VwGH 2013/05/0175

VwGH2013/05/017523.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Beschwerde des Mag. C R in W, vertreten durch Mag. Robert Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Juli 2013, Zl. MA 64 - 2527/2012, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §47;
AVG §69;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z3;
BauO Wr §62a Abs2;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §10;
VVG §4;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §17 Abs4;
ZustG §17;
ZustG §22;
AVG §47;
AVG §69;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z3;
BauO Wr §62a Abs2;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §10;
VVG §4;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §17 Abs4;
ZustG §17;
ZustG §22;

 

Spruch:

<spruchDie Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden: Titelbescheid) erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, dem Eigentümer der Baulichkeit auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 2 und 4 Bauordnung für Wien (BO) folgenden Auftrag:

"1.) Bei sämtlichen Rauchfangköpfen ist der fehlende

Verputz herzustellen.

2.) Die schadhafte Dachhaut ist niederschlagsdicht instand

zu setzen.

3.) Die schadhaften Eternit-Platten an der hofseitigen

Außenmauer sind instand zu setzen bzw. zu erneuern.

4.) Die gartenseitige Balkontüre ist konsensgemäß instand

zu setzen.

5.) Die beiden an der B...gasse gelegenen straßenseitigen

Dachgaupenfenster sind bauordnungsgemäß instand zu setzen.

6.) An den hofseitigen Fassaden ist in sämtlichen Bereichen

der fehlende Verputz wieder herzustellen.

7.) Im Fassadenbereich an der B...gasse ist der Verputz in

sämtlichen schadhaften Bereichen instand zu setzen.

8.) In den schadhaften Bereichen (Risse, etc.) ist das

Krönungsgesimse bauordnungsgemäß und tragfähig instand zu setzen.

9a.) Sämtliche schadhaften Regenabfallrohre sind instand zu

setzen.

9b.) Die schadhaften Verblechungen über dem Krönungsgesimse

sind instand zu setzen bzw. wiederherzustellen.

10.) Der schadhafte Verputz an der Feuermauer angrenzend

zur B...gasse ist bauordnungsgemäß herzustellen.

11.) Sämtliche schadhaften Überlager zu den Wohnungen

(bereits gepölzt) sind tragfähig und bauordnungsgemäß instand zu setzen.

12.) Sämtliche Risse in der Wohnung Top Nr. 1 sind kraftschlüssig zu verschließen.

13.) Sämtliche Risse in den Wohnungen Top Nr. 2 und Top Nr. 3 sind kraftschlüssig zu verschließen.

  1. 14.) Der Fußboden in Top Nr. 4 ist trittsicher herzustellen.

15.) Der Fußboden im Stiegenhaus im 1. Stock ist

trittsicher herzustellen.

16.) Das Überlager über der Wohnungseingangstür Top Nr. 5

ist bauordnungsgemäß instand zu setzen.

17a.) Die schadhafte Decke im Bereich der Küche und des

Vorzimmers der Wohnung Top Nr. 5 ist bauordnungsgemäß instand zu setzen, sodass die volle Tragfähigkeit wieder gegeben ist.

17b.) Die Risse im Mauerwerk in der Wohnung Top Nr. 5 sind kraftschlüssig instand zu setzen.

18.) Sämtliche Risse in der Wohnung Top Nr. 6 im Eingangsbereich sind kraftschlüssig zu verschließen."

2 Der genannte Auftrag wurde an die Verlassenschaft nach dem am 25. August 2001 verstorbenen H. R., vertreten durch den Beschwerdeführer als vertretungsbefugten Erben, gerichtet und am 20. Dezember 2007 durch Hinterlegung zugestellt. Die Verlassenschaft nach H. R. wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juni 2008 eingeantwortet.

3 Mit Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Oktober 2008 wurde dem Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Baulichkeit zur Erbringung der aufgetragenen Leistungen nochmals eine Frist von 12 Wochen gesetzt und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieses Auftrages die Ersatzvornahme angedroht. Diese Verfahrensanordnung war an H. R. als Eigentümer der Baulichkeit, zu Handen des Beschwerdeführers als vertretungsbefugten Erben, gerichtet.

4 Mit Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Februar 2010 wurde gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die zwangsweise Durchführung der im Titelbescheid aufgetragenen Maßnahmen durch Ersatzvornahme angeordnet. Dieser Bescheid war an den Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit gerichtet und wurde diesem am 4. Februar 2010 durch Hinterlegung zugestellt.

5 In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die Sanierungsarbeiten seien zwar schon teilweise erledigt, aber derzeit noch im Gange. Im Bescheid werde nicht erwähnt, welche Arbeiten bereits durchgeführt worden seien, und es sei keine Begehung zur Erhebung des Bauzustandes durchgeführt worden. Außerdem stelle die Vollstreckungsverfügung im derzeitigen Stadium nicht das gelindeste Mittel zur Erreichung des Zweckes der Durchführung der Arbeiten dar, da vor Erlassung des Bescheides nicht der Status Quo - insbesondere nicht die Ursache für die noch teilweise ausstehende Durchführung der Arbeiten - erhoben worden sei.

6 Über Ersuchen der Wiener Landesregierung (im Folgenden: Berufungsbehörde) teilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 - Baupolizei, mit Schreiben vom 22. April 2010 mit, bei der Überprüfung der Baulichkeit am 29. März 2010 sei festgestellt worden, dass derzeit keine zügige Sanierung am bzw. im Gebäude durchgeführt werde. Es sei dem Bauauftrag lediglich in den Punkten 2.), 3.), 4.), 7.), 8.), 9a.),

9b.) und 10.) und im Punkt 1.) nur teilweise entsprochen worden. Den Punkten 5.), 6.), und 11.) bis 18.) sei nicht entsprochen worden.

7 In der Folge übermittelte der Beschwerdeführer das Schreiben der Bauunternehmung H. vom 2. Juli 2010, in welchem ausgeführt wurde, dass insbesondere durch das geforderte kraftschlüssige Schließen der Risse im Erdgeschoß und im ersten Stock die Möglichkeit bestehe, dass die Substanz des Hauses gefährdet werde, wenn nicht gleichzeitig "die Fundamente der Loggia zum Schutz vor einer weiteren Absenkung geschützt" würden. Die Setzung der Fundamente sei auf den parallel verlaufenden schadhaften Kanal zurückzuführen und nur durch die Sanierung des Kanales in Verbindung mit den Verhängungen könne es zu einer dauerhaften Sicherung kommen.

8 Mit Bescheid der Berufungsbehörde vom 8. September 2010 wurde der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom 3. Februar 2010 behoben. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages die Verlassenschaft nach H. R. als Eigentümerin der Baulichkeit anzusehen gewesen sei. Mit der Einantwortung am 29. Juni 2008 an den Beschwerdeführer sei die Verlassenschaft als juristische Person untergegangen und nicht mehr existent gewesen. Eine nach rechtskräftiger Einantwortung an die "Verlassenschaft nach ..." gerichtete Erledigung gehe daher ins Leere. Die Androhung der Ersatzvornahme sei zwar dem Beschwerdeführer zugegangen, sie sei aber an ihn als vertretungsbefugten Erben und nicht an ihn als Eigentümer des Bauwerkes gerichtet gewesen. Sohin sei die Vollstreckungsverfügung ohne vorherige Androhung der Ersatzvornahme erlassen worden und die Erlassung der Vollstreckungsverfügung damit unzulässig gewesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer den Angaben des im Akt befindlichen Rückscheines zufolge am 7. Oktober 2010 durch Hinterlegung zugestellt.

9 Mit Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 24. November 2011 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Baulichkeit zur Durchführung der im Titelbescheid in den Punkten 1.) bis 6.) und 8.) bis 18.) genannten Maßnahmen nochmals eine Frist von 12 Wochen gesetzt und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung die Ersatzvornahme angedroht.

10 Mit Vollstreckungsverfügung vom 25. April 2012 ordnete der Magistrat der Stadt Wien die zwangsweise Durchführung der im Titelbescheid in den Punkten 1.) bis 6.) und 8.) bis 18.) genannten Maßnahmen durch Ersatzvornahme an.

11 In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass bereits mit Bescheid vom 3. Februar 2010 eine Vollstreckungsverfügung in dieser Angelegenheit erlassen und über die dagegen erhobene Berufung noch nicht entschieden worden sei, weshalb ein zweites Verfahren nicht anhängig gemacht werden könne. Darüber hinaus seien die Sanierungsarbeiten zwar schon teilweise erledigt, aber derzeit noch im Gange. Hinsichtlich der Loggia lägen schwierige baustatische Probleme vor, welche die Sanierung im Sinne des Baubescheides in einem ganz wesentlichen Teil unsinnig erscheinen ließen, da die Loggia immer weiter absinke. Mit den vorgeschriebenen Maßnahmen würden sich die Folgeschäden auch auf den noch "gesunden" Teil des Hauptgebäudes ausdehnen und dann riesige finanzielle Schäden verursachen. Im Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass auch in diesem Bescheid nicht erwähnt werde, welche Arbeiten bereits durchgeführt worden seien und welche nicht. Die Vollstreckungsverfügung stelle im derzeitigen Stadium nicht das gelindeste Mittel zur Erreichung des Zweckes der Durchführung der Arbeiten dar, da die Behörde die besonderen Umstände des Einzelfalls, nämlich die außergewöhnlichen technischen Schwierigkeiten im Bereich der Loggia, die der Behörde bekannt gewesen seien, keineswegs berücksichtigt habe. Darüber hinaus sei mit Verfahrensanordnung vom 24. November 2011 eine sehr kurze Frist in der kältesten Jahreszeit gesetzt worden und wäre die Durchführung der Arbeiten in der vorgeschriebenen Frist unmöglich gewesen.

12 Über Ersuchen der Berufungsbehörde, ob und inwieweit dem Titelbescheid nunmehr in den noch ausstehenden Punkten entsprochen worden sei, teilte die Baupolizei mit Schreiben vom 22. Mai 2013 mit, dass der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger telefonischer Terminvereinbarung für eine Überprüfung vor Ort nie erschienen und auch der für den 15. Jänner 2013 anberaumten Ortsaugenscheinverhandlung ferngeblieben sei. Eine Erhebung im Gebäude habe daher nicht stattgefunden. Punkt 1.) des Titelbescheides sei nur teilweise, die Punkte 5.) und 6.) seien gar nicht erfüllt worden. Die Punkte 11.) bis 18.) gälten mangels Überprüfbarkeit auf Grund der nicht möglichen Erhebung im Gebäude als nicht erfüllt. Wie sich aus der bereits am 27. April 2010 an die Berufungsbehörde erstatteten Stellungnahme der Baupolizei ergebe, seien die Punkte 2.), 3.), 4.), 7.), 8.), 9a.), 9b.) und 10.) des Titelbescheides erfüllt worden.

13 Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. Mai 2013 übermittelt, der sich dazu nicht äußerte.

14 Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass sie die Leistungsverpflichtung auf die Punkte 1.), 5.), 6.), und 11.) bis 18.) des Titelbescheides einschränkte, und wies im Übrigen die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Bescheid der Berufungsbehörde vom 8. September 2010 sei dem Beschwerdeführer nachweislich am 7. Oktober 2010 durch Hinterlegung zugestellt worden. Mit der bewirkten Zustellung sei das seinerzeitige, auf Grund der Berufung vom 18. Februar 2010 eingeleitete Berufungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden. Zum Zeitpunkt der Androhung der Ersatzvornahme vom 24. November 2011 sei kein Vollstreckungsverfahren mehr offen bzw. anhängig gewesen.

15 Die am 29. März 2010 von der Baupolizei durchgeführte Erhebung habe ergeben, dass dem Titelbescheid nur in den Punkten 2.), 3.), 4.), 7.), 8.), 9a.), 9b.) und 10.) entsprochen worden sei. Ob und inwieweit die noch offenen Punkte des Titelbescheides erfüllt worden seien, hätte bei der für 15. Jänner 2013 anberaumten Verhandlung überprüft werden sollen, zu welcher der Beschwerdeführer weder persönlich erschienen sei noch einen bevollmächtigten Vertreter entsandt habe. Dadurch habe er seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren verletzt, zumal ihm habe klar sein müssen, dass die Baupolizei insbesondere zur Überprüfung der Punkte 11.) bis 18.) des Titelbescheides in das Innere des Gebäudes hätte gelangen müssen. Im Fall der mangelnden Mitwirkung der Partei an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes stehe es der Behörde frei, aus diesem Verhalten im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch für den Antragsteller negative Schlüsse zu ziehen. In diesem Sinne sei davon auszugehen, dass nach wie vor das Ergebnis der am 29. März 2010 durchgeführten baupolizeilichen Erhebung in Bezug auf die festgestellte Erfüllung bzw. Nichterfüllung des Titelbescheides maßgeblich sei.

16 Zu den vorgebrachten bautechnischen Problemen in Bezug auf die Loggia sei auszuführen, dass der Titelbescheid rechtskräftig und vollstreckbar sei und dieser im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nicht mehr bekämpft werden könne. Hinsichtlich der noch offenen Punkte des Titelbescheides sei der Sachverhalt jedenfalls unverändert geblieben. Das diesbezügliche Vorbringen hätte im Zuge des Verfahrens zur Erlassung des Titelbescheides erstattet werden müssen. Gründe, die zum Entstehen von festgestellten Baugebrechen geführt hätten, oder Gründe, auf die die festgestellten Baugebrechen zurückzuführen seien, seien bei der Erlassung des Titelbescheides und auch im Vollstreckungsverfahren rechtlich unerheblich.

17 Das in § 2 Abs. 1 VVG normierte Schonungsprinzip beziehe sich nur auf die Auswahl der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel, es bedeute jedoch nicht, dass von der Vollstreckung des Titelbescheides überhaupt, und sei es auch nur zeitweilig, abzusehen sei. Die Auswahl des gelindesten Mittels sei demnach schon von vornherein auf jene Zwangsmittel eingeschränkt, die auch geeignet seien, den Titelbescheid durchzusetzen. Da zur zwangsweisen Durchsetzung vertretbarer Leistungen, wie die dem Beschwerdeführer aufgetragene Beseitigung von Baugebrechen, lediglich die Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG in Frage komme, bestehe im vorliegenden Fall ohnedies nur dieses "zum Ziel führende" Zwangsmittel.

18 Im gegenständlichen Fall liege im Hinblick auf die festgestellten, noch offenen Punkte ein rechtskräftiger Titelbescheid vor, der gegenüber dem Beschwerdeführer wirksam geworden sei, und der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen, weshalb die Voraussetzungen für eine Vollstreckung gegeben seien.

19 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

20 Die Berufungsbehörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Gemäß § 79 Abs. 11 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

22 Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des VVG, BGBl. Nr. 35/1991 - § 2 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011, § 4 in der Stammfassung und § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 - lauten auszugsweise:

"§ 2. (1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

..."

"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

..."

"Verfahren

§ 10. ...

(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz

erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn

1. die Vollstreckung unzulässig ist oder

2. die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden

Bescheid nicht übereinstimmt oder

3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im

Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.

..."

23 § 17 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet auszugsweise:

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. ...

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

24 Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, der Vertrauensschutz sei verletzt worden. Er habe der Behörde vertraut und sei deshalb irrigerweise bei Erlassung des Bescheides (gemeint offenbar: des Titelbescheides) davon ausgegangen, dass durch die vorgeschriebenen Maßnahmen sowohl das Hauptgebäude als auch der Vorbau statisch stabilisiert würden, sodass die bisher aufgetretenen Schäden in Hinkunft ausgeschlossen seien. Dies sei jedoch nicht gewährleistet, da durch die vorgeschriebenen Maßnahmen in Hinkunft noch wesentlich größere und vielfach "teurere" Schäden am Hauptgebäude auftreten würden. Dieser Behördenfehler sei auch im Vollstreckungsverfahren wegen Änderung des Sachverhaltes nach Rechtskraft des Titelbescheides beachtlich. Es seien seit Bescheiderlassung weitere Setzungen des Vorbaus aufgetreten und erst im Zuge der Planung der Sanierung durch den Beschwerdeführer sei die technische Unbrauchbarkeit der von der Behörde vorgeschriebenen Baumaßnahmen hervorgekommen. Bei der Kontrolle durch die Baupolizei im Jahr 2013 sei ausschließlich überprüft worden, ob die vorgeschriebenen Maßnahmen durchgeführt worden seien oder nicht, nicht aber, ob sich der Vorbau weiter gesenkt habe. Die Berufungsbehörde gehe davon aus, dass sich der Sachverhalt nicht geändert habe, aber es sei nicht klar, was sie damit meine. Da diese "Interpretationsfrage" semantisch unlösbar sei, sei auch die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig nachvollziehbar. Der für die Rechtsfragen wesentliche Umstand, ob die Behörde von einer weiteren "Bewegung" (Absinken) des Vorbaus oder vom "Stillstand" ausgehe, lasse sich nicht beantworten. Die Art der "Sanierung" - wie sie von der Baubehörde bislang verlangt werde - sei für den Beschwerdeführer eine gefährliche "Bastlerlösung", nicht eine ordnungsgemäße Behebung eines Gebrechens im Sinn der BO. Das Problem der Absenkung des Vorbaus lasse sich durch kraftschlüssiges Schließen der Risse nicht lösen, da Wände nur geringe horizontal wirkende Kräfte abfangen könnten. Leider sei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Erwachsens des Bauauftrages in Rechtskraft auf Grund seines Vertrauens in die technische Kompetenz der Baupolizei nicht klar gewesen, wie gering die Belastbarkeit von Mauern gegenüber horizontal wirkenden Kräften tatsächlich sei. Die Baubehörde hätte sich von sich aus, und zwar noch vor Erlassung des Titelbescheides, davon überzeugen müssen, dass die Fundamente und der Untergrund des Vorbaus alleine ausreichten, um das Gewicht des Vorbaus zu tragen, und dass weitere Senkungen des Vorbaus auszuschließen seien.

25 Die Titelbehörde hätte auf Grund der Hinweise des Beschwerdeführers bereits von Amts wegen das Verfahren wiederaufnehmen müssen, um festzustellen, ob der Vorbau nachweislich nicht mehr in Bewegung sei. Dieser Umstand sei auch von der Vollzugsbehörde zu berücksichtigen gewesen, da eine "Änderung des Sachverhaltes" im Vollzugsverfahren zu beachten sei.

26 Die Behörde dürfe nicht zwei Verfahren in derselben Sache führen. Da der Beschwerdeführer von der Post keine Verständigung von der Aufhebung des Bescheides im ersten Rechtsgang erhalten habe, liege ein Zustellmangel vor und sei die Aufhebung des ersten Bescheides noch nicht rechtskräftig.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

27 Zunächst ist festzuhalten, dass im Vollstreckungsverfahren keine Einwendungen mehr vorgebracht werden können, die sich gegen den den Exekutionstitel bildenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde richten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2011/06/0151, mwN), weshalb der Beschwerdeeinwand, die aufgetragenen Maßnahmen zur Beseitigung der Baugebrechen seien für die ordnungsgemäße Behebung dieser Gebrechen nicht zielführend, ebenso ins Leere geht wie Fragen der Wiederaufnahme des Verfahrens, das zur Erlassung des Titelbescheides geführt hat.

28 Gegen eine Vollstreckungsverfügung kann jedoch eine Berufung ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist (vgl. § 10 Abs. 2 Z 1 VVG). Eine nach Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann eine Vollstreckung unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, mwN).

29 Einen solchen neuen Sachverhalt gegenüber der am 20. Dezember 2007 gegebenen Sachlage hat der Beschwerdeführer im Vollstreckungsverfahren in Bezug auf die vom angefochtenen Bescheid erfassten Maßnahmen nicht dargetan. In dem vom Beschwerdeführer der Berufungsbehörde übermittelten Schreiben der Bauunternehmung H. vom 2. Juli 2010 wird lediglich ausgeführt, dass insbesondere durch das geforderte kraftschlüssige Schließen der Risse im Erdgeschoß und im ersten Stock die Möglichkeit bestehe, dass die Substanz des Hauses gefährdet werde, wenn nicht gleichzeitig die Fundamente der Loggia vor einer weiteren Absenkung geschützt würden. Auch aus dem in seiner Berufung erstatteten Vorbringen ist - wie die Berufungsbehörde zu Recht ausführte - nicht ersichtlich, dass durch die behauptete Senkung des Vorbaus der titelmäßige Ausspruch erloschen wäre, zumal sich der Titelbescheid nicht auf diesen Vorbau bezieht. Dass bei der Beseitigung eines Baugebrechens nach dem Stand und den Erfahrungen der Technik vorzugehen ist und keine (anderen) Schäden verursacht werden dürfen, betrifft lediglich die Art der technischen Durchführung der Arbeiten, die von einem Fachmann durchzuführen sind (§ 62a Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 BO). Auf die Rechtmäßigkeit des Titels und dessen Vollstreckung hat dies keinen Einfluss.

30 Soweit der Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit der Zustellung des Bescheides der Berufungsbehörde vom 8. September 2010 bemängelt, ist auszuführen, dass dieser Bescheid, wie die Berufungsbehörde in Übereinstimmung mit dem im Verwaltungsakt befindlichen Zustellnachweis ausgeführt hat, dem Beschwerdeführer am 7. Oktober 2010 durch Hinterlegung beim Postamt 1030 zugestellt wurde. Am Zustellnachweis wurde weiters beurkundet, dass am selben Tag zuvor ein Zustellversuch stattgefunden hat und die Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt wurde.

31 Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 47 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 in Verbindung mit § 292 Abs. 2 Zivilprozessordnung der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2008, Zl. 2006/06/0243).

32 Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, er habe "von der Post keine Verständigung von der Aufhebung des Bescheides" erhalten, ist nicht geeignet diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen, und für die Wirksamkeit der Zustellung ist es auch ohne Belang, ob ihm die Verständigung von der Hinterlegung in der Folge tatsächlich zugekommen ist oder nicht (vgl. § 17 Abs. 4 ZustG sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0178).

33 Damit ist die Berufungsbehörde zu Recht davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Androhung der Ersatzvornahme vom 24. November 2011 kein Vollstreckungsverfahren betreffend denselben Titelbescheid (mehr) anhängig war.

34 Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

35 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

36 Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2006, Nr. 4533/02 (Freilinger u.a. gg Österreich), klargestellt, dass Annexverfahren, die keine Entscheidung in der Hauptsache enthalten, grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen. Das gilt auch für ein Vollstreckungsverfahren, das allein der Durchsetzung einer bereits im Titelverfahren getroffenen Entscheidung über ein civil right dient (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, Zl. 2011/06/0184, mwN). Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weshalb die Entscheidung im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden konnte.

37 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. November 2016

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