VwGH 2011/07/0178

VwGH2011/07/017825.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde 1. des A W und 2. der G W, beide in T, beide vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 12. Mai 2011, Zl. WA1-W-42957/001-2010, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: K M in T, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §13 Abs8 idF 1998/I/158;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs3 impl;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;
WRG 1959 §12;
WRG 1959 §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) vom 15. Februar 2007 wurde der mitbeteiligten Partei als Betreiber einer an einem Werkskanal gelegenen Wasserkraftanlage in T. nachträglich die wasserrechtliche Bewilligung für

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet unter anderem, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. uva die hg. Beschlüsse vom 18. März 1994, Zl. 91/07/0144, und vom 27. September 1994, Zl. 94/07/0073).

Dies bedeutet, dass mit der Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 26. Jänner 2009 durch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2010, Zl. 2009/07/0063, das Berufungsverfahren gegen den Bescheid der BH vom 15. Februar 2007 wieder bei der belangten Behörde anhängig gewesen ist. Zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens gegen den BH-Bescheid vom 15. Jänner 2007 bei der belangten Behörde entschied die BH mit Bescheid vom 3. August 2010 über das mit Antrag der mitbeteiligten Partei vom 3. September 2009 eingereichte Projekt.

Nach der mit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 in das AVG eingefügten Bestimmung des § 13 Abs. 8 leg. cit. kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, wobei (jedoch) durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden darf.

Gemäß § 37 letzter Satz AVG hat die Behörde nach einer (zulässigen) Antragsänderung (§ 13 Abs. 8 leg. cit.) das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist.

Nach den Materialien zu § 13 Abs. 8 AVG (vgl. RV 1167 BlgNR XX. GP, 27 f) sollen mit § 13 Abs. 8 AVG Änderungen des Projektes nunmehr grundsätzlich ermöglicht und dadurch vermieden werden, dass der Antragsteller, der im Antragsverfahren sinnvollerweise auch den Inhalt seines Begehrens bestimmen können soll, wenn er seinen Antrag ändern will, gleichsam "an den Start zurückgeschickt" werden muss, was weder in seinem Interesse noch im öffentlichen Interesse an einer möglichst umfassenden und ökonomischen Entscheidung über ein Vorhaben (Projekt) liegt. Diese Antragsänderung soll jedoch u.a. nur dann zulässig sein, wenn durch sie die Sache ihrem "Wesen" nach nicht geändert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2006/07/0108, VwSlg. 17.168 A/2007).

Der Amtssachverständige kommt in seinem Gutachten vom 10. Februar 2011 zu dem Schluss, dass es sich bei den mit Bescheiden der BH vom 15. Februar 2007 und vom 3. August 2010 bewilligten Projekten dem Wesen nach um dieselbe Anlage handle. Das mit Bescheid der BH vom 3. August 2010 zusätzlich bewilligte Streichwehr werde als geringfügige technische Abweichung im Sinne einer Störfallvorsorge gewertet.

Diese Einschätzung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Beide Projekte der mitbeteiligten Partei sehen eine Dotierung des Werkskanals im Ausmaß von maximal 3.000 l/s vor. Allein darin erblicken die beschwerdeführenden Parteien eine Beeinträchtigung ihrer wasserrechtlich geschützten Rechte.

Modifikationen eines in erster Instanz behandelten Anlagenvorhabens sind im Berufungsverfahren zulässig, soweit sie weder andere Parteien als bisher noch bisherige Verfahrensparteien anders als bisher berühren (vgl. wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2006/07/0108).

Beide Projekte sind somit hinsichtlich allfälliger Auswirkungen auf die Rechte der beschwerdeführenden Parteien ihrem "Wesen" nach identisch.

Die Behörden haben ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 AVG von Amts wegen wahrzunehmen. Sowohl für die Behörden erster Instanz als auch für die Berufungsbehörden gilt, dass maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Sach- und Rechtslage ist (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 27. Juni 2013, Zl. 2012/12/0115, und das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ra 2014/03/0004).

Ungeachtet dessen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Ausführungen der beschwerdeführenden Parteien, wonach die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unzuständig gewesen wäre, aus nachstehenden Gründen für unzutreffend:

Die beschwerdeführenden Parteien verkennen nämlich die Wirkung des rechtskräftigen Bescheides der belangten Behörde vom 29. März 2011, welcher den ursprünglichen Bewilligungsbescheid der BH vom 15. Februar 2007 ersatzlos behob. Diese ersatzlose Behebung wirkt - insoweit vergleichbar mit § 42 Abs. 3 VwGG - ex tunc (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/09/0046, mwN). Das bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides der BH vom 15. Februar 2007 und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre.

Obwohl zum Zeitpunkt der Entscheidung der BH vom 3. August 2010 auf Grund der Anhängigkeit des Verfahrens über die Berufung gegen den Bescheid der BH vom 15. Februar 2007 bei der belangten Behörde die BH nicht zuständig gewesen ist, über den modifizierten Antrag vom 3. September 2009, der dem "Wesen" nach eine den Gegenstand des Bescheides der BH vom 15. Februar 2007 idente Sache betrifft, zu entscheiden, ist die Situation im Nachhinein aufgrund der ex tunc-Wirkung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. März 2011 so zu betrachten, als ob der Bescheid der BH vom 15. Februar 2007 von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Somit ist auch im Nachhinein die Anhängigkeit des Berufungsverfahrens gegen den Bescheid der BH vom 15. Februar 2007 bei der belangten Behörde als von Anfang an nicht gegeben anzusehen.

Damit wurde eine "rückwirkende Sanierung" der Unzuständigkeit der BH zur Erlassung ihres Bescheids vom 3. August 2010 bewirkt. Die vorliegende Fallkonstellation ist mit jener vergleichbar, bei der es durch die Normierung eines "rückwirkenden Inkrafttretens" einer geänderten Zuständigkeitsbestimmung durch den Gesetzgeber zu einer ebensolchen Sanierung kommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1984, Zl. 83/07/0301).

Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor.

Zutreffend ging die belangte Behörde in Bindung an die im hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2010, Zl. 2009/07/0063, geäußerte Rechtsansicht auf die durch eine eventuelle mangelnde Dichtheit des Werkskanals hervorgerufene Beeinträchtigung des Grundeigentums der beschwerdeführenden Parteien nicht ein.

Auch war eine Beeinträchtigung des Grundeigentums der beschwerdeführenden Parteien durch eine Änderung des Grundwasserstandes (§ 12 Abs. 4 WRG 1959) nicht zu erörtern, da von diesen lediglich Überschwemmungen ins Treffen geführt wurden (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2010, Zl. 2009/07/0063).

Im fortgesetzten Verfahren ging die belangte Behörde in einem mängelfrei geführten Verfahren davon aus, dass bei einer Dotierung des Werkskanals mit 3 m3/s von keiner Überflutungsgefahr des Grundstückes der beschwerdeführenden Parteien auszugehen ist.

Sie hat sich dabei auf das schlüssige Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 10. Februar 2011 gestützt. Der wasserbautechnische Amtssachverständige zog in diesem Zusammenhang die hydraulischen Berechnungen von DI Rudolf H. vom 17. März 1983 heran. Diese basierten auf einer Wassermenge von 3 m3/s im gegenständlichen Werkskanal. Nachvollziehbar kommt der wasserbautechnische Amtssachverständige zu seinen Schlussfolgerungen, welche sich auf die Tatsachen gründen, wonach eine Triebwassermenge von 3 m3/s Grundlage für die Dimensionierung der gegenständlichen Kraftwerksanlage im Jahr 1916 gewesen ist und auch dementsprechend die Beaufschlagung der Turbinen mit Bescheid vom 15. Mai 1916 bewilligt worden war. Demzufolge ist der Werkskanal für 3 m3/s dimensioniert.

Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Feststellungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen sind die beschwerdeführenden Parteien im gesamten, zum angefochtenen Bescheid führenden Verfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Mit der Stellungnahme der beschwerdeführenden Parteien vom 1. April 2011 hat sich die belangte Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid ausreichend auseinander gesetzt.

Die beschwerdeführenden Parteien verweisen auf den Bescheid der BH vom 18. August 1989, mit dem nur 2,8 m3/s zur Ausleitung in den Werkskanal bewilligt worden seien.

Zutreffend hält die belangte Behörde in diesem Zusammenhang fest, dass es sich dabei um ein Wasserrecht für einen anderen Wasserbenutzungsberechtigten handelt. Daraus ist nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine Entnahme von 3 m3/s unzulässig und kapazitätsüberschreitend für den Werkskanal sei. Dies schließt nicht aus, einer anderen Rechtsperson eine eigenes Wasserbenutzungsrecht mit höherer Konsensmenge einzuräumen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Rahmenbedingungen - der Werkskanal kann 3 m3/s fassen - erfüllt sind.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. September 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte