Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 239.250,-- samt 4 % Zinsen seit 17.6.1994 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien dem Kläger zur ungeteilten Hand für die Hälfte die zukünftigen Folgen des Verkehrsunfalles vom 29.10.1992 auf der Bundesstraße 121 haften, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei mit der Höhe der gesetzlichen Haftpflichtversicherungssumme begrenzt ist.
3. Das darüber hinausgehende Begehren auf Zahlung von S 383.625,-- samt Zinsen, auf Zahlung einer monatlichen Rente von S 5.250,-- netto ab 1.7.1995 und auf Feststellung der weiteren Haftung der beklagten Parteien wird abgewiesen."
Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Verfahrens erster Instanz den Betrag von S 57.367,44, an Kosten des Verfahrens zweiter Instanz den Betrag von S 5.300,-- und an Kosten des Verfahrens dritter Instanz den Betrag von S 6.625,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 29.10.1992 ereignete sich auf der Bundesstraße 121 bei Kematen/Ybbs ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Fußgänger durch den vom Erstbeklagten gelenkten, von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Kleinbus Steyr Fiat 290 Dukato PR schwer verletzt wurde.
Der Kläger machte geltend, es stünden ihm ein Schmerzengeld von S 600.000,--, Verdienstentgang in der Höhe von S 222.000,-- für die Zeit vom Jänner 1993 bis Ende Juni 1995 und Spesen in der Höhe von S 8500,-- zu; unter Anrechnung eines Mitverschuldens von 25 % begehre er daher die Zahlung von S 622.875,-- samt Zinsen. Weiters begehrt er die Zahlung einer monatlichen Rente von S 5.250,-- und die Feststellung, daß ihm die Beklagten für die zukünftigen Folgen des Verkehrsunfalles vom 29.10.1992 haften. Er machte geltend, er habe am 29.10.1992 um ca 17.00 Uhr die Bundesstraße 121 als Fußgänger überqueren wollen; er sei nach der Mittellinie von einem von ihm nicht wahrgenommenen Fahrzeug erfaßt worden. Dem Erstbeklagten, der dieses Fahrzeug gelenkt habe, sei ein Reaktionsverschulden anzulasten.
Die beklagten Parteien wendeten ein, daß der Kläger plötzlich und ohne auf den vom Erstbeklagten gelenkten Kleinbus zu achten die Fahrbahn überquert habe. Der Erstbeklagte habe eine Notbremsung eingeleitet, er habe aber den Unfall nicht mehr verhindern können. Der Unfall stelle für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis dar, er sei auch rechtskräftig im Strafverfahren freigesprochen worden. Die vom Kläger begehrten Beträge für Schmerzengeld und Verdienstentgang seien überhöht.
Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S 283.480,63 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von S 339.394,37 sA ab. Weiters wurden die beklagten Parteien für schuldig erklärt, dem Kläger ab 1.7.1995 eine monatliche Rente von S 1.551,91 zu bezahlen, und es wurde festgestellt, daß die Beklagten dem Kläger "zur Hälfte" für die zukünftigen Folgen des Verkehrsunfalles vom 29.10.1992 zur ungeteilten Hand haften. Das Rentenmehrbegehren von S 3.698,09 pro Monat und auch das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen.
Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen.
Die Bundesstraße 121 weist eine 8 m breite Fahrbahn auf, innerhalb der Randlinien ist die Fahrbahn 7,1 m breit. In der geometrischen Fahrbahnmitte verläuft eine Leitlinie. Entgegenkommende Fahrzeuge haben eine Sicht von 500 m aufeinander. Die Unfallsstelle liegt außerhalb des Ortsgebietes.
Der Kläger stieg gemeinsam mit dem Zeugen W***** aus dem am rechten Fahrbahnrand haltenden Kleinbus eines Arbeitskollegen aus. Der Zeuge W***** überquerte die Fahrbahn. Der Kläger holte noch seine im Kleinbus vergessene Aktentasche und überquerte dann ebenfalls, nachdem sich der Kleinbus, aus dem er ausgestiegen war, entfernt hatte, die Fahrbahn mit 5 km/h Gehgeschwindigkeit in einem Zuge; er nahm den vom Erstbeklagten gelenkten herannahenden Kleinbus nicht wahr. Da der Bus, aus dem der Kläger ausgestiegen war, bereits in Richtung Norden weggefahren war, bestand für den Kläger keine Sichtbehinderung mehr auf den Verkehr.
Zur gleichen Zeit näherte sich der Erstbeklagte mit seinem Kleinbus mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h in Richtung Süden. Der Erstbeklagte nahm zwar den die Fahrbahn überquerenden Kläger wahr, hatte aber keinen Blickkontakt mit ihm. Er hatte auch zuvor nicht wahrgenommen, daß der Kläger in seine Richtung geblickt und sein Fahrzeug bemerkt hätte. Der Erstbeklagte nahm keinen Kontakt mit dem Kläger auf, sondern entschloß sich, nachdem der Kläger bereits eine Strecke zwischen 2,2 bis 2,6 m zurückgelegt hatte, dh zwischen 1,4 und 1,8 m vor Erreichen der Leitlinie war, zur Bremsung. Zum Kontakt kam es, als sich der Kläger bereits 0,5 m über der Leitlinie auf der Fahrbahn des Erstbeklagten befand. Die Strecke vom Fahrbahnrand bis zur Kollision von 4,5 m, hatte der Kläger in 3,2 sec zurückgelegt. Die Bremsausgangsgeschwindigkeit des vom Erstbeklagten gelenkten Busses betrug zwischen 72 bis 80 km/h, die Kollisionsgeschwindigkeit ungefähr 60 km/h. Die Gesamtbremsspurlänge des Kleinbusses des Erstbeklagten belief sich auf 24,8 m, davon 18 m Auslaufweg über den Kollisionsort hinaus. Der Anhalteweg aus 72 km/h beträgt 45 m, die Anhaltezeit 3,7 sec; der Teilanhalteweg 25 m und die Teilanhaltezeit 1,3 sec. Bei 80 km/h beträgt die Teilanhaltezeit 1,6 sec. Die räumliche Vermeidbarkeit des Unfalles wäre für den Erstbeklagten bei einer Reaktion um 1 sec früher, die zeitliche Vermeidbarkeit bei einer früheren Reaktion um 0,78 sec bei 72 km/h Ausgangsgeschwindigkeit (bei 80 km/h betragen die Werte 0,9 bzw 0,67 sec) gegeben gewesen. Um die Fahrlinie des Busses zu verlassen, hätte der Kläger eine Fluchtzeit von 0,5 sec benötigt. Ca 1 sec ab Bewegungsbeginn ist ein Auffälligkeitswert für einen das Verkehrsgeschehen beobachtenden Autofahrer gegeben, dh 2,2 sec vor der Kollision.
Der Kläger wurde durch den Unfall schwer verletzt, nicht erkennbare oder abschätzbare Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger leidet an Verletzungsfolgen, die als nicht mehr besserungsfähige Dauerfolgen anzusehen sind.
Der Kläger war vor dem Unfall als Betriebsschlosser beschäftigt und verdiente inklusive aller Zulagen und aliquoten Zahlungen monatlich durchschnittlich S 20.786,82.
Es ist undenkbar, daß der Kläger im erlernten bzw angelernten und bisher ausgeübten Beruf als Maschinist eingesetzt wird. Er wäre nur für einen weitgehend sitzenden Beruf einsatzfähig, doch konnte nicht festgestellt werden, daß er in seinem Alter auch einen solchen Beruf tatsächlich ausüben könnte.
An Fahrtkosten sind dem Kläger Auslagen in der Höhe von S 8.500,-- entstanden.
In der Zeit vom 1.1.1993 bis 30.4.1993 erhielt der Kläger einen Betrag von S 52.066,80 an Krankengeld und in der Zeit vom 1.5.1993 bis 27.6.1993 ein solches von S 25.165,62. An Versehrtenrente erhielt er für die Zeit vom 30.4.1993 bis 31.8.1993 S 32.250,33.
In der Zeit vom 1.9. bis 31.10.1993 erhielt der Kläger zweimal monatlich eine Versehrtenrente von S 4.427,20, sohin S 8.854,40 und in den Monaten November und Dezember 1993 zweimal monatlich S 2.988,30, sohin S 5.976,60. Der Kläger erhielt sohin in der Zeit vom 1.1.1993 bis 31.12.1993 an Krankengeld und Versehrtenrente S 124.313,75.
In der Zeit vom 1.1.1994 bis 31.10.1994 betrugen die Leistungen des Sozialversicherers an den Kläger S 17.470,48 pro Monat, sohin insgesamt S 174.704,80, in den Monaten November und Dezember 1994 durchschnittlich S 15.791,76, sohin S 31.583,52, und im Zeitraum 1.1.1995 bis 30.6.1995 monatlich durschschnittlich S 17.683,--.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, es sei dem Erstbeklagten keine höhere Reaktionszeit als 0,7 sec zuzubilligen, weil er den Kläger bereits längere Zeit beobachtet und überdies wahrgenommen habe, daß er nicht in seine Richtung blickte. Dieses Verschulden wiege gleich schwer wie jenes des Klägers, der trotz ungehinderter Sicht auf das herannahende Fahrzeug des Erstbeklagten dieses nicht wahrgenommen habe. Dem Kläger sei deswegen die Hälfte des mit S 470.000,-- angemessenen Schmerzengeldes, seines Verdienstentganges von S 88.461,21 und den S 8.500,-- Fahrtauslagen zuzusprechen, insgesamt daher der Betrag von S 283.480,63. Für die Zukunft stehe dem Kläger eine monatliche Rente von S 1.551,91 zu (putatives Einkommen des Klägers von S 20.786,82 - der Rente von S 17.683,-- = S 3.103,82 : 2 = S 1.551,91).
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht hielt dem Kläger vor, gegen § 76 Abs 4 und 5 StVO verstoßen zu haben, indem er die Fahrbahn überqueren wollte, ohne auf das herannahende, vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug zu achten. Es treffe aber auch den Erstbeklagten ein Mitverschulden am Unfall, weil er gesehen habe, daß der Kläger und der Zeuge W***** aus einem Kleinbus, der auf der Gegenfahrbahn hielt, ausstiegen und daß der Zeuge W***** die Fahrbahn überquerte. Der Erstbeklagte habe auch nicht wahrgenommen, daß der Kläger beim Überqueren der Fahrbahn in seine Richtung blickte und sein Fahrzeug bemerkte. Das Betreten der Fahrbahn durch den Kläger sei für den Erstbeklagten nicht überraschend im Sinne des § 76 Abs 1 StVO gewesen, weil der Erstbeklagte zuvor den Zeugen W***** bereits die Fahrbahn überqueren sah und wahrnahm, daß noch ein weiterer Mann aus dem Kleinbus ausgestiegen war; es sei für die Berechnung der Reaktionsverspätung vom Beginn der Überquerungslinie und somit vom Fahrbahnrand und nicht vom Überschreiten der Randlinie auszugehen. Überraschend im Sinn des § 76 Abs 1 StVO bedeute nämlich, daß andere Straßenbenützer den Umständen nach nicht damit rechnen konnten und nicht mehr in der Lage waren, ihr eigenes Verhalten danach einzurichten. Die dem Erstbeklagten vom Erstgericht zugebilligte Aufmerksamkeit für das Überqueren der Fahrbahn durch den Kläger betrage 1 sec, bei danach erfolgter prompter Reaktion hätte der Erstbeklagte den Unfall vermeiden können. Es sei zwar richtig, daß ein Fußgänger beim Überqueren einer breiten Fahrbahn sich bei Erreichung ihrer Mitte neuerlich zu vergewissern habe, ob sich nicht inzwischen ein Fahrzeug genähert hat, und daß er in dieser Position stehen bleiben müsse, wenn ein Fahrzeug schon so nahe sei, daß er die Fahrbahn vor diesem nicht mehr gefahrlos überschreiten könne. Im gegenständlichen Fall könne aber vom Vorliegen einer solchen breiten Fahrbahn keine Rede sein. Im Hinblick darauf, daß der Kläger nicht in Richtung des herannahenden Autos blickte, hätte der Erstbeklagte auf ein Stehenbleiben des Klägers in der Fahrbahnmitte nicht vertrauen dürfen; eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1:1 sei gerechtfertigt.
Der Kläger habe die Höhe seines Verdienstes bewiesen und die Entgeltbestandteile dargelegt. Trotzdem hätten die Beklagten nicht behauptet, daß mit den Zulagen Mehraufwendungen des Klägers im Ausmaß von zumindest 50 % abgedeckt werden sollten.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine grundsätzlichen Rechtsfragen zu beurteilen seien und von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen worden sei.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers nicht beachtet hat; sie ist zum Teil auch berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, daß ein Fußgänger beim Überqueren einer breiten Fahrbahn bei Erreichung ihrer Mitte sich neuerlich zu vergewissern habe, ob sich nicht inzwischen ein Fahrzeug genähert hat, und er in dieser Position stehen bleiben müsse, wenn ein Fahrzeug schon so nahe sei, daß er die Fahrbahn nicht mehr vor diesem gefahrlos überschreiten könne. Der Erstbeklagte hätte daher darauf vertrauen können, daß der Kläger sich bei Erreichen der Fahrbahnmitte von der Durchführbarkeit der weiteren Überquerung überzeuge. Er hätte nicht damit rechnen müssen, daß der Kläger seine unaufmerksame Gehweise über die Fahrbahnmitte hinaus fortsetzen werde. Entgegen dieser Rechtsprechung habe das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, der Erstbeklagte hätte bereits bei Beginn der Fahrbahnüberquerung des Klägers vom linken Fahrbahnrand eine Notbremsung einleiten müssen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes habe zur Folge, daß vom Erstbeklagten die Einleitung einer Vollbremsung zu einem Zeitpunkt verlangt werde, als der Kläger erst begann, vom äußerst linken, noch außerhalb der Randlinien gelegenen Asphaltbereich die Straße zu überqueren. Im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz hätte man dem Erstbeklagten zumindest einen angemessenen Zeitraum zubilligen müssen, um mit dem noch auf der linken Fahrbahnhälfte befindlichen Kläger einen Blickkontakt herstellen zu können und sich auf diese Weise zu vergewissern, daß sich der Kläger nicht verkehrsgerecht verhalten und beim Erreichen der Fahrbahnmitte von der Durchführbarkeit der weiteren Überquerung nicht überzeugen werde. Dies insbesondere deshalb, da der Kläger auch eine gemütliche Gehgeschwindigkeit von 5 km/h einhielt. Insbesonders hätte das Berufungsgericht dem Erstbeklagten zumindest eine Reaktionszeit von 1 sec - anstelle der zugebilligten Reaktionszeit von nur 0,7 sec - zubilligen müssen; bei Zubilligung einer derartigen Reaktionszeit hätte aber weder eine räumliche noch eine zeitliche Verhinderungsmöglichkeit bestanden.
Weiters stehe die rechtliche Beurteilung der Fahrbahnbreite im Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung, wonach nicht der Asphaltverlauf, sondern die weiter innen befindlichen Randlinien gemäß § 55 Abs 2 StVO den Fahrbahnrand anzeigen. Das Berufungsgericht hätte daher eine Fahrbahnbreite von 7,1 m seiner Entscheidung zugrundelegen müssen. Bei dieser Beurteilung hätte sich ergeben, daß der Erstbeklagte bereits eine Unfallabwehrreaktion durch Einleitung einer Vollbremsung gesetzt habe, als der Kläger im Bereich der linken Fahrbahnhälfte eine Wegstrecke von 1,75 bis 2,15 m zurücklegte.
Zur Frage des Verdienstentganges und zum Rentenbegehren wird in der Revision geltend gemacht, das Berufungsgericht habe das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers nicht berücksichtigt. Der Kläger habe in der Zeit vom 1.1.1993 bis 31.12.1994 an Leistungen des Sozialversicherungsträgers S 330.602,07 erhalten, pro Monat durchschnittlich sohin S 13.775,08. Dem stehe das durchschnittliche Einkommen von S 20.786,82 gegenüber, weshalb sich unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers im Ausmaß der Hälfte ein Ersatzanspruch von S 10.393,41 ergebe. Tatsächlich habe der Kläger aber monatliche Leistungen von S 13.775,08 vom Sozialversicherungsträger in Form von Krankengeld bzw Versehrtenrente erhalten, sodaß für diesen Zeitraum sein Ersatzanspruch zur Gänze hätte abgewiesen werden müssen. In der Zeit vom 1.1.1995 bis 30.6.1995 habe der Kläger vom Sozialversicherungsträger monatlich durchschnittlich S 17.683,-- bekommen, weshalb er auch für diesen Zeitraum nichts mehr zu fordern habe. Gleiches gelte für das Rentenbegehren des Klägers für die Zeit ab 1.7.1995.
Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend.
Richtig ist, daß nach ständiger Rechtsprechung sich ein Fußgänger beim Überqueren einer breiten Fahrbahn bei Erreichung ihrer Mitte neuerlich zu vergewissern hat, ob sich nicht inzwischen ein Fahrzeug genähert hat, und daß er in dieser Position stehen bleiben muß, wenn ein Fahrzeug schon so nahe ist, daß er die Fahrbahn vor diesem nicht mehr gefahrlos überschreiten kann (ZVR 1990/160 mwN). Jeder Fahrzeuglenker darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß sich der Fußgänger bei Erreichen der Fahrbahnmitte von der Durchführbarkeit der weiteren Überquerung überzeugt; er muß also nicht von vornherein damit rechnen, daß der Fußgänger seine unaufmerksame Gehweise über die Fahrbahnmitte hinaus ohne jede Berücksichtigung des Verkehrs fortsetzen werde (ZVR 1985/107 mwN).
Im vorliegenden Fall hat der Erstbeklagte das für ihn wahrnehmbare Fahrzeug des Klägers nicht beobachtet, er hat also gegen die Pflichten, die ihn im Sinne der vorgenannten Entscheidungen trafen, verstoßen und den Unfall zum Teil verschuldet. Dem Erstbeklagten fällt allerdings ebenfalls ein Mitverschulden am Unfall zur Last, weil er den Kläger wahrnehmen und sich auf dessen in einem Zuge durchgeführte Annäherung jedenfalls einstellen hätte müssen (ZVR 1985/107); da der Kläger während des Überquerens der Fahrbahn nicht in die Richtung des Erstbeklagten blickte, hätte der Erstbeklagte nicht damit rechnen dürfen, der Kläger werde vor Erreichen des von ihm benützten Fahrstreifens stehenbleiben; es stellt daher auch das Verhalten des Erstbeklagten ein schwerwiegendes Verschulden dar (ZVR 1986/95). Es ist auch nicht richtig, daß sich der Kläger zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erstbeklagte eine unfallverhütende Abwehrmaßnahme setzen hätte sollen, noch am äußersten linken Fahrbahnrand befand, weil zu der dem Erstbeklagten zugebilligten Reaktionszeit von 0,7 sec noch 1 sec für die Erkennbarkeit kommt.
Was nun die Dauer der Reaktionszeit betrifft, so kann auch nach Ansicht des erkennenden Senates dem Erstbeklagten nicht eine Reaktionszeit von 1 sec zugebilligt werden. Wie der Erstbeklagte selbst in der Klagebeantwortung behauptet (AS 9) und auch als Partei ausgesagt hat (AS 52), entschloß er sich zur Vollbremsung, als er bemerkte, daß der Kläger nicht vor der Leitlinie stehenblieb. Es muß also vor dem Bremsentschluß des Erstbeklagten eine Zeit der Beobachtung des Klägers gegeben haben, bevor er sich zur Bremsung entschloß.
Berücksichtigt man nun, daß der Erstbeklagte bereits durch die Abgabe eines akustischen Warnzeichens den Kontakt mit dem Kläger herstellen und dadurch den Unfall voraussichtlich vermeiden hätte können, bestehen gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 keine Bedenken (vgl ZVR 1986/95).
Zutreffend wird allerdings in der Revision gerügt, daß die Vorinstanzen das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers nicht berücksichtigt haben. Wenngleich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Übergang von Schadenersatzansprüchen an einen Sozialversicherungsträger im Wege der im § 332 ASVG normierten Legalzession nur über Einwendung in erster Instanz zu berücksichtigen ist, genügt das Vorbringen von Tatsachen, aus denen sich rechtlich der Mangel der Sachlegitimation ergibt (ZVR 1989/129 mwN). Derartige Tatsachen haben die beklagten Parteien in ihrer Klagebeantwortung behauptet, haben sie doch vorgebracht, daß der Kläger Krankengeld und Invaliditätspension bezogen habe und daher der von ihm geltend gemachte Verdienstentgang überhöht sei. Auch der Kläger selbst hat die Leistungen des Sozialversicherungsträgers bei der Berechnung seines Verdienstentganges an sich berücksichtigt (vgl 2 Ob 129/71).
Nach ständiger Rechtsprechung sind im Schadenersatzprozeß des sozialversicherten Verletzten gegen den Schädiger zuerst alle unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigenden Leistungen abzuziehen, dann die verbleibende Differenz dem Mitschuldverhältnis entsprechend zu teilen und schließlich vom verbleibenden Restbetrag, soweit die Legalzession des § 332 ASVG eingreift, die gesamten dem Verletzten zukommenden Sozialversicherungsleistungen abzuziehen (ZVR 1972/184; 1989/90; 1991/52 uva). Der Forderungsübergang nach § 332 ASVG tritt dann und insoweit ein, als den erbrachten Sozialleistungen entsprechende Forderungen des Verletzten nach Schadenersatzrecht gegenüberstehen (Kongruenzprinzip; SZ 56/137; SZ 58/78 uva). Nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung gehen nur gleichartige Ansprüche über, also bürgerlich-rechtliche Ersatzansprüche wegen Verdienstausfalles bei Leistung von Krankengeld (2 Ob 57/94). Es besteht auch sachliche Kongruenz zwischen dem Anspruch auf Invaliditätspension und jenem auf Verdienstentgang wegen Erwerbsunfähigkeit (2 Ob 59/94).
Berücksichtigt man nun diese Grundsätze, dann steht dem Kläger - wie in der Revision der beklagten Parteien zutreffend dargelegt wurde - kein Anspruch auf Verdienstentgang zu. Der Kläger hat nämlich, wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, in der Zeit vom 1.1.1993 bis 31.12.1994 an kongruenten Leistungen des Sozialversicherungsträgers einen Betrag von S 330.602,07 erhalten, dies ergibt pro Monat durchschnittlich S 13.775,08; demgegenüber steht das vor dem gegenständlichen Unfallsereignis bezogene Einkommen von S 20.786,82 monatlich, sodaß sich unter Berücksichtigung des Mitverschuldens im Ausmaß der Hälfte ein zivilrechtlicher Ersatzanspruch von S 10.393,41 ergibt. Da der Kläger aber bereits an Sozialversicherungsleistungen in Form von Krankengeld bzw Versehrtenrente monatlich durchschnittlich S 13.775,08 erhalten hat, steht ihm kein weiterer Anspruch aus dem Titel des Verdienstentganges mehr zu. In der Zeit vom 1.1.1995 bis 30.6.1995 erhielt der Kläger durchschnittlich S 17.683,-- vom Sozialversicherungsträger, sodaß er auch für diesen Zeitraum keinen Verdienstentgang mehr gelten kann, gleiches gilt auch für den Folgezeitraum, für den dem Kläger eine monatlich Rente zugesprochen wurde.
Dieses Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers wäre vom Erstgericht zu berücksichtigen gewesen und hätte vom Berufungsgericht aufgrund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge in der Berufung wahrgenommen werden müssen, weil es die rechtliche Beurteilung der Sache allseitig zu prüfen hatten (vgl die Nachweise bei Kodek in Rechberger, Rz 9 zu § 471 mwN).
Es war daher das auf Zahlung eines Verdienstentganges gerichtete Klagebegehren abzuweisen.
Dies bedingt auch eine Neuberechnung oder Kosten, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Streitwert bislang falsch berechnet wurde, weil das Begehren auf Zahlung einer Rente unberücksichtigt blieb. Das Begehren auf Zahlung einer Rente ist gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem Zehnfachen der Jahresleistung zu bewerten. Daraus ergibt sich für das Verfahren erster Instanz folgender Streitwert
a) Zahlung: S 541.125,--
(die Ausdehnung kurz vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz kann unberücksichtigt bleiben)
b) Rente: S 630.000,--
(S 5.250,-- x S 120)
c) Feststellung: S 10.000,--
Summe: S 1,181.000,--.
Der Kläger ist jedoch nur mit einem Zahlungsbegehren von S 239.250,-- und dem halben Feststellungsbehren durchgedrungen (das Feststellungsbegehren in der Klage berücksichtigt nicht das Eigenverschulden des Klägers).
Der Kläger ist sohin im Verfahren erster Instanz nur zu einem Fünftel durchgedrungen, er hat sohin einen Anspruch auf Ersatz von einem Fünftel seiner Barauslagen, er hat aber den Beklagten drei Fünftel ihrer Kosten (ohne Barauslagen) und vier Fünftel ihrer Barauslagen zu ersetzen.
Dem Kläger sind im Verfahren erster Instanz Barauslagen von S 25.697,50 entstanden, ein Fünftel hievon beträgt S 5.139,50.
Die Kosten der beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz betragen S 93.511,56 (darin enthalten USt von S 15.585,26); drei Fünftel hievon ergeben S 56.106,94.
An Barauslagen sind den beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz S 8.000,-- entstanden, vier Fünftel hievon ergeben S 6.400,--.
Daraus resultiert ein Kostenersatzanspruch der beklagten Parteien in der Höhe von S 57.367,44.
Der Streitwert für das Rechtsmittelverfahren errechnet sich wie folgt:
a) Zahlung: S 283.480,63
b) Rente: S 186.229,20
(S 1.551,91 x S 120)
c) Feststellung: S 5.000,--
Summe: S 474.709,83.
In diesem Verfahrensabschnitt ist der Kläger etwa zur Hälfte durchgedrungen, sodaß die Kosten (mit Ausnahme der Barauslagen) gegenseitig aufzuheben sind. Die Hälfte der vom Kläger den beklagten Parteien zu ersetzenden Barauslagen beträgt im Berufungsverfahren S 5.300,-- und im Revisionsverfahren S 6.625,--, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)