondern eine Leistung aus sozialpolitischen Erwägungen erbracht wird, die nicht das Ziel hat, den Schädiger zu entlasten.

2. Insoweit die Revisionswerberin die Vorteilsausgleichung bei den von der Klägerin bezogenen Pensionsvorschüssen anstrebt, ist sie auf die Ausführungen zur Revision der Klägerin zu verweisen. Im Verfahren erster Instanz hat sie unsubstanziiert nur die Anrechnung der Notstandshilfe und des Pflegegeldes releviert. Auf Letzteres kommt die Revision nicht mehr zurück.

3. Bei der Bestreitung der Kausalität des ab 1997 begehrten Verdienstentganges geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Vorinstanzen haben eine kausale Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab Juni 1997 festgestellt und sind aufgrund der weiteren Feststellung, dass sich die Klägerin um eine Arbeitsstelle bemüht hat, ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, dass sie ohne die durch den Operationsfehler im Jahr 1982 eingetretenen Nervenschädigungen das festgestellte Einkommen erzielen hätte können. Im Übrigen ist die Revisionswerberin auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beider Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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