VwGH Ra 2019/09/0052

VwGHRa 2019/09/005226.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der A s.r.o. in B, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 10. Jänner 2019, LVwG 41.24-723/2017-6, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §63 Abs1
AVG §8
B-VG Art132 Abs2
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §53 Abs1
GSpG 1989 §53 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §7 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090052.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, also soweit damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Bescheids der belangten Behörde vom 31. Jänner 2017 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 27. Juni 2016 ordnete die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) gegenüber der - als Inhaberin der Geräte ermittelten - X GmbH die Beschlagnahme von vier, bei einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz in einem näher bezeichneten Lokal in C vorgefundenen Glücksspielgeräten und der darin enthaltenen Geldbeträge an.

2 Die gegen diesen Bescheid von der X GmbH erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom 9. November 2017 ab. Die in der Folge erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Oktober 2018, Ra 2018/09/0070, zurückgewiesen.

3 Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 beantragte die revisionswerbende Partei unter Berufung auf ihr Eigentumsrecht die Ausfolgung der beschlagnahmten Glücksspielgeräte bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung.

4 Mit (weiterem) Bescheid vom 31. Jänner 2017 ordnete die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gegenüber der revisionswerbenden Partei als Eigentümerin der Geräte die Beschlagnahme derselben vier Glücksspielgeräte an (Spruchpunkt 1.) und wies den Ausfolgungsantrag ab (Spruchpunkt 2.). 5 Mit Erkenntnis vom 10. Jänner 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die von der revisionswerbenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig. 6 Gegen dieses Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Beschlagnahme abgewiesen wurde, richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wiederholungsverbot bzw. vom Grundsatz "ne bis in idem" abgewichen. Unter Beachtung des Wiederholungsverbots hätte das Verwaltungsgericht im Hinblick auf den Beschlagnahmebescheid vom 27. Juni 2016 den gegenüber der Revisionswerberin erlassenen Bescheid aufzuheben gehabt. Die belangte Behörde hätte nämlich gegenüber der revisionswerbenden Partei keinen neuen Beschlagnahmebescheid erlassen dürfen, sondern hätte ihr als Eigentümerin der Geräte den bereits gegenüber der Inhaberin erlassenen Beschlagnahmebescheid vom 27. Juni 2016 zuzustellen gehabt.

8 Mit diesem Vorbringen zeigt die revisionswerbende Partei die Zulässigkeit der Revision auf. Die Revision ist auch begründet:

9 § 53 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 111/2010 lautet:

"Beschlagnahmen

§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen

Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.

(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.

(3) Die Behörde hat in den Fällen des Abs. 2 unverzüglich das Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides einzuleiten und Ermittlungen zur Feststellung von Identität und Aufenthalt des Eigentümers der Gegenstände, des Veranstalters und des Inhabers zu führen. Soweit nach der vorläufigen Beschlagnahme keine dieser Personen binnen vier Wochen ermittelt werden kann oder sich keine von diesen binnen vier Wochen meldet oder die genannten Personen zwar bekannt, aber unbekannten Aufenthaltes sind, so kann auf die Beschlagnahme selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) Die beschlagnahmten Gegenstände sind amtlich zu verwahren. Bereitet die amtliche Verwahrung Schwierigkeiten, so sind die Gegenstände einer dritten Person in Verwahrung zu geben; sie können aber auch dem bisherigen Inhaber belassen werden, wenn hierdurch der Zweck der Beschlagnahme nicht gefährdet wird. In solchen Fällen ist ein Verbot zu erlassen, über die Gegenstände zu verfügen, wobei hinsichtlich der Benützung, Pflege und Wertsicherung der Gegenstände die erforderlichen Bedingungen und Auflagen festzulegen sind. Die Gegenstände können auch durch amtliche Verschlüsse gesichert werden."

10 Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme handelt es sich um eine Art vorläufiges Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke ihrer Verwahrung dient. Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, dass die freie Verfügungsgewalt über eine Sache von dem (oder: den) Berechtigten auf die Behörde übergeht (vgl. VwGH 14.12.1993, 93/14/0130, mwN).

11 Im Fall einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz wird nicht nur in die Rechtsphäre des Eigentümers eingegriffen, sondern auch in jene des Inhabers und des Veranstalters. Aus § 53 Abs. 3 GSpG ergibt sich, dass Parteien im Beschlagnahmeverfahren der Veranstalter, der Inhaber und der Eigentümer beschlagnahmter Gegenstände sind. Diese Personen sind Bescheidadressaten eines Beschlagnahmebescheids; ihnen kommt daher auch das Recht zu, Rechtsmittel gegen einen Beschlagnahmebescheid zu erheben. Das Beschlagnahmeverfahren nach dem Glücksspielgesetz ist demnach ein Mehrparteienverfahren, bei dem neben dem Eigentümer auch dem Inhaber und dem Veranstalter der beschlagnahmten Gegenstände Parteistellung zukommt (siehe zum Ganzen etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2017/17/0967, mwN; vgl. auch ErläutRV 1067 BlgNR 17. GP , 22). 12 Konsequenz eines Mehrparteienverfahrens ist aber auch, dass nur ein (für alle Parteien gleichlautender) Bescheid zu erlassen und an alle Parteistellung genießende Personen zuzustellen ist (vgl. etwa VwGH 30.6.2010, 2006/12/0112, 0113, betreffend einen Bescheid über die Besetzung einer Planstelle; siehe auch VwGH 19.11.1987, 85/06/0136, ua, zur Festsetzung eines Kostenschlüssels in einer Weggenossenschaft).

13 Mit Erlassung des Bescheids gegenüber einer der mehreren Parteien ist das behördliche Verfahren bei Vorliegen eines Mehrparteienverfahrens abgeschlossen und die Behörde damit an ihre Entscheidung gebunden (siehe VwGH 20.3.2003, 2001/06/0023); eine übergangene Partei im Mehrparteienverfahren kann ab diesem Zeitpunkt bereits ein Rechtsmittel erheben (siehe etwa VwGH 17.10.2018, Ra 2018/11/0181, 0182; sowie grundlegend zum Mehrparteienverfahren VwGH 26.5.1986, 86/08/0016).

14 Mit anderen Worten: In einem Mehrparteienverfahren ist ein Bescheid dann als erlassen anzusehen, wenn er einer Partei zugestellt und damit rechtlich existent wurde (vgl. VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0060, mit Verweis auf VwGH 26.4.1993, 91/10/0252, mwN). 15 Dementsprechend ist die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer formal als Adressat des Bescheides bezeichnet wurde oder nicht - davon abhängig, ob nach der anzuwendenden gesetzlichen Grundlage der Beschlagnahmebescheid (allenfalls: auch) an ihn zu richten gewesen wäre (vgl. etwa VwGH 30.1.2013, 2012/17/0522).

16 Das Beschwerderecht kommt daher dem Eigentümer der beschlagnahmten Sache auch dann zu, wenn der Bescheid nicht an ihn adressiert war. Dass ein Beschlagnahmebescheid nicht an den Eigentümer beschlagnahmter Glücksspielgeräte gerichtet war und ihm auch nicht zugestellt wurde, steht dessen Beschwerderecht somit nicht entgegen (siehe zum Ganzen auch VwGH 4.9.2018, Ra 2017/17/0169, mwN).

17 Die dargestellte Rechtsprechung bedeutet jedoch nicht, dass eine Partei, der der Beschlagnahmebescheid noch nicht zugestellt wurde, diesen - gegebenenfalls ab Kenntnis von ihm - auch bereits mit Beschwerde bekämpfen müsste, um den Eintritt der Bindungswirkung zu verhindern (vgl. § 7 Abs. 3 VwGVG - siehe abermals VwGH 29.4.2019, Ra 2017/17/0967).

18 Andererseits steht jedoch bereits die Erlassung des Beschlagnahmebescheids bloß einer von mehreren Parteien gegenüber - im Hinblick auf deren Subsidiarität - der Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde durch sämtliche Parteien des Beschlagnahmeverfahrens entgegen (siehe etwa VwGH 29.8.2018, Ra 2017/17/0170).

19 Im vorliegenden Fall wurde die Beschlagnahme der gegenständlichen vier Glücksspielgeräte mit Beschlagnahmebescheid vom 27. Juni 2016 verfügt und dieser Bescheid dem Inhaber der Geräte, und damit einer der Parteien des Beschlagnahmeverfahrens, zugestellt. Der Beschlagnahmebescheid war damit bereits wirksam erlassen. Die revisionswerbende Partei hätte unter Berufung auf ihr Eigentumsrecht an den Geräten, unabhängig davon, dass der Bescheid ihr noch nicht zugestellt war, daher bereits eine Beschwerde erheben können. Andererseits hatte die Behörde den - im Mehrparteienverfahren der Inhaberin gegenüber bereits erlassenen - Beschlagnahmebescheid auch der Eigentümerin zuzustellen. Die Erlassung eines weiteren (neuen) Bescheids gegenüber der revisionswerbenden Partei als Eigentümerin war der Behörde nach dem Dargestellten jedoch verwehrt.

20 Das Landesverwaltungsgericht hätte demnach den bei ihm angefochtenen weiteren Beschlagnahmebescheid vom 31. Jänner 2017 ersatzlos zu beheben gehabt. Indem es dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war somit im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Februar 2020

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