European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030022.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Das Verwaltungsgericht erließ im Rechtszug gegen die revisionswerbende Partei gemäß § 12 Abs. 1 WaffG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG ein Waffenverbot (Spruchpunkt I.) und ließ dagegen die ordentliche Revision nicht zu (Spruchpunkt II.).
2 Begründend hielt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass der Revisionswerber seit dem Jahr 1996 als Jäger tätig sei. Am 5. Juni 2013 habe er einen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Stück genehmigungspflichtige Schusswaffen gestellt. Als Begründung sei angegeben worden: "Ausübung der Jagd, Nachsuche bei Straßen- und Fallwild, Fangschuss, Krähenjagd". Der Revisionswerber verfüge über einen Jagderlaubnisschein. Am 2. Juni 2017 habe er gegen 23.30 Uhr von seinem Grundstück vom Balkon im ersten Stock im Ortsgebiet seines Wohnortes mit seinem Schrotgewehr, welches (ohne Marke, ohne Nummer, mit 70 cm Länge) eine verbotene Waffe darstelle, auf eine Krähe geschossen. Dabei sei von seiner Frau die Krähe zunächst aufgescheucht worden, dann sei von dieser mit einer Taschenlampe die Flugroute verfolgt worden. Mit dem Schuss habe der Revisionswerber jedoch ein ca. 80 bis 100 m entferntes Wohnhaus getroffen und die dortige Fassade, eine Jalousie (Schlafzimmer), einen Holzbalkon, eine Verblendung sowie einen auf dem dortigen Grundstück stehenden Sonnenschirm beschädigt. In diesem Wohnhaus hätten zu dieser Zeit im Schlafzimmer Personen geschlafen, das Fenster und die Jalousie, die durch den Schuss mit zwei Schrotkörnern getroffen worden sei, sei geschlossen gewesen; die in diesem Wohnhaus wohnende Familie habe drei Kinder. Auf Grund einer Anzeige sei der Revisionswerber am 3. August 2017 mit dem Sachverhalt konfrontiert und in der Folge niederschriftlich befragt worden. Er habe sich kooperativ gezeigt und angegeben, auf eine Krähe geschossen zu haben. Der Revisionswerber sei verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und bereue sein Verhalten. Im Umkreis des Hauses des Revisionswerbers befänden sich in Schussrichtung vier Einfamilienhäuser, das getroffene Wohnhaus sei mit den Wohnräumen, dem Pool, dem Jacuzzi und der Terrasse in Richtung der hier relevanten Schusslinie des Revisionswerbers gerichtet. Das beschossene Wohnhaus sei erhöht, die Wiese selbst sei vom Haus des Revisionswerbers nicht einsichtig, weil sie sich hinter einer Steinschlichtung samt einem darauf befindlichen etwa 2 m hohen Thujenzaun befinde. Das gegen den Revisionswerber nach § 125 StGB, § 89 Abs. 1 StGB und § 50 WaffG geführte gerichtliche Verfahren sei zum Teil eingestellt worden, im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Sicherheit und der Sachbeschädigung, weil man dem Revisionswerber keinen Beschädigungsvorsatz und keine Gefährdung im strafrechtlichen Sinn vorwerfen habe können. Wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 WaffG sei ein Strafverfahren wegen dieses Tatvorwurfes vorläufig für eine Probezeit von einem Jahr unterblieben, weil der Revisionswerber binnen 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in der Höhe von EUR 100,-- eingezahlt habe. Der Revisionswerber habe den festgestellten Sachverhalt nicht bestritten und sich in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht insoweit geständig und einsichtig gezeigt, als er ganz offensichtlich Schüsse auf das besagte Wohnhaus nicht beabsichtigt hätte. Seiner Aussage nach habe er tatsächlich eine Krähe bejagen wollen, die sich bereits seit längerem immer wieder auf sein Wohnhaus setzte. Weil der Kot des Tieres das Pflaster verunreinigt habe und das Tier zusehends "genervt" habe, habe er die Krähe erlegen wollen. Dabei habe er ein Schrotgewehr verwendet, das sich seit langem in seinem Besitz befinde, welches er aber ansonsten nicht verwende. Es handle sich um eine verbotene Waffe. Beim Verwaltungsgericht sei der Eindruck entstanden, dass der Revisionswerber zwar den Schaden am besagten Wohnhaus bedauere, das "überzogene Einschreiten" gegen eine Krähe vom Balkon seines Hauses aus mitten in einem besiedelten Gebiet jedoch nicht bereue, vielmehr wurde dies vom Revisionswerber bagatellisiert und es bestehe (beweiswürdigend) daher aus der Sicht des Verwaltungsgerichts durchaus Wiederholungsgefahr. Die Verantwortung des Revisionswerbers, dass die Abgabe eines Schrotschusses in der Bewegung erfolgt sei und sohin eine präzise Schussabgabe gar nicht möglich wäre, vermöge nicht zu seinem Vorteil gereichen, sondern verdeutliche geradezu die Gefährlichkeit einer Unbesonnenheit seines Verhaltens. Zu bedenken sei auch, dass der Revisionswerber auf Grund der gegebenen Örtlichkeit auch keine volle Einsicht in den Garten des beschossenen Wohnhauses gehabt habe und es lediglich dem Umstand zu verdanken sei, dass Jalousien am Fenster im angesprochenen Schlafzimmer geschlossen gewesen seien, dass die Schrotkugeln nicht im Zimmer selbst gelandet seien.
3 B. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Zufolge § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 C. Auf dem Boden der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich die vorliegende Revision als nicht zulässig, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (im Ergebnis) in dem von den Leitlinien dieser Judikatur abgesteckten Rahmen liegt.
5 § 12 Abs. 1 WaffG erlaubt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten (vgl. dazu VwGH 17.5.2017, Ra 2017/03/0028, mwH, worauf gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird). Danach ist (zusammengefasst) für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen.
6 Der Revisionswerber stellt die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zum Vorfall zur Nachtzeit am 2. Juni 2017 nicht in Abrede. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit einer Schussabgabe in der Nähe eines Wohnhauses immer die Gefahr gegeben, dass unbeteiligte Personen (oder auch Tiere) in das Schussfeld geraten können (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0054, mwH). Ferner verwendet ein Waffenbenützer nach der Judikatur eine Waffe leichtfertig, wenn er - wie der Revisionswerber - von vornherein nicht ausschließen kann, dass sich Personen durch die Abgabe von einem Schuss im Wohngebiet bedroht fühlen (vgl. dazu VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0085). Zudem stellt der Schuss auf eine Krähe (von der im Übrigen keine weitere als die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Belästigung ausgeht) zu dieser Zeit eine besonders unverhältnismäßige Reaktion und damit eine ganz besonders missbräuchliche Verwendung einer Waffe dar (vgl. VwGH 22.5.2003, 2000/20/0335; VwGH 12.9.2002, 99/20/0209). Außerdem musste der Revisionswerber als Inhaber einer waffenrechtlichen Urkunde mit den für die Verwendung von Waffen geltenden Rechtsvorschriften vertraut sein (vgl. VwGH 30.6.2006, 2006/03/0070), weshalb ihm bewusst hätte sein müssen, dass es sich bei der von ihm bei der Schussabgabe verwendeten Waffe um eine verbotene Waffe gehandelt hat. Die Verwendung dieser verbotenen Waffe stellt derart einen besonders leichtfertigen Umgang mit Waffen dar.
7 Dass es bezüglich des besagten Vorfalls bislang zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers gekommen ist, ist entgegen der Stoßrichtung der Revision für die Erlassung eines Waffenverbots nicht entscheidend, zumal die Frage der Erlassung des Waffenverbots nach den hiefür vom WaffG vorgesehenen Kriterien vom Verwaltungsgericht eigenständig zu beurteilen ist (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0085, mwH). Entscheidend ist nach § 12 Abs. 1 WaffG die Beurteilung der Frage der Missbrauchsmöglichkeit iSd gesetzlichen Bestimmung, im Fall der Begehung einer Straftat die Straftat selbst - nämlich das gesetzte Fehlverhalten - und nicht die deswegen erfolgte strafgerichtliche Verurteilung. Damit haben die Waffenbehörden und das Verwaltungsgericht im Übrigen auch im Falle eines freisprechenden Urteils oder dann, wenn eine Strafverfolgungsbehörde von einer Verfolgung (allenfalls nach diversionellem Vorgehen) Abstand genommen hat, eigenständig zu beurteilen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung eines Waffenverbots rechtfertigt. Entgegen der Revision erfasst § 12 Abs. 1 WaffG nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges Fehlverhalten. Bei einem Waffenverbot wird nach der ständigen Judikatur nicht über eine strafrechtliche Anklage (vgl. Art. 6 EMRK) entschieden, vielmehr handelt es sich dabei um eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0085; 30.3.2017, Ra 2017/03/0018). Schon deshalb tritt eine verpönte Doppelverfolgung iSd Art. 4 des 7. ZP EMRK nicht in den Blick (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0003).
8 Das Verwaltungsgericht und zuvor die Verwaltungsbehörde haben die für eine Erlassung eines Waffenverbots nach dem WaffG vorgegebenen Kriterien derart eigenständig zu beurteilen, was freilich ein mangelfreies Ermittlungsverfahren verlangt und damit eine vollständige Beweiserhebung voraussetzt (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, mwH). Dass Letzteres im vorliegenden Fall nicht erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich. Dass der Revisionswerber bereits seit mehr als 30 Jahren jagdausübungsberechtigt sei und die Jagd auch seit mehr als 30 Jahren tatsächlich ständig ausübe, vermag nicht zu Gunsten des Revisionswerbers auszuschlagen, zumal auch schon ein einmaliger Vorfall ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang ausschließlich die Tatsache, dass dem vom Waffenverbot betroffenen Menschen angesichts des Vorfalles weiterhin eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist bzw. von diesem zu befürchten ist (vgl. VwGH 17.5.2017, Ra 2017/03/0028). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung angesichts der in Rede stehenden Schussabgabe seitens des Revisionswerbers gegeben.
9 E. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
10 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. März 2018
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