Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §57 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §51;
VwGG §53 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §57 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §51;
VwGG §53 Abs1;
Spruch:
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit die Beschwerde des Zweitrevisionswerbers abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. den Beschluss gefasst:
Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Zweitrevisionswerber Aufwendungen von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu erstatten. Das Kostenbegehren der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wird abgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt
1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen acht Bescheide der Präsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 19. Dezember 2014 gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 55 Abs 1 EO sowie § 6 GEG als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte ferner die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für unzulässig (Spruchpunkt B).
2. Dem liegt zugrunde, dass die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht mehrere Zahlungsaufträge in der Form von (im angefochtenen Erkenntnis näher bezeichneten) Mandatsbescheiden an die zweitrevisionswerbende Partei richtete, mit denen diese aufgefordert wurde, die mit den Beschlüssen des Bezirksgerichts Wiener Neustadt verhängten Geldstrafen sowie eine Einhebungsgebühr einzuzahlen, andernfalls die Beträge zwangsweise eingebracht würden. Dieser Zahlungsauftrag wurde der erstrevisionswerbenden Partei vom Bezirksgericht Wiener Neustadt zur Kenntnis gebracht.
Die Mandatsbescheide vom 31. Oktober 2014 seien der zweitrevisionswerbenden Partei am 7. November 2014 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die Mitteilungen des genannten Bezirksgerichts, mit denen der erstrevisionswerbenden Partei die Zahlungsaufforderungen an die zweitrevisionswerbende Partei zur Kenntnis gebracht wurden, wurden von der erstrevisionswerbenden Partei am 5. Oktober 2014 übernommen. Die dagegen von beiden revisionswerbenden Parteien erhobene Vorstellung sei am 24. November 2014 elektronisch bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde eingebracht worden, weshalb sie von dieser zu Recht als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.
Nach § 57 Abs 3 AVG habe die belangte Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten gehabt, widrigenfalls ein angefochtener Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft getreten wäre. Wie sich aus einem Aktenvermerk der Verwaltungsbehörde ergebe, habe diese am Tag des Einlangens der Vorstellung das Ermittlungsverfahren eingeleitet, sodass der Bestimmung des § 57 Abs 3 AVG entsprochen worden sei und die angefochtenen Mandatsbescheide nicht außer Kraft getreten seien. Die fraglichen Mandatsbescheide seien rechtskräftig und vollstreckbar.
Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs stehe für das Verwaltungsgericht im Übrigen fest, dass die revisionswerbenden Parteien die durch rechtskräftige Mandatsbescheide der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vorgeschriebenen Geldstrafen sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG zu zahlen hätten.
3. Aus den Bescheiden der Verwaltungsbehörde ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass diese die Vorstellung, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs 1 GEG innerhalb zwei Wochen eingebracht worden sei, als verspätet zurückgewiesen hat. Zudem wies die Behörde darauf hin, dass die erstrevisionswerbende Partei nicht zur Zahlung aufgefordert worden sei. Die Verwaltungsbehörde wies (zusammengefasst) weiters darauf hin, dass bei rechtzeitiger Einbringung der Vorstellung dieser im Übrigen ein Erfolg zu versagen gewesen sei, weil gemäß § 6b Abs 4 GEG im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit eine im gerichtlichen Grundverfahren dem Grund und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden könne.
4. Gegen das genannte verwaltungsgerichtliche Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision insbesondere mit dem Begehren, diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II. Erwägungen
1. Infolge der auch zur Zulässigkeit der Revision geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wie sie im Folgenden aufgezeigt wird, erweist sich die Revision des Zweitrevisionswerbers als zulässig und begründet.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat eine Rechtsmittelbehörde das Risiko der Aufhebung ihrer Entscheidung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl etwa VwGH vom 25. April 2014, 2012/10/0060; VwGH vom 29. August 2013, 2013/16/0050; VwGH vom 11. Februar 2007, 2004/18/0186; VwGH vom 31. Jänner 2006, 2005/05/0094; VwGH vom 22. November 2005, 2001/03/0210). Dies gilt auch für das Vorstellungsverfahren (VwGH vom 24. November 2011, 2011/23/0269). Vor Zurückweisung einer Vorstellung als verspätet hat die Behörde entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Rechtsmittelwerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten.
3. Im vorliegenden Fall ist ein solcher Vorhalt offensichtlich unterblieben. Dies wurde von den revisionswerbenden Parteien im Übrigen bereits in ihrer gegen die Bescheide der Verwaltungsbehörde vom 19. Dezember 2014 gerichteten Beschwerde vorgebracht, wobei geltend gemacht wird, dass als Beginn der Abholfrist (für den Zweitrevisionsweber) nicht der 7. November 2014, sondern der 10. November 2014 (entsprechend den Kopien der Verständigung der Hinterlegung) gewesen sei und daher die Vorstellungen jeweils fristgerecht eingebracht worden seien.
Indem das Verwaltungsgericht insofern die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht beachtete, hat es die Rechtslage verkannt und das angefochtene Erkenntnis im Hinblick auf den Zweitrevisionswerber mit Rechtswidrigkeit des Inhalts behaftet. Auf seiner unzutreffenden Rechtsauffassung aufbauend hat das Verwaltungsgericht ferner den maßgebenden Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und festgestellt. Da angesichts der seitens der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde erfolgten Zurückweisung der Vorstellungen als verspätet die "Sache" sowohl der Verfahren vor dieser Behörde als auch des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die "Rechtmäßigkeit der Zurückweisung" war (vgl etwa VwGH vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002), erweisen sich die materiellrechtlichen Hinweise des Verwaltungsgerichts und der Verwaltungsbehörde als nicht zielführend.
4. Die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision beziehen sich inhaltlich ausschließlich auf den Zweitrevisionsweber, der mit den dem Verfahren zugrunde liegenden Mandatsbescheiden zur Zahlung aufgefordert worden war. Im Hinblick auf die sich verfahrens- und materiellrechtlich davon deutlich unterscheidende Position der erstrevisionswerbenden Partei - die durch die Mandatsbescheide nicht zur Zahlung aufgefordert worden war - enthält die Revision hingegen keine gesonderten Ausführungen der Zulässigkeit der Revision (§ 28 Abs 3 VwGG), sodass sie sich schon aus diesen Gründen als unzulässig erweist.
III. Ergebnis
1. Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die Beschwerde des Zweitrevisionswerbers abwies, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
2. Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei war daher, da darin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wurde, gemäß § 34 Abs 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
3. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte nach § 39 Abs 2 Z 3 und 4 VwGG entfallen (vgl idS VwGH vom 22. Jänner 2015, Ro 2014/06/0005).
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Gemäß § 53 Abs 1 VwGG ist bei Anfechtung eines Erkenntnisses oder Beschlusses durch mehrere Revisionsweber in einer Revision die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, als ob die Revision nur vom erstangeführten Revisionswerber eingebracht worden wäre. Diese Bestimmung gilt jedoch nur für den Fall, dass die Revisionen aller Revisionswerber dasselbe Schicksal teilen. Trifft dies nicht zu, so sind die Revisionen der einzelnen Revisionswerber, auch wenn sie in einem Schriftsatz enthalten sind, hinsichtlich der Aufwandersatzpflicht gesondert zu behandeln (vgl das hg Erkenntnis vom 30. Jänner 2015, Ra 2014/17/0025-0027). Dem Zweitrevisionswerber war daher Aufwandersatz gemäß § 47 Abs 2 Z 1 VwGG zuzusprechen.
Hinsichtlich der Revision der erstrevisionswerbenden Partei ist festzuhalten, dass gemäß § 51 VwGG in Fällen, in denen die außerordentliche Revision nach der Einleitung des Vorverfahrens zurückgewiesen wurde, die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn die Revision abgewiesen wurde. Im vorliegenden Fall war das in der Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht gestellte Kostenbegehren jedoch abzuweisen, da die Revisionsbeantwortung keine auf die erstrevisionswerbende Partei abstellenden Ausführungen, insbesondere auch zur Zulässigkeit, enthielt. Die Revisionsbeantwortung enthält damit im Hinblick auf die erstrevisionswerbende Partei kein auf die Revision oder auf die Sache Bezug habendes Vorbringen, sodass kein Schriftsatzaufwand gebührt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2009/15/0185).
Wien, am 13. Oktober 2015
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