OGH 2Ob57/94

OGH2Ob57/9428.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 62.201,10 und Feststellung (Streitwert S 100.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26.April 1994, GZ 11 R 47/94-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17.Jänner 1994, GZ 12 Cg 725/92-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

7.605 (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die ***** geborene Brigitte S***** wurde am 23.Juli 1989 als Beifahrerin bei einem von einem Versicherungsnehmer der beklagten Partei verschuldeten Unfall schwer verletzt und ist seither querschnittgelähmt und dauernd erwerbsunfähig. Die klagende Partei gewährt der Verletzten laufend Invaliditätspension, Hilflosenzuschuß und eine Waisenpension nach ihrem bei der klagenden Partei pensionsversicherten Vater im Sinne des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG. Diese Waisenpension war zum Unfallszeitpunkt nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG mit der Dauer der Berufsausbildung der Verletzten bzw mit der Vollendung ihres 25. Lebensjahres befristet. Infolge der durch den Unfall eingetretenen Erwerbsunfähigkeit wurde die Waisenpension im Sinne des § 252 Abs 2 Z 2 ZPO weiter gewährt.

Die klagende Partei begehrt die Zahlung eines Betrages von S 250.887,90 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den Ersatz aller künftigen Leistungen, welche die klagende Partei ihrer Versicherten aus Anlaß des Verkehrsunfalls zu erbringen habe, wobei diese Haftung mit der Deckungssumme der für den am Unfall beteiligten PKW abgeschlossenen Versicherung beschränkt sei. Die klagende Partei habe insgesamt Leistungen von S 467.630,90 für Rehabilitation, Pensionsleistungen, sowie für Hilflosenzuschuß erbracht. Bei Berücksichtigung einer Teilzahlung hafte ein fälliger Regreßanspruch in der Höhe von S 250.887,90 aus.

Sie führte dazu aus, daß der Waisenpensionsanspruch infolge Erwerbsunfähigkeit keinem Unterhaltsanspruch, sondern einem Verdienstentgangsanspruch des Waisenpensionsempfängers sachlich kongruent sei und im Sinne des § 332 ASVG auf die Klägerin übergegangen sei.

Nach Zahlung des sich aus der bereits geleisteten Invaliditätspension sowie der Ausgleichszulage ergebenden Betrages durch die beklagte Partei schränkte die klagende Partei ihr Begehren ausdrücklich auf den Regreß für die geleistete Waisenpension in der Höhe von S 62.201,10 ein.

Die beklagte Partei wendete gegen dieses Begehren im wesentlichen ein, die von der klagenden Partei erbrachte Waisenpension sei nicht regreßfähig. Diese habe ihre Rechtsgrundlagen in dem Unterhaltsanspruch der nunmehrigen Pensionsempfängerin gegen ihren vorverstorbenen Vater, nicht aber aus dem Verkehrsunfall. Die aus einem Unterhaltsanspruch abzuleitende Waisenpension stelle keine sachlich kongruente Leistung für den Verdienstentgang dar.

Das Erstgericht wies das eingeschränkte Klagebegehren ab, gab dem Feststellungsbegehren mit der Einschränkung Folge, daß sich die Haftung der beklagten Partei nicht auf Leistungen der klagenden Partei an Waisenpension beziehe und schloß sich der Rechtsmeinung der beklagten Partei an, die gewährte unbefristete Waisenpension könne einem Verdienstentgang nicht gleichgehalten werden.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung Folge, verpflichtete die beklagte Partei auch zum Ersatz der von der klagenden Partei gewährten Waisenpension und stellte auch die (nur durch die Deckungssumme beschränkte) Haftung der beklagten Partei zum Ersatz aller Leistungen der klagenden Partei, die diese aus Anlaß des Verkehrsunfalles der Verletzten zu erbringen haben werde, fest, ohne die Waisenpension auszunehmen.

Es erörterte rechtlich, daß die Verletzte nur bis zur Vollendung ihrer Berufsausbildung, längstens aber bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres Anspruch auf Waisenpension gehabt hätte. Die nunmehrige (nicht mehr befristete) Waisenpension habe ihre Grundlage in dem von der beklagten Partei zu vertretenen Unfall. Zweck dieser Waisenpension sei die Versorgung von "Kindern", die infolge körperlicher Gebrechen dauernd erwerbsunfähig geworden seien. Die nach § 252 Abs 2 Z 2 ASVG gewährte Waisenpension bezwecke den Ausgleich für den Entfall des Verdienstes des infolge Gebrechens erwerbsunfähig gewordenen Waisenkindes. Sie ziele darauf ab, denselben Schaden zu decken, den die Verletzte durch den unfallbedingten Verlust ihrer Erwerbsfähigkeit erleide, weshalb die sachliche und zeitliche Kongruenz der Waisenpension mit dem Verdienstentgang der Geschädigten gegeben sei. Die Regreßfähigkeit der von der klagenden Partei an Brigitte Schweiger gewährten Waisenpension sei zu bejahen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der Kongruenz einer nach § 252 Abs 2 Z 2 ASVG gewährten Waisenpension Rechtsprechung nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag sie dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben; hilfsweise sie als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Forderungsübergang nach § 332 ASVG tritt dann und insoweit ein, als den erbrachten Sozialleistungen entsprechende Forderungen des Verletzten nach Schadenersatzrecht gegenüberstehen ("Kongruenzprinzip"; SZ 28/150, SZ 58/78; ZVR 1972/83). Nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung gehen daher nur gleichartige Ansprüche über, also bürgerlich-rechtliche Ersatzansprüche wegen Verdienstausfalles, auf Krankengeld, Ansprüche auf Wiederherstellung der Gesundheit, auf Krankenhilfe und Heilbehandlung. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits ausgesprochen, daß die bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüche wegen Wiederherstellung der Gesundheit und wegen Verdienstausfalles nicht als einheitlicher Rechnungsposten auf den Sozialversicherungsträger übergehen, da nur gleichartige Ansprüche auf gleichartige Schadenersatzforderungen des Verletzten verrechnet werden (SZ 58/78; ZVR 1962/66). Bei der Beurteilung der Frage der sachlichen Kongruenz der Ansprüche ist die Identität des Ausgleichszweckes des Sozialversicherungs- und des Schadenersatzanspruches maßgebend. Beide Ansprüche sind dann kongruent, wenn sie darauf abzielen, denselben Schaden zu decken. Es ist daher zu prüfen, welcher Leistungszweck (hier) mit der Gewährung einer Waisenpension wegen Erwerbsunfähigkeit verfolgt wird. Dieses Ergebnis ist mit dem Leistungszweck der zur Verfügung stehenden Haftpflichtansprüche zu vergleichen. Sind die Ergebnisse gleich, liegt sachliche Kongruenz vor (vgl Krejci in Tomandl, System Rz 3.2.3.3.5.).

Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, Zweck einer Waisenpension im Sinne des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG sei es, den infolge Erwerbsunfähigkeit eingetretenen Verdienstentgang des Waisenkindes zu decken, zu billigen.

Nach § 260 ASVG haben Kinder im Sinne des § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG Anspruch auf Gewährung einer Waisenpension. Nach § 252 Abs 2 ASVG besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet oder seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder nach Beendigung der Berufs- oder Schulausbildung infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist. Auszugehen ist daher davon, daß die nicht mit Vollendung der Berufsausbildung bzw Erreichung des 25. Lebensjahres gewährte Waisenpension im Sinne dieser Bestimmung nur bei Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit des Kindes, also bei nicht ausreichendem Verdienst zur Erzielung der Selbsterhaltungsfähigkeit, gewährt wird. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf den Tatbestand der "Erwerbsunfähigkeit" ist daher vom Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß hiemit die Folgen der Erwerbsunfähigkeit eines Waisenkindes, also die mangelnde Verdienstmöglichkeit, abgedeckt werden sollen.

Auch wenn die (zeitlich befristete) Waisenpension ihren ursprünglichen Rechtsgrund im Unterhaltsanspruch des Waisenkindes hat, ist doch zu berücksichtigen, daß der Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Waisenpension erst durch das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsunfähigkeit ausgelöst wird. Dieses Tatbestandsmerkmal steht daher im Vordergrund und rechtfertigt die Annahme der sachlichen Kongruenz zwischen einer wegen Erwerbsunfähigkeit gewährten unbefristeten Waisenpension und den Anspruch auf Verdienstentgang infolge Erwerbsunfähigkeit. Daß die Erwerbsunfähigkeit durch den von der beklagten Partei zu vertretenden Unfall verursacht wurde, ist unbestritten.

Da somit das Berufungsgericht das Vorliegen einer sachlichen Kongruenz zwischen einem Verdienstentgangsanspruch und einer wegen Erwerbsunfähigkeit gewährten unbefristeten Waisenpension zu Recht bejaht hat, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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