VwGH Ra 2019/05/0116

VwGHRa 2019/05/01161.2.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 24. Juni 2019, LVwG‑AV‑251/001‑2019, betreffend Anordnung einer Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG (mitbeteiligte Partei: P H in N, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Rathausgasse 8/2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1
BauO NÖ 2014 §35 Abs2
BauO OÖ 1994 §49 Abs1
BauRallg
VVG §10 Abs2
VVG §10 Abs2 idF 2012/I/050
VVG §10 Abs2 idF 2013/I/033
VVG §4 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019050116.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist grundbücherliche Eigentümerin der Grundstücke Nrn. 391 und 392, KG H.

2 Am 24. Mai 2017 führte die Baubehörde erster Instanz (in der Folge: Baubehörde) eine baubehördliche Überprüfung durch, im Zuge derer eine auf Grst. Nr. 392, KG H., befindliche Scheune einer Beurteilung durch den beigezogenen bautechnischen Amtssachverständigen unterzogen wurde. Zum einen wurden in der genannten Niederschrift dazu mehrere, näher beschriebene Mängel an der Scheune festgehalten; zum anderen heißt es darin (auszugsweise) wie folgt:

SACHVERHALT

[...]

Am heutigen Tage wurde die ggstdl. Scheune von einem Amtssachverständigen für Bautechnik beurteilt.

[...]

BAUTECHNISCHER BEFUND

[...]

An der Nordwestseite der [...] Scheune wurde eine Fläche mit Recyclingmaterial befestigt und wurde darauf ein ‚Stallgebäude‘ aufgestellt. Unmittelbar daneben wurde ein fahrbarer Untersatz aufgestellt. Laut Vertreter der Eigentümerin handelt es sich um den fahrbaren Untersatz, auf welchem der oben zitierte Stall mobil gemacht werden kann.

GUTACHTEN

[...]

Im Sinne des § 35 NÖBO 2014 ist jenes Gebäude zu entfernen, für welches keine Baubewilligung vorliegt. Der abgestellte Pferdestall, welcher beim Ortsaugenschein festgestellt wurde, ist durch Schwerkraft mit dem Boden kraftschlüssig verbunden und weist aufgrund der Überdachung und der umschließenden Wände dieses Bauwerk Gebäudeeigenschaft auf. Für den Abbruch und dem Nachweis für die ordnungsgemäße Instandsetzung ist aus bautechnischer Sicht eine Frist von 2 Monaten angemessen. Auch die Entfernung des Unterbaus, auf welchem der Stall aufgestellt ist, ist anzuordnen.

[...]“

3 Mit Bescheid der Baubehörde vom 30. Mai 2017 wurde der Mitbeteiligten folgender baupolizeilicher Abbruchauftrag erteilt:

„Der Bürgermeister der Gemeinde L[...] als Baubehörde I. Instanz ordnet an, dass gemäß § 35 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, der abgestellte Pferdestall samt Unterbau in H[...], Grundstück Nr. 391, KG H[...], EZ 177, Grundbuch H[...], von der Eigentümerin abzutragen ist.

Die Niederschrift samt Fotodokumentation vom 24.5.2017 bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.

Dieser Abbruchauftrag ist bis spätestens 31. August 2017 zu erfüllen. Sollte dieser Termin nicht eingehalten werden, wird eine Ersatzvornahme durch die Baubehörde angeordnet werden.“

4 Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag ordnete die Baubehörde „auf Grund des Ergebnisses der am 24. Mai 2017 durchgeführten baubehördlichen Überprüfung mit Augenschein an Ort und Stelle auf den derzeitigen Bauzustand der Scheune [...] betreffend Aufstellung von transportablen Pferdeboxen und div. Abänderungen in H[...] auf den Grundstücken Nr. 391, 392“ die Behebung diverser Baumängel an der Scheune an und untersagte deren Nutzung für andere Zwecke als zum Abstellen von Kutschen bzw. der Lagerung von Stroh, Heu oder anderen landwirtschaftlichen Geräten, Werkzeugen, etc., welche nicht dem ursprünglichen Konsens entsprächen.

5 Mit Schreiben vom 14. Juni 2017 gab der Ehemann der Mitbeteiligten bekannt, dass das „beschriebene Gebäude“ entfernt worden sei.

6 In der baubehördlichen Niederschrift vom 6. September 2017 über einen am selben Tag durchgeführten Lokalaugenschein auf den Grundstücken Nr. 391 und Nr. 392, KG. H., an der auch der ursprünglich beigezogene Amtssachverständige wiederum teilnahm, wurde (u.a.) Folgendes festgehalten:

„[...]

SACHVERHALT

[...]

Für den heutigen Tag wurde ein Lokalaugenschein angesetzt. Dabei sollen die ordnungsgemäße Entfernung des Pferdestalles (Gebäude) und auch die Instandsetzungsarbeiten an der Scheune auf Parz. 392, KG H[...] überprüft werden.

[...]

BAUTECHNISCHER BEFUND

[...]

Hinsichtlich des Bescheides vom 30.5.2017 [...] wird folgendes ausgeführt:

Im Bescheid wurde angeordnet, dass der abgestellte Pferdestall samt Unterbau, welcher sich auf Grundstück Nr. 391, KG H[...], befindet, abzutragen ist. Nunmehr wurde dieses ‚Gebäude‘ auf ein Anhängergestell gestellt bzw. ist Teil dieses Anhängers.

[...]

Dieser Anhänger ist einachsig und ist das Fahrzeug derart ‚eingegraben‘, sodass der am Anhänger befindliche Aufbau als Stall genutzt werden kann. Zur Stabilisierung sind an den Ecken vier Stützen angebracht.

Weiter befindet sich auf dem Grundstück ein weiterer Anhänger, auf welchem ein Aufbau getätigt wird. [...]

[...]

Dieser einachsige Anhänger ist frei auf einer mit Gräder befestigten Fläche abgestellt.

GUTACHTEN

Ob es sich bei den Anhängern um Fahrzeuge handelt ist letztendlich von einem Amtssachverständigen der Fachrichtung Fahrzeugtechnik zu beurteilen.

[...]

Bei dem eingegrabenen Anhänger ist anzumerken, dass dieser durch den Umstand, dass dieser eingegraben ist, nicht mehr in kurzer Zeit fahrbereit gemacht werden kann. Um diesen Anhänger fahrbereit zu bekommen, sind Hilfsmittel erforderlich, um die Mobilität wieder herzustellen.

Ob es sich in letzteren Fall um ein Fahrzeug oder Gebäude handelt, ist letztlich eine rechtliche Frage und wird empfohlen, diesbezüglich mit der Rechtsabteilung das Einvernehmen herzustellen.

Sollte die Rechtsabteilung zur Ansicht gelangen, dass es sich um ein Fahrzeug handelt, wäre die Baubehörde nicht weiter zuständig. Im Falle der rechtlichen Feststellung, dass es sich nach wie vor um Gebäude handelt, wäre der baubehördliche Auftrag nicht erfüllt.

[...]“

7 Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 teilte das Amt der niederösterreichischen Landesregierung der Baubehörde auf deren Anfrage u.a. mit, dass der Ansicht des bautechnischen Amtssachverständigen gefolgt werden könne, wonach dem Pferdeunterstand aufgrund der kraftschlüssigen Verbindung mit dem Boden und der fehlenden sofortigen Mobilität Bauwerkseigenschaft zukomme.

8 Bei einem weiteren Ortsaugenschein am 8. März 2018, an welchem wiederum derselbe bautechnische Amtssachverständige teilnahm, wurde in der Niederschrift Folgendes u.a. festgehalten:

„[...]

BAUTECHNISCHER BEFUND

Zunächst wird auf die Rechtsauskunft vom 16.2.2018 der Rechtsabteilung des Landes NÖ, Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht, verwiesen. Demnach ist der eingegrabene Anhänger aufgrund der fehlenden sofortigen Mobilität nicht mehr als Fahrzeug sondern als Bauwerk (Gebäude) einzustufen.

In Ergänzung zu den Ausführungen der oa. Niederschriften wurde beim heutigen Ortsaugenschein folgendes festgestellt:

Zwischenzeitlich ist auch der zweite Anhänger ebenso wie der erste Anhänger derart mit dem Boden kraftschlüssig verbunden bzw. in einer Grube aufgestellt, dass eine sofortige Mobilität nicht gegeben ist. Augenscheinlich ist erkennbar, dass die Art der Nutzung dem eines Pferdestalles und nicht eines Fahrzeuges entspricht.

[...]

GUTACHTEN

[...]

Bezüglich der Errichtung des zweiten Stalles trotz erfolgten Abbruchbescheides in Bezug auf den ersten errichteten Stall wird auf § 35 Abs.2 Zif.2 NÖBO 2014 sowie auf § 37 Abs. 1 Zif. 1 NÖBO 2014 hingewiesen. Hinsichtlich der Ausführung des zweiten Stalles gelten die bautechnischen Ausführungen der Niederschrift vom 6.9.2017 in Bezug auf ‚Anhänger‘, welcher als Pferdestall genutzt wird.

[...]“

9 Mit Schreiben vom 12. März 2018 sowie vom 21. März 2018 ersuchte die Baubehörde die Bezirkshauptmannschaft K. (in der Folge: Amtsrevisionswerberin) u.a., den mit Bescheid vom 30. Mai 2017 aufgetragenen Abbruch des errichteten Pferdestalles samt Unterbau auf Grundstück Nr. 391, KG H., zu vollstrecken.

10 Mit Aktenvermerk vom 26. April 2018 stellte die Amtsrevisionswerberin gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Mitbeteiligte u.a. betreffend den angeordneten Abbruch des Pferdestalles samt Unterbau ein. Dazu wurde ausgeführt, dass der Pferdestall, welcher Gegenstand des Abbruchbescheides vom 30. Mai 2017 gewesen sei, entfernt worden sei. Dies sei mit einem am 21. Juli 2017 bei der Baubehörde eingelangten Schreiben bestätigt worden. Ebenso sei bei einem Lokalaugenschein am 6. September 2017 festgestellt worden, dass der Pferdestall entfernt und auf einem fahrbaren Gestell montiert worden sei. Rechtlich gesehen sei daher der Verfahrensgegenstand des Abbruchbescheides vom 30. Mai 2017 fristgerecht entfernt worden, da die Kombination „Pferdestall mit fahrbarem Untergestell“ ein Aliud darstelle, welches mit einem gesonderten Bescheid zu behandeln wäre.

11 Mit Schreiben der Amtsrevisionswerberin vom 19. Juni 2018 wurde die Baubehörde zu ihrem Vollstreckungsersuchen vom 21. März 2018 ersucht, die Feststellung, wonach es sich bei dem abgestellten Pferdestall samt Unterbau um ein Gebäude handle, obwohl dieser seit dem baupolizeilichen Auftrag „auf ein Anhängergestell gestellt wurde bzw. Teil dieses Anhängers ist“, zu bestätigen.

12 In einer schriftlichen Stellungnahme vom 21. Juni 2018 legte die Baubehörde daraufhin (u.a.) dar, dass dem baupolizeilichen Auftrag vom 30. Mai 2017, den (ersten) Pferdestall samt Unterbau abzutragen, nicht Folge geleistet worden sei. Zu der Frage, ob es sich bei dem Anhänger um ein Gebäude handle, werde auf die Rechtsauskunft des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Februar 2018 sowie auf die Ausführungen des beigezogenen bautechnischen Amtssachverständigen verwiesen, wonach die beiden Bauwerke eindeutig durch Schwerkraft kraftschlüssig mit dem Boden verbunden seien.

13 Mit Verfügung vom 10. Juli 2018 drohte die Amtsrevisionswerberin der Mitbeteiligten in der Folge gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (in der Folge: VVG) hinsichtlich des vom Titelbescheid vom 30. Mai 2017 erfassten „Pferdestalles samt Unterbau“ die Ersatzvornahme an.

14 Mit Schreiben der Amtsrevisionswerberin vom selben Tag wurde der Mitbeteiligten weiters mitgeteilt, dass es sich bei beiden Pferdeställen um Gebäude im Sinne der NÖ Bauordnung 2014 (in der Folge: NÖ BO 2014) handle. „Die beiden Vollstreckungsverfahren“ seien aufgrund „der rechtskräftigen Abbruchbescheide“ der Baubehörde fortzusetzen.

15 Mit einem an die Baubehörde gerichteten Schreiben vom 7. September 2018 bestätigte die Mitbeteiligte „nochmals“ den Abbruch „so wie im Bescheid vom 30.05.2017 gefordert“.

16 Mit Schreiben vom 6. November 2018 teilte die Baubehörde der Amtsrevisionswerberin Folgendes mit:

„Aufgrund eines am heutigen Tag durchgeführten Ortsaugenscheines muss leider mitgeteilt werden, dass nun wieder zwei Pferdeanhänger auf der Grünland‑Parzelle 391, KG H[...] stehen. Diese stehen nun nicht mehr direkt auf dem Boden sondern sind mit seitlichen Stützen und Paletten erhoben bzw. abgestützt (s. beiliegendes Foto).

Hier ist es fraglich, ob diese Abstützungen die Last der Pferde aushalten, denn einer der beiden ‚Pferdeställe‘ erscheint nicht sehr stabil in der waagrechten Ausrichtung.

Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren für den ersten ‚Pferdestall‘ kann unserer Meinung nicht eingestellt werden bzw. wäre die Vollstreckung vom 6.6.2018 für den zweiten ‚Pferdestall‘ wieder aufzunehmen.

[...]“

17 Mit Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 12. Februar 2019 wurde gegenüber der Mitbeteiligten gemäß § 4 VVG die Vollstreckung der mit Bescheid vom 30. Mai 2017 angeordneten Abtragung des auf Grst. Nr. 391, KG H. abgestellten Pferdestalles samt Unterbau, hinsichtlich dessen mit Schreiben vom 10. Juli 2018 die Ersatzvornahme angedroht worden sei, angeordnet. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass es sich um den ersten von der Mitbeteiligten errichteten Pferdestall handle, „welcher anfangs direkt bei der Scheune situiert war“.

18 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: LVwG).

19 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid behoben (1.); gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei (2.).

20 Begründend führte das LVwG dazu nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, aus dem dem Schreiben der Baubehörde vom 6. November 2018 beigeschlossenen Foto sei erkennbar, dass zwei Pferdeställe abseits der Scheune aufgestellt seien. Keiner der Pferdeställe sei direkt bei der Scheune aufgestellt; ein Pferdestall direkt bei der Scheune sei auch nicht erkennbar (Verweis auf den Behördenakt). Die Rechtmäßigkeit des vollstreckbaren Titelbescheides sei im Vollstreckungsverfahren nicht zu prüfen (Verweis auf VwGH 22.8.2016, Ra 2015/17/0196). Da ein rechtskräftiger Titelbescheid vorliege, der gegenüber der Mitbeteiligten wirksam sei, sei zu prüfen, ob diese „der auferlegten, hinreichend konkreten Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen“ sei. Wie festgestellt worden sei, befinde bzw. befand sich der Pferdestall nicht mehr an dem im Titelbescheid ‑ unter Heranziehung der als Spruchbestandteil bestimmten Verhandlungsschrift vom 24. Mai 2017 und der dieser angeschlossenen Fotodokumentation ‑ bestimmten Ort direkt an der Nordseite der Scheune. Selbst die Amtsrevisionswerberin komme zu diesem Ergebnis, wenn sie im Spruch des bekämpften Bescheides den Hinweis eingefügt habe, dass es sich um den ersten von der Mitbeteiligten errichteten Pferdestall handle, welcher anfangs direkt bei der Scheune situiert gewesen sei. Mittlerweile befänden sich zwei im Wesentlichen gleichartige Pferdeställe auf dem Grundstück. Das „abbruchgegenständliche Gebäude“ sei jedenfalls von dem im Titelbescheid (laut Fotodokumentation) definierten Ort entfernt worden.

21 Im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Bescheiden vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass eine nach der Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes an sich geeignet sei, die Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 VVG unzulässig zu machen. Wenn der Pferdestall vom ursprünglichen im Titelbescheid bezeichneten Ort entfernt und später ‑ diesmal aufgeständert an einem anderen Ort auf dem Grundstück neben einem anderen Pferdestall gleicher Konstruktion ‑ wiederum zur Aufstellung gelangt sei, so handle es sich nicht mehr um das im Abbruchbescheid (Titelbescheid) beschriebene Gebäude. Ein Gebäude sei durch seine Größe und Lage auf dem Grundstück definiert. Jedenfalls sei die Lage verändert worden, womit sich der Sachverhalt wesentlich geändert habe. Damit könne dahingestellt bleiben, ob bereits durch die vor der Lageveränderung erfolgte Veränderung des Abbruchobjektes dadurch, dass der Pferdestall auf ein Fahrgestell montiert und dieses eingegraben worden sei, nicht mehr dasselbe Gebäude, welches Gegenstand des Abbruchauftrages gewesen sei, vorgelegen sei.

22 Da sich der Sachverhalt seit der Erlassung des Abbruchbescheides wesentlich geändert habe, sei der bekämpfte Bescheid, mit welchem die Ersatzvornahme angeordnet worden sei, aufzuheben.

23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

24 Die Mitbeteiligte erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

25 Die Revision erweist sich in Anbetracht ihres Zulässigkeitsvorbringens (§ 28 Abs. 3 VwGG) zum Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Annahme einer wesentlichen Sachverhaltsänderung im Sinne des § 10 VVG nach Erlassung eines baupolizeilichen Abbruchbescheides als zulässig. Sie ist auch begründet.

26 Die Revision führt (u.a.) aus, es handle sich gegenständlich nicht um eine wesentliche Sachverhaltsänderung, die eine Unzulässigkeit der Vollstreckung rechtfertigen würde. Richtig sei, dass der verfahrensgegenständliche Pferdestall nicht mehr wie anfangs nordöstlich der Scheune platziert, sondern in den örtlichen Nahebereich des ursprünglichen Stellplatzes, ebenfalls nahe bei der Scheune, verstellt worden sei. Die Größe des Gebäudes sei unverändert, seine Lage habe sich nur unwesentlich verändert. In einem ähnlich gelagerten Fall (betreffend einen Kioskcontainer) habe der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass auch ein kurzfristiges Entfernen und späteres Aufstellen eines gleichartigen Containers keine wesentliche Sachverhaltsänderung darstelle, die die Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 1 VVG unzulässig machen würde (Hinweis auf VwGH 11.1.2012, 2010/06/0272). Gegenständlich sei lediglich die örtliche Lage geringfügig verändert worden. Diese Veränderung sei jedoch nicht dazu geeignet, die Herstellung der gesetzmäßigen Situation, nämlich die Entfernung des nichtbewilligten Stalles, herbeizuführen. Eine Umstellung des Abbruchobjektes entspreche nicht einer Beseitigung oder einem Abbruch im Sinne der NÖ BO 2014. Die Tragweite des Falles sei enorm; in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen könne die Baubehörde ihrer rechtlichen Verpflichtung zur durchsetzbaren Erlassung von Abbruch- oder Beseitigungsbescheiden nicht mehr nachkommen. Auch wenn solche Bescheide seitens der Baubehörde erlassen würden, könnten diese infolge minimaler Änderungen der Lage, Größe oder Beschaffenheit des Abbruch- oder Beseitigungsobjektes obsolet werden. Ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzbauten „solcher Beschaffenheit“ wäre sodann aussichtslos.

27 Das LVwG habe es ferner unterlassen, festzustellen, auf welchem Grundstück sich der umgestellte Pferdestall nun befinde; ebenso sei die Lage des Stalles am Grundstück nicht näher definiert worden, obwohl das LVwG selbst ausführe, dass sich ein Gebäude durch die Größe und Lage am Grundstück definiere. Hätte es diese essentiellen Feststellungen getroffen, wäre es im Sinne der hierzu gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwangsläufig zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich ‑ auch wenn die Lage eines Objektes verändert werde, indem dieses im Nahebereich des ursprünglichen Aufstellungsortes auf derselben Liegenschaft aufgestellt werde ‑ um keine Beseitigung im Sinne eines rechtskräftig gewordenen baupolizeilichen Auftrages handle und daher eine Ersatzvornahme zulässig sei (Verweis auf VwGH 15.6.2011, 2010/05/0011).

Dazu ist Folgendes auszuführen:

28 Festzuhalten ist zunächst, dass das LVwG seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen hatte (vgl. etwa VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001, mwN).

29 § 10 VVG, BGBl. Nr. 53/1991, idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

Verfahren

§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung.“

30 Bei der Anordnung der Ersatzvornahme handelt es sich um eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG (vgl. nochmals VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001, oder auch 22.11.2018, Ra 2018/07/0459, mwN).

31 Während nach der bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33, geltenden Rechtslage die Gründe für eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung auf den Rahmen des § 10 Abs. 2 VVG idF vor Inkrafttreten dieser Novelle (in der Folge: § 10 Abs. 2 VVG aF) beschränkt waren (vgl. etwa VwGH 25.3.2004, 2003/07/0062, mwN), ist im VVG in der vorliegend anzuwendenden, oben angeführten Fassung, in Bezug auf Vollstreckungsverfügungen keine Beschränkung der Beschwerdegründe normiert. Soweit sich eine gegen die bescheidmäßige Anordnung der Ersatzvornahme erhobene Beschwerde auf Gründe stützt, die inhaltlich Berufungsgründe im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG aF darstellen, kann auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene hg. Judikatur zurückgegriffen werden. Danach ist die Vollstreckung etwa unzulässig (§ 10 Abs. 2 Z 1 VVG aF), wenn kein entsprechender Titelbescheid vorliegt, wenn ein solcher dem Verpflichteten gegenüber nicht wirksam ist oder wenn der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen wurde (vgl. zum Ganzen wiederum VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001, mwN).

32 Auch eine nach der Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes ist gegebenenfalls geeignet, die Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 VVG aF unzulässig zu machen (vgl. etwa VwGH 28.10.2013, 2011/05/0152, oder auch VwGH 5.9.2013, 2013/09/0063, 0064, mwN), wobei eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes nur dann vorliegt, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Titelbescheid erlassen werden könnte (vgl. etwa VwGH 23.11.2016, 2013/05/0175). Eine Ersatzvornahme ist aber jedenfalls so lange zulässig, als der Pflicht aus dem Titelbescheid nicht zur Gänze nachgekommen wurde (vgl. in diesem Sinn VwGH 11.1.2012, 2010/06/0272, mwN).

33 Im Revisionsfall begründete das LVwG die Unzulässigkeit der Vollstreckung mit einer nach Erlassung des Titelbescheides eingetretenen wesentlichen Sachverhaltsänderung, weil der in Rede stehende Pferdestall nicht mehr an dem durch den Titelbescheid bestimmten Ort direkt an der Nordseite der Scheune situiert sei. Es führte weiters aus, dass sich zwei im Wesentlichen gleichartige Pferdeställe auf dem Grundstück befänden.

34 Mit dem unbestritten rechtskräftigen Titelbescheid vom 30. Mai 2017 wurde die Mitbeteiligte verpflichtet, den abgestellten Pferdestall samt Unterbau auf dem Grundstück Nr. 391, EZ 177, KG H., abzutragen. Der Standort des Pferdestalles wurde dabei lediglich mit der Grundstücksnummer bestimmt, eine nähere örtliche Definition ist nicht erfolgt. Schon der Spruch des rechtskräftigen Titelbescheides lässt demnach keine Zweifel offen, dass eine Entfernung des Objektes vom Grundstück an sich und nicht bloß vom bisherigen Standort innerhalb des Grundstückes beabsichtigt war (vgl. dazu VwGH 12.11.2002, 2001/05/0199).

35 Im eben genannten Erkenntnis vom 12. November 2002, 2001/05/0199, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgesprochen, dass mit dem Ausdruck „beseitigen“ (in § 49 Abs. 1 OÖ Bauordnung 1994) nicht bloß die Schaffung einer geänderten örtlichen Lage der baulichen Anlage gemeint sein könne. Es müsse vielmehr eine Veränderung herbeigeführt werden, die zur Herstellung der gesetzmäßigen Situation, nämlich zur Entfernung des dort verfahrensgegenständlichen Verkaufscontainers von einem Grundstück im Grünland, führe. Nichts anderes kann für § 35 Abs. 2 NÖ BO 2014 (in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 50/2017) gelten: Auch mit der Verwendung des Ausdruckes „Abbruch“ in der genannten Bestimmung kommt klar das gesetzgeberische Ziel zum Ausdruck, einen Zustand, der der gesetzmäßigen Situation entspricht, herzustellen, womit in einem Fall wie dem vorliegenden nicht die Verschiebung eines Objektes in den Nahebereich des ursprünglichen Aufstellungsortes (am selben Grundstück) gemeint sein kann (vgl. dazu etwa auch VwGH 15.6.2011, 2010/05/0011, mwN).

36 Fallbezogen verkannte das LVwG somit, dass die Mitbeteiligte durch den rechtskräftigen Abbruchauftrag vom 30. Mai 2017 verpflichtet wurde, eine Veränderung herbeizuführen, die zur Herstellung der gesetzmäßigen Situation, nämlich zur Entfernung des vom Titelbescheid erfassten Objektes vom Grundstück Nr. 391, KG H., führt. Eine explizite Feststellung dazu, dass es sich bei dem Grundstück, auf dem der verfahrensgegenständliche Pferdeunterstand wiederum neu aufgestellt wurde, um das Grundstück Nr. 391, KG H., handelt, ist dem angefochtenen Erkenntnis ‑ wie die Amtsrevisionswerberin zutreffend erwähnt ‑ zwar nicht zu entnehmen; nach dem gesamten Inhalt des Erkenntnisses, insbesondere auch indem sich das LVwG (auf S. 8 aE) auf den Titelbescheid (vom 30. Mai 2017) bezieht (der seinerseits die Entfernung vom genannten Grundstück Nr. 391 anordnet) und in der Folge ausführt, mittlerweile befänden sich zwei im Wesentlichen gleichartige Pferdeställe „auf dem Grundstück“, besteht für den Verwaltungsgerichtshof jedoch kein Zweifel daran, dass das LVwG bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses davon ausging, dass der verfahrensgegenständliche Pferdeunterstand auf ein- und demselben Grundstück, nämlich auf Grst. Nr. 391, KG H., (bloß) in der Lage verändert wurde. Gegenteiliges lässt sich auch weder dem Inhalt der Revisionsbeantwortung der Mitbeteiligten noch den vorgelegten Verfahrensakten entnehmen. Das Entfernen und spätere neuerliche Aufstellen desselben Objektes auf demselben Grundstück stellt aber wie dargestellt keine wesentliche Sachverhaltsänderung dar, die die Vollstreckung im Sinn des § 10 Abs. 2 VVG unzulässig machen würde (vgl. zum bloßen „Versetzen“ oder „Verschieben“ einer baulichen Anlage in den Nahbereich des ursprünglichen Standortes vgl. nochmals VwGH 15.6.2011, 2010/05/0011 oder auch nochmals VwGH 11.1.2012, 2010/06/0272).

37 Aus dem von ihm herangezogenen Grund durfte das LVwG daher der Beschwerde der Mitbeteiligten nicht Folge geben und den bei ihm bekämpften Bescheid der Amtsrevisionswerberin nicht beheben. Da es dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

38 Für das fortzusetzende Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass es das LVwG infolge seiner wie dargestellt unrichtigen Rechtsauffassung unterlassen hat, festzustellen, ob es sich bei dem ‑ zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ‑ offenbar auf einem Fahrgestell montierten (und eingegrabenen) Objekt um ein Bauwerk (oder um zwei Bauwerke ‑ Pferdestall samt Unterbau) im Sinne des rechtskräftigen Titelbescheides vom 30. Mai 2017 handelte. Dies wird im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sein, und es werden ‑ allfällig ‑ in der Zwischenzeit eingetretene Veränderungen der vom Titelbescheid erfassten Objekte hinsichtlich ihrer Bauwerkseigenschaft auf die Frage der wesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne der oben genannten Rechtsprechung zu § 10 VVG hin zu beurteilen sein.

Wien, am 1. Februar 2022

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte