Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.069,20 (darin enthalten S 3.178,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 5.Februar 1927 geborene Anton F***** erlitt am 17.6.1983 in Wien bei der Heimfahrt von der Arbeit mit seinem PKW einen Verkehrsunfall, den der ihm mit seinem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW auffahrende Walter W***** allein verschuldete. Er erlitt dabei einen Bruch der linken Schläfenbasis, eine Kopfprellung, eine Zerrung der Halswirbelsäule (Peitschenschlagsyndrom) und eine Knieprellung und verlor infolge des Unfalls auch einen Zahn. Anton F***** war bis zum Unfall als Schlosser (Vorarbeiter) berufstätig. Infolge seiner Verletzungen befand er sich - teilweise auch zur Operation von nicht unfallskausalen Leistenbrüchen links und rechts - lange Zeit im Krankenstand und wurde per 25.5.1984 von seinem Arbeitgeber gekündigt. Mit Bescheid der klagenden Partei vom 13.5.1984 wurde ihm eine Invaliditätspension gemäß § 254 Abs 1 Z 1 ASVG wegen dauernder Invalidität zuerkannt. Grundlage des Bescheides waren auch, aber nicht nur, die Unfallsfolgen, aber auch ein bei Anton F***** schon vorher bestandener Bluthochdruck. Wegen des Bluthochdrucks alleine wäre ihm aber die Invaliditätspension nicht zuerkannt worden. Nach Abklingen der Unfalls(verletzungs)folgen wurde Anton F***** "physisch" ("medizinisch") wieder voll - auch als Schlosser - arbeitsfähig, er hätte jedoch aufgrund seines Alters keinen adäquaten Arbeitsplatz mehr gefunden.
Aus (von den Vorinstanzen in ihren Entscheidungen nicht weiter verwerteten Urkunden (Beilagen ./A und ./B im Akt 25 Cg 734/86) und Vorbringen der klagenden Partei (in den Schriftsätzen ON 69 und 78), das in der mündlichen Streitverhandlung vom 26.2.1990 (ON 79) zum Teil der Höhe und der Deckungsfondsberechnung nach außer Streit gestellt wurde, zum Teil (im Umfang des Ausdehnungsbetrages) nicht substantiell bestritten wurde, ist ersichtlich, daß die klagende Partei an Anton F***** während der nachstehenden Zeiträume folgende Leistungen an Invaliditätspension und Krankenversicherungsbeitragsanstaltsanteilen (KVB-Anteilen) erbrachte, denen hinsichtlich der Invaliditätspensionsleistungen folgende Verdienstentgangsbeträge des Anton Felsinger als Deckungsfonds gegenüberstehen:
Zeitraum Inv.Pens. KVB-Anteil VDE (Deckungsfonds) Gem.§ 332 (1)ASVG
übergegangener Anspruch
1.3.84 -
31.10.84 S 43.374 S 110.829 S 43.374
1.11.84 -
31.10.85 S 185.079,60 S 172.893 S 172.893
1.11.85 -
31.5.86 S 106.922,80 S 105.902 S 105.902
1.3.84 -
31.5.86 S 24.062,40 S 24.062,40
1.6.86 -
31.10.86 S 78.417,60 S 75.644,16 S 75.644,16
(13.069,60 x 6)
1.11.86 -
31.12.86 S 26.139,20 S 30.923,32 S 26.139,20
1.1.87 -
28.2.87 S 27.132,40 S 30.923,32 S 27.132,40
1.6.86 -
28.2.87 S 9.667,80 S 9.667,80
S 484.814,96
(geltend gemacht
S 484.814,95).
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Haftpflichtversicherungsgesellschaft für den Zeitraum vom 1.3.1984 bis 28.2.1987 die Bezahlung der von ihr aus der gesetzlichen Pensionsversicherung an Anton F*****erbrachten Leistungen, soweit diesen ein gemäß § 332 Abs 1 ASVG auf sie übergegangener Schadenersatzanspruch des Anton Felsinger auf unfallsbedingten Verdienstentgang zugrundeliege, und des von ihr entrichteten KVB-Anstaltsanteiles. Sie brachte dazu vor, Anton F***** sei infolge des Unfalls dauerinvalid geworden, sodaß sie ab 1.3.1984 (und für den genannten Zeitraum) Invaliditätspension zuerkannt und auch bezahlt habe. Überdies habe sie gemäß § 73 ASVG einen Beitrag in der Krankenversicherung des Anton F***** in der geltend gemachten Höhe geleistet. Neben dem ursprünglich nur bis 31.5.1986 berechneten Zahlungsbegehren (von S 346.231,40) stellte die klagende Partei ursprünglich ein Feststellungsbegehren, wonach ihr die beklagte Partei, ausgehend vom Alleinverschulden ihres Versicherungsnehmers am Unfall vom 17.6.1983, für alle dem Anton F***** zu erbringenden Pensionsleistungen im Umfang der Deckung durch entsprechende gemäß § 332 Abs 1 ASVG auf die klagende Partei übergegangene Schadenersatzforderungen hafte, weil ihr derzeit diese Ansprüche der Höhe nach noch nicht bekannt seien. Im Laufe des Verfahrens dehnte sie jedoch am 30.1.1990 (Schriftsatz ON 78, vorgertragen in der Streitverhandlung vom 26.2.1990, ON 79) unter der Annahme, daß Anton F***** mit Vollendung des 60. Lebensjahres voraussichtlich ab 1.3.1987 die Alterspension in Anspruch genommen hätte, ihr Leistungsbegehren auf die im Spruch genannten Summen aus und ließ zugleich das Feststellungsbegehren fallen.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandte im wesentlichen ein, die von der klagenden Partei erbrachten Sozialversicherungsleistungen seien nicht regreßfähig, weil bei Anton F***** aufgrund des von ihr zu deckenden Verkehrsunfalls nur eine vorübergehende unfallsbedingte Gesundheitsschädigung eingetreten sei, sodaß dieser wieder in der Lage gewesen wäre, seine bisherigen (Berufs)Tätigkeiten weiter auszuüben; im übrigen wendete sie gegen die mit der Ausdehnung des Klagebegehrens geltend gemachten Regreßansprüche deren Verjährung ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (im hier interessierenden Umfang) statt. Es vertrat die Rechtsansicht, Anton F***** sei aufgrund des Unfalls erwerbsunfähig geworden, weil er trotz Wiederherstellung seiner physischen Arbeitsfähigkeit nach Verlust seines Arbeitsplatzes durch Kündigung einen seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Arbeitsplatz nicht mehr gefunden hätte. Der aus diesem Grund gegen den Schädiger (= dessen Haftpflichtversicherer) gemäß § 1325 ABGB bestehende Schadenersatzanspruch des Anton F***** auf Ersatz des Verdienstentganges sei gemäß § 332 Abs 1 ASVG auf die klagende Partei zur Deckung ihrer als sachlich und zeitlich kongruent erachteten gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen übergegangen. Durch die Erhebung des Feststellungsbegehrens sei die Verjährung der davon betroffenen Ansprüche unterbrochen worden, sodaß den mit der Ausdehnung des Zahlungsbegehrens unter gleichzeitigem Fallenlassen des Feststellungsbegehrens geltend gemachten Ansprüchen die Verjährung nicht entgegenstehe.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansichten des Erstrichters und führte noch ergänzend aus, Anton F***** sei nach den Feststellungen unfallskausal erwerbsunfähig, sodaß es nicht angehe, daß die beklagte Partei den von der klagenden Partei hinausgegebenen Pensionsbescheid mit der Begründung in Zweifel ziehe, die Voraussetzungen für seine Erlassung seien nicht gegeben gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das zweitinstanzliche Urteil gerichtete außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
Nach einheitlicher Lehre und Rechtsprechung umfaßt die in § 332 Abs 1 ASVG angeordnete Legalzession nur solche Haftpflichtansprüche des Verletzten, die der Deckung des Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (Kongruenzprinzip; SZ 56/137 mit zahlreichen Hinweisen aus Lehre und Rechtsprechung). Der Zweck dieser Regelung liegt darin, daß einerseits nicht der Schädiger im Ausmaß der Sozialversicherungsleistungen im Wege einer (angenommenen) Vorteilsausgleichung von seiner Ersatzpflicht befreit werden soll, andererseits aber im Falle der Nichtanrechnung des Vorteils (einer adäquaten Leistung) der Geschädigte doppelt Ersatz erhält (SZ 56/137). Als (weitere) Voraussetzung des Forderungsübergangs wird die (nicht strittige persönliche,) zeitliche und sachliche Kongruenz (Deckung) zwischen der Leistung des Sozialversicherungsträgers und dem Schadenersatzanspruch des Verletzten verlangt. Die sachliche Kongruenz liegt dann vor, wenn der Ausgleichszweck beider Ansprüche ident ist, wenn beide denselben Schaden abdecken sollen (SZ 56/137 mwN). Die zeitliche Kongruenz erfordert den Bestand beider sachlich kongruenten Ansprüche für denselben Zeitraum.
Die sachliche Kongruenz der dem Anton F***** zustehenden und
ausgezahlten Indavliditätspensionen und des ihm zustehenden
Verdienstentgangsanspruchs wegen Erwerbsunfähigkeit liegt hier sowohl
nach dem Ausgleichszweck, wie auch nach der Entstehung (den Ursachen)
des jeweiligen Anspruches vor. Zweck beider Ansprüche ist es, dem in
seiner Arbeitsleistungsfähigkeit durch den Unfall und seine Folgen
oder insgesamt aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen
(dauernd oder vorübergehend) Beeinträchtigten (Verletzten) einen
Ausgleich für den entfallenen Erwerb seiner finanziellen
Lebenssubsidien zu verschaffen. Sie wirken daher in die gleiche
Richtung, mögen sie auch unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zur
Voraussetzung haben. Daraus folgt aber auch, daß es für die
Beurteilung der sachlichen Kongruenz dieser Ansprüche nicht
entscheidend ist, ob die Ursachen für die Anspruchsentstehung (auf
Invaliditätspension) allein in den Folgen des Verkehrsunfalls oder
auch in den bereits bestehenden und durch den Unfall und seine Folgen
möglicherweise nur verstärkten oder erst hervorgekommenen
"Vorschäden" liegen, weil auch die Mitverursachung zur
Anspruchsbegründung ausreicht. Daß auch zeitliche Kongruenz der
Ansprüche vorliegt, ergibt sich aus den von der klagenden Partei
ausführlich dargelegten Aufstellungen, die von der beklagten Partei
als "Berechnung des Deckungsfonds" außer Streit gestellt bzw nicht substantiell bestritten wurden.
Den Revisionsausführungen, das Klagebegehren sei nicht berechtigt,
weil die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension
nicht vorgelegen seien (wirtschaftliche Erwerbsunfähigkeit
rechtfertige diese Leistung nicht), weshalb es sich bei der gewährten
Invaliditätspension um keine Pflichtleistung gehandelt habe und daher
auch kein Forderungsübergang nach § 332 ASVG erfolgt sei, ist folgendes zu erwidern:
Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist davon
auszugehen, daß Anton F***** wegen der beim Unfall erlittenen
Verletzungen jedenfalls zunächst arbeitsunfähig war, in der Folge von
seinem Dienstgeber gekündigt wurde und keinen entsprechenden
Arbeitsplatz mehr finden konnte. Im Sinne der ständigen
Rechtsprechung (SZ 51/91 uva) hätte Anton F***** daher ohne die
Pensionszahlungen der klagenden Partei einen
Verdienstentgangsanspruch gehabt. Die von der Beklagten vertretene
Ansicht würde dazu führen, daß der Verletzte keinen Anspruch geltend
machen könnte, weil er die Pension bekam, daß aber der
Sozialversicherungsträger keine Möglichkeit hätte, Ersatz zu
erhalten, weil er keine Pflichtleistung erbrachte. Dies entspricht
jedoch weder Rechtsprechung noch Lehre. Nach der Rechtsprechung ist
in einem derartigen Fall von einer stillschweigenden gewillkürten
Zession, die sich aus der Gewährung und der Annahme der
Sozialversicherungsleistungen ergibt, auszugehen (SZ 42/174; SZ
56/45; ZAS 1974, 59; ZVR 1976/112 ua). Diese von Selb bereits in ZAS
1967, 146 vertretene Ansicht wird von einem Teil der Lehre zwar
abgelehnt, doch gelangt diese mit anderer Begründung zum selben
Ergebnis. So wäre nach Krejci in Tomandl, System des österreichischen
Sozialversicherungsrechts 432 f die Vorschrift des § 332 ASVG analog
anzuwenden, nach der Ansicht von Huber, VersRdSch 1986, 406 ff kann
der Sozialversicherungsträger seine Ansprüche auf § 1042 ABGB
stützen.
Die Klägerin, die auf Grund eines positiven Bescheides Pensionszahlungen leistete, ist im Hinblick darauf, daß dem Pensionsempfänger ein Verdienstentgangsanspruch gegen den Schädiger zugestanden wäre, daher jedenfalls legitimiert, die Ansprüche geltend zu machen.
Gegen die Ersatzfähigkeit der KVB-Anstaltsanteile unter dem Gesichtspunkt des Naturalersatzes als Aufwand für die Behandlung der auch durch den Verkehrsunfall verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung des Anton F***** hat die beklagte Partei nichts vorgetragen, bestehen aber auch keine rechtlichen Bedenken.
Den Vorinstanzen ist auch unter Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung (SZ 46/81; ZVR 1987/23; ZVR 1988/65; ÖBA 1991, 671 ua) beizupflichten, daß die der Ausdehnung des Zahlungsbegehrens (ON 78, 79) zugrunde liegenden Ansprüche nicht etwa deshalb verjährt sind, weil die klagende Partei im Klagszeitpunkt bereits nicht ein Feststellungsbegehren, welches sie sodann zugleich mit der Ausdehnung fallen ließ, sondern sogleich ein Leistungsbegehren erheben hätte können (müssen), zumal die Pensionsleistungen nur unter Hinweis auf die gesetzlichen Aufwertungen zu begehren gewesen wären. Abgesehen davon, daß ein solches Begehren wohl nur hinsichtlich der zahlenmäßig ausgewiesenen Schilling-Beträge exequierbar gewesen wäre, ist dem zu erwidern, daß die klagende Partei für die Zukunft noch keinen Deckungsfonds für die von ihr an Anton F***** auszuzahlenden Pensionsbeträge ermitteln hätte könne, weil sie die dazu erforderlichen berechtigten Schadenersatzansprüche des Anton F***** für die Zukunft noch nicht beschreiben hätte können. Gerade die Erhebung des Feststellungsbegehrens zugleich mit dem bereits bezifferbaren Zahlungsbegehren soll den Eintritt der Verjährung solcher, dem Grunde nach zu erwartender, der Höhe nach aber noch nicht feststellbarer und daher noch nicht fälliger Ansprüche im Sinne der ständigen Rechtsprechung verhindern.
Der Umstand, daß das Feststellungsbegehren gleichzeitig mit der Ausdehnung des Leistungsbegehrens zurückgezogen wurde, vermag an der Unterbrechung der Verjährung nichts zu ändern. Grundsätzlich unterbricht zwar nur ein Feststellungsbegehren, dem später stattgegeben wird, die Verjährung. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn ein zunächst berechtigtes Feststellungsbegehren zurückgezogen wird, weil im Lauf des Verfahrens Umstände eintraten, die die Geltendmachung aller Ansprüche mit Leistungsklage ermöglichten (vgl SZ 55/159).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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